Landgericht Oldenburg
v. 11.07.2003, Az.: 2 O 413/03

Auskunftsanspruch des Sicherungseigentümers von Fahrzeugen im Hinblick auf die Mieterlöse des Vermieters der Fahrzeuge gegen dessen Insolvenzverwalter; Fehlende Zustimmung des Sicherungseigentümers für die Überlassung des Sicherungsgutes

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
11.07.2003
Aktenzeichen
2 O 413/03
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2003, 36875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:2003:0711.2O413.03.0A

Verfahrensgegenstand

Auskunft und Zahlung nicht ausgekehrter Nutzungsentschädigungen

In dem Rechtsstreit
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2003
durch
die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin

  1. 1.

    Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer geschlossenen systematischen Aufstellung über

    1. a)

      die Art und Weise sowie Dauer der Nutzung der von der Firmengruppe ... an die Klägerin sicherungsübereigneten Fahrzeuge - Lkw, Lkw-Anhänger, Kofferbrücken und Pkw gemäß Anlage K 0 - für den Zeitraum 11.04.2001 bis 31.05.2001 unter Angabe des jeweiligen Nutzers/Mieters;

    2. b)

      die aus der Nutzungsüberlassung/Vermietung der an die Klägerin von der Firmengruppe ... sicherungsübereigneten Fahrzeuge (Anlage K 0) während des Zeitraums 11.04.2001 bis 31.05.2001 entstandenen Mieterlöse/Nutzungsentschädigungen,

  2. 2.

    die erteilten Auskünfte aus Ziffer 1. zu belegen durch Vorlage

    1. a)

      der mit dem jeweiligen Nutzer/Mieter getroffenen Überlassungsvereinbarung

    2. b)

      der Einzelabrechnungen der Überlassungen für den Zeitraum 11.04.2001 bis 31.05.2001.

    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt im Rahmen einer Stufenklage in der ersten Stufe von dem Beklagten Auskunft über die Nutzung und über die erzielten Miterlöse von Fahrzeugen, die im Sicherungseigentum der Klägerin standen und die von der Gemeinschuldnerin, einer Spedition, an die Spedition ... GmbH (im folgenden Firma ...) überlassen oder vermietet wurden, und zwar für den Zeitraum, in welchem der Beklagte als vorläufiger Insovenzverwalter für die Firmengruppe ..., also die Beklagte, tätig war.

2

Die als Anlage K 1 überreichten Sicherungsübereignungsverträge aus der Zeit vom 26.11.1997 bis 30.01.2001 enthalten unter anderem die Bestimmung, daß das Sicherungsgut an seinem Standort zu belassen ist, soweit es nicht benutzt wird, und daß die Klägerin die Herausgabe des Sicherungsgutes verlangen kann, wenn die Firma ... die Zahlungen eingestellt hat oder die Eröffnung des Insovenzverfahrens beantragt worden ist.

3

Am 10.04.2001 übergab der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin der Firma ...sämtliche Fahrzeuge incl. derjenigen, die an die Klägerin übereignet waren, sowie die Computeranlage, das Betriebsgelände, die Mitarbeiter usw. mit unter anderem der mündlichen Abrede, daß die Firma ... für die überlassenen Fahrzeuge eine Nutzungsentschädigung zahlen solle. Nur so konnten die Fahrzeuge weiter betrieben werden, denn die Tankkartenunternehmen der Gemeinschuldnerin hatten deren Tankkarten gesperrt, so dass die - vorhandenen - Aufträge andernfalls nicht weiter hätten durchgeführt werden können. Durch diese Vereinbarung durften diese Fahrzeuge nun die Tankkarten zu Lasten der Firma ... benutzen.

4

Ebenfalls am 10.04.2001 stellte die Gemeinschuldnerin Insolvenzantrag. Mit Beschluß vom 11.04.2001 (K 2), auf den Bezug genommen wird, wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Das Amtsgericht ordnete an, daß über Vermögensgegenstände nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters verfügt werden dürfe und Verbindlichkeiten nur mit dessen Zustimmung eingegangen werden dürfen. Als Besonderheit bezüglich der Fahrzeugen wurde angeordnet, daß diese ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters an die Eigentümer zurückgegeben werden dürfen, wenn nachgewiesen ist, daß die Überlassungsverträge vor Antragstellung gekündigt wurden.

5

Der Beklagte genehmigte die Überlassung der Fahrzeuge an die Firma ... Dies erfuhr die Klägerin in einem Gespräch vom 02.05.2001. Sie erklärte sich mit der entgeltlichen Überlassung einverstanden, verlangte aber, daß ihr die Nutzungsentschädigung zufließen müsse. Anderenfalls hätte sie der Vermietung nicht zugestimmt. Streitig ist, ob der Beklagte dem zustimmte.

