Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.03.2002, Az.: 11 MB 102/02
Anordnung der sofortigen Vollziehung; Bedürfnisnachweis; Bedürfnisprüfung; Kurzwaffe; Rücknahme; Schießdisziplin; Schusswaffe; Verteidigungsschießen; Vollziehungsanordnung; Waffe; Waffenbesitz; Waffenbesitzkarte; Westernschießen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.03.2002
- Aktenzeichen
- 11 MB 102/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43866
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 15.08.2001 - AZ: 4 B 1868/00
Rechtsgrundlagen
- § 44 Abs 3 Nr 2 WaffG
- § 80 Abs 3 S 1 VwGO
- § 47 Abs 1 WaffG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Es bleibt offen, ob der dem Waffengesetz zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers, die Zahl der Waffenbesitzer und Schusswaffen mit Rücksicht auf die öffentliche Sicherheit auf das notwendige und vertretbare Mass zu beschränken, generell - also insb. auch dann ,wenn keine Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreffenden bestehen - ein öffentliches Interesse iSd § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO zu entnehmen ist. Einzelfall , in dem wegen der Besonderheiten des Einzelfalls ( keine Bedenken an der Zuverlässigkeit, Gesamtzahl der Waffen wurde nicht erhöht, Bedürfnisprüfung iSd § 32 Abs. 2 Nr. 3 S. 2 WaffG für die Teilnahme am Westernschießen ist noch nicht endgültig erfolgt ) die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Waffenbesitzkarte nicht gerechtfertigt ist.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 15. August 2001 geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landkreises Stade vom 6. September 2001 wird wiederhergestellt und die Aufhebung der Vollziehung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Verfahren auf 4.900,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der in der Waffenbesitzkarte 2297 vorgenommenen Eintragung des Revolvers Kal. 45 Colt, Ruger Vaquero.
Der 1946 in den USA geborene und seit 1966 im Bundesgebiet lebende Antragsteller ist aktiver Sportschütze. Er ist im Besitz von insgesamt 19 Waffen, für die Waffenbesitzkarten ausgestellt sind. Bei 8 von diesen 19 Waffen handelt es sich um Kurzwaffen, d.h. um Waffen von nicht mehr als 60 cm Länge. Der Antragsteller ist in zahlreichen Schießsportvereinen tätig und hat in den vergangenen Jahren bei in- und ausländischen Wettbewerben vordere Plätze errungen.
Ende August 1999 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Waffenbesitzkarte mit Munitionserwerbsberechtigung für den o.a. Revolver. Zur Begründung führte der Antragsteller an, er wolle an der neu eingeführten Disziplin des "Westernschießens" teilnehmen. Er legte die Stellungnahme der "Interessengemeinschaft für sportliches Großkaliberschießen e.V., S." bei. In dieser wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller aktiver Leistungsschütze sei, und in den Sparten Kurz- wie auch Langwaffe in den letzten drei Jahren 18 Pokale errungen habe. Nunmehr wolle er auch an der neuen Sportart "Western(aktion)schießen" teilnehmen. Hierzu benötige er eine Kurzwaffe nach den historischen Vorbildern, konkret einen Revolver Roger Vaquero. Im Austausch mit dem Erwerb dieser Kurzwaffe wolle der Antragsteller seinen Revolver Marke Roger KGP 141, Kal. 357 MAG. abgeben.
Die Antragsgegnerin entsprach diesem Begehren.
