Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.03.2008, Az.: 2 A 5757/06

Abschiebeschutz; Anerkennung; Asyl; Ausländer; Gruppenverfolgung; Rücknahme; Syrien; Widerruf; Yezide; Änderung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.03.2008
Aktenzeichen
2 A 5757/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55094
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die tatsächlichen Verhältnisse in Syrien haben sich seit 1997 nicht in einem einen Widerruf des Anerkennungsbescheides nach § 73 Abs. 1 AsylVfG rechtfertigenden Maß geändert, soweit es die Verfolgungslage der Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft betrifft.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom A. wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Der Kläger ist nach seinen Angaben am B. geboren und kurdischer Volks- und yezidischer Glaubensangehöriger.

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Er reiste am C. in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter am D.. Er trug u. a. vor, er gehöre einer Sheik-Familie an und sei wegen seiner Glaubenszugehörigkeit verfolgt worden. Sie hätten ihre Töchter und Schwestern entführt. Ihm sei, als er noch klein gewesen sei, der Arm gebrochen worden. Die Ärzte hätten ihn nicht richtig behandeln wollen, weil er Yezide sei. Mit Bescheid vom E. lehnte die Beklagte den Asylantrag und die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG ab und forderte den Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Syrien zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf. Die dagegen erhobene Klage führte zur Aufhebung dieses Bescheides und zur Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (U. d. VG Hannover v. 21.05.1997 - 6 A 663/95 -; Nds. OVG, B. v. 03.07.1997 - 2 L 3173/97 -). Zur Begründung wurde unter Hinweis auf das Urteil des Nds. OVG vom 05.02.1997 - 2 L 3670/96 - ausgeführt, dass dem Kläger bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung drohe, weil er zur Gruppe der Yeziden gehöre. Mit Bescheid vom F. erkannte die Beklagte den Kläger als Asylberechtigten an und stellte fest, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

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Am G. teilte die zuständige Ausländerbehörde der Beklagten mit, dass der Kläger am H. die Einbürgerung beantragt habe. Vor der Entscheidung über den Antrag sei zu klären, ob die Asylanerkennung oder die Feststellung von Abschiebungs-hindernissen weiterhin Bestand habe. Am I. antwortete die Beklagte, dass sie ein Widerrufs-/ Rücknahmeverfahren eingeleitet habe.

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Mit Schreiben vom J. teilte die Beklagte dies dem Kläger mit und führte aus, die Voraussetzungen für die seinerzeitige Entscheidung lägen nicht mehr vor. Yezidische Glaubensangehörige seien keinen staatlichen Repressionen ausgesetzt. Hierzu äußerte der Kläger, dass sich die Lage für die Yeziden in Syrien nicht verbessert habe. Allein die Vorfälle im Anschluss an das Fußballspiel in Kamischli Ende 2004 gäben Anlass zu der Beurteilung, dass eine grundlegende Änderung der Sachlage nicht vorliege.

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Mit Bescheid vom K. } widerrief die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person vorliegen. Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Sie führte aus, der Widerruf beruhe auf § 73 Abs. 1 AsylVfG. Soweit diese Vorschrift den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorsehe, gelte dies entsprechend für § 51 Abs. 1 AuslG, da diese Vorschrift mit Wirkung vom 01.01.2005 durch § 60 Abs. 1 AufenthG ersetzt worden sei. Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung eines Abschiebungsverbotes lägen nicht mehr vor, weil sich die erforderliche Prognose drohender politischer Verfolgung nicht mehr treffen lasse. § 73 Abs. 1 AsylVfG entspreche seinem Inhalt nach der „Beendigungs- oder Wegfall-der-Umstände-Klausel“ in Art. 1 C Nr. 5 S. 1 GFK, die sich ebenfalls auf den Schutz vor erneuter Verfolgung und nicht etwa auch auf den Schutz vor sonstigen allgemeinen Verfahren beziehe. Die kurdische Volkszugehörigkeit allein führe ebenso wenig zu einer politischen Verfolgung wie die yezidische Religionszugehörigkeit. Das syrische Regime sei selbst laizistisch, gehöre einer Minderheit an und behandle andere Minderheiten wohlwollend. Das religiöse Existenzminimum der Yeziden werde nicht angetastet. Eine Religionsausübung im Privaten sei anders als eine Verheimlichung zumutbar. Es gebe auch keine mittelbare Verfolgung aufgrund der Religionszugehörigkeit. Im Nordosten Syriens bestehe bei ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen und Landnot ein Klima der Konkurrenz und Repression zwischen einzelnen Volks- und Religionsgruppen, das vor allem die yezidische Minderheit im Sinne einer Verdrängungswirkung treffe. Das schikanöse Klima greife zwar nicht in die unmittelbare Religionsausübung ein, führe aber in Einzelfällen zur Verletzung von Rechtsgütern mit asylerheblicher Intensität. Die Übergriffe erreichten aber nicht die für eine mittelbare Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Außerdem bestehe die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative etwa durch Wohnsitznahme in einer der größeren Städte oder im nordwestsyrischen Afrin-Gebiet. Das wirtschaftliche und religiöse Existenzminimum der Yeziden sei dort gesichert. Da im Afrin-Gebiet moderne und orthodoxe Yeziden ungefähr gleich stark vertreten seien, sei es den orthodoxen Yeziden aus Nordost-Syrien ohne weiteres zumutbar, sich bei der Flucht in das Afrin-Gebiet den dort lebenden orthodoxen Yeziden anzuschließen. Auch eine nichtstaatliche Verfolgung gem. § 60 Abs. 1 S. 4 c AufenthG komme nicht in Betracht, da der syrische Staat schutzwillig und -fähig sei und effektiven Schutz gewähre.