6

Am 01.06.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet (K 9). Sodann korrespondierten die Parteien mit Schreiben vom 08.05.2001 (K 4), vom 18.05.2001 (K 5), vom 25.06.2001 (K 6) und 03.07.2001 (K 7). In letzterem Schreiben sagte der Beklagte zu, daß die Firma ... die übliche Nutzungsentschädigung an die Klägerin unmittelbar zahlen werde. Letzteres geschah auch, jedoch nur für die Zeit seit dem 01.06.2001 bis zum späteren Verkauf der Fahrzeuge, der Ende Juli bzw. Anfang August 2001 stattfand. Die Klägerin erhielt für diesen Zeitraum eine Nutzungsentschädigung von (80.040,00 DM abzüglich Reparaturkosten =) 57.775,91 DM.

7

Für die Zeit davor erhielt die Klägerin keine Nutzungsentschädigung. Der Beklagte erteilte auch nicht die verlangten Auskünfte, sondern bot der Klägerin an, bei der Firma ... die betreffenden Unterlagen selber einzusehen.

8

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe am 02.05.2001 zugestimmt, daß die Nutzungsentschädigungen für die Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung an die Klägerin ausgekehrt werden solle.

9

Sie meint, daß sie nach dem Sicherungsübereignungsvertrag die Herausgabe der Fahrzeuge hätte verlangen können und ohne ihre Zustimmung eine Vermietung auch nicht zulässig gewesen wäre.

10

Die Klägerin ist darüberhinaus der Auffassung, daß der Beklagte durch die Vermietung bzw. Zustimmung zur Vermietung eine Verwertungshandlung vorgenommen habe. An dem Verwertungserlös aber stehe ihr ein Absonderungsrecht zu gemäß §§ 170, 172 InsO.

11

Die Vermietung sei allerdings nicht schon am 10.04.2001 wirksam geworden, da die Preisvereinbarung von diesem Tage noch zu unbestimmt gewesen sei. Erst der Beklagte habe die Fahrzeuge durch die vermeintliche Genehmigung vermietet, was im übrigen eine - unzulässige - Verwertungshandlung gewesen sei. Jedenfalls habe der Beklagte die Möglichkeit einer Kündigung gegenüber der Firma ... verstreichen lassen, was eine Handlung im Sinne des § 55 InsO darstellt, so daß jedenfalls eine Masseverbindlichkeit entstanden sei. Die Vorschrift des § 55 InsO gelte entsprechend für den schwachen Insolvenzverwalter.

12

Das Angebot, die erforderlichen Unterlagen bei der Firma ... einzusehen, sei nicht ausreichend, zumal § 167 II InsO einen so gelagerten Fall keineswegs meine. Der Beklagte habe einer Verwertung zugestimmt, dies sei jedoch der Gläubigerversammlung vorbehalten, § 157 InsO, denn das Unternehmen der Gemeinschuldnerin sei damit endgültig stillgelegt.

13

Um ihre Ansprüche beziffern zu können, bedürfe es der geltendgemachten Auskunft.

14

Die Klägerin beantragt,

  1. I.)

    wie erkannt.

  2. II.)

    den Beklagten erforderlichenfalls zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte zu Ziffer I.) an Eides statt zu versichern,

  3. III.)

    nach Erledigung von Ziffer I.) und II.) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen nach Auskunfterteilung noch zu bestimmenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Er ist der Auffassung, daß sich aus dem Gesetz kein Zahlungsanspruch für die Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung und dementsprechend auch kein Auskunftsanspruch gegen ihn ergebe. Auch habe er keine Vereinbarung dahin getroffen, für den fraglichen Zeitraum eine Nutzungsentschädigung auszukehren. Zudem könne er als sogenannter schwacher Insolvenzverwalter lediglich die Zustimmung zu Rechtsgeschäften des Gemeinschuldners erteilen, jedoch keine Masseverbindlichkeiten selbst begründen. Er habe die seitens der Firma ... mündlich vereinbarte Nutzung durch die Firma Diebel genehmigt, dabei habe es sich jedoch nicht um eine Verwertungshandlung, sondern um eine Fortführung des Betriebs durch einen Dritten, also eine übertragene Sanierung, gehandelt.

17

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluß vom 09.05.2003. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß Protokoll vom 20.06.2003 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht grundsätzlich ein Anspruch auf Auskehrung der erhaltenen Nutzungsentschädigung für den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung zu, so daß ihr auch ein entsprechender Auskunftsanspruch zusteht.

