Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2002, Az.: 1 KN 1310/01

Anzeigepflicht; Bebauungsplan; Einheitlichkeit; Gebäudegestaltung; Gestaltungskonzept; Nachbarschutz; örtliche Bauvorschrift

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.03.2002
Aktenzeichen
1 KN 1310/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43986
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Antragsteller erstreben die Nichtigerklärung einer örtlichen Bauvorschrift.

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Sie sind Eigentümer des Einfamilienhauses {F.} 4 am Südhang des {G.} im Ortsteil {H.} der Antragsgegnerin. Es liegt an der Südseite der Straße und ist bergseitig erschlossen. Der {F.} bildet eine von der Einmündung in die Straße {I.} nach Osten verlaufende Stichstraße mit Wendehammer. Das Gelände ist nach Süden stark hängig und bietet so eine ungewöhnlich schöne Aussicht ins Tal und in die Ferne. Südlich unterhalb des {J.} schließen sich zwei parallele Stichstraßen an ({E.} und {K.}). Die an diesen Straßen liegenden Häuser sind bergseitig eingeschossig und mit einem Flachdach versehen. Eine Ausnahme bilden die Gebäude auf der Nordseite des {J.}. Sie weisen Sattel- oder Walmdächer auf. Sie grenzen an die hier am Waldrand entlanglaufende Straße {L.} an.

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Das Areal bildet den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 "Am Waldrand", den der Rat der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, der Gemeinde {H.}, am 28. Februar 1969 mit der Begründung und mit der Satzung zum Bebauungsplan beschloss. Der Regierungspräsident in Hannover genehmigte den Bebauungsplan Nr. 13 mit Verfügung vom 26. August 1969. Er wurde am 6. Oktober 1969 durch Aushang bekannt gemacht. Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung unter Ausschluss von Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 BauNVO ein reines Wohngebiet fest. Die zwingend vorgeschriebene Bildung eines zweiten Geschosses bezieht sich nur auf die Gebäudeteile, die durch die Hanglage talseitig entstehen (§ 4 der Satzung). Die Fußbodenhöhe des bergseitig zur Erschließungsstraße hin orientierten Vollgeschosses dürfe höchstens 40 cm über der Straßenachse, die der talseitig erschlossenen Grundstücke maximal 50 cm über dem gewachsenen Boden, bezogen auf die Einschnittsfläche des bergseitigen Geländes, liegen (§ 5 der Satzung). In § 2 der Satzung ist bestimmt, dass für die Baugestaltung die Satzung über die besondere Anforderung an die Baugestaltung rechtsverbindlich ist. Die zeichnerische Darstellung setzt die überbaubaren Flächen durch grundstücksübergreifende Baugrenzen fest (im Gegensatz etwa zum Bebauungsplan Nr. 12, der die Standorte und die gegeneinander versetzte Anordnung der Baukörper bestimmte).

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Die Baugestaltungssatzung aufgrund der Verordnung über Baugestaltungen vom 10. November 1936 (RGBl. I S. 938) wurde zugleich mit dem Bebauungsplan vom Rat der Gemeinde {H.} beschlossen und durch Beitrittsbeschluss vom 28. April 1971 der Maßgabe der Genehmigungsverfügung vom 3. November 1969 angepasst. Sie wurde am 9. August 1971 durch Aushang eines Hinweises auf die Möglichkeit der Einsichtnahme bekannt gemacht. Für die Baukörper nördlich des {J.} und an der östlichen Grenze des Geltungsbereichs ordnete sie Walm- und Satteldächer mit 20° Dachneigung an. Anschließend war bestimmt: "Alle übrigen Dachflächen, einschließlich der Garagendächer, sind als bekieste Flachdächer ohne Neigung herzustellen."

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Die Planungsvorgänge der damaligen Zeit, die auf die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zurückgehen, enthalten außer dem Bebauungsplan Nr. 13 einen Aufbauplan zur Baugestaltungssatzung vom ... für den Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 "Am Waldrand" (Beiakte C zu den Prozessakten des Verwaltungsgerichts 4 A 4418/00, Ordner Nr. 5 "Pläne"). Dieser Plan stellt einen Vertikalschnitt durch den Planbereich dar, der erkennen lässt, wie die Flachdächer bei Ausnutzung der Hanglage die freie Sicht von den einzelnen Häusern aus gewährleisten. Dieser Aufbauplan war jedoch nicht Gegenstand der Ratsbeschlüsse.

