Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.03.2008, Az.: 7 A 330/07
Abschlussprüfung; Berufsfachschule; Ergotherapeut
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 11.03.2008
- Aktenzeichen
- 7 A 330/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45463
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0311.7A330.07.0A
Rechtsgrundlagen
- BbS-VO
- ErgThAPrV
- § 5 ErgThG
- Art. 31 GG
- Art. 74 I Nr. 19 GG
- Art. 84 GG
Amtlicher Leitsatz
Auch in Niedersachsen ist die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten nach den Regelungen der ErgThAPrV und nicht nach den Regelungen der BbS-VO durchzuführen
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin besuchte seit 2003 die Berufsfachschule Ergotherapie der Beklagten und unterzog sich 2006 der Abschlussprüfung, die sie auf der Grundlage der landesrechtlichen Verordnung über berufsbildende Schulen vom 24.7.2000 (Nds. GVBl.S. 178) in der Fassung vom 17.7.2003 (Nds. GVBl.S. 294) - BbS-VO - ablegte. Die Prüfung wurde in den zwei Fächern "Berufsbezogener Unterricht" und "Praxis Ergotherapie" durchgeführt. Im Fach "Berufsbezogener Unterricht" wurden ihre Leistungen mit "ausreichend" und im Fach "Praxis Ergotherapie" mit "mangelhaft" bewertet.
Die Note "ausreichend" im Fach "Berufsbezogener Unterricht" wurde erteilt, obwohl die Klägerin am 10. Juli 2006 nur an einer mündlichen Prüfung im "Teilbereich Biologie, beschreibende und funktionelle Anatomie, Physiologie" mit der Note "ausreichend" teilgenommen hatte und zu den Prüfungen in zwei weiteren "Teilbereichen" nicht mehr erschien. Die beiden fehlenden "Teilbereiche" wurden daraufhin ausweislich des am 12. Juli 2006 erstellten Prüfungsbogens mit jeweils "6" bewertet.
Im Fach "Praxis Ergotherapie" erbrachte die Klägerin ausweislich des Prüfungsbogens folgende Leistungen:
Daraufhin beschloss der Prüfungsausschuss unter dem Vorsitz "Frau D., vertreten durch E." am 4. Juli 2006, die Klägerin im Fach "Praxis Ergotherapie" mündlich zu prüfen. Diese Prüfung fand am 10. Juli 2006 zwischen 11.50 und 12.15 Uhr vor dem Prüfer F. und der Protokollantin B. statt und wurde mit "5" benotet. Die Beigeladene hatte zuvor durch die schulfachliche Dezernentin D. mit Verfügung vom 2. März 2006 den Vorsitz in der "Vorkonferenz" am 4. Juli 2006 sowie in der mündlichen Prüfung am 10. Juli 2006 "auf die Schule übertragen". Im Nachgang zu der mündlichen Prüfung wurde ausweislich des am 12. Juli 2006 erstellten Prüfungsbogens im Fach "Praxis Ergotherapie" die Endnote "5" vergeben.
Die Klägerin, die ihre Berufsausbildung nicht verlängern und sich nicht einer Wiederholungsprüfung unterziehen möchte, verließ die Schule und erhielt von der Beklagten am 12. Juli 2006 ein Abgangszeugnis mit einer Notenaufstellung und der Feststellung erteilt, dass sie die Ausbildung zur Ergotherapeutin nicht erfolgreich abgeschlossen habe.
Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 20. Juli 2006 Widerspruch, den sie mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 wie folgt begründete: Die Abschlussprüfung hätte nach der bundesrechtlich geregelten Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 2.8.1999 (BGBl. I S. 1731) in der zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung anwendbaren Fassung vom 23.3.2005 (BGBl. I S. 931) - ErgThAPrV - durchgeführt werden müssen. Gemessen an den Regelungen dieser Verordnung sei der Prüfungsausschuss fehlerhaft besetzt gewesen. Die mündliche Prüfung habe zu lange gedauert. Aus dem Protokoll der mündlichen Prüfung im Fach "Praxis Ergotherapie" ließen sich die richtigen und falschen Antworten nicht entnehmen. Die Vergabe der Note "mangelhaft" für diese Prüfungsleistung sei nicht gerechtfertigt. Außerdem seien unzulässigerweise "halbe Noten" vergeben worden. Die rechnerisch ermittelten Werte seien auf "ausreichend" abzurunden.
Die Beklagte berief am 8. September 2006 eine Konferenz über die Abhilfeprüfung ein und bestätigte unter dem Vorsitz der schulfachlichen Dezernentin die Note "mangelhaft" im Fach "Praxis Ergotherapie".
Daraufhin wies die beigeladene Landesschulbehörde den Widerspruch der Klägerin mit einem Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2007 zurück. Die mit "mangelhaft" bewertete Leistung im Fach "Praxis Ergotherapie" habe nach den Vorschriften der nach ihrer Auffassung anwendbaren BbS-VO nicht ausgeglichen werden können. Außerdem sei die Note "mangelhaft" innerhalb des Fachs "Praxis Ergotherapie" zutreffend vergeben worden. Die Klägerin habe die Möglichkeit, nach einem weiteren Besuch der Klasse 3 an einer Berufsfachschule für Ergotherapie die Abschlussprüfung zu wiederholen.
