Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.03.2008, Az.: 11 A 3438/06

Abgabe der Milchreferenzmenge; Aufgabe der Milcherzeugung; betriebsindividueller Betrag; Betriebsinhaber; Betriebsumstellung; Betriebsumstellung; Bezugszeitraum; Direktzahlung; Einstellung der Milcherzeugung; Einstellung der Milchlieferung; einzelbetriebliche Milchreferenzmenge; endgültige Aufgabe; Härtefallantrag; langfristiger Pachtvertrag; Milchlieferung; Milchprämie; Milchreferenzmenge; nationale Reserve; Neueinsteiger; Pachtvertrag; prämienrelevante Betriebsumstellung; Referenzbetrag; Referenzzeitraum; Umstellung der Milcherzeugung; Umstellung des Betriebs; Verkauf der Milchreferenzmenge; Verpachtung; Verpachtung an Milcherzeuger; Verpachtung der Milchreferenzmenge

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.03.2008
Aktenzeichen
11 A 3438/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55084
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Verpachtung der Milchreferenzmenge ist keine endgültige Aufgabe.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Erhöhung von Zahlungsansprüchen durch Zuweisung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve wegen Umstellung der Milcherzeugung.

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Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Rinderhaltung.

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Am 17.05.2005 beantragte er bei der Beklagten die Festsetzung von Zahlungsansprüchen und stellte zugleich einen Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005. Unter Ziffer II. 4.6. des Antragsformulars beantragte der Kläger die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve gemäß Art. 23 der VO (EG) Nr. 795/2004 (Unternehmen in besonderer Lage) wegen Umstellung der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung bis zum 15.05.2004. In der Anlage zum Antrag - Vordruck M - gab er an, dass er seinen Betrieb im Bezugszeitraum von der Milcherzeugung auf Rindfleischerzeugung umgestellt und die Lieferung von Milch bis zum 28.02.2000 eingestellt habe, und führte die Zahl der zu Beginn und am Ende des Zeitraums gehaltenen Bullen und Mutterkühe und die dafür erhaltenen Tierprämien auf. Der Kläger legte eine Bescheinigung der D. Milchwerke GmbH vom 02.05.2005 vor, aus der sich ergibt, dass er im Februar 2000 zuletzt Milch an ihr Unternehmen geliefert hat. Mit Bescheinigung der Beklagten vom 02.03.2000 und vom 13.03.2000 wird dem Kläger als Lieferant bei der Molkerei D. Milchwerke bestätigt, dass er in der Zeit vom 08.02.2000 bis zum 31.03.2008 eine Referenzmenge in Höhe von 55.962 kg an den Milcherzeuger E. und eine Referenzmenge in Höhe von 23.358 kg an die F. GbR verpachtet hat.

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Mit Bescheid vom 07.04.2006 - dessen Zugang nicht bekannt ist - setzte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Zahlungsansprüche fest. Auf der Anlage 2 zum Bescheid wies sie dem Kläger einen durchschnittlichen betriebsindividuellen Betrag über die Referenzjahre von 5.725,33 € zu. Eine Zuweisung aus der nationalen Reserve erfolgte nicht. Die Ablehnung des Härtefallantrages wurde damit begründet, dass der Kläger die einzelbetriebliche Milchreferenzmenge nicht durch vollständigen Verkauf endgültig aufgegeben habe.

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Der Kläger hat am 24.05.2006 Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt er vor, er habe seinen Milchviehbestand im Referenzzeitraum abgeschafft, die von ihm verpachtete Milchreferenzmenge nicht mehr beliefert und damit die Milcherzeugung aufgegeben. Der vollständige Verkauf der Milchreferenzmenge sei für die Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen nicht erforderlich. Ein solcher Verkauf der Milchreferenzmenge sei ihm schon wegen der fehlenden Zustimmung des Verpächters der von ihm gepachteten landwirtschaftlichen Flächen und wegen der langfristigen Verpachtung der Milchreferenzmenge an die milcherzeugenden Kollegen nicht möglich gewesen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, ihm Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve aufgrund der Umstellung der Milcherzeugung auf Rindfleischerzeugung nach Art. 23 der VO (EG) Nr. 795/2004 zuzuweisen und ihren Bescheid vom 07.04.2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und macht geltend, die Festsetzung der Höhe der Zahlungsansprüche ohne Berücksichtigung des Antrages auf Zuweisung von betriebsindividuellen Beiträgen aus der nationalen Reserve wegen der Umstellung der Milcherzeugung sei rechtmäßig. Der Kläger habe die einzelbetriebliche Milchreferenzmenge nicht spätestens am 30.03.2005 verkauft. Eine Verpachtung der Milchreferenzmenge sei keine endgültige Aufgabe. Durch die Pachteinnahmen erziele er immer noch Einkommen aus dem Produktionszweig Milcherzeugung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve aufgrund der Umstellung der Milcherzeugung auf Rindfleischerzeugung nach Art. 23 der VO (G) Nr. 795/2004. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 07.04.2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