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Am L. hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom K. } bzgl. des Widerrufs der Anerkennung als Asylberechtigter und der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

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Die Beklagten beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Entscheidung ergeht durch den Einzelrichter, dem der Rechtsstreit gem. § 76 Abs.1 AsylVfG übertragen wurde.

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Die zulässige Klage ist auch begründet. Der angefochtene Widerrufsbescheid der Beklagten verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist daher aufzuheben.

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Die Beklagte hat den Widerruf der Asylanerkennung und der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG auf § 73 Abs. 1 AsylVfG gestützt. Dessen Voraussetzungen sind vorliegend indes nicht gegeben (vgl. hierzu: BVerwG, U. v. 01.11. 2005 - 1 C 21/04 -; U. v. 25.08.2004 - 1 C 22/03 -; U. v. 19.09.2000 - 9 C 12/00 -). Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG sind Asyl oder Abschiebungsschutz zusprechende Entscheidungen unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen, insbesondere also, wenn die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Dies ist nur dann der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich entscheidungserheblich verändert haben. Ändert sich hingegen im nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf selbst dann nicht, wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder erstellten Erkenntnismitteln beruht. Dass § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG den Widerruf nur bei einer Änderung der Sachlage, nicht aber bei der bloßen Änderung der Erkenntnislage oder deren abweichender Würdigung vorschreibt, legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe, nach dem "die Voraussetzungen für die Anerkennung" als Asylberechtigter oder Flüchtling "nicht mehr vorliegen" dürfen. Dieses Verständnis folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung und gesetzessystematischen Erwägungen.

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Der Gesetzgeber hatte bei Schaffung der ursprünglichen Regelung in § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982 vor allem den Fall als Widerrufsgrund vor Augen, dass in dem Verfolgungsland das politische System gewechselt hat, so dass eine weitere Verfolgung nicht mehr zu befürchten ist. Auch der in der Gesetzesbegründung weiter enthaltene Verweis auf Art. 1 C Nrn. 5, 6 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl. 1953 II S. 560 - Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) bestätigt diese Zielrichtung. Denn nach den in Bezug genommenen Bestimmungen der Konvention fällt eine Person nicht mehr unter das Abkommen, wenn - neben anderen Voraussetzungen - die Umstände weggefallen sind, aufgrund deren sie als Flüchtlinge anerkannt worden sind. Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus allein die Änderung der Erkenntnislage den Widerruf rechtfertigen sollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien dagegen nicht entnehmen.