19

Ein solcher Zahlungsanspruch ergibt sich zwar nicht aus den §§ 170, 172 der Insolvenzordnung, da diese Vorschriften nicht für die Zeit der vorläufigen Insolvenzverwaltung unmittelbar anzuwenden sind und die Genehmigung der Nutzung durch die Firma ... auch noch keine endgültige Verwertungshandlung darstellte. Jedoch dürfte insbesondere die Vorschrift des § 172 InsO analog auf den hier fraglichen Zeitraum anzuwenden sein. Überdies hat die Beweisaufnahme ergeben, daß der Beklagte in den Gesprächen vom 02.05.2001 und danach mit der Klägerin vereinbart hat, daß die von der Firma ... gezahlte Nutzungsentschädigung grds. an die Klägerin ausgezahlt werden solle.

20

Die Zeugen ... und ... haben glaubhaft bestätigt, daß bei dem Gespräch vom 02.05.2001 und auch danach klar war, daß eine Nutzungsentschädigung an die OLB ausgekehrt werden sollte. Die Zeugen konnten sich - verständlicherweise - nicht mehr an den Wortlaut im einzelnen erinnern, haben jedoch übereinstimmend und glaubhaft erklärt, daß nach ihrem Verständnis das Ergebnis des Gesprächs gewesen sei, daß eine Nutzungsentschädigung ausgekehrt werden solle. Der Beklagte habe dies zugesagt. Probleme habe es gegeben, weil der Beklagte über die Höhe der Zahlungen keine genauen Angaben machen konnte. Er habe zugesagt, diese Angaben später nachzuholen. Auch der Beklagte hat in seiner persönlichen Anhörung erklärt, daß er zwar meine, eine verbindliche Zusage insoweit nicht abgegeben zu haben, andererseits aber eine Forderung nach einer Nutzungsentschädigung wohl nicht abgelehnt habe. Der Beklagte hat also im Rahmen seiner Anhörung nur vage Angaben gemacht. Auch nach seiner Darstellung hat er erstmals mit Schreiben vom 03.07.2001 (K 7), also nach Insolvenzeröffnung, eine Nutzungsentschädigung ausdrücklich abgelehnt.

21

allerdings ist die Auffassung der Klägerin unzutreffend, sie hätte anderenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, die Herausgabe des Sicherungsgutes an sich zu verlangen. Das Sicherungseigentum gibt im Insolvenzverfahren kein Aus-, sondern nur ein Absonderungsrecht gemäß § 50 InsO und bei Verwertung des Sicherunggutes gelten die Vorschriften der § 162 ff InsO.

22

Hier aber hat durch die Überlassung der Fahrzeuge an die Fa. ... noch keine Verwertung in diesem Sinne stattgefunden, sondern die Überlassung der Fahrzeuge geschah vorübergehend und konnte jederzeit durch Kündigung beendet werden.

23

Obwohl die Klägerin weder nach dem Gesetz noch nach den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 11.04.2001 die Herausgabe an sich hätte verlangen können, so standen ihr doch aus dem Sicherungsvertrag gewisse Rechte zu, nämlich dahin, dass die Fahrzeuge an ihrem Standort zu belassen waren usw. Diese vertraglichen Einschränkungen werden auch nicht durch die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung geschmälert, denn durch die Vorschrift des § 21 InsO werden nur (passive) Schutzmaßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermügens ermöglicht, währen weitergehende Rechte Dritter nicht (aktiv) geschmälert werden können (Eickmann u.a., InsO, 2. Aufl. § 21 Rn. 27).

24

Somit bedurfte es für die Überlassung der Fahrzeuge an die Fa. ... der Zustimmung der Klägerin bzw. diese hätte die Überlassung verhindern können. Es war also sachgerecht, eine Gegenleistung zu verlangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Beklagte auch eine Gegenleistung zugesagt.

25

Eine solche Vereinbarung konnte der Beklagte auch wirksam treffen, § 55 InsO.

26

Schließlich kann der Beklagte die Klägerin hinsichtlich ihres Auskunftsverlangens auch nicht darauf verweisen, die entsprechenden Auskünfte bei der Firma ... einzuholen. Dies ergibt sich auch nicht aus § 167 Abs. 2 InsO, da dieser Vorschrift eine völlig andere Fallgestaltung zugrundeliegt.

27

Nach alledem hat der Beklagte die verlangten Auskünfte zu erteilen.

28

Die erste Stufe der Stufenklage ist somit begründet.

29

Die Kostenentscheidung bleibt einem Schlußurteil vorbehalten.