Mit einem am 15. Januar 2007 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben. Die anwaltlich vertretene Klägerin hatte zunächst beantragt,
das Abgangszeugnis der Beklagten vom 12. Juli 2006 und den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 3. Januar 2007 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihre Prüfungsleistungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten,
hilfsweise
sie erneut zur mündlichen Prüfung im Fach "Praxis Ergotherapie" zuzulassen und diese Prüfung als Erstversuch zu behandeln.
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2008 hat die Klägerin den Hilfsantrag zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
das Abgangszeugnis der Beklagten vom 12. Juli 2006 und den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 3. Januar 2007 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihre Prüfungsleistungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten.
Zur Begründung führt sie aus, die begehrte Neubewertung ihrer Prüfungsleistungen werde ergeben, dass sie die Prüfung bereits bestanden habe.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie halten die BbS-VO als Rechtsgrundlage für die Abschlussprüfung in der Ergotherapie für anwendbar und die Bewertung der von der Klägerin erbrachten Prüfungsleistung im Fach "Praxis Ergotherapie" mit "mangelhaft" für zutreffend. Prüfern und Prüfungsgremien stehe ein Beurteilungsspielraum zu.
Wiederholte Bemühungen des Gerichts, die Beteiligten zu einer vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits zu bewegen, sind gescheitert.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen, die dem Gericht zur Einsicht vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Der Klage muss der Erfolg versagt bleiben.
Das Abgangszeugnis vom 12. Juli 2006 ist rechtmäßig. Nachdem die Klägerin die beklagte Schule verlassen hat, durfte ihr ein Abgangszeugnis erteilt werden. Die in dem Abgangszeugnis enthaltene Feststellung, dass sie die Ausbildung zur Ergotherapeutin nicht erfolgreich abgeschlossen hat, ist nicht zu beanstanden, weil sie die Abschlussprüfung nicht bestanden hat.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, ihre im Rahmen der Abschlussprüfung für Ergotherapeuten erbrachten Prüfungsleistungen erneut zu bewerten. Zwar ist die Abschlussprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, jedoch besteht in einem solchen Fall nur ein Anspruch auf Wiederholung der Prüfung nach den geltenden Rechtsvorschriften, nicht jedoch auf Neubewertung von Leistungen, die auf fehlerhafter Rechtsgrundlage erbracht wurden, weil eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Mängeln im Prüfungsverfahren einerseits und materiellen Beurteilungsfehlern andererseits vorzunehmen ist. Die Klägerin lehnt jedoch eine Wiederholung der Abschlussprüfung oder auch nur eine Wiederholung von Teilleistungen im Rahmen dieser Abschlussprüfung ab und hat auch den im Verwaltungsgerichtsverfahren vormals von ihr gestellten Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten, sie erneut zur mündlichen Prüfung im Fach "Praxis Ergotherapie" zuzulassen und diese Prüfung als Erstversuch zu behandeln, ausdrücklich zurückgenommen. In einem solchen Fall ist die Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage auf Neubewertung von Prüfungsleistungen abzuweisen.
I. Vorliegend ist die Abschlussprüfung auf fehlerhafter Rechtsgrundlage durchgeführt worden (1.). Dies hat zu Mängeln des Prüfungsverfahrens geführt (2.).
1. Auch in Niedersachsen ist die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten nach den Regelungen des Bundesrechts und nicht nach den Regelungen des Landesrechts durchzuführen.
a. Rechtsgrundlage für die Ausbildung zur Ergotherapeutin ist das Ergotherapeutengesetz vom 25.5.1976 (BGBl. I S. 1246) in der zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung der Klägerin anzuwendenden Fassung vom 25.11.2003 (BGBl. I S. 2304) - ErgThG - als Gegenstand des Bundesrechts. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErgThG ist Voraussetzung für die Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit als Ergotherapeutin u.a., dass nach einer dreijährigen Ausbildung die staatliche Prüfung für Ergotherapeuten bestanden ist. § 5 ErgThG ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit (vormals: Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit), durch Rechtverordnung mit Zustimmung des Bundesrates u.a. das Nähere über die staatliche Prüfung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das zuständige Bundesministerium mit dem Erlass der Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung vom 2.8.1999 (BGBl. I S. 1731) Gebrauch gemacht, der der Bundesrat zuvor in seiner 738. Sitzung am 21.5.1999 zugestimmt hatte (BR-Drs. 231/99 - Beschluss). Diese Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung beanspruchte zum Zeitpunkt der streitbefangenen Abschlussprüfung der Klägerin in der Fassung vom 23.3.2005 (BGBl. I S. 931) Geltung - ErgThAPrV -. Nach § 2 Abs. 1 ErgThAPrV umfasst die staatliche Prüfung einen schriftlichen, einen mündlichen und einen praktischen Teil. Um die Prüfung zu bestehen, ist gemäß § 10 Abs. 1 ErgThAPrV Voraussetzung, dass jeder der drei Prüfungsteile bestanden ist. Der schriftliche Teil der Prüfung ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 ErgThAPrV bestanden, wenn jede der drei anzufertigenden Aufsichtsarbeiten mindestens mit "ausreichend" benotet wird. Der mündliche Teil der Prüfung ist gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 ErgThAPrV bestanden, wenn jedes der drei geprüften Fächer mindestens mit "ausreichend" benotet wird. Der praktische Teil der Prüfung ist gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ErgThAPrV bestanden, wenn beide Leistungen dieses Prüfungsteils jeweils mindestens mit "ausreichend" benotet werden. Die Prüfung wird vor einem Prüfungsausschuss abgelegt, dessen Zusammensetzung in § 3 ErgThAPrV geregelt ist. Die Einzelheiten der schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfung sind in den §§ 5 bis 7 ErgThAPrV geregelt. Über das Nichtbestehen erhält der Prüfling gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 ErgThAPrV vom Vorsitzenden des Prüfungsausschusses eine schriftliche Mitteilung, in der die Prüfungsnoten anzugeben sind.