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Auch die gesetzessystematische Betrachtung spricht für die Beschränkung der Widerrufsmöglichkeit auf die Fälle einer Änderung der Sachlage. Die allgemeine Widerrufsbestimmung in § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwVfG erlaubt der Behörde die Aufhebung eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes u. a. nur aufgrund „nachträglich eingetretener Tatsachen“. Erhält die Behörde hingegen im nachhinein Kenntnis von Tatsachen, die die ursprüngliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes begründen, eröffnet dies nach § 48 VwVfG unter den dort genannten Voraussetzungen die Möglichkeit seiner Rücknahme. Entsprechend klar unterscheidet der Gesetzgeber beim Wiederaufgreifen unanfechtbarer Verwaltungsakte zwischen der nachträglichen Änderung der zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) und dem Vorliegen neuer Beweismittel (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG diese Unterscheidung aufgeben und in Abweichung von der auch in § 73 Abs. 1 u. 2 AsylVfG angelegten systematischen Trennung zwischen Widerruf und Rücknahme den Widerruf auch für den Fall vorsehen wollte, dass spätere Erkenntnisse eine ursprünglich objektiv fehlerhafte Verfolgungsprognose und damit zugleich die anfängliche Rechtswidrigkeit der Anerkennung offenbaren.

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Auch der Gesetzeszweck verlangt keine erweiternde Auslegung des § 73 Abs. 1 AsylVfG. Hat die Beklagte die Verfolgungsgefahr ursprünglich falsch - wenn möglicherweise auch aufgrund der bestehenden Erkenntnismittellage nachvollziehbar - eingeschätzt, kann dem über die Rücknahmevorschriften der §§ 73 Abs. 2 AsylVfG, 48 VwVfG Rechnung getragen werden. Im Anwendungsbereich des § 73 Abs. 1 AsylVfG kommt es dagegen nicht darauf an, ob der Ausgangsbescheid von vornherein rechtswidrig war. Denn die Regelung ermächtigt und verpflichtet zum Widerruf auch einer ursprünglich rechtswidrigen Anerkennung nur unter denselben Voraussetzungen wie beim Widerruf einer zu Recht erfolgten Anerkennung. Zwar betrifft die Vorschrift entsprechend der allgemeinen verwaltungsrechtlichen Terminologie in den §§ 48, 49 VwVfG in erster Linie die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte. Nach der Rechtsprechung des BVerwGs ist es für die Anwendbarkeit des § 73 Abs. 1 AsylVfG aber unerheblich, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. U. v. 19.09.2000, a.a.O., m.w.N.), d. h. nach § 73 Abs. 1 AsylVfG kann auch eine rechtswidrige Anerkennung widerrufen werden.

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Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Gewährung von Abschiebungsschutz scheinbar nicht später entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig ja von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung.

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Es ist auch nicht der Auffassung zu folgen, dass der Widerruf einer rechtswidrigen Anerkennung auch ohne nachträgliche Änderung der Verhältnisse stets zulässig ist, wenn später festgestellt wird, dass die ursprüngliche Anerkennung rechtswidrig war. Der Standpunkt, dass an den Widerruf einer rechtswidrigen Anerkennung geringere oder jedenfalls andere Anforderungen zu stellen seien, als an den Widerruf einer rechtmäßigen, findet im Gesetz keine Stütze. Hierfür besteht auch keine sachliche Notwendigkeit. Sofern die Aufhebung der Asylanerkennung wegen ihrer Rechtswidrigkeit geboten erscheint, kann dem durch Anwendung der Rücknahmevorschriften der §§ 73 Abs. 2 AsylVfG, 48 VwVfG Rechnung getragen werden.

