Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.03.2008, Az.: 6 A 1605/05

Aussicht; Bundesamt; Entscheidung; Erfolg; Europäischer Gerichtshof; Flüchtlingseigenschaft; Flüchtlingseigenschaft; Gefahr; Irak; Klage; Lebensverhältnisse; Nordirak; PKH; Prozesskostenhilfe; Revisionsverfahren; Sicherheitslage; Staatsangehörigkeit; Verfolgung; Wegfall; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.03.2008
Aktenzeichen
6 A 1605/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 55070
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 7. Februar 2008 drei Revisionsverfahren ausgesetzt hat, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Buchst e) der Richtlinie 2004/83/EG (sog. "Wegfall-der-Umstände-Klausel") in den Fällen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft irakischer Staatsangehöriger einzuholen, bieten auch Klagen von Flüchtlingen aus dem sog. Nordirak gegen Widerrufsbescheide des Bundesamtes hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Tenor:

Den Klägern wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihnen wird Rechtsanwältin E., Hannover, zur Vertretung in diesem Verfahren beigeordnet.

Gründe

1

In Bezug auf die Voraussetzungen für die beantragte Prozesskostenhilfe ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der bereits vor der Einbürgerung der Kläger eingetretenen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags abzustellen. Danach muss den Klägern gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe bewilligt werden, denn ihre Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Februar 2005 bot ausreichende Aussicht auf Erfolg. Daraus, dass das Bundesverwaltungsgericht mit Beschlüssen vom 7. Februar 2008 drei Revisionsverfahren ausgesetzt hat, um die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Buchst e) der Richtlinie 2004/83/EG (sog. „Wegfall-der-Umstände-Klausel“) in den Fällen des Widerrufs der Flüchtlingseigenschaft irakischer Staatsangehöriger einzuholen, ist zu schließen, dass die Erfolgsaussichten der Klage ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses offen waren. Das gilt unbeschadet der Tatsache, dass es sich bei den Klägern um Kurden aus einem Gebiet im Bereich der kurdischen Regionalverwaltung (Sulaimaniya) handelt, in welchem die Sicherheitslage und die Lebensverhältnisse weiterhin verhältnismäßig besser sind als im übrigen Irak (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 19.10.2007, S. 23). Dennoch wäre die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung des Art. 11 Abs. 1 Buchst e) der Richtlinie 2004/83/EG auf für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft dieser Kläger rechtserheblich gewesen. Denn sollte die schlechte Sicherheitslage in den übrigen Gebieten des (Zentral-) Iraks in rechtlicher Hinsicht dazu führen, dass nicht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG von einem landesweiten Wegfall der Auswirkungen der früheren politischen Verfolgung ausgegangen werden kann, läge auch in Bezug auf die Flüchtlinge aus dem Nordirak keine Änderung der Verfolgungslage im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vor. Denn in diesem Fall wäre das entscheidende Argument für die Zulässigkeit des Widerrufs auch der Eigenschaft von Flüchtlingen aus dem Nordirak, nämlich der landesweite Wegfall der Gefahr einer politischen Verfolgung durch den irakischen Staat mit Ende des Irak-Krieges (BVerwG, Urt. vom 25.8.2004 - BVerwG 1 C 22.03 -, NVwZ 2005 S. 89, 90), gegenstandslos geworden. Eine andere Erkenntnislage oder Bewertung der im Nordirak bereits seit den 90er-Jahren bestehenden Sicherheit vor politischer Verfolgung allein berechtigt aber nach gefestigter Rechtsprechung nicht zum Widerruf der Flüchtlingseigenschaft (BVerwG, Urt. vom 19.9.2000, BVerwGE 112, 80, 85 f. = NVwZ 2001 S. 335, 336).