Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 12.03.2008, Az.: 11 A 3435/06

Aufstallung weiterer Muttertiere; Aufstockung des Viehbestandes; Aufstockung einer Schafherde; Ausstattung einer Ablammscheune; Begriff der Produktionskapazitäten; besondere Lage; betriebsindividueller Betrag; Betriebsinhaber; Betriebsprämie; Direktzahlung; eigene Nachzucht; Erweiterung des Viehbestandes; Erwerb von Prämienrechten; Huteschäferei; Investition in Produktionskapazitäten; landwirtschaftliche Beihilfe; landwirtschaftliche Förderung; Mutterschaf; Mutterschaf als Produktionsmittel; Mutterschafhaltung; Mutterschafprämie; Nachzucht; nationale Reserve; Produktionskapazität; Referenzbetrag; Stalleinrichtung; Steigerung der Produktivität; Tierproduktion; Unmittelbarkeit der Produktionssteigerung; Wanderschäferei; weibliche Lämmer; Zahlungsansprüche; zusätzliche Referenzbeträge

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
12.03.2008
Aktenzeichen
11 A 3435/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55083
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Verzicht auf den Verkauf von weiblichen Lämmern und deren Einsatz als Mutterschaf zum Aufbau einer neuen Herde stellt eine Investition im Sinne der Betriebsprämienregelung dar.
Im Falle einer Huteschäferei liegt eine relevante Investition in Produktionskapazitäten im Sinne von Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 und § 15 BetrPrämDurchfV auch vor, wenn die Investition ganz überwiegend in dem Aufbau der Herde aus eigener Nachzucht besteht, wenn weitere Aufwendungen für die notwendige aber geringe Innenausstattung einer Scheune und der Erwerb von Prämienrechten hinzutreten. Dass ein Teil der für § 15 Abs. 5 BetrPrämDurchfV relevanten Mutterschafprämien aus der nationalen Reserve stammen, steht dem nicht entgegen.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve auf Grundlage weiterer 231 Einheiten zuzuweisen. Der Bescheid der Beklagten vom 07.04.2006 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Zuweisung eines höheren betriebsindividuellen Betrages für seine Zahlungsansprüche.

2

Der Kläger ist Schafzüchter und hat seinen Betrieb im Jahr 2000 als Neueinsteiger gegründet. Seine Herde hat sich von 180 im Jahr 2000 auf über 800 Tiere im Jahr 2005 entwickelt. Mit Bescheiden vom 05.01.2000 und 04.02.2000 teilte das Amt für Agrarstruktur Hannover dem Kläger zunächst 233 von einem anderen Erzeuger erworbene Prämienansprüche zu. Deren Zahl erhöhte sich durch Bescheide vom 07.11.2001 und 17.10.2003 auf 503. Die beiden letztgenannten Aufstockungen erfolgten aus der nationalen Reserve.

3

Der Kläger stellte zusammen mit dem "Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen sowie Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005" einen Antrag auf Zuweisung von betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve aufgrund von Investitionen. Er gab dabei an, in Maschinen, Geräte und technische Einrichtungen 4483,00 € und in die Aufstockung des Tierbestandes 12.400,00 € investiert zu haben.

4

Der Kläger gab zu seinen Investitionen in den Tierbestand an, durch den Verzicht auf den Verkauf von Tieren seinen Tierbestand aufgestockt zu haben. Er legte einen Steuerbescheid für das Jahr 2003 vor, aus dem sich hinsichtlich der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Wirtschaftsjahr 2003/2004 durch Erhöhung der Viehbewertung eine Einnahme von 12.610,00 € angesetzt wird. Weitere legte er Belege für den Erwerb von Zuchtböcken zum Preis von 332,34 € brutto bzw. 304,89 € netto vor. Vom Zuchtverband wird der Erwerb von vier weiteren Böcken bestätigt. Handschriftlich wird deren Wert zweimal mit 300,00 DM, einmal mit 350,00 DM und einmal mit 400,00 DM angegeben. Weiter legte er Belege für den Erwerb diverser Stalleinrichtungen in Höhe von 3.029,13 € inklusive Mehrwertsteuer und Transportkosten vor.

5

Mit Bescheid vom 07.04.2006 - dessen Zugang nicht bekannt ist - wies die Beklagte dem Kläger 1,66 Zahlungsansprüche mit einem Wert von 540,54 € und 19,62 Zahlungsansprüche mit einem Wert von 385,17 € zu. Die Zuweisung eines höheren betriebsindividuellen Betrags aus dem Bestand der nationalen Reserve erfolgte nicht.