b. In Niedersachsen besteht das Niedersächsische Schulgesetz vom 3.3.1998 (Nds. GVBl.S. 137) in der hier maßgeblichen Fassung vom 15.12.2005 (Nds. GVBl.S. 426) - NSchG -. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 NSchG findet dieses Gesetz keine Anwendung auf Schulen für andere als ärztliche Heilberufe und ähnliche Berufsausbildungsstätten besonderer Art. Abweichend hiervon regelt § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 NSchG im Wege der Rückausnahme, dass das Niedersächsische Schulgesetz gleichwohl auf die "Berufsfachschule Ergotherapie" ebenso anzuwenden ist wie auf die "Berufsfachschule Pharmazeutisch-technische Assistentin/Pharmazeutisch-technischer Assistent" (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 NSchG), die "Berufsfachschule Altenpflege" (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 NSchG) und die "Fachschule Heilerziehungspflege" (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 NSchG). § 60 Abs. 1 Nr. 6 NSchG ermächtigt das Niedersächsische Kultusministerium, u.a. die Abschlüsse einschließlich der Abschlussprüfungen durch Verordnung zu regeln. Von dieser Ermächtigung hat das Niedersächsische Kultusministerium Gebrauch gemacht und u.a. für die Abschlussprüfung im Rahmen der Berufsausbildung in der Ergotherapie Regelungen in die Verordnung über die berufsbildenden Schulen vom 24.7.2000 (Nds. GVBl.S. 178) - BbS-VO - aufgenommen. Da die Klägerin ihre Ausbildung an der Berufsfachschule der Beklagten vor dem 1. August 2004 aufgenommen hatte (s. die Übergangsregelung in Art. 2 der Verordnung über berufsbildende Schulen und der Verordnung über die Gleichwertigkeit von Abschlüssen im Bereich der beruflichen Bildung vom 20.7.2004, Nds. GVBl.S. 256) wäre vorliegend Grundlage die Fassung der BbS-VO in Gestalt des Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Verordnung über berufsbildende Schulen und der Verordnung über die Abschlüsse in der gymnasialen Oberstufe, im Fachgymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg vom 17.7.2003 (Nds. GVBl.S. 294). Die Abschlussprüfung ist dort landesrechtlich in den §§ 8 ff. BbS-VO geregelt. Gemäß § 36 BbS-VO bestehen hiervon in der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO ergänzende und abweichende Vorschriften für die Berufsfachschule, die zu einem beruflichen Abschluss führt, insbesondere auch für die Berufsfachschule Ergotherapie. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 BbS-VO wird ein beruflicher Abschluss erworben, wenn die Abschlussprüfung bestanden worden ist. Gemäß § 19 Nr. 2 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO wird mit dem Bestehen der Abschlussprüfung entsprechend der zugehörigen Fachrichtung der für die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung erforderliche Nachweis der fachlichen Eignung für den Beruf der Ergotherapeutin bzw. des Ergotherapeuten erbracht. Nach den §§ 8 Nr. 14, 9 Nr. 14, 12 Abs. 2 jeweils der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO gliedert sich die Abschlussprüfung für den Schüler an der Berufsfachschule Ergotherapie in eine schriftliche, praktische und mündliche Prüfung einzelner Fächer. Nach § 20 Abs. 2 BbS-VO ist die Abschlussprüfung bestanden, wenn die Leistungen in allen Fächern mindestens mit der Note "ausreichend" bewertet worden sind. Mangelhafte oder ungenügende Leistungen in den Fächern der Abschlussprüfung können nach § 17 Abs. 1 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO nicht ausgeglichen werden. Der Prüfungsausschuss setzt gemäß § 20 Abs. 1 BbS-VO die Endnote für jedes Fach unter Berücksichtigung der Vorzensuren (§ 11 BbS-VO) und der Prüfungsleistungen fest. Ist in einem Fach nicht geprüft worden, so ist die Vorzensur als Endnote zu übernehmen. Die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses ist in § 5 Abs. 2 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO geregelt. Wer - wie im vorliegenden Fall - die Schule am Ende eines Bildungsganges verlässt, ohne die Abschlussprüfung bestanden zu haben, erhält gemäß Nr. 3.4 der durch Runderlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 24.7.2000 (Nds. MBl.S. 367) in der hier maßgeblichen Fassung vom 29.6.2005 (Nds. MBl.S. 509) eingeführten Ergänzenden Bestimmungen für das berufsbildende Schulwesen - EB-BbS - ein Abgangszeugnis ausgestellt.
c. Bundes- und Landesrecht enthalten für die Abschlussprüfung zum Ergotherapeuten unvereinbare Normbefehle. Es bestehen u.a. folgende Unterschiede nach der bundesrechtlichen ErgThAPrV einerseits und der landesrechtlichen BbS-VO andererseits:
- Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 3 ErgThAPrV steht grundsätzlich ein Medizinalbeamter der zuständigen Behörde oder eine von der zuständigen Behörde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraute Person dem Prüfungsausschuss vor. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ErgThAPrV kann die Behörde hiervon abweichend bestimmen, dass eine von der Schulverwaltung betraute Person den Vorsitz führt. Hingegen führt gemäß § 5 Abs. 2 lit. a) der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO stets der schulfachliche Dezernent oder ein anderer Beauftragter der Schulbehörde den Vorsitz im Prüfungsausschuss.
- Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 ErgThAPrV entscheidet der Vorsitzende des Prüfungsausschusses auf Antrag des Prüflings über die Zulassung zur Prüfung. Nach § 10 BbS-VO nehmen hingegen alle Schüler der Abschlussklasse an der Abschlussprüfung teil.
- Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 ErgThAPrV sind die Fächergruppen der drei schriftlichen Aufsichtsarbeiten ausdrücklich definiert, nämlich 1. Allgemeine Krankheitslehre, Spezielle Krankheitslehre einschließlich diagnostischer, therapeutischer, präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie psychosoziale Aspekte; Grundlagen der Arbeitsmedizin, 2. Psychologie und Pädagogik; Behindertenpädagogik, Berufs-, Gesetzes- und Staatskunde; 3. Motorisch-funktionelle Behandlungsverfahren; Neurophysiologische Behandlungsverfahren, Neuropsychologische Behandlungsverfahren; Psychosoziale Behandlungsverfahren; Arbeitstherapeutische Verfahren. § 8 Nr. 14 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO in der zum Zeitpunkt der streitbefangenen Abschlussprüfung insoweit geltenden Fassung von Art. 1 Nr. 7c) bb) der Verordnung vom 5.7.2002 (Nds. GVBl.S. 343) sah hingegen für die schriftliche Prüfung lediglich ohne nähere Bestimmung die Regelung vor: "Berufbezogener Unterricht, drei Klausurarbeiten aus den den Bildungsgang prägenden Lernfeldern". In der Neufassung dieser Vorschrift vom 19.7.2006 (Nds. GVBl. 417) ist von "Drei Klausurarbeiten in den Fächern Ergotherapeutische Mittel und Ergotherapeutische Maßnahmen" die Rede.
- Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 ErgThAPrV ist jede Aufsichtsarbeit von mindestens zwei Fachprüfern zu benoten. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 BbS-VO werden die schriftliche Arbeiten hingegen nur von dem Mitglied der Klassenkonferenz, das das Fach zuletzt unterrichtet hat, beurteilt.
- Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 ErgThAPrV erstreckt sich die mündliche Prüfung auf die Fächer 1. Biologie, beschreibende und funktionelle Anatomie, Physiologie, 2. Medizinsoziologie und Gerontologie sowie 3. auf die Grundlagen der Ergotherapie. Gemäß § 12 Abs. 2 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO muss sich die mündliche Prüfung nur mindestens auf 1. Anatomie, 2. Medizinsoziologe und Gerontologie sowie 3. die Grundlagen der Ergotherapie erstrecken. Biologie und Physiologie sind hingegen nicht Pflichtinhalt der mündlichen Prüfung.
- Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 ErgThAPrV wird jedes in der mündlichen Prüfung geprüfte Fach von mindestens einem Fachprüfer abgenommen und benotet. Nach Satz 3 der Vorschrift bildet der Vorsitzende aus den Noten der Fachprüfer im Benehmen mit diesen die Prüfungsnote für den mündlichen Teil der Prüfung. Gemäß § 17 Abs. 5 BbS-VO entscheidet hingegen der Prüfungsausschuss über die Festsetzung der Note.
- Im Wesentlichen inhaltsgleich sind die beiden Prüfungsleistungen der praktischen Prüfung nach § 7 Abs. 1 ErgThAPrV und § 9 Nr. 14 der Anlage 5 zu § 36 Bbs-VO in der auch hier anzuwendenden Fassung von Art. 1 Nr. 7d) bb) der Verordnung vom 5.7.2002 (aaO). Allerdings sucht nach § 7 Abs. 2 Satz 3 ErgThAPrV der Fachprüfer nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ErgThAPrV den Patienten aus, den der Prüfling behandeln soll. Nach § 9 Nr. 14 lit. b) Satz 2 der Anlage 5 zu § 36 Bbs-VO obliegt die Auswahl des Patienten hingegen dem Schulleiter. § 9 Nr. 14 lit. b) Satz 2 der Anlage 5 zur BbS-VO erwähnt außerdem nicht das in § 7 Abs. 2 Satz 4 ErgThAPrV im Rahmen einer "Soll"-Vorschrift im Anschluss an die Prüfungsleistung "ergotherapeutische Behandlung" sich anschließende Prüfungsgespräch.
- Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 ErgThAPrV werden die beiden Leistungen der praktischen Prüfung jeweils von mindestens zwei Fachprüfern, darunter mindestens einem Fachprüfer nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 lit. b) ErgThAPrV abgenommen und benotet. Nach § 7 Abs. 3 Satz 2 ErgThAPrV bildet der Prüfungsausschussvorsitzende aus den Noten der Fachprüfer im Benehmen mit den Fachprüfern jeweils die Note für die einzelnen Prüfungsleistungen der praktischen Prüfung sowie aus diesen Noten die Gesamtnote für den praktischen Teil der Abschlussprüfung. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 BbS-VO wird die praktische Prüfung hingegen von dem Mitglied der Klassenkonferenz beurteilt, das die Aufgabe gestellt hat.
- Die ErgThAPrV kennt im Gegensatz zur BbS-VO keine Vorzensuren.
- Die ErgThAPrV kennt über das Prüfungsgespräch nach § 7 Abs. 2 Satz 4 ErgThAPrV hinaus auch keine ergänzenden mündlichen Prüfungen, um eine mangelhafte Leistung im praktischen Teil der Prüfung nachträglich verbessern zu können. Eine solche ergänzende Prüfung ist mit der Klägerin - auch nach dem Vortrag der Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 27. April 2007 - auf der Grundlage des § 17 Abs. 2 BbS-VO am 10. Juli 2006 durchgeführt worden.
- Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 ErgThAPrV teilt der Vorsitzende des Prüfungsausschusses dem Prüfling das Nichtbestehen unter Mitteilung der Noten mit. Nach Nr. 3.4 EB-BbS erhält der Schüler in Niedersachsen hingegen von der Schule - wie vorliegend - ein Abgangszeugnis, wenn er nach nicht bestandener Prüfung die Schule verlässt. Danach ist auch die Passivlegitimation für den Verwaltungsprozess nach Bundes- und Landesrecht unterschiedlich ausgestaltet.
d. Bei kollidierendem Landesrecht mit Bundesrecht bestimmt Art. 31 GG, dass Bundesrecht Landesrecht bricht. Die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten hat danach auch in Niedersachsen nach den Regelungen des bundesrechtlich geregelten Ergotherapeutengesetzes und der hierauf gestützten Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zu erfolgen. Die Regelungen über die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten in der landesrechtlichen Verordnung über die berufsbildenden Schulen sind wenigstens nachrangig, wenn nicht gar nichtig (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl., Art. 31 Rdnr. 5 - Derogation). Unberührt bleibt die Zuständigkeit des Landes, die schulische Ausgestaltung der Ausbildung zu bestimmen, weil die Substanz des Ausbildungsrechts den Ländern vorbehalten bleiben muss (BVerfG, Urteil vom 24.10.2002, BVerfGE 106, S. 62, 131 = NJW 2003, S. 41, 49 [BVerfG 24.10.2002 - 2 BvF 1/01]). Diese Zuständigkeit findet jedoch ihre Grenze bei der Ausgestaltung von Abschlussprüfungen, die Voraussetzung für die "Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen" im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als Materie der konkurrierenden Gesetzgebung sind. Gemäß Art. 72 Abs. 1 GG haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Der Ergotherapeut ist ein "anderer Heilberuf" im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (vgl. BVerfG, Urteil vom 24.10.2002, BVerfGE 106, S. 62, 118f. = NJW 2003, S. 41, 45f. [BVerfG 24.10.2002 - 2 BvF 1/01]). Der Bund hat 1976 mit dem Erlass des Ergotherapeutengesetzes (vormalige Bezeichnung: Beschäftigungs- und Arbeitstherapeutengesetz) von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass zu den kompetenziell von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 noch erfassten Zulassungsvoraussetzungen auch das Prüfungswesen gehört. Dies ist vom Bundesverfassungsgericht für die Ermächtigung in § 9 des Altenpflegegesetzes zum Erlass von Ausbildungs- und Prüfungsregelungen entschieden (BVerfG, Urteil vom 24.10.2002, BVerfGE 106, S. 62, 130f. = NJW 2003, S. 41, 48 f. [BVerfG 24.10.2002 - 2 BvF 1/01]) und für die entsprechende Ermächtigungsnorm in § 5 ErgThG nicht anders zu beurteilen.
e. Auch Art. 84 Abs. 1 GG in der bis zum 31. August 2006 und damit zum Zeitpunkt der streitbefangenen Prüfung geltenden Fassung vom 26.7.2002 (BGBl. I 2863) - GG a.F. - vermittelte dem Land keine Rechtsetzungsbefugnis für Verfahrensvorschriften zur Abschlussprüfung in der Ergotherapie. Führten die Bundesländer die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, so regelten sie nach Art. 84 Abs. 1 GG a.F. die Einrichtung von Behörden und das Verwaltungsverfahren, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Das Ergotherapeutengesetz ist mit Zustimmung des Bundesrates in Kraft getreten. § 5 Abs. 1 ErgThG ermächtigt zu einer mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Die Zustimmung des Bundesrates zur ErgThAPrV ist erfolgt (s.o.). Deshalb war zum Zeitpunkt der Abschlussprüfung der Klägerin auch für abweichende landesrechtliche Verfahrensvorschriften kein Raum. Dies folgt bereits daraus, dass gemäß Art. 84 Abs. 2 GG die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates sogar unterhalb der Rechtsverordnung Verwaltungsvorschriften erlassen kann, die dem Landesrecht vorgehen.