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Mit der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. L 270/1 -) wurde das System der produktionsbezogenen Beihilfen im Bereich der Landwirtschaft auf die erstmals für das Jahr 2005 geltende Betriebsprämienregelung umgestellt.

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Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden auf der Grundlage zugeteilter Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen gezahlt (Art. 33 Abs. 1 a und Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003).

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Der Wert eines Zahlungsanspruchs setzt sich nach dem in dem Bundesrepublik Deutschland geltenden Kombinationsmodell aus einem flächenbezogenen Betrag und einem betriebsindividuellen Betrag zusammen (§ 5 Abs. 1 Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG - vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der Fassung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I S. 1298) i.V.m. Art. 59 Abs. 1, Abs. 3 und 41 VO (EG) Nr. 1782/2003).

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Der betriebsindividuelle Betrag (BIB) errechnet sich für das Jahr 2005 aus dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge bestimmter Direktzahlungen im Bezugszeitraum der Kalenderjahre 2000 bis 2002 an den Betriebsinhaber, zu denen u.a. Mutterkuhprämien und Sonderprämien für männliche Rinder zählen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG i.V.m. Art. 33 Abs. 1 a mit Anhang VI, Art. 37 Abs. 1 und 38 VO (EG) Nr. 1782/2003) sowie der am 31. März des jeweiligen Kalenderjahres zur Verfügung stehenden einzelbetrieblichen Milchreferenzmenge (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 BetrPrämDurchfG i.V.m. Art. 62 Abs. 1, 95, 96 VO (EG) Nr. 1782/2003). Von der Summe dieser Beträge wird 1 % für die nationale Reserve abgezogen (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 BetrPrämDurchfG i.V.m. Art. 42 VO (EG) Nr. 1782/2003).

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Dementsprechend sind die dem Kläger als Betriebsinhaber in den Jahren 2000 bis 2002 gewährten Sonderprämien für männliche Rinder und Mutterkuhprämien bei der Berechnung des durchschnittlichen betriebsindividuellen Betrages zugrunde gelegt worden. Eine Milchprämie ist indes nicht hinzugerechnet worden, weil der klägerische Betrieb zum maßgeblichen Zeitpunkt am 31.03.2005 wegen der Verpachtung der Milchreferenzmenge im März 2000 und Umstellung seines Betriebes auf Rindfleischerzeugung nicht über eine einzelbetriebliche Milchreferenzmenge verfügte.

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Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger vor diesem Hintergrund begehrte Berücksichtigung eines darüber hinausgehenden betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve kommen Art. 42 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003, Art. 18 Abs. 1 und 23 VO (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141/1) in der Fassung der VO (EG) Nr. 1522/2007 vom 19. Dezember 2007 (ABl. L 335/27) und § 17 Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489), in Betracht.

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Die nach Art. 42 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 von den Mitgliedstaaten gebildete nationale Reserve wird unter anderem dazu verwendet, Referenzbeträge für Betriebsinhaber festzulegen, die sich in einer „besonderen Lage“ befinden (Art. 42 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003). Dies sind gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 solche Betriebsinhaber, die die Voraussetzungen der Art. 19 bis 23 dieser Verordnung erfüllen. Art. 23 VO (EG) Nr. 795/2004 regelt den Fall der Umstellung der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung im Referenzzeitraum, für die es vor der Umstellung auf die Betriebsprämienregelung Stützungszahlungen gegeben hat. Nach dieser Vorschrift wird der betriebsindividuelle Betrag abweichend vom Regelfall nicht anhand der am 31.03.2005 zur Verfügung stehenden einzelbetrieblichen Milchreferenzmenge berechnet, sondern wird um die auf der Grundlage der neuen Erzeugung in den zwölf Monaten nach der Betriebsumstellung errechneten Beträge aus der nationalen Reserve erhöht. Die Einzelheiten der Zuweisung betriebsindividueller Beträge in Fällen prämienrelevanter Betriebsumstellungen regelt § 17 BetrPrämDurchfV.

