Landgericht Oldenburg
Urt. v. 19.09.2003, Az.: 13 O 1359/03

Anforderungen an die Substantiierung eines Leistungsanspruchs gegenüber einer Hausratsversicherung wegen eines Brandschadens; Ausgestaltung der Leistungsfreiheit einer Hausratsversicherung wegen eines grob fahrlässig herbeigeführten Wohnungsbrandes

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
19.09.2003
Aktenzeichen
13 O 1359/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 36410
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2003:0919.13O1359.03.0A

Verfahrensgegenstand

Leistung aus Hausratsversicherung

...
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.2003
durch
den Richter am Landgericht ... als Vorsitzenden,
die Richterin am Landgericht ... und
den Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist für die Beklagte wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer bei der Beklagten abgeschlossenen Hausratsversicherung wegen eines Brandschadens vom 16.05.2002. Dem Versicherungsverhältnis liegen die VHB 95 zugrunde.

2

Er hatte am 16.05.2002 morgens im Bett geraucht. Durch eine brennende Zigarette bzw. Zigarettenglut war es unter streitigen Umständen zu einem Schwelbrand in der Wohnung des Klägers gekommen, wodurch ein Schaden an den Einrichtungsgegenständen des Klägers entstanden ist. Die Beklagte zahlte einen Vorschuss von 5.000,- EUR, lehnte jedoch mit Schreiben vom 21.10.2002 eine weitere Regulierung ab, da der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig verursacht habe.

3

Der Kläger behauptet, er sei am Schadenstage etwa um 7.00 Uhr aufgewacht und habe bis 9.00 Uhr im Bett fern gesehen und dabei einige Zigaretten geraucht. Dabei habe er - was unstreitig ist - einen neben sich auf der Matratze stehenden Aschenbecher verwendet, bei dem die Zigarette auf einem Drehteller liegend durch Drücken eines Knopfes, der den Teller in Rotation versetzt, in das Innere des Aschenbechers befördert werde. Zu dem Brand sei es offenbar dadurch gekommen, dass eine noch glühende Zigarette von ihm unbemerkt beim Betätigen des Drehmechanismus nicht in das Innere des Aschenbechers befördert worden, sondern von dem Teller des Aschenbechers herunter auf das Bett geschleudert worden sei. Erst nachdem er die Zigarette aufgeraucht, das Bett verlassen und sich ins Wohnzimmer begeben habe, sei die Matratze in Brand geraten. Insgesamt sei ihm ein Schaden von rund 16.000,- EUR entstanden.

4

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.914,44 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Die Beklagte bestreitet das Vorbringen des Klägers zur Verursachung des Brandes, weil dieser gegenüber dem den Brand aufnehmenden Polizeibeamten und auch gegenüber ihrem Regulierungsbeauftragten anderlautende Angaben gemacht habe. Sie ist im übrigen aber der Ansicht, der Kläger habe den Wohnungsbrand bereits aufgrund seines eigenen Sachvortrags grob fahrlässig herbeigeführt, weshalb sie von der Leistungspflicht frei sei.

Entscheidungsgründe

7

Die Klage ist unbegründet.

8

Ein Anspruch auf Ersatz des durch den Wohnungsbrand verursachten Schadens steht dem Kläger aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Hausratsversicherung nicht zu.

9

Bereits nach seinem eigenen Vortrag zur Brandverursachung handelte der Kläger grob fahrlässig, mit der Folge des Ausschlusses seiner Ansprüche nach §61 VVG i.V.m. §10 Nr. 1 lit. a) der Hausratsversicherungsbedingungen der Beklagten (VHB 95).

10

Grob fahrlässig ist ein Verhalten des Versicherungsnehmers regelmäßig dann, wenn dieser wusste oder wissen musste, dass sein Handeln geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls zu fördern, wobei die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts offenkundig so groß sein muss, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten an den Tag zu legen (Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., §61 VVG, Rn. 11).

11

Mag das Rauchen im Bett nicht per se grob fahrlässig in diesem Sinne sein, so begründet doch jedenfalls die Verwendung eines auf der Matratze des Bettes stehenden Aschenbechers mit Drehmechanismus in der von dem Kläger vorgetragenen Weise den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

12

Bei einem Aschenbecher mit Drehmechanismus besteht selbst auf festen Unterlagen bauartbedingt die Gefahr, dass eine noch glühende, nicht richtig ausgedrückte Zigarette oder zumindest ein Teil der Glut aufgrund der Fliehkraft durch das Rotieren des Drehtellers gerade nicht in das Innere des Aschenbechers befördert, sondern von dem Drehteller herunter aus dem Aschenbecher hinaus geschleudert wird. Dabei kommt noch hinzu, dass aufgrund der Bauart des Aschenbechers zusätzlich noch in besonderem Maße das Risiko besteht, dass eine Zigarette gar nicht richtig ausgedrückt wird, weil der Drehteller, auf den die Zigarette gedrückt wird, bereits durch den beim Ausdrücken entfalteten Druck nachgibt. Hierdurch wird das Erlöschen der Glut deutlich erschwert.

13

Dieses offenkundige Risiko bei der Verwendung des Aschenbechers musste auch dem Kläger bewußt sein. Es war ihm im übrigen ersichtlich auch bekannt, da er dem entsprechenden Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2003 nur durch den Einwand entgegengetreten ist, dass es selten - und dann auch auf festem Untergrund - zu dieser Fehlfunktion komme, so dass die grundsätzliche Funktionsweise des Aschenbechers durch die Verwendung auf der Matratze seines Bettes nicht weiter nachteilig beeinflusst worden sei.

14

Zwar bestehen bereits an den Ausführungen des Klägers zur vollen Funktionsfähigkeit des Aschenbechers im Bett Zweifel, weil es naheliegend erscheint, dass ein Aschenbecher der vorliegenden Art auf einem nachgebenden Untergrund in seiner Funktionsweise deshalb beeinträchtigt ist, weil der Drehmechanismus darauf aufbaut, dass beim Drücken des Knopfes ein hinreichender Widerstand von unten gewährleistet ist. Hierauf kommt es aber gar nicht an.

15

Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit stützt sich vielmehr bereits darauf, dass der Kläger in Kenntnis des dargelegten grundsätzlichen Risikos von Aschenbechern der vorliegenden Art eben einen solchen auf seiner Matratze - einem leicht entzündlichen Untergrund - einsetzte. Gerade dieses Risiko hat sich nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers auch in dem Schwelbrand realisiert.

16

Aufgrund seiner Kenntnis des Risikos musste auch dem Kläger bewußt sein, dass er durch sein Verhalten in einem solchen Ausmaß eine Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Brandes als Versicherungsfall i.S.d. §3 Nr. 1 VHB 95 begründete, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalles ein anderes Verhalten zu zeigen, nämlich speziell diesen Aschenbecher nicht im Bett, sondern nur auf einem weniger leicht entzündlichen Untergrund zu verwenden.

17

Da allein die Verwendung des Aschenbechers als solche bereits den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet, kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger beim Verlassen des Bettes nicht bemerkt hat, dass eine noch glühende Zigarettenkippe auf das Bett geschleudert wurde. Dieser Umstand unterstreicht allenfalls noch die mangelnde Vorsicht des Klägers.

18

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§91, 708 Nr. 11 ZPO.

19

Der Schriftsatz der Beklagten vom 18.09.2003 lag vor, er bot jedoch keine Veranlassung, wieder in die mündliche Verhandlung einzutreten.