Mit Erlass vom 3. März 2000 teilte das Niedersächsische Innenministerium mit, das "Westernschießen" solle nach Auskunft des Bundes Deutscher Sportschützen (BDS) demnächst als neue Disziplin eingeführt werden. Für eine solche Disziplin könne jedoch ein Bedürfnis im Sinne des Waffengesetzes nicht bejaht werden; denn die Bezeichnung der einzelnen Wettkampfübungen im Rahmen dieses "Westernschießens" ließen Elemente des Verteidigungsschießens erkennen. Bedenklich sei ferner, dass für diese eine Disziplin vier Waffen benötigt würden. Die zuständigen Behörden wurden aufgefordert, etwaige bereits für diese Disziplin ausgestellten Waffenbesitzkarten nach § 47 Abs. 1 WaffG zurückzunehmen.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2000 nahm daraufhin die Antragsgegnerin unter Hinweis auf den o.a. Erlass die in der Waffenbesitzkarte 2297 vorgenommene Eintragung des Revolvers Roger Vaquero gemäß § 47 Abs. 1 WaffG zurück. (Die drei anderen für das Westernschießen erforderlichen Waffen benötigt der Antragsteller auch für andere Schießdisziplinen, so dass hinsichtlich dieser Waffen eine Rücknahme nicht erfolgte.) Darüber hinaus forderte sie den Antragsteller auf, ihr die Waffenbesitzkarte zur Änderung vorzulegen, wenn die Waffe an einen Berechtigten veräußert worden sei. Sie ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an, die sie im wesentlichen mit den Ausführungen in dem o.a. Erlass begründete. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass es im öffentlichen Interesse liege, jede weitere Handhabung mit dieser Waffe in dieser Disziplin mit sofortiger Wirkung zu unterbinden.
Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und stellte später einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus: Der Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig und schon deswegen seinem Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz stattzugeben. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin stelle die Disziplin "Westernschießen" eine ordnungsgemäße Sportart dar und sei insbesondere nicht mit einem Verteidigungsschießen gleichzusetzen. Darüber hinaus habe die Veräußerung des umstrittenen Revolvers nicht verlangt werden dürfen, allenfalls die Übergabe an einen berechtigten Dritten zur Verwahrung. Rechtswidrig sei auch das in der Verfügung ausgesprochene absolute Handhabungsverbot der Waffe; denn auch nach dem Waffenrecht sei es dem Antragsteller z.B. unbenommen, auf einem Schießplatz mit einem Revolver der hier umstrittenen Art zu schießen. Erweise sich aber der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, bestehe auch kein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse. Selbst wenn man die Erfolgsaussichten in der Sache als offen ansehe, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung aus formellen und materiellen Gründen nicht gerechtfertigt. Die bloße Wiederholung der zur Begründung der Grundverfügung gegebenen Argumente reiche hierfür nicht aus, es müssten vielmehr zusätzliche öffentliche Interessen hinzukommen. Dass ein bloßer Verweis auf die zum Erlass der Grundverfügung führenden Argumente für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreiche, ergebe sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Waffengesetzes von der ihm durch die Rahmennorm des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bewusst eröffneten Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auszuschließen, keinen Gebrauch gemacht habe, obwohl der Gesetzgeber andererseits die Widerrufs- und Rücknahmemöglichkeit in § 47 WaffG auf eine von den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Standards der §§ 48 ff. VwVfG deutlich zu Lasten des Bürgers abweichenden Weise geregelt habe. Der Waffengesetzgeber habe also die Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit sehr wohl gesehen, ihnen auch Rechnung getragen, andererseits jedoch bewusst entschieden, die aufschiebende Wirkung auch in Widerrufs- und Rücknahmefällen beizubehalten. Die in der Rechtsprechung zu beobachtende Tendenz, gleichwohl in der Regel im Waffenrecht unter Verweis auf die zutreffenden Ausführungen der Grundverfügung auch das öffentliche Interesse als überwiegend anzusehen, stehe mit dieser gesetzgeberischen Entscheidung nicht im Einklang. Es lägen im vorliegenden Fall auch keine speziellen Umstände vor, die zu einem Überwiegen der öffentlichen Interessen führen könnten; denn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers seien im gesamten Verfahren und auch früher von der zuständigen Behörde nie geäußert worden. Seine Zuverlässigkeit stehe mithin nicht in Frage, ebenso wenig der Umstand, dass er den Schießsport regelmäßig, und mit Erfolg ausübe. Vor diesem Hintergrund gebe es keine Rechtfertigung für den angeordneten Sofortvollzug. Es sei vielmehr zu vertreten, dass er, der nie zu Beanstandungen oder Sicherheitsbedenken Anlass gegeben habe und dessen Zuverlässigkeit und Sachkunde auch weiterhin selbst von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen werde, seinen Schießsport (hier Teilnahme am Westernschießen mit dem umstrittenen Revolver) bis zur Entscheidung des Hauptsachverfahrens weiter ausüben könne.