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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hätte der Anerkennungsbescheid der Beklagten vom F. nicht - jedenfalls nicht nach § 73 Abs. 1 AsylVfG - widerrufen werden dürfen, weil sich die Verhältnisse in Syrien seit der Anerkennung des Klägers in dem für die Verfolgungsprognose relevanten Bereich nicht maßgeblich verändert haben. Der Kläger ist mit Bescheid vom F. aufgrund der seinerzeitigen Rechtsprechung des Nds. OVG, die erst im Jahr 1999 geändert wurde, wegen seiner yezidischen Glaubensangehörigkeit als asyl- und abschiebungsschutzberechtigt anerkannt worden. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Widerrufsbescheid vom A. insoweit zwar in Übereinstimmung mit den Anforderungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG behauptet, die Anerkennungsvoraussetzungen lägen nicht mehr vor. Sie hat sich sodann aber nur noch mit der Darstellung der aktuellen Situation in Syrien befasst und ist eine Begründung, was sich gegenüber der früheren Lage für die Yeziden genau geändert haben soll, schuldig geblieben. Tatsächlich dürfte eine solche grundlegende Veränderung der Verfolgungssituation für Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Syrien seit der Anerkennung des Klägers im Jahre 1997 auch nicht eingetreten sein. Wie das Nds. OVG in den seine vorherige Rechtsprechung ändernden Urteilen vom 22.06.1999 (- 2 L 666/98 - für Yeziden aus dem Nordwesten Syriens) und vom 14.07.1999 (- 2 L 4943/97 - für Yeziden aus dem Nordosten Syriens) feststellt, unterlagen Yeziden im Nordwesten weder im November 1990 noch zum Entscheidungszeitpunkt und Yeziden aus dem Nordosten Syriens weder im Sommer 1989 noch zum Entscheidungszeitpunkt einer unmittelbaren oder mittelbaren Gruppenverfolgung. Seither geht das Nds. OVG in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa U. v. 27.03.2000 - 2 L 5117/97 -; U. v. 12.12.2001 - 2 L 5428/97 -), der die Kammer folgt, bis heute davon aus, dass Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft in Syrien weder einer unmittelbaren noch einer mittelbaren Gruppenverfolgung unterliegen. Die Yeziden sind danach bei umfassender Würdigung der vorliegenden Erkenntnismittel insbesondere auch nicht einer Verfolgung durch die muslimische Bevölkerungsmehrheit ausgesetzt. Nach der für die Prüfung der Gruppenverfolgung erforderlichen quantitativen und qualitativen Relationsbetrachtung besteht nicht für jeden Yeziden und jede yezidische Familie die aktuelle Gefahr, selbst Opfer eines asylrechtlich relevanten Übergriffs zu werden, denn es fehlt die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte. Unabhängig davon steht den Yeziden zudem nach der Rechtsprechung des Nds. OVG (vgl. B. v. 13.09.2000 - 2 L 4298/99 -; U. v. 14.11.2001 - 2 L 6499/95 -) im Nordwesten Syriens (Afrin-Gebiet, Aleppo) und in der Großstadt Damaskus im Westen Syriens eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung.

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Dass die Lage für die Yeziden in Syrien zum Zeitpunkt der Anerkennung des Klägers mit Bescheid vom F. nicht ungünstiger gewesen ist - mithin ein "Weniger" an Verfolgung nicht eingetreten ist - bestätigen zudem u. a. die Lageberichte des Auswärtigen Amtes vom 13.03.1996, vom 22.01.1997 und vom 16.01.1998, die Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Gießen vom 30.05.1997 und an den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten vom 22.04.1998, die Auskunft von Wießner an das OVG Lüneburg vom 17.09.1996, die Auskunft des Deutschen Orient-Institutes an das VG Gießen vom 08.07. 1997 und die Mitteilung der Deutschen Botschaft in Damaskus vom 27.12.1996 an das Auswärtige Amt. Danach betrieb das Assad-Regime, dessen Führung sich selbst aus Mitgliedern der religiösen Minderheit der Alawiten zusammensetzt, im fraglichen Zeitraum gegenüber den Minderheiten weithin eine Politik der „langen Leine“. Es respektierte deren freie Religionsausübung und das konfessionsspezifische Ehe- und Familienrecht. Fälle mittelbarer staatlicher Verfolgung durch Verfolgungshandlungen Dritter oder quasi staatliche Verfolgung durch Organisationen, die staatsähnliche Gewalt ausüben, waren nicht bekannt. Die Kontrolle durch die staatlichen Sicherheitskräfte erstreckte sich über das gesamte Staatsgebiet. Polizei, Geheimdienste und sonstige mit der Sicherheit im Lande befasste Behörden waren generell verpflichtet, Schutz bei Übergriffen Privater zu gewähren. Dies ergab sich aus den im Sicherheits- bzw. Polizeibereich existierenden Gesetzen, nach denen die Sicherheitsorgane verpflichtet sind, die Sicherheit von Land und Bevölkerung zu schützen. Jedes Mitglied der Polizei leistet bei Amtsantritt einen Eid, der hierzu verpflichtet. In Syrien leben auf vergleichsweise engem Raum Angehörige von je nach Zählweise 10 - 15 Religionen. Das seit über 20 Jahren herrschende Regime sieht in den anderen religiösen Minderheiten seine natürlichen Verbündeten gegenüber der moslemischen Mehrheit sunnitischer Prägung. Entsprechend sind in den Sicherheitsorganen bis in die höchsten Ränge z. B. Christen vertreten. Dem Auswärtigen Amt waren keine Fälle bekannt, in denen staatliche Bedienstete eine Schutzgewährung hinsichtlich Angehöriger von Minderheiten unterlassen oder verweigert hätten. Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft sind aus Sicht des syrischen Staates zumindest nicht weniger schutzwürdig als Angehöriger anderer Minderheiten, wie etwa Christen oder Juden. Allerdings dürfte es auch darauf ankommen, welche Wichtigkeit einer bestimmten Gruppe innerhalb des syrischen Kräftespiels politisch zukomme. Handelt es sich um einen wichtigen Bündnispartner, dürfte der staatliche Schutz oder überhaupt das Interesse an einem solchen Schutz wesentlich stärker ausgeprägt sein, als bei der vergleichsweise kleinen Gruppe der Yeziden. So gesehen könnten Yeziden leichter ins Hintertreffen geraten, weil sie keine zentrale Lobby haben und örtlich auch eher zu den unterlegenen Familien gehören. Pogrome gibt es aber nicht. Dagegen geht der syrische Staat auch offensiv vor. Eine unterschwellige Benachteiligung kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, gegen die die Yeziden im Distrikt Al Hassake aber nicht schutzlos sind.