6

Hiergegen hat der Kläger durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.05.2006 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, er habe den Anspruch auf weitere betriebsindividuelle Beträge für mindestens 231 Einheiten aus der nationalen Reserve. Die Zahl seiner Tiere sei in dem Referenzzeitraum von 2000 bis 2002 aufgrund der Gründungssituation gering gewesen. In dem Zeitraum habe sich die Zahl der Mutterschafe von 180 auf 403 erhöht. Im Jahr 2003 seien jedoch bereits 545 und im Jahr 2004 568 Mutterschafe vorhanden gewesen. Die Differenz zwischen dieser Zahl und der Durchschnittszahl im Referenzzeitraum (272) ergebe die klageweise geltend gemachten 231 weiteren Einheiten.

7

Voraussetzung für eine Zuweisung aus der nationalen Reserve sei gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 BetrPrämDurchfV bei einer Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht, dass der zusätzliche Viehbestand bis zum 31.12.2004 in Höhe von mindestens 50 v.H. im Betrieb vorhanden gewesen sein müsse. Dies sei in seinem Fall nachgewiesen. Es handele sich auch um eine Investition im Sinne der VO 795/2004. Er habe in den Betrieb dadurch investiert, dass er auf die Schlachtung von weiblichen Lämmern verzichtet und diese zur Aufstockung seines Tierbestandes eingesetzt habe. Dies habe sich auch steuerlich niedergeschlagen, die Erhöhung der Bewertung seines Tierbestandes sei als Einnahme berücksichtigt worden.

8

Er habe auch über die notwendigen Prämienansprüche verfügt. Nach dem Normtext sei nur der Erwerb der entsprechenden Prämienansprüche relevant. Es komme nicht darauf an, ob es sich dabei um einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Erwerb handele. Die streitigen zusätzlichen 100 Zahlungsansprüche seien aus der nationalen Reserve und damit unentgeltlich zugewiesen worden. Der Begriff des Erwerbs sei aber in beiden Fällen erfüllt.

9

Auch die Investitionen in die Stalleinrichtungen seien zu berücksichtigen, obwohl ein Teil der Zahlungen durch den Vater des Klägers erfolgt sei. In der Gründungsphase habe er nicht über ausreichende Mittel verfügt, um diese Aufwendungen selbst sofort zu finanzieren zu können. Sein Vater sei deswegen in Vorlage getreten; er habe dieses familieninterne Darlehen bei seinem Vater in Raten zurückgezahlt. Ohne die „Zwischenfinanzierung“ durch seinen Vater hätte er einen Bankkredit in Anspruch nehmen müssen.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve auf Grundlage weiterer 231 Einheiten zuzuweisen und ihren Bescheid vom 07.04.2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, eine Investition durch eigene Nachzucht sei nur dann zu berücksichtigen, wenn sie zu anderen berücksichtigungsfähigen Investitionen hinzutrete. Dies sei hier nicht der Fall.

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Weiter könnten im Falle des Klägers die Prämienansprüche nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden, weil die Zuweisung aus der nationalen Reserve hier unbeachtlich sei. Die Regelung der Art. 42 VO 1782/03 i.V.m. 51 VO 795/04 und § 15 BetrPrämDurchfV zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie stellten Regelungen des Investitionsschutzes dar und fänden deswegen auf die Zuweisung unentgeltlicher Prämienansprüche keine Anwendung.

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Darüber hinaus seien auch die Investitionen in die Stalleinrichtung unbeachtlich, weil sie ganz überwiegend nicht von dem Kläger selbst, sondern von dessen Vater getätigt worden seien.

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Wegen des weiteren Sachverhalts im Einzelnen und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagen verwiesen, der beigezogen wurde und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Festsetzung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve auf Grundlage von 231 weiteren Tiereinheiten. Der entgegenstehende Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 VwGO).

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Zum Wirtschaftsjahr 2005 wurde das System der landwirtschaftlichen Förderung auf eine Betriebsprämienregelung umgestellt. Voraussetzung für den jährlichen Anspruch auf Betriebsprämien sind auf Antrag einmalig festgesetzte Zahlungsansprüche. Rechtsgrundlagen für ihre Festsetzung sind die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (Amtsblatt der Europäischen Union - ABl. L 270/1) in der Fassung der VO (EG) Nr. 1276/2007 vom 29. Oktober 2007 (ABl. L 284/11) mit den Durchführungsbestimmungen der Kommission zur Betriebsprämienregelung in der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141/1) in der Fassung der VO (EG) Nr. 1522/2007 vom 19. Dezember 2007 (ABl. L 335/27) und zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem in der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. L 141/18) in der Fassung der VO (EG) Nr. 972/2007 vom 20. August 2007 (ABl. L 216/3). Auf nationaler Ebene wurden die Richtlinien durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der nunmehr geltenden Fassung vom 30. Mai 2006 (BGBl. I S. 1298), die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489), und die Verordnung über die Durchführung von Stützungsregelungen und gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 im Rahmen des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems - InVeKoSV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl I S. 3194), zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489), umgesetzt und konkretisiert.