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Der Eigentümer des südlich unmittelbar an die Parzelle der Antragsteller angrenzenden Grundstücks {E.} 1 beantragte und erhielt mit Verfügung vom 16. September 1994 einen Bauvorbescheid, nach dem die Dachsanierung durch Austausch des Flachdachs gegen ein Satteldach planungsrechtlich zulässig ist. Der Bauherr nutzte den Bauvorbescheid aber nicht aus, sondern beantragte mit Schreiben vom 7. Februar 2000 die "Wiederherstellung" seiner Baugenehmigung von 1994. Ähnliche Bauvoranfragen wurden von den Eheleuten {M.} ({E.} 2) und {N.} ({E.} 3) eingereicht; über den Verfahrensstand ist nichts Näheres bekannt.

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Inzwischen hatte die Verwaltung der Antragsgegnerin ein umfassendes Konzept "zur Sicherung der Flachdächer in durch diese Dachform geprägten Baugebieten" entwickelt (Mitteilung an den Bau- und Planungsausschuss vom 28. Oktober 1998). Zum Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 wurde ausgeführt, hier seien noch geschlossene Flachdächer vorhanden; nachdem deren Grundlage, die Baugestaltungssatzung von 1969, aber mit Ablauf des Jahres 1978 außer Kraft getreten sei, habe die Antragsgegnerin keine Möglichkeit, den Bau geneigter Dächer zu verhindern. Eine Neuregelung solle sich an der vorhandenen Satzung im Geltungsbereich der Bebauungspläne Nr. 11 und 12 orientieren. Seit 1989 gelte dort eine örtliche Bauvorschrift, die nur flach geneigte Sattel- und Walmdächer zulasse; die Flachdächer hätten lediglich Bestandsschutz. Der Bau- und Planungsausschuss stimmte am 8. Dezember 1998 zu. Mit Beschluss vom 15. März 1999 nahm der Ortsrat {H.} die Aufstellung der örtlichen Bauvorschrift Nr. 4 "{E.}" zur Kenntnis und empfahl, Flachdächer und flach geneigte Dächer zuzulassen. Der Verwaltungsausschuss hatte bereits am 14. Januar 1999 die Aufstellung der örtlichen Bauvorschrift beschlossen. Am 6. Mai 1999 wurde eine frühzeitige Bürgerbeteiligung durchgeführt. Dabei waren vier Bürger erschienen, von denen sich drei für die Beibehaltung der Flachdächer aussprachen. Der vierte befürwortete geneigte Dächer, da sie weniger reparaturanfällig seien. Der Verwaltungsausschuss beschloss am 8. Juli 1999 die öffentliche Auslegung der örtlichen Bauvorschrift. Der Entwurf sah entsprechend dem ursprünglichen Konzept vor, dass nur noch Sattel- und Walmdächer mit einer Neigung von maximal 25° zulässig sein sollten. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, Sattel- und Walmdächer stellten die für den ländlichen Ort typischen Dachformen dar, während Flachdächer eher den städtischen Bauformen zuzurechnen seien. Nachdem im Auslegungsverfahren elf Bürger, darunter die Antragsteller, Bedenken gegen den Entwurf geäußert und sich für die Beibehaltung der Flachdächer ausgesprochen hatten, beschloss der Bau- und Planungsausschuss am 21. September 1999, die Angelegenheit zu vertagen; er beauftragte die Verwaltung, sich nochmals mit den Betroffenen in Verbindung zu setzen. Die entsprechende Eigentümer-Umfrage bei den fünfzehn Betroffenen ergab, dass sieben die ausschließliche Zulässigkeit von Flachdächern befürworteten, während sieben - darunter der Antragsteller zu 1) - die Zulassung flach geneigter Dächer forderten. Einer äußerte sich nicht. Auf Empfehlungen der Verwaltung und des Bau- und Planungsausschusses (am 7. Dezember 1999) beschloss sodann der Verwaltungsausschuss am 13. Januar 2000, "die alte Rechtslage wiederherzustellen" und die örtliche Bauvorschrift erneut öffentlich auszulegen. In der Begründung des Entwurfs (nach dem nur Flachdächer zulässig sein sollten) heißt es, dadurch bleibe die "visuelle Einheitlichkeit" des Plangebiets gewahrt. Durch die Dachform würden Beeinträchtigungen der Wohnqualität wie Verschattung oder Sichtbehinderung vermieden. Der Ortsrat {H.} votierte dagegen mit 5 : 4 Stimmen für die Zulassung flach geneigter Dächer (Beschluss vom 14. Februar 2000); von Bedeutung war dabei die Annahme, dass unter anderem die Antragsteller ihr Grundstück erst erworben hatten, nachdem die ursprüngliche Baugestaltungssatzung außer Kraft getreten war. Der Verwaltungsausschuss beschloss am 13. April 2000 die Beschränkung auf Flachdächer und demgemäß die erneute öffentliche Auslegung. Die Bürger beteiligten sich rege mit den Argumenten für und gegen die Flachdach-Regelung. Am 21. September 2000 beschloss der Verwaltungsausschuss, dem Rat die Satzung in der ursprünglich vorgeschlagenen Fassung vom 8. Juli 1999 (nur noch Walm- und Satteldächer zulässig) zu empfehlen. Der Rat folgte dieser Empfehlung mit Beschluss vom 12. Oktober 2000. Die Satzung wurde am 28. Dezember 2000 durch Veröffentlichung in der Presse bekannt gemacht (Hinweisbekanntmachung). Mit Schreiben vom 8. Januar 2001 unterrichtete die Antragsgegnerin gemäß VV-BauGB Nr. 38 unter anderem die Bezirksregierung {O.} und den Landkreis {O.} über die örtliche Bauvorschrift. Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften wurde von den beteiligten Stellen nicht geltend gemacht.