Die Antragsgegnerin hat sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, mit dem o.a. Erlass sei davon auszugehen, dass die Disziplin Westernschießen dem Verteidigungsschießen ähnlich sei; der Erwerb einer Fertigkeit im Verteidigungsschießen sei aber sofort zu unterbinden, da das Verteidigungsschießen nur speziellen Personengruppen (vgl. 1. Waffenverordnung X. Abschnitt) vorbehalten sei. Die persönlichen Interessen des Antragstellers müssten hinter diesen öffentlichen Interessen zurückstehen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. August 2001 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei formell ordnungsgemäß begründet worden. Auch materiell ergäben sich an der Anordnung des Sofortvollzuges keine Bedenken. Der angefochtene Bescheid sei aller Wahrscheinlichkeit nach rechtmäßig, da die Erteilung der Waffenbesitzkarte für den umstrittenen Revolver gegen zwingendes Recht verstoßen habe. Allerdings sei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin davon auszugehen, dass das "Westernschießen" als ordentlicher Schießwettbewerb im Sinne des § 32 Abs.2 Nr. 3 WaffG anzusehen sei. Die anderslautende Auffassung des Niedersächsischen Innenministeriums im o.a. Erlass vermöge das Gericht nicht zu teilen. Insbesondere aus der übersandten und vom Gericht eingesehenen Videoaufnahme ergebe sich, dass diese Disziplin keine Elemente des Verteidigungsschießens aufweise. Gleichwohl erweise sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig; denn da der Antragsteller bereits mehr als zwei Schusswaffen mit einer Länge von weniger als 60 cm besitze, habe er ein besonderes waffenrechtliches Bedürfnis für den Erwerb weiterer Kurzwaffen gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG nachzuweisen. Hierfür sei nach der Rechtsprechung erforderlich, dass die umstrittene Waffe zur Leistungssteigerung benötigt werde. Allein die Teilnahme an Schießwettbewerben reiche als Begründung nicht aus. Der Antragsteller habe jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass er die Waffe zur Leistungssteigerung benötige. Die vorgelegte Bescheinigung der Interessengemeinschaft für sportliches Großkaliberschießen e.V. erbringe diesen Nachweis ebenfalls nicht. Das Gericht könne deshalb kein waffenrechtliches Bedürfnis dafür erkennen, die ohnehin schon bedenklich hohe Zahl der im Besitz des Klägers befindlichen Kurzwaffen zu vermehren. Es bleibe dem Antragsteller allerdings unbenommen, sich von bereits in seinem Besitz vorhandenen Kurzwaffen in notwendigem Umfang zu trennen, um auch an der neuen Disziplin des Westernschießens teilnehmen zu können. Eine ausdrückliche Pflicht zu Veräußerung der umstrittenen Waffe sei vom Regelungsgehalt des Bescheides nicht erfasst. Dem Antragsteller sei lediglich die Möglichkeit einer Veräußerung eingeräumt und im übrigen auf die Regelung des § 48 Abs. 2 WaffG verwiesen worden, wonach auch eine vorläufige Überlassung an einen Berechtigten ausreiche.