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Nach Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 erhalten Betriebsinhaber, die im Bezugszeitraum bis spätestens 29. September 2003 von der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung eines Sektors gemäß Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 umgestellt haben, Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve.

23

Nach § 17 Abs. 1 BetrPrämDurchfV wird in Fällen der Umstellung der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung im Sinne des Artikel 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 bei der Ermittlung des Referenzbetrages der betriebsindividuelle Betrag entsprechend § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes einschließlich der Beträge entsprechend § 5 Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 4 b des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes berechnet. Maßgeblich ist die für die Direktzahlungen im Sinne des Anhanges VI der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 in Frage kommende Erzeugung des Betriebes in den zwölf Monaten nach Einstellung der Milcherzeugung.

24

Nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 BetrPrämDurchfV wird ein betriebsindividueller Betrag nur berücksichtigt, wenn infolge der Umstellung der Erzeugung die einzelbetriebliche Milchreferenzmenge nach dem 31. März 2004 nicht mehr von dem Betriebsinhaber beliefert und vor dem 31. März 2005 endgültig abgegeben wurde.

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Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

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Er hat zwar nach der Umstellung seines Betriebes ab März 2000 keine Milch mehr an die D. Milchwerke GmbH geliefert, hat aber die einzelbetriebliche Milchreferenzmenge nicht bis zum 30.03.2005 endgültig abgegeben, sondern nur an andere Milcherzeuger über diesen Stichtag hinaus verpachtet.

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Bereits nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BetrPrämDurchfV genügt nicht die Einstellung der Milchlieferung. Die Betriebsumstellung von Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung soll nur prämienrelevant sein, wenn eine „Einstellung der Milcherzeugung“ als solche vorliegt. Notwendige Voraussetzung dafür ist nach dem Willen des Verordnungsgebers, dass die Milchreferenzmenge bis zum maßgeblichen Stichtag „endgültig abgegeben“ wurde.

28

Diesen Voraussetzungen genügen die vom Kläger im März 2000 abgeschlossenen Pachtverträge nicht. Nach Ablauf der Pachtverträge zum 31.03.2008 fällt die verpachtete Milchreferenzmenge an den Kläger zurück. Ob er diese dann wieder beliefern kann oder will, ist rechtlich unerheblich. Bis zu diesem Zeitpunkt erhält der Kläger auch fortlaufend Einnahmen aus der Verpachtung der Milchreferenzmenge und bezieht damit über den Stichtag hinaus Einkommen aus dem Produktionszweig der Milcherzeugung, auch wenn er seinen eigenen Milchviehbestand abgeschafft hat. Der Kläger hat sich damit nicht auf das Niveau eines Neueinsteigers im Produktionszweig der Milcherzeugung begeben.

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Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, der Verkauf der Milchreferenzmenge sei ihm wegen der fehlenden Zustimmung des Verpächters der von ihm gepachteten landwirtschaftlichen Flächen und wegen der langfristigen Verpachtung der Milchreferenzmenge an die milcherzeugende Kollegen nicht möglich gewesen.

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Es ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber derartige Fälle langfristiger Verpachtung der Milchreferenzmenge den Fällen der endgültigen Abgabe der Milchreferenzmenge durch deren Verkauf gleichsetzen wollte. Der klare Wortlaut des § 17 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BetrPrämDurchfV gab insofern keinen Anlass zu weitergehenden Begründungen, Zweifeln und Änderungsanträgen im Gesetzgebungsverfahren.

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Die Vorschrift des § 17 Abs. 1 und 3 Nr. 1 BetrPrämDurchfV steht auch nicht im Widerspruch zu Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber langfristige Pachtverträge wegen ihrer praktischen Auswirkungen für eine Umstellung der Milcherzeugung auf eine andere Erzeugung für ausreichend hält. Der Begriff der Umstellung impliziert, dass man sich auf etwas anderes, Neues einstellt (Duden, Die deutsche Rechtschreibung), im Zusammenhang mit einem Betrieb diesen bestimmten Erfordernissen entsprechend verändert (Duden, Bedeutungswörterbuch) und sich damit endgültig von der alten Situation trennt. Hätte der Gesetzgeber abweichend von dem Verständnis des Begriffes zumindest Fälle langfristiger Pachtverträge einbeziehen wollen, so hätte er vergleichbar den anderen Vorschriften zur Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve für Betriebsinhaber in besonderer Lage in Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 4 und Art. 22 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 besondere Regelungen für solche Pachtverträge treffen müssen. Dies hat er indes nicht getan.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.