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Die Antragsteller haben nach erfolglosem Widerspruchsverfahren gegen den ihrem Nachbarn erteilten Bauvorbescheid Anfechtungsklage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, im Wesentlichen aus folgenden Gründen: Der angefochtene Bescheid verstoße nicht gegen nachbarschützende Bestimmungen. Der Bebauungsplan Nr. 13 enthalte keine Festsetzungen zur Dachgestaltung; und die Baugestaltungssatzung sei mit Ablauf des Jahres 1978 außer Kraft getreten. Der Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg.

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Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg

Entscheidungsgründe

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1. Ob sich ein formeller Mangel aus der Unterlassung des Anzeigeverfahrens ergibt, wie es die Antragsteller geltend machen, kann dahinstehen. Die Bekanntmachung ist ordnungsgemäß erfolgt.

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aa) Für das Verfahren bei der Aufstellung von örtlichen Bauvorschriften gelten die Vorschriften für das Verfahren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen entsprechend (§ 97 Abs. 1 Satz 2 NBauO). Durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 vom 18. August 1997 (BGBl. I S. 2081), in Kraft getreten am 1. August 1998, ist das Anzeigeverfahren für Bebauungspläne aufgehoben worden. Wenn die Vorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 2 NBauO als dynamische Verweisung verstanden wird, wäre auch die landesrechtlich geregelte Anzeigepflicht entfallen. Nach Landesrecht besteht eine Anzeigepflicht für solche örtlichen Bauvorschriften fort, die nicht in Bebauungspläne aufgenommen werden (§ 97 Abs. 1 Satz 3 NBauO). Die örtliche Bauvorschrift ist nicht angezeigt worden. Da die Anzeige der präventiven Rechtskontrolle dient, hätte sie vor der Bekanntmachung erstattet werden müssen. Die Unterrichtung sowohl des Landkreises als auch der Bezirksregierung mit Schreiben vom 28. Januar 2001 genügt nicht; diese Information soll die beteiligten Behörden über das Inkrafttreten ins Bild setzen. Das bedarf hier jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn die Verletzung der etwa bestehenden Anzeigepflicht würde nur die Unwirksamkeit mit der Möglichkeit der Heilung nach § 215 a Abs. 1 BauGB zur Folge haben. Und darauf kommt es hier nicht an, weil die angefochtenen Änderungen materiell rechtswidrig und damit unbehebbar nichtig sind.

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bb) Für die Bekanntmachung der örtlichen Bauvorschrift genügt die Hinweisbekanntmachung gemäß § 10 Abs. 3 BauGB. Das folgt aus § 97 Abs. 1 Satz 2 NBauO, da diese Bestimmung generell auf das Verfahren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen verweist (vgl. Schmaltz, in: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Kommentar zur NBauO, 7. Aufl. 2002, Rdn. 20 zu § 97).