Dagegen richtet sich die zugelassene Beschwerde des Antragstellers. Nahezu zeitgleich mit Einreichung des Zulassungsantrages im September 2001 hat der Landkreis S. den Widerspruchsbescheid erlassen. In diesem Widerspruchsbescheid vom 6. September 2001 führt der Landkreis aus, nach zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnissen sei das Westernschießen zwar als ordnungsgemäßer Sportwettbewerb anzusehen sei, gleichwohl sei ein Bedürfnis für den Erwerb der umstrittenen Waffe im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 WaffG nicht gegeben. Für den Erwerb weiterer Kurzwaffen sei nämlich ein strenger Maßstab anzulegen, da es Ziel des Waffengesetzes sei, die Art und Zahl der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Insofern sei vor Anerkennung des Bedürfnisses zum Erwerb von weiteren Kurzwaffen der Einsatz der schon vorhandenen Kurzwaffen für die angestrebte Disziplin bzw. die Veräußerung vorhandener Kurzwaffen zur zahlenmäßigen vertretbaren Begrenzung der Kurzwaffen als vorrangig anzusehen. Dieses Erfordernis habe der Antragsteller bislang nicht erwogen, so dass ein Bedürfnis nicht begründet sei. Eine Pflicht zu Veräußerung der Waffe sei durch den Bescheid nicht angeordnet worden. Die sofortige Vollziehung sei unter Hinweis auf die Ausführungen in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts weiter aufrecht zu erhalten. Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben (1 A 1348/01), über die noch nicht entschieden ist.
Zur Begründung der Beschwerde hat der Antragsteller ergänzend vorgetragen: In der Vergangenheit sei er von der Antragsgegnerin nie zum Nachweis eines "qualifizierten" Bedürfnisses im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr.3 Satz 2 WaffG aufgefordert worden. Einen derartigen Nachweis habe er nach Erhalt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts für das noch laufende Widerspruchsverfahren angekündigt; gleichwohl sei nahezu zeitgleich der ablehnende Widerspruchsbescheid ergangen. Da die Antragsgegnerin selbst keine Zweifel an seiner Zuverlässigkeit habe, auch ein Bedürfnis im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG (konkludent) bejaht habe und lediglich wegen des Erlasses des Innenministeriums die umstrittene Rücknahme ausgesprochen habe, habe er bislang keinen Anlass gesehen, zu der Frage des "qualifizierten" Bedürfnisses näher Stellung zu nehmen. Im übrigen habe er vor Erhalt des streitgegenständlichen Revolvers einen von ihm bislang besessenen Revolver (KGP 141, Kal. 357 Magnum) veräußert. Die Gesamtzahl seiner Waffen sei also tatsächlich nicht vermehrt worden.
Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung ausgeführt, nach wie vor sei das "Westernschießen" nicht als "ordentlicher Schießwettbewerb" im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG anzusehen. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits mehr als zwei Kurzwaffen besitze.
Mit Erlass vom 21. Februar 2002 hat das Niedersächsische Innenministerium den Erlass vom 3. März 2000 ersatzlos aufgehoben und darauf hingewiesen, dass über Anträge auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte für das "Westernschießen" im Einzelfall unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 1997 (DVBl. 1998, 834) zu entscheiden sei. Insbesondere sei die in § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG geforderte regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme am Übungsschießen nur dann als erfüllt anzusehen, wenn die betroffene Person mindestens alle zwei Wochen an einem solchen Übungsschießen teilgenommen habe und deutlich mehr als die Hälfte der maximalen Ringzahlen wiederholt erreicht habe. Darüber hinaus sei, soweit der Betreffende bereits mehr als zwei Kurzwaffen besitze, notwendig, dass die Teilnahme an der betreffenden Disziplin eine ernsthaft angestrebte Leistungssteigerung erwarten lasse; nachzuweisen sei außerdem, dass die bereits in dem Besitz befindlichen Kurzwaffen gleichwohl weiterhin benötigt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
Die von der Antragsgegnerin angeordnete und von der Widerspruchsbehörde aufrechterhaltene Anordnung der sofortigen Vollziehung erweist sich nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung als fehlerhaft, so dass auch die Aufhebung der Vollziehung – der Antragsteller hat im Laufe des Beschwerdezulassungsverfahrens die Waffe einem Dritten zur Aufbewahrung gegeben – anzuordnen war (§ 80 Abs. 5 S. 1 u. 3 VwGO).
1) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist allerdings als zureichend begründet im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO anzusehen.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Zweck dieses Begründungserfordernisses ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes im Bewusstsein des Ausnahmecharakters der den Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO bewirkenden Vollziehungsanordnung anzuhalten, dem Betroffenen die Kenntnis der für die Vollziehungsanordnung maßgeblichen Gründe zu vermitteln und ihm so die Rechtsverteidigung zu ermöglichen und die Grundlage für eine ordnungsgemäße gerichtliche Kontrolle dahin zu bieten, ob das die Vollziehungsanordnung rechtfertigende besondere Interesse auch vorliegt. Aus der Begründung muss mithin nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Demgemäß genügen pauschale, nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis nicht. Allerdings kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn – wie es im Waffenrecht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr der Fall sein kann – die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben (vgl. hierzu Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdnr. 176 ff.; Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdnr. 42 f.; Finkelnburg/Jank, Vorl. Rechtsschutz in Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 752 ff.).
Nach diesen Kriterien liegt eine – noch – ausreichende formelle Begründung für den angeordneten Sofortvollzug vor; denn die Antragsgegnerin hat auf die Ähnlichkeit des Westernschießens mit dem Verteidigungsschießen sowie darauf hingewiesen, dass eine Ausbildung im Verteidigungsschießen gemäß § 44 Abs. 3 Nr. 2 WaffG i.V.m. der Ersten Waffenverordnung Abschnitt X nur für einen eng eingegrenzten Personenkreis zulässig sei, so dass es nicht hingenommen werden könne, wenn auch andere Personen im Verteidigungsschießen geübt würden; eine derartige Entwicklung müsse unverzüglich unterbunden werden. Die Widerspruchsbehörde hat sich für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen gemacht und damit sinngemäß zur Begründung des Sofortvollzuges ausgeführt, die privaten Interessen des Antragstellers hätten nur ein geringes Gewicht; denn er verfüge über eine zureichende Zahl von Waffen, um in anderen als der im Streit befindlichen Disziplin des Westernschießens seinem Sport nachgehen zu können; ggf. könne er sich zur Teilnahme an dem "Westernschießen" vom jeweiligen Veranstalter eine Waffe leihen. Vor allem aber trete das private Interesse des Antragstellers deswegen zurück, weil die Rechtsbehelfe des Antragstellers gegen den angefochtenen Bescheid erkennbar keine Aussicht auf Erfolg hätten. Demgegenüber sei das Ziel des Gesetzgebers, möglichst wenig Waffen ins Volk kommen zulassen, von wesentlicher Bedeutung. Unter Beachtung dieses gesetzgeberischen Ziels sei ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse jedenfalls dann indiziert, wenn es darum gehe, die tatsächliche Gewalt über eine Waffe zu unterbinden, für die ein waffenrechtliches Bedürfnis nicht anerkannt werden könne.
2) Diese formell ausreichende Begründung rechtfertigt jedoch inhaltlich nicht die Anordnung des Sofortvollzugs.
a) Das Niedersächsische Innenministerium hat mit Erlass vom 21. Februar 2002 seinen früheren Runderlass vom 3. März 2000 ersatzlos aufgehoben und damit zum Ausdruck gebracht, dass die ursprünglich wegen der (angeblichen) Ähnlichkeit mit dem Verteidigungsschießen gegenüber der neuen Disziplin "Westernschießen" erhobenen Bedenken nicht mehr aufrechterhalten werden. Dieses steht in Übereinstimmung mit der Wertung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss, das bereits darauf hingewiesen hat, die neue Disziplin lasse entgegen der (ursprünglichen) Auffassung des Niedersächsischen Innenministeriums keine Elemente des Verteidigungsschießens erkennen. Dieser Einschätzung tritt der Senat – nach Einsichtnahme des Videobandes durch die Berichterstatterin und Erörterung dessen Inhalts – bei. Ein besonderes öffentliches Interesse an dem Sofortvollzug besteht daher unter diesem Aspekt nicht.
b) Aber auch die von der Widerspruchsbehörde in Anlehnung an den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts genannten Erwägungen rechtfertigen vorliegend aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Allerdings vertritt auch der Senat in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht die Auffassung, dass das für den Erwerb einer dritten und weiteren Kurzwaffe nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu fordernde "qualifizierte" Bedürfnis (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 27.11.1997 – 1 C 16.97 – DVBl. 1998, 834) vom Antragsteller bislang nicht dargelegt ist.