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Jedem Zahlungsanspruch ist ein konkreter Wert zugeordnet, der die Höhe der jährlich zu beantragende Betriebsprämie für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen bestimmt (Art. 33 Abs. 1 lit. a und Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003). Nach § 5 Abs. 1 BetrPrämDurchfG wird der Referenzbetrag aus einem flächenbezogenen Betrag und einem betriebsindividuellen Betrag (BIB) festgesetzt. Der flächenbezogene Referenzbetrag beträgt in Niedersachsen für Acker- und Grünlandflächen - 255,12 bzw. 99,75 € pro Zahlungsanspruch.

21

Der BIB wird u.a. gem. § 5 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b BetrPrämDurchfG i.V.m. Anhang VI zu VO (EG) Nr. 1782/2003 für Direktzahlungen für Schaf- und Ziegenfleisch in Form der Mutterschafprämie berechnet. Seine Höhe errechnet sich grundsätzlich aus den Direktzahlungen, die der jeweilige Betrieb in dem Bezugszeitraum (2000 bis 2002) durchschnittlich erhalten hat (Art. 33, 37 Abs. 1, 38 VO (EG) Nr. 1782/2003).

22

Um Investitionen von Landwirten in Produktionskapazitäten zu erfassen, die noch nicht zu Direktzahlungen im Referenzzeitraum geführt haben, und insoweit das Vertrauen der Landwirte in den Fortbestand der alten, produktionsgebundenen Agrarförderung zu schützen, sieht Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 die Berücksichtigung von Investitionen bis zum 15.05.2004 bei der Bemessung der Referenzbeträge vor. Diese zusätzlichen Referenzbeträge werden nach Art. 42 Abs. 1, Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 der nationalen Reserve entnommen, die u.a. dazu dient, Referenzbeträge für Betriebsinhaber festzulegen, die sich in einer „besonderen Lage“ befinden. Nach Art. 21 Abs. 3 VO (EG) Nr. 795/2004. iVm Anhang VI zu VO (EG) Nr. 1782/2003 fallen auch Investitionen in den Bereich der Mutterschafprämie unter die Regelung des Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004.

23

Nach Art. 21 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 795/2004 erhält ein Betriebsinhaber, der spätestens bis zum 15. Mai 2004 gemäß den Bedingungen der Abs. 2 bis 6 in Produktionskapazitäten investiert oder Flächen gekauft hat, Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung betriebsindividueller Beträge aus der nationalen Reserve, wenn die Investitionen in einem Plan oder Programm vorgesehen sind, dessen Durchführung spätestens am 15. Mai 2004 begonnen hat. Liegen weder ein Plan noch Programme in Schriftform vor, können die Mitgliedstaaten andere objektive Nachweise für das Vorliegen einer Investition berücksichtigen(Art. 21 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 795/2004).

24

Art. 21 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 ermächtigt die Mitgliedstaaten, objektive Kriterien festzusetzen, nach denen in Fällen von Investitionen in Produktionskapazitäten Referenzbeträge festzusetzen sind. Von dieser Ermächtigung hat der deutsche Verordnungsgeber mit § 15 BetrPrämDurchfV Gebrauch gemacht. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfV werden Erhöhungen des betriebsindividuellen Betrages nur berücksichtigt, wenn die Investition unmittelbar zu einer Erhöhung der Produktionskapazität führt. Nach § 15 Abs. 4 BetrPrämDurchfV muss der Betriebsinhaber nachweisen, dass mit der Durchführung des Plans oder Programms, in dem die Investition vorgesehen ist, spätestens am 15. Mai 2004 begonnen worden ist. Dies ist nur der Fall, wenn bis zu diesem Zeitpunkt die für die Investition vorgesehenen Liefer-, Kauf-, Pacht- oder Leistungsverträge einschließlich der Verträge über erforderliche Viehzukäufe zur erstmaligen Nutzung der zusätzlichen Produktionskapazität in einem Umfang von mindestens 50 v.H. oder mindestens 20.000,00 Euro abgeschlossen worden sind. Ist darüber hinaus im Rahmen der Gesamtinvestition die Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht vorgesehen, so muss dieser zusätzliche Viehbestand bis zum 31. Dezember 2004 in Höhe von mindestens 50 v.H. im Betrieb vorhanden sein. Investitionen in die Produktionskapazitäten der Mutterschafhaltung werden gem. § 15 Abs. 5 S. 1 BetrPrämDurchfV zusätzlich zu den in den Abs. 2 bis 4 genannten Anforderungen nur in dem Umfang berücksichtigt, in dem bis zum 15. Mai 2004 die der zusätzlichen Produktionskapazität entsprechenden Prämienansprüche erworben worden sind.

