Landgericht Oldenburg
Urt. v. 14.05.2003, Az.: 5 O 3852/02

Abwägungsgrundsätze für die Bestimmung des Namensführungsrechts an einer Internetdomain bei Gleichnamigkeit von Prioritätsälterem und Prioritätsjüngerem; Anspruch des Prioritätsjüngeren gegen den Prioritätsälteren ohne Namensführungsrecht auf Freigabe der von diesem geführten Internetdomain zu Gunsten des Prioritätsjüngeren

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
14.05.2003
Aktenzeichen
5 O 3852/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2003:0514.5O3852.02.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - 25.07.2003 - AZ: 13 U 73/03

In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.03
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Internet-Domain ... zu benutzen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Beklagten Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 1/3 und dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 5.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Freigabe, hilfsweise die Unterlassung der Nutzung einer Internet-Domain.

2

Die Klägerin ist eine politische Gemeinde und Ferienort im Harz.

3

Der Beklagte hat bei der ... die Internet-Domain ... eintragen lassen. Die unter dieser Bezeichnung angewählte Homepage enthielt einen Hinweis auf einen Ortsteil ... der Gemeinde ... sowie auf den Namen des Beklagten in seiner Eigenschaft als Leiter eines Gesangschores und inzwischen Links auf verschiedene Gleichnamige.

4

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die Internetadresse ... gegenüber ....freizugeben

5

hilfsweise:

bei Meidung von Ordnungsmitteln es zu unterlassen, unter der Domain ... nach außen hin aufzutreten.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte verweist auf seinen bürgerlichen Namen und nimmt zudem für sich die älteren Rechte in Anspruch.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist nach dem Hilfsantrag begründet. Die Klägerin hat nach § 12 BGB einen Anspruch darauf, daß der Beklagte die Führung des Namens ... in Form einer Alleinstellung unterläßt.

9

Bei der streitigen Bezeichnung handelt es sich um den nach § 12 BGB geschützten Namen der Klägerin. Demgegenüber kann sich ein Domainnutzer ebenfalls auf § 12 BGB berufen, da die Internetdomain regelmäßig namensmäßig mit Zuordnungs- und Unterscheidungsfunktion genutzt wird (OLG Köln CR 00,696; NJW-RR 99, 622; LG Deggendorf CR 01, 266; LG Berlin CR 00, 700; Redeker, Der EDV-Prozeß, 2. Aufl., RN 664; Nordemann NJW 97, 1891, 1895). Dabei gilt bei der Domainanmeldung Priorität der Anmeldung (BGHZ 149, 191 - shell.de; OLG Hamburg NJW-RR 99, 625; Redeker, a.a.O.., RN 666).

10

Der Prioritätsjüngere kann sich jedoch dann auf bessere Rechte nach § 12 BGB stützen, wenn die ältere Anmeldung ohne eigenes Benutzungsrecht erfolgt und dadurch eine Zuordnungsverwirrung eintritt (OLG Köln NJW-RR 99, 622; LG Deggendorf CR 01, 267; Nordemann, a.a.O.., S. 1896) oder wenn im Falle der Gleichnamigkeit die Abwägung der Interessen dazu führt, daß der Prioritätsältere den Namen nur mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz führen darf (BGH a.a.O.. - shell.de; NJW 02, 691 -vossius.de).

11

Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin hat das Namensrecht eines Ferienortes. Der Beklagte ist grundsätzlich nicht gehindert, unter seinem bürgerlichen Namen aufzutreten. Wie der BGH im Shell-Urteil zutreffend ausgeführt hat, wird eine Internetadresse unter der Top-Level-Domain "de" nur einmal vergeben. Wird weiter das dort ebenfalls beschriebene Nutzerverhalten berücksichtigt, daß es durchaus nicht wenige gibt, die im Internet einfach nur einen (ihnen) bekannten Namen mit der Bezeichnung "de" eingeben, so ist nicht vorstellbar, daß eine nennenswerte Anzahl den Beklagten als Inhaber der Web-Seite erwartet.

12

Mit der Führung der Bezeichnung "..." in Form der Alleinstellung verletzt der Beklagte als Prioritätsälterer im Internet das allgemeine Namensführungsrecht der im übrigen deutlichälteren und bekannteren Klägerin. Das Internet ist kein abgeschlossener Raum, in dem allein Priorität gilt, während die Namensführung außerhalb des Internets völlig ohne Beachtung bleibt. So wünscht sich das der Beklagte. Er möchte im Internet seinen Nachnamen als Einziger unter der Top-Level-Domain ".de" bundesweit führen, ohne auf die namensrechtlichen Interessen anderer Rücksicht nehmen zu müssen, selbst wenn diese das Recht haben, denselben Namen zu führen, dies schon sehr viel länger und mit deutlich höherem Bekanntheitsgrad.

13

Bei der gebotenen Abwägung stellt sich dann nur noch die Frage, ob die Führung des Namens ohne Unterscheidungsmerkmal zu unterlassen, oder ob ein Link auf der ersten sich öffnenden Seite anzubringen ist, wie es der BGH in der Entscheidung ... (a.a.O..) erkannt hat.

14

Hier ist einer Feriengemeinde nicht zuzumuten, daß sie nicht mit ihrem Ortsnamen, wie viele andere Gemeinden auch im Internet vertreten ist, sondern daß Interessenten sie auf einer privaten Seite einer nahezu unbekannten und wenig bedeutenden Person vorfinden.

15

Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch darauf, daß der Beklagte die streitige Internetdomain zu ihren Gunsten freigibt. Dazu hat der BGH (BGHZ 149, 191 - shell.de) überzeugend ausgeführt, daß hierzu ein hoher Bekanntheitsgrad erforderlich ist. Eine doch eher kleine Feriengemeinde erreicht nicht einen vergleichbaren Bekanntheitsgrad wie ein Weltkonzern und auch nicht den einer Stadt wie etwa Heidelberg.

16

Wenn auf diese Weise die direkte Eingabe der Domain "..." zu keinem Ergebnis führt, weil der Beklagte diese Bezeichnung blockiert, ohne sie führen zu dürfen, muß der Nutzer eben doch eine Suchmaschine einsetzen.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 709 ZPO.