Nach dieser Rechtsprechung reicht es zwar als allgemeiner Bedürfnisnachweis für den Erwerb einer ersten und zweiten Kurzwaffe aus, wenn der Antragsteller eine Bescheinigung des betreffenden Schießsportverbandes vorlegt, wonach er als Mitglied des Vereins regelmäßig an Übungsschießen des Vereins mit der Waffe teilnimmt. Für den Erwerb einer dritten und weiteren Kurzwaffe wird jedoch in Anlehnung an die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) (i. d. F. v. 29.11.1979, geändert am 20.10.1994 – dort unter Ziff. 32.2.2.) gefordert, dass der Antragsteller die beantragte Sportwaffe zur Leistungssteigerung in den betreffenden Schießdisziplinen benötigt. Das beinhaltet zwar nicht, dass diese Voraussetzungen nur bei einem Leistungsschützen gegeben sind. Erforderlich ist jedoch, dass der Betreffende durch Teilnahme an der neuen Disziplin seine Leistungen steigern kann und dieses auch ernsthaft anstrebt. Besteht in diesem Sinne ein Bedürfnis für die begehrte Waffe, ist zudem vor dem Hintergrund, dass die Art und Zahl der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt Notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken ist, stets noch zu prüfen, ob sich der Betreffende nicht zunächst von vorhandenen Kurzwaffen trennen kann, die er nicht mehr benötigt (BVerwG, a.a.O.; ebenso Urt. d. Sen. v. 23.9.1999 – 11 L 2822/99 -).
Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass eine erteilte Waffenbesitzkarte zwingend zurückzunehmen ist, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Karte ohne den erforderlichen Nachweis eines Bedürfnisses ausgestellt worden ist. Da es sich bei § 47 Abs. 1 WaffG um eine gebundene Rechtsvorschrift handelt, ist es auch unerheblich, dass die Antragsgegnerin die Rücknahme zunächst nur mit dem Erlass des Niedersächsischen Innenministeriums vom März 2000 begründet hat. Unabhängig davon ist der Widerspruchsbescheid damit begründet worden, dass ein Bedürfnis für den Erwerb der umstrittenen Waffe nicht gegeben sei.
Gleichwohl erweist sich bei einer Abwägung der wechselseitigen Interessen aufgrund der besonderen Fallgestaltung die Anordnung der sofortigen Vollziehung derzeit nicht als gerechtfertigt.
Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Bedürfnisprüfung im Waffengesetz die Absicht verfolgt, die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der im Privatbesitz befindlichen Schusswaffen auf das unbedingt Notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1975 – 1 C 25.73 -, BVerwGE 49, 1, BVerwG, Urt. v. 27.11.1997 – 1 C 16.97 – DVBl. 98, 834). Die Regelungen im Waffengesetz sind darauf ausgerichtet, dass möglichst wenig Waffen "ins Volk" kommen sollen. Der Gesetzgeber hat also dem Schutz der inneren Sicherheit ein wesentliches Gewicht beigemessen. Dies lässt sich auch aus den Regeln über die Rücknahme von Waffenbesitzkarten entnehmen. § 47 WaffG verpflichtet die Behörde zur Rücknahme, ohne dass es auf die Art des Entscheidungsfehlers ankommt, d.h. im Interesse des Schutzes der Bevölkerung ist dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Vorrang vor dem Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeräumt (Meyer, Die neuere waffenrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, GewArch 1998, 89, 96). Von der durch § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eröffneten Möglichkeit, auch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs generell auszuschließen, hat der Gesetzgeber dagegen keinen Gebrauch gemacht, obwohl er im Waffengesetz selbst den Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit ein wesentliches Gewicht beigemessen hat.