Soweit Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG in der seit 1. September 2006 geltenden Fassung vom 28.8.2006 (BGBl. I S. 2034) - GG n.F. - dem Land abweichende Regelungen gestattet, ist dies im hier fraglichen Zusammenhang spätestens seit 7. Dezember 2007 wieder ausgeschlossen, nachdem der Gesetzgeber mit Zustimmung des Bundesrates durch Art. 14 Nr. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2.12.2007 (BGBl. I S. 2686, 2712f.) von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. Gebrauch gemacht und in § 5 ErgThG durch Einfügung eines Absatzes 3 die Regelung aufgenommen hat, dass Abweichungen von § 5 Abs. 1 und 2 ErgThG sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnung enthaltenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens durch Landesrecht ausgeschlossen sind. § 5 Abs. 3 ErgThG n.F. liegen folgende Erwägungen zugrunde (BT-Drs. 16/5385, S. 91f.):
"Durch die Regelung werden gemäß Artikel 84 Abs. 1 Satz 5 GG die in § 5 des Ergotherapeutengesetzes enthaltene Verordnungsermächtigung und die auf ihrer Grundlage erlassenen Regelungen des Verwaltungsverfahrens in der Ergotherapeuten-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung abweichungsfest ausgestaltet. Für die bundeseinheitliche Ausgestaltung der Verfahrensregelungen besteht ein besonderes Bedürfnis, das die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigt, weil das hohe Schutzgut der Gesundheit der Bevölkerung zu gewährleisten ist. Patienten müssen überall im Bundesgebiet die qualitativ gleiche Ergotherapie erhalten können. Dies setzt voraus, dass die Qualität der Abschlussprüfungen in allen Bundesländern ein einheitliches Niveau aufweist. Ein einheitliches Qualitätsniveau ist nur zu erreichen, wenn die Regelungen über die Durchführung der staatlichen Prüfung, die Festsetzung einheitlicher Prüfungstermine und -zeiträume, die Festlegung und Kontrolle der Prüfungsaufgaben und -antworten, die Wiederholung von Prüfungen, die Notenbildung und Ermittlung des Prüfungsergebnisses und die Zeugniserteilung sowie Fristen und Formvorschriften im Prüfungsverfahren einheitlich ausgestaltet werden. So könnte beispielsweise ohne einheitliche Vorgaben bei der Besetzung des Prüfungsausschusses nicht gewährleistet werden, dass die Prüfungen nur durch Prüfer mit der für die einzelnen Prüfungsteile jeweils erforderlichen Qualifikation abgenommen und bewertet werden. Vorgaben zu den Prüfungsterminen verhindern, dass frühzeitige Termine die Ausbildungszeiten faktisch verkürzen. Schließlich schränkt die einheitliche Ausgestaltung der Bescheinigungen und Urkunden Missbrauchsmöglichkeiten ein."
Auch danach sind die bundesrechtlichen Regelungen der ErgThAPrV für die in Niedersachsen durchgeführten Abschlussprüfungen in der Ergotherapie maßgeblich.
f. Einfachgesetzlich bestanden und bestehen keine weiteren Übergangs- und Ausnahmevorschriften zugunsten des Landesrechts.
Die Übergangsvorschrift in § 17 ErgThAPrV ist vorliegend nicht einschlägig, weil die Klägerin ihre Ausbildung nach dem Inkrafttreten der Verordnung begonnen hat.
2. Die Abweichung von den Regelungen der ErgThAPrV hat u.a. zu folgenden Mängeln im Prüfungsverfahren der Klägerin geführt:
Die gesamte Prüfung wurde nicht nach der Gliederung der ErgThAPrV in einen schriftlichen, mündlichen und praktischen Teil der Prüfung durchgeführt, sondern abweichend gegliedert in zwei Fächern unter Vermengung von schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungselementen bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Vorzensuren und einer mündlichen Ergänzungsprüfung.
Bezogen auf die von der Klägerin gerügte Note "mangelhaft" im Fach "Praxis Ergotherapie" wurden die Prüfungsleistungen "(a) Werkstück" und "(b) Behandlung" abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 1 ErgThAPrV nicht von jeweils mindestens zwei Fachprüfern abgenommen, sondern jeweils nur von einer Prüferin. Ausweislich Bl. 49f. BA B wurde die Prüfungsleistung "(a) Werkstück" nur von der Prüferin A. und ausweislich Bl. 67, 69 BA B die Prüfungsleistung "(b) Behandlung" nur von der Prüferin B. bewertet. Frau C. übte bei der Prüfungsleistung (b) lediglich die Funktion einer Protokollantin aus. Abweichend von § 7 Abs. 3 Satz 2 ErgThAPrV hat außerdem die Vorsitzende des Prüfungsausschusses aus den Noten der Fachprüfer nicht die Noten der jeweiligen Prüfungsleistung sowie aus diesen Noten die Prüfungsnote für den praktischen Teil der Prüfung gebildet. Vielmehr beschloss die "Vorkonferenz" der Beklagten am 4. Juli 2006, die Klägerin in dem von der ErgThAPrV nicht vorgesehenen Fach "Praxis Ergotherapie" ergänzend mündlich zu prüfen. Auch eine solche ergänzende mündliche Prüfung im Rahmen des praktischen Teils der Abschlussprüfung ist in der ErgThAPrV nicht vorgesehen. § 7 Abs. 2 Satz 4 ErgThAPrV sieht im Anschluss an die Prüfungsleistung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErgThAPrV lediglich ein Prüfungsgespräch vor. Dieses hatte im Rahmen der Prüfungsleistung (b) ersichtlich bereits am 22. Mai 2006 mit der Prüferin B. stattgefunden (s. Nr. 3 "Reflexion der Behandlung und Fragen zum Prüfungsbericht"). Dessen ungeachtet kann die erst am 10. Juli 2006 durchgeführte mündliche Ergänzungsprüfung nicht in ein Prüfungsgespräch nach § 7 Abs. 2 Satz 4 ErgThAprV umgedeutet werden, zumal dieses nicht von den zwei erforderlichen Fachprüfern der Prüfungsleistung (b) mit der Klägerin geführt wurde, sondern allein von dem an dem praktischen Teil der Prüfung bislang nicht beteiligten Prüfer F.