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Dieser kursorische Blick auf die Auskunftslage im Zeitraum 1996 bis 1998 zeigt, dass jedenfalls eine für die Verfolgungssituation der Yeziden - insbesondere in Gestalt einer mittelbaren Gruppenverfolgung - erhebliche Änderung der Verhältnisse in Syrien seit Ergehen des Anerkennungsbescheids für den Kläger nicht eingetreten ist. Auch wenn dem Widerrufsbescheid der Beklagten hinsichtlich der Darstellung der gegenwärtig in Syrien für Yeziden und Kurden bestehenden Situation zuzustimmen ist, fehlt es im Ergebnis aber an der für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG notwendigen Änderung der für die Verfolgungsprognose maßgeblichen Umstände. Dies entspricht im übrigen auch der eigenen Einschätzung der Beklagten, die das Asylbegehren des Klägers ursprünglich mit ihrem Bescheid vom E. abgelehnt hatte und erst aufgrund entsprechender verwaltungsgerichtlicher Verpflichtung den Anerkennungsbescheid vom F. erließ.

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Soweit der Sachverhalt Anhaltspunkte dafür bietet, dass der Bescheid der Beklagten vom M. } rechtswidrig gewesen ist, käme grds. auch eine Rücknahme des Bescheides nach § 48 VwVfG in Betracht. Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte des § 73 Abs. 2 AsylVfG bieten nämlich einen Anhaltspunkt dafür, dass diese Rücknahmevorschrift als für den Bereich des Asylverfahrens abschließende Regelung verstanden werden müsste. § 73 Abs. 2 AsylVfG verschärft die allgemeine Regelung in § 48 VwVfG, die die Rücknahme in das Ermessen der Behörde stellt, zu einer Rücknahmepflicht für die Fallgruppe "unrichtiger Angaben" oder "verschwiegener Tatsachen", zu denen der vorliegende Fall nicht zählt. Die anderen in § 48 VwVfG geregelten Fallgruppen sind dagegen von § 73 Abs. 2 AsylVfG ebenso wenig erfasst wie die sonstigen Fälle, in denen die Anerkennung aus nicht dem Asylsuchenden zuzurechnenden Gründen von Anfang an rechtswidrig ist. Das Gesetz bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass zwar eine Verschärfung der allgemeinen Rücknahmebestimmung für die Fälle des § 73 Abs. 2 AsylVfG vorgeschrieben werden, aber in allen anderen Fällen anfänglich rechtswidriger Asylanerkennungen nicht einmal eine Rücknahme nach Ermessen unter Rückgriff auf § 48 VwVfG zulässig sein sollte.

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Der Widerrufsbescheid kann hier jedoch deshalb nicht auf § 48 VwVfG gestützt oder entsprechend umgedeutet werden, weil die Rücknahme danach eine behördliche Ermessensausübung voraussetzt, die von der Beklagten in dem als gebundene Entscheidung ergangenen Widerrufsbescheid nicht vorgenommen wurde. Zudem dürfte die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG nicht eingehalten sein, weil der Beklagten seit 1999 die geänderte Rechtsprechung des Nds. OVG zur Verfolgungssituation der Yeziden aus Syrien bekannt ist.

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Die Klage hat daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO Erfolg. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.