25

Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen, insbesondere hat er bis zum Stichtag planvoll in Produktionskapazitäten investiert. Die Aufstockung der Schafherde durch Kauf von Stalleinrichtungen und Prämienrechten und die Aufstallung weiterer Muttertiere stellt eine berücksichtigungsfähige Gesamtinvestition dar.

26

Die Beklagte bezweifelt zu Unrecht, dass es sich bei der Aufstallung von weiblichen Lämmern um eine Investition handelt. Unter Investition ist die Verwendung finanzieller Mittel oder die Anlage von Geld oder Vermögen zu verstehen, um damit neue Geldgewinne, oder höhere Geldgewinne aus bestehenden Unternehmungen zu generieren. Es handelt sich dabei um einen rein betriebswirtschaftlichen Begriff. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es jedoch unerheblich, ob der Unternehmer ein eigenes Produkt nicht verkauft sondern zur Steigerung der Produktivität einsetzt oder ob er dieses Produkt verkauft und von dessen Erlös neue Produktionsmittel erwirbt. Entsprechend hat auch die Finanzverwaltung die Aufstockung des Viehbestandes gewertet. Im Bereich landwirtschaftlicher Produktion stellt sich die Frage der Investition nach den genannten Varianten zudem unter dem Gesichtspunkt der Zucht. Nur zu einem geringen Teil hinsichtlich der Zuchtböcke wird - wie auch im Falle des Klägers geschehen - ein Zukauf von Außen den züchterischen Zielen entsprechen.

27

Eine Investition liegt auch hinsichtlich der erworbenen Stalleinrichtung vor. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger den Zahlungsvorgang unmittelbar selbst vornimmt. Es ist üblich, dass bei Betriebsgründung noch nicht ausreichend Eigenkapital zur Eigenfinanzierung aller Investitionen vorhanden ist. Die Gewährung eines Darlehns durch den Vater ist daher glaubwürdig und von der Beklagten unbestritten geblieben.

28

Es handelt sich auch um die Investition in Produktionskapazitäten.

29

In der Zusammenschau der Regelung des § 15. BetrPrämDurchfV, die sowohl die Investition in „feste“ Güter als auch den Erstbesatz mit Vieh auch aus eigener Nachzucht anspricht, meint der Begriff der Produktionskapazitäten die Gesamtheit der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die der Betrieb innerhalb einer bestimmten Zeit unter Einsatz seiner Produktionsmittel hervorbringen kann. Unter der Investition in die Produktionskapazitäten ist folglich die Investition in dieses Leistungsvermögen und damit letztlich in die für eine gewisse Dauer vorhandenen Produktionsmittel bzw. Investitionsgüter gemeint (vgl. VG Hannover, Urt. vom 12.03.2008, 11 A 3397/06).

30

Auch wenn die Verwendung des Begriffs der Produktionskapazitäten in den einschlägigen EU-Verordnungen nahe legt, es handele sich nur um Investitionen in Flächen, Gebäuden und ihre Ausstattung, zeigt z. B. die Formulierung in Art. 10 Abs. 3 Gedankenstrich 1 der VO (EWG) Nr. 4115/88 der Kommission vom 21.12.1988 mit Durchführungsbestimmungen zur Beihilferegelung für die Extensivierung der Erzeugung ( Abl. L 361 v. 29.12.1988, S. 13), dass zu den Produktionskapazitäten nur insbesondere Gebäude, Geräte und Anlagen zählen. Die Verwendung des Begriffs "insbesondere" macht jedoch deutlich, dass in der landwirtschaftlichen Produktion eine solche Vielfalt unterschiedlicher Poduktionsvoraussetzungen herrscht, dass eine vollständige Erfassung in einer Aufzählung nicht möglich ist.

31

Die ganz überwiegende Zahl der Investitionen in Produktionskapazitäten aus dem Bereich der Tierprämien wird allerdings auch zwingend solche in die "sächlichen" Voraussetzungen für die Tierproduktion umfassen. Eine landwirtschaftliche Produktion, die fast ganz ohne Investitionen entweder in Flächen in nennenswerten Umfang oder Gebäude inklusive Einrichtungen auskommt, ist nur im extremen Ausnahmefall denkbar.

32

Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Produktionsvoraussetzungen für den Betrieb des Klägers sind gering. Da der Schäfer mit seinen Schafen zieht, benötigt er eigene Flächen nur zur Erzeugung von Heu als ergänzendem Winterfutter. Für die Lammzeit im Winter benötigt er einen entsprechend geschützten Raum. Das wesentliche Produktionsmittel einer Wanderschäferei ist indessen das Mutterschaf, das das wirtschaftlich wesentliche Produkt eines solchen Betriebes, die Lämmer, erzeugt. Keineswegs widerspricht die Einordnung der Mutterschafe einer Herde als Produktionsmittel der übereinstimmenden Auffassung der Landwirtschaftsbehörden in Bund und Land, wie die Beklagte meint. Tatsächlich entspricht sie den offiziellen Verlautbarungen des zuständigen Bundesministeriums. Die "Meilensteine der Agrarpolitik", August 2005, nennen unter Ziff. 3.9.2.2 (112) b) als zu berücksichtigenden Investitionsfall bei der Mutterkuhhaltung den Kauf von Prämienrechten verbunden mit dem Kauf oder der eigenen Nachzucht von Tieren und - nur gegebenenfalls - die zusätzliche Investition in Futterflächen, Stallkapazitäten, Maschinen, Geräte und Einrichtungen. Weiter nennen die "Meilensteine" an gleicher Stelle als Investitionsfall den Kauf einer Schafherde, wiederum nur "gegebenenfalls" verbunden mit Investitionen in die für die Mutterkuhhaltung genannten Bereiche. Für die Frage, ob es sich um eine Investition in Produktionskapazitäten handelt, ist es irrelevant, ob die Schafherde gekauft wird, oder ob sie Jahr für Jahr aufgebaut wird. In jedem Fall geht die Landwirtschaftsverwaltung offensichtlich selbst davon aus, dass wohl im Fall der Muttertierhaltung, jedenfalls aber bei der Mutterschafhaltung eine Investition allein in die Tiere als Investitionsfall Berücksichtigung finden muss. Weitere "sächliche" Investitionen sind danach nicht erforderlich.

33

Unter diesen besonderen Bedingungen hat der Kläger umfassend in die Steigerung seiner Produktionskapazitäten investiert. Er hat durch die Anmietung und Ausstattung der Ablammscheune die sächlichen Voraussetzungen für die Huteschäferei geschaffen, er hat den wesentlichen Teil seiner Prämienrechte erworben - nur ein Teil stammt aus der nationalen Reserve - und er hat durch eigene Nachzucht die Zahl der Mutterschafe signifikant erhöht und damit die Produktionsmöglichkeit für Lämmer erheblich gesteigert. Damit liegt auch das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Produktionssteigerung gem. § 15 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfV vor.

34

Dass der Kläger aufgrund eines Planes vorging, ergibt sich aus seiner Darstellung im Antragsverfahren (Bl. 8 des Verwaltungsvorgangs, Beiakte "B") und wurde von der Beklagten daher auch nicht in Zweifel gezogen.

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Der Kläger hat auch gem. § 15 Abs. 4 S. 1 BetrPrämDurchfV nachgewiesen, dass mit der Durchführung der Investition vor dem 15. Mai 2004 begonnen worden ist, denn der Aufbau seines Mutterschafbestandes begann bereits im Jahr 2000. Die für die Investitionen relevanten Verträge über die Stalleinrichtung und den Erwerb von Prämienansprüchen waren gem. § 15 Abs. 4 S. 2 BetrPrämDurchfV bis zum Stichtag abgeschlossen. Die Erweiterung des Viehbestandes aus eigener Nachzucht lag auch gem. § 15 Abs. 4 S. 4 BetrPrämDurchfV bis zum 31.12.2004 zu mehr als 50% vor, denn im Jahr 2004 verfügte der Kläger bereits über 570 Tiere bei einer Zielmenge von ca. 800 Schafen.

36

Der Kläger hat auch die gem. § 15 Abs. 5 BetrPrämDurchfVO notwendige Zahl an Prämienansprüchen erworben. Gem. § 15 Abs. 5 S. 2 BetrPrämDurchfVO sind dabei auch die Prämien aus der nationalen Reserve zu berücksichtigen. Der Kläger hat seinen Antrag auch auf die Zahl der Tiereinheiten beschränkt, für die er über Prämienrechte verfügt; die tatsächliche Zahl der Schafe ist deutlich höher.

37

Da die Beklagte im Verfahren unterlegen ist, hat sie gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.