Der Prüfungsausschuss war über das Fehlen der notwendigen Anzahl der Fachprüfer bei der praktischen Prüfung hinaus auch wegen des Fehlens eines bzw. einer Prüfungsausschussvorsitzenden nicht ordnungsgemäß besetzt. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Prüfungsausschussvorsitzende D., die nicht Medizinalbeamtin ist, als betraute Person im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ErgThAPrV angesehen werden kann. Sie ist schulfachliche Dezernentin im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ErgThAPrV und ersetzt in dieser Funktion den Medizinalbeamten bzw. die notwendige Person nach Nr. 1 der Vorschrift nicht. Dessen ungeachtet war von der Beigeladenen als zuständiger Behörde jedenfalls für die "Vorkonferenz" am 4. Juli 2006 und die mündliche Ergänzungsprüfung der Klägerin am 10. Juli 2006 kein Vorsitzender des Prüfungsausschusses bestellt. Zu den beiden letztbezeichneten Prüfungsterminen hatte die Beigeladene durch die schulfachliche Dezernentin bereits mit Verfügung vom 2. März 2006 den Vorsitz "auf die Schule übertragen". Der Vorsitz kann jedoch gemäß § 3 Abs. 2 ErgThAPrV im Verhinderungsfall nur auf einen zuvor bestellten Vertreter, bei dem es sich um eine natürliche Person und nicht um eine Lehranstalt handeln muss, übertragen werden. Die Rückübertragung des Vorsitzes in einem Prüfungsausschuss "auf die Schule" stellt die Auswahl des Ausschussvorsitzenden in die Beliebigkeit der Lehranstalt und ist von der ErgThAPrV nicht gedeckt.
Selbst bei Zugrundelegung der BbS-VO wäre der Prüfungsausschuss zumindest bei der Vorkonferenz und der ergänzenden Prüfung der Klägerin im "Fach Ergotherapie" fehlerhaft besetzt gewesen. Denn abweichend von § 5 Abs. 2 lit. a) der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO war der Vorsitz durch die Verfügung vom 2. März 2006 nicht "einer oder einem anderen Beauftragten der Schulbehörde" übertragen worden, sondern "der Schule" insgesamt und damit unzulässigerweise in das Belieben der Schule gestellt. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 BbS-VO, nach der der Schulleiter eine Lehrkraft zum vorsitzenden Mitglied des Prüfungsausschusses bestellt oder den Vorsitz im Prüfungsausschuss selbst übernimmt, wird durch die spezielle Regelung in § 5 Abs. 2 der Anlage 5 zu § 36 BbS-VO für die Berufsfachschule Ergotherapie verdrängt. Die fehlende Bestimmung des Prüfungsausschussvorsitzenden wird deshalb auch nicht dadurch geheilt, dass der Schulleiter selbst den Vorsitz zumindest in der "Vorkonferenz" am 4. Juli 2006 übernahm.
Die Mängel des Prüfungsverfahrens werden vorliegend nicht mit der Bestätigung der Note "mangelhaft" durch die Abhilfekonferenz am 8. September 2006 unter dem Vorsitz der schulfachlichen Dezernentin geheilt, zumal die gesamte Prüfung nicht nach den Vorschriften der ErgThAPrV durchgeführt worden ist.
II. Die Mängel des Prüfungsverfahrens vermitteln der Klägerin einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften, zu denen das Gericht vorliegend jedoch nicht verpflichten kann, weil die Klägerin Entsprechendes nicht beantragt hat und sie auch die Wiederholung der Prüfung oder auch nur die Wiederholung eines Prüfungsteils ausdrücklich ablehnt und dies durch die Rücknahme des auf Wiederholung der Prüfung zielenden Hilfsantrages bekräftigt. In diesem Fall verwehrt § 88 VwGO, über den Klagantrag der Klägerin hinauszugehen. Die Klägerin ist damit nicht endgültig von einer weiteren Abschlussprüfung in der Ergotherapie ausgeschlossen. Bereits im Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 3. Januar 2007 ist auf Seite 3 ausgeführt, dass die Klägerin die Möglichkeit hat, nach einem weiteren Besuch der Klasse 3 an einer Berufsfachschule für Ergotherapie die Abschlussprüfung zu wiederholen.