Der Senat kann im vorliegenden Fall offen lassen, ob gleichwohl aus der dem Waffengesetz zugrunde liegenden Wertung des Gesetzgebers zu folgern ist, dass das Ziel der Bedürfnisprüfung, nur möglichst wenig Waffen in den Umlauf zu bringen, generell als ein besonderes öffentliches Interesse iSd § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzusehen ist. Zumindest im vorliegenden Fall greift diese Überlegung nämlich schon deswegen nicht ein, weil sich durch den Erwerb der umstrittenen Kurzwaffe die Zahl der Kurzwaffen des Antragstellers faktisch nicht erhöht hat, denn er hat nahezu zeitgleich mit dem Kauf der umstrittenen Waffe eine andere in seinem Besitz befindliche Kurzwaffe abgegeben.
Unabhängig davon kann der fehlende Bedürfnisnachweis für den Erwerb der umstrittenen Waffe wegen der besonderen Konstellation des Falles nicht zu Lasten des Antragstellers gewertet werden. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat die Antragsgegnerin nämlich – soweit ersichtlich - dem Antragsteller in der Vergangenheit die von ihm beantragten Kurzwaffen – auch soweit es sich um dritte und weitere Kurzwaffen handelte – nach Vorlage entsprechender Bescheinigung des Schießsportverbandes stets bewilligt. Vor diesem Hintergrund hatte der Antragsteller keinerlei Veranlassung, von sich aus weitergehende Nachweise zu erbringen. Im Widerspruchsverfahren hatte er nach Erlass des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts die Vorlage entsprechende Nachweise angekündigt, nahezu zeitlich ist jedoch der ablehnende Widerspruchsbescheid des Landkreises ergangen. In diesem Widerspruchsbescheid wird zwar auf ein fehlendes Bedürfnis abgestellt. Inhaltlich enthält jedoch auch dieser Widerspruchsbescheid letztlich keine klare Aussage dazu, ob das "qualifizierte" Bedürfnis im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 WaffG vorliegt oder nicht, denn es heißt dort lediglich, der Antragsteller habe bislang noch nicht erwogen, ob er evtl. andere Kurzwaffen veräußern könne. Diese relativ "unklaren" Äußerungen erklären sich vor dem Hintergrund, dass für alle Beteiligten aufgrund des Runderlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom März 2000 damals allein die Frage im Vordergrund stand, ob die neu eingeführte Disziplin des Westernschießens überhaupt als ein "ordentlicher Schießwettbewerb" im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 3 WaffG anzusehen ist. Es bleibt daher dem noch anhängigen Hauptsacheverfahren vorbehalten, endgültig zu klären, inwieweit der Antragsteller zur Leistungssteigerung auf die Teilnahme auch an der Disziplin Westernschießen angewiesen ist und ob und wieweit er überhaupt regelmäßig an einem Übungsschießen in dieser Disziplin teilnehmen kann.
Da diese Bedürfnisfrage noch nicht abschließend von den Beteiligten geklärt ist, die Zahl der im Eigentum des Antragstellers stehenden Waffen sich tatsächlich nicht erhöht hat und zudem keinerlei Zweifel an seiner Zuverlässigkeit bestehen (dann wäre ein Sofortvollzug gerechtfertigt; denn der Gefahr, dass nicht als zuverlässig geltende Personen Waffen besitzen, muss im Interesse der Gefahrenabwehr unverzüglich begegnet werden,) vermag der Senat ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der angefochtenen Rücknahmeentscheidung nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und 73 GKG. Nach dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605) ist bei einem Verfahren um die Rücknahme einer Waffenbesitzkarte grundsätzlich der Auffangwert von 8.000,-- DM anzusetzen sowie pro Waffe 1.000,-- DM. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist dieser Betrag zu halbieren, so dass sich ein Streitwert von 4.500,-- DM ergibt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.