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2. Die angefochtene örtliche Bauvorschrift steht nicht im Widerspruch zu den Festsetzungen des Bebauungsplans (aa). Die in Rede stehenden Festsetzungen entfalten auch keine nachbarschützende Wirkung (bb). Sie scheitert aber daran, dass sie durch die gesetzliche Ermächtigung nicht gedeckt ist (cc); schließlich bestehen auch Bedenken gegen das Abwägungsergebnis der örtlichen Bauvorschrift.

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aa) Den Einwendungen der Antragsteller gegen die Gültigkeit der angefochtenen örtlichen Bauvorschrift fehlt es schon an der Schlüssigkeit. Die Nichtigkeit würde die Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht voraussetzen. Die Antragsteller machen indes inhaltliche Widersprüche der Vorschrift im Verhältnis zu dem Bebauungsplan Nr. 13 geltend. Aber der Bebauungsplan, als Satzung beschlossen, steht mit der örtlichen Bauvorschrift auf gleicher Stufe in der vertikalen Normenhierarchie; dass die örtliche Bauvorschrift im übertragenen Wirkungskreis erlassen wird (§ 97 Abs. 1 Satz 1 NBauO), ist unerheblich. Denn die Inanspruchnahme einer gesetzlichen Ermächtigung schafft Rechte der ermächtigten, nicht der ermächtigenden Rechtssetzungsebene (vgl. das Urt. d. erk. Ger. v. 27.10.1987

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- 6 A 196/86 -, UA S. 8). Als nachfolgende Regelung "lex posterior" geht vielmehr die örtliche Bauvorschrift dem früheren Bebauungsplan vor. Soweit sie den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspricht, hebt sie diese auf. Ein Quasi-Vorrang des Bebauungsplans, wie ihn die Antragsteller mit der Überlegung zu konstruieren versuchen, dass örtliche Bauvorschriften den Bebauungsplan zwar ergänzen, nicht aber verändern könnten, besteht nicht.

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bb) Der Bebauungsplan Nr. 13 allein hat im Übrigen nicht den Inhalt, den die Antragsteller ihm zuschreiben. Die Festsetzungen über die Höhenlage der Gebäude, Differenzierungen zwischen talseitig und bergseitig erschlossenen Gebäuden sowie die Zahl der Vollgeschosse dienen dem öffentlichen Interesse an der Einmaligkeit des Ortsbildes und dem Anblick der Hanglage, nicht aber dem Ausblick und der Fernsicht einzelner Grundstückseigentümer.

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Festsetzungen über Gebäudehöhen und Zahl der Vollgeschosse dienen in aller Regel allein öffentlichen Interessen. Allerdings hat der örtliche Satzungsgeber die Befugnis, solche Festsetzungen im korrespektiven Interesse Dritter zu treffen und auszugestalten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.1971 - IV C 2.68 -, DVBl. 1971, 754 ff.). Nachbarschützender Charakter solcher städtebaulichen Festsetzungen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sie den Schutz der Aussicht wegen der besonderen örtlichen Situation zum Inhalt haben (vgl. das Urt. d. erk. Sen. v. 19.9.1967 - I OVG A 135/66 -, BRS 18 Nr. 130). Die Ungewöhnlichkeit eines subjektiven öffentlichen Rechts auf schöne Aussicht und die dadurch bewirkte Festlegung des Satzungsgebers auf einen Vertrauenstatbestand bedingen freilich, dass Nachbarschutz dieser Art die Ausnahme bilden wird und dass folglich strenge Anforderungen an die Deutlichkeit des darauf gerichteten Planungswillens gestellt werden müssen.

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Richtig ist, dass das erkennende Gericht im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 12 der Gemeinde {H.} als Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin einen solchen Nachbarschutz angenommen hat (Beschl. d. 6. Sen. v. 11.3.1976 - VI OVG B 22/76 -, insoweit in DVBl. 1977, 733 ff. nicht abgedruckt). Tragende Gründe dieser - im vorläufigen Rechtsschutz notwendigerweise nicht endgültigen - Auslegung waren das Zusammentreffen mehrerer, die freie Aussicht tatsächlich begünstigender Festsetzungen (gegeneinander versetzte Anordnung der Baukörper, Begrenzungen der Höhenlage und Einschränkung der Bildung eines zweiten Geschosses auf der Talseite); als zusätzliche Stütze der Auslegung sah der 6. Senat die dem Bebauungsplan zugeordnete Baugestaltungssatzung mit ihrem Bestreben, durch die Bauweise (Flachdach) die Höhe der Baukörper zu begrenzen, und schließlich den Umstand, dass für die angrenzenden Gebiete entsprechende Bebauungspläne bestanden. Der 6. Senat bemerkte dazu ausdrücklich, dass die Regelungen der Baugestaltungssatzung "für sich" keinen nachbarschützenden Charakter hätten, sondern nur zur Ermittlung des Planungswillens herangezogen würden. Projiziert man diese Erwägungen auf die heutige Situation, so wird deutlich, dass aus der (im vorläufigen Rechtsschutz ohnehin nur summarischen) Konstruktion drei entscheidende Pfeiler herausgebrochen sind: Die eigenartige, gegeneinander versetzte Anordnung der Baukörper findet sich im Bebauungsplan Nr. 13 nicht, vielmehr sind hier die überbaubaren Flächen grundstücksübergreifend festgesetzt; der damalige "Planungsverbund" existiert nicht mehr, nachdem sich im Geltungsbereich der Bebauungspläne Nr. 11 und 12 die Verpflichtung zur Errichtung von Sattel- oder Walmdächern durchgesetzt hat; und schließlich sind die jeweiligen alten Baugestaltungssatzungen außer Kraft getreten.

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Auch die sonstigen Erwägungen, aus denen die Antragsteller die Nichtigkeit der angefochtenen örtlichen Bauvorschrift herleiten wollen, greifen nicht durch. Insbesondere lässt sich eine Fortgeltung der alten Baugestaltungssatzung nicht begründen. Die Verweisung auf die Baugestaltungssatzung in § 2 der Satzung hat lediglich redaktionellen Charakter. Die im Vollzug der Baugestaltungssatzung entstandene Bebauung schließt eine Neuregelung nicht aus. Vor allem konnte der Bebauungsplan nicht etwa die außer Kraft getretene Gestaltungssatzung in sich aufnehmen und nun die Änderung der Flachdach-Regelung verbieten, wie die Antragsteller es sehen wollen. Tatsächlich enthält der Bebauungsplan überhaupt keine Regeln über die Dachgestaltung. Deshalb verfängt auch die Berufung auf § 15 BauNVO nicht, zumal sich § 15 BauNVO nur auf die Art der Nutzung bezieht (BVerwG, Urt. v. 16.3.1995 - 4 C 3.94 -, DVBl. 1995, 754).

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cc) Die angefochtene örtliche Bauvorschrift überschreitet die gesetzliche Ermächtigung. Dieser Mangel hat ihre Nichtigkeit zur Folge.

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Nach § 56 Abs. 1 Nr. 1 NBauO können die Gemeinden, auch über die Anforderungen der §§ 14, 49 und 53 hinausgehend, durch örtliche Bauvorschrift für bestimmte Teile des Gemeindegebietes besondere Anforderungen an die Gestaltung von Gebäuden stellen, insbesondere für die Neigung der Dächer einen Rahmen setzen. Damit werden die Gemeinden nicht auf eine Verunstaltungsabwehr beschränkt, sondern zu "positiver Baupflege" ermächtigt (Urt. d. 6. Sen. v. 9.1.1987 - 6 A 148/84 -, BRS 47 Nr. 122). Allerdings wird die Befugnis der Gemeinde dadurch begrenzt, dass die örtliche Bauvorschrift der Verwirklichung bestimmter städtebaulicher oder baugestalterischer Absichten dienen muss und nur für bestimmte Teile des Gemeindegebietes eingesetzt werden darf. Es genügt daher nicht, dass die Gemeinde gewisse Bauformen oder Materialien für unschön und daher unerwünscht hält. Aber auch das Ziel, eine einheitliche Bebauung zu erreichen, lässt in der Regel noch keine baugestalterische Absicht erkennen, die eine Einschränkung der Baufreiheit rechtfertigt, weil gerade Einheitlichkeit die Gefahr öder Gleichförmigkeit heraufbeschwört (vgl. Urt. d. Sen. v. 12.2.1982 - 1 A 231/80 -, BRS 39 Nr. 132). Erforderlich ist vielmehr ein konkretes gestalterisches Konzept für die Ausgestaltung eines konkreten überschaubaren Ortsteils (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 56 Rdn. 10 f.). Dieses Konzept kann sich auch unmittelbar aus den topografischen Gegebenheiten und den Bestimmungen der örtlichen Bauvorschrift ergeben. Die Eigenart der Hanglage lässt beispielsweise die ursprüngliche Bestimmung flacher Dächer als eine Bestimmung zur Verwirklichung städtebaulicher Absichten erscheinen, weil damit die freie Sicht in das Tal für alle Häuser am Südhang gewährleistet wird. Das ergibt sich zusätzlich aus dem sogenannten Aufbauplan, der zwar seinerzeit nicht mitbeschlossen worden ist, aber doch klare Hinweise auf die Motive gibt.

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Diesen Anforderungen wird die örtliche Bauvorschrift Nr. 4 nicht gerecht, weil nach der Begründung zur örtlichen Bauvorschrift ein schlüssiges Konzept für die Dachgestaltung im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 fehlt. Die Orientierung an der örtlichen Bauvorschrift für die benachbarten Bebauungspläne Nrn. 11 und 12 erschöpft sich in der Einheitlichkeit der Dachgestaltung, ersetzt aber keinen Gestaltungsentwurf. Die Zielvorstellung eines "harmonischen Erscheinungsbildes der Dachlandschaft" lässt die maßgebliche Gestaltungsidee für das Baugebiet nicht deutlich werden. Die Begründung, dass Sattel- und Walmdächer für den ländlich geprägten Ort typische Dachformen darstellten und Flachdächer eher den städtischen Bauformen zuzuordnen seien, mag als gestalterisches Konzept für ein Neubaugebiet "auf der grünen Wiese" noch schlüssig sein. Für eine bereits realisierte zusammenhängende Flachdachbebauung eines Südhangs, deren Sinnfälligkeit sich aus der topografischen Lage ergibt, entbehrt der angeordnete Wechsel zu geneigten Sattel- oder Walmdächern einer schlüssigen Gestaltungsidee. Das Baugebiet am Südhang des {G.} hebt sich bisher durch die Flachdachbebauung vom alten Dorfkern ab. Dementsprechend stellt die Betonung der für den ländlich geprägten Ort typischen (geneigten) Dachform nur ein Plädoyer für die Einheitlichkeit der Dachformen dar - und das obgleich das Baugebiet am Südhang des {G.} nach der Größe der Baugrundstücke, der Art und dem Maß der baulichen Nutzung keinen dörflichen oder ländlichen Charakter trägt.

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Auch die wechselnden Entwürfe der örtlichen Bauvorschrift - einmal geneigte Dächer, das andere Mal Flachdächer - deuten auf das Fehlen einer Gestaltungsidee für das Baugebiet hin. Zwar ist es durchaus denkbar, für ein Baugebiet unterschiedliche Gestaltungskonzepte zu entwickeln, aber bei einer auf die Dachform beschränkten örtlichen Bauvorschrift kann in aller Regel die Bestimmung von geneigten Dächern nicht in gleicher Weise Ausdruck einer Gestaltungsidee sein wie die Festsetzung des Gegenteils, nämlich Flachdächern.

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dd) Schließlich erscheint aber auch das Abwägungsergebnis nicht bedenkenfrei. Auch wenn die Baugestaltungssatzung auf der Grundlage der BaugestVO außer Kraft getreten ist, kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Grundstückseigentümer im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 13 die Baugestaltungssatzung befolgt haben und sich insoweit auf sie eingerichtet haben. Die Reparaturanfälligkeit von Flachdächern mag Anlass geben, die Festsetzung von Flachdächern zu ändern (vgl. Große-Suchsdorf/ Lindorf/Schmaltz/Wiechert, a.a.O., § 56 Rdn. 10 m.w.N.). Es spricht aber einiges dafür, dass auch ein Kompromiss möglich ist, der der Reparaturanfälligkeit von Flachdächern Rechnung trägt und andererseits durch eine stärkere Begrenzung der Dachneigung beziehungsweise Firsthöhe die Sichtbehinderung der Oberlieger in Grenzen hält.