Vor diesem Hintergrund ist auch das streitbefangene Abgangszeugnis vom 12. Juli 2006 nicht isoliert aufzuheben, weil die darin enthaltene Feststellung, dass die Klägerin die Ausbildung zur Ergotherapeutin nicht erfolgreich abgeschlossen hat, zutrifft. Diese Feststellung trifft bereits deshalb zu, weil sie die Abschlussprüfung nach der ErgThAPrV nicht bestanden hat.
Soweit die Klägerin selbst in der mündlichen Verhandlung einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Art. 3 GG gerügt hat, indem ihren Mitschülern das Führen der Berufsbezeichnung "Ergotherapeut" bzw. "Ergotherapeutin" auf der Grundlage einer Prüfung nach der BbS-VO ermöglicht wurde und ihr nicht, so ist zum einen festzustellen, dass die Mitschüler die Prüfung nach der BbS-VO bestanden haben und dessen ungeachtet kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht. Zudem hatte die Klägerin ausdrücklich gerügt, dass ihre Prüfung abweichend von den Vorschriften der ErgThAPrV durchgeführt worden sei. Diese Rüge hat die Kammer für erheblich befunden.
III. Da die von der Klägerin im Sommer 2006 bei der Beklagten abgelegte Prüfung nicht den Vorschriften der ErgThAprV entsprach, hat sie auch keinen Anspruch auf Neubewertung ihrer verfahrensfehlerhaft erbrachten Prüfungsleistungen.
a. Soweit die Klägerin die Neubewertung der mit "mangelhaft" bewerten praktischen Prüfungsleistung "(b) Behandlung" vom 22. Mai 2006 im Rahmen der Prüfung im Fach "Praxis Ergotherapie" begehrt, so wäre diese zum einen wegen der Einmaligkeit der Prüfungssituation in Gestalt u.a. einer Patientenbehandlung sowie eines Prüfungsgesprächs nach Ablauf von 1 1/2 Jahren nicht mehr möglich und zum anderen fehlt es an dem nach § 7 Abs. 3 ErgThAPrV erforderlichen zweiten Fachprüfer, der die Neubewertung durchführen könnte. Denn - wie bereits dargelegt - wurde die Prüfungsleistung (b) allein von der Prüferin B. abgenommen. Im Übrigen hat die Klägerin keine substantiierten Einwendungen gegen die Bewertung dieser Prüfungsleistung mit "mangelhaft" erhoben. Insbesondere hat sich die Klägerin nicht mit der ausführlichen Begründung der Note auf Bl. 71 BA B auseinandergesetzt.
b. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin die Neubewertung der mit "mangelhaft" bewerteten mündlichen Ergänzungsprüfung vom 10. Juli 2006 im Rahmen des Fachs "Praxis Ergotherapie" begehrt, denn die mündliche Ergänzungsprüfung hätte nach der ErgThAPrV nicht durchgeführt werden dürfen. Soweit sie eine überlange Prüfungsdauer rügt, handelt es sich hierbei um die Geltendmachung eines (weiteren) Verfahrensfehlers, der - bei Zugrundelegung der BbS-VO - allenfalls zu einer Wiederholung der Prüfung, nicht jedoch zu einer Neubewertung der Leistungen führen könnte.
c. Soweit die Klägerin rügt, dass die Gesamtnote "mangelhaft" im Fach "Praxis Ergotherapie" rechnerisch fehlerhaft gebildet worden sei, ist diese Rüge ebenfalls nicht erheblich, weil gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 ErgThAPrV jede Prüfungsleistung im praktischen Teil der Prüfung mindestens mit "ausreichend" bewertet werden muss, um den praktischen Teil der Prüfung zu bestehen, und die Vorzensur unberücksichtigt bleiben muss. Dessen ungeachtet würde sich bei Zugrundelegung der BbS-VO und Anlegung des Bewertungsschemas der Beklagten "50 % Vornote - 15 % Werkstück - 35 % Behandlung" und den Noten "4-4-5" unter Außerachtlassung der mit "5" bewerteten mündlichen Ergänzungsprüfung ein rechnerischer Mittelwert von 4,35 ergeben. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Klägerin wäre der Prüfungsausschuss auch bei Zugrundelegung dieser vom Bundesrecht abweichenden Notenermittlung nicht verpflichtet, diesen rechnerischen Mittelwert zwingend auf "ausreichend" abzurunden. Einen entsprechenden allgemeinen Prüfungsgrundsatz gibt es nicht. Vielmehr entscheidet der Prüfungsausschuss, dem ein Beurteilungsspielraum zusteht, über Auf- und Abrundung des rechnerischen Mittelwerts nach dem von den Leistungen des Prüflings gewonnenen Gesamteindruck (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.8.1985, NVwZ 1986, S. 379). Entsprechendes gilt, wenn nur die Prüfungsleistungen "(a) Werkstück" und "(b) Behandlung" mit den Noten "4" und "5" zu berücksichtigen wären.
IV. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie Klagabweisung beantragt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko im Sinne von § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Über den von der Klägerin gestellten Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, braucht im Hinblick auf die Klagabweisung und die damit verbundene Kostenfolge nicht entschieden zu werden.
Die Berufung ist gemäß §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Kammer der Frage, ob die Abschlussprüfung für Ergotherapeuten in Niedersachsen nach den Bestimmungen der ErgThAPrV oder der BbS-VO durchzuführen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst.