Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2002, Az.: 7 LA 255/01

Abwasserbeseitigungssatzung; DIN 4261; DIN-Norm 4261; Kleinkläranlage; Kleinkläranlagen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.2002
Aktenzeichen
7 LA 255/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41879
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 28.09.2000 - AZ: 6 A 130/99
VG - 28.09.2000 - AZ: 6 A 130/99

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 28. September 2000 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 8.000 DM festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Keiner der von der Klägerin angeführten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO ist gegeben.

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1. Die Berufung ist nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten Zweifel an der Richtigkeit der von ihr angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

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1.1 Die Kritik der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe die mündliche Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. L. vor dem Verwaltungsausschuss am 26. Februar 1998 nicht gewürdigt, obwohl er dort angegeben habe, dass eine Gefährdung des Grundwassers durch eine dezentrale Abwasserbeseitigung nicht gegeben sei, greift nicht durch. Zum einen kommt der Niederschrift als gedrängte Zusammenfassung eines mündlichen Vortrages durch eine dritte Person nicht dieselbe Beweiskraft zu wie dem eigenhändigen ausführlichen Gutachten des Herrn Prof. Dr. L.. Zum anderen hat der Gutachter auch vor dem Verwaltungsausschuss der Klägerin eingangs daran festgehalten, dass er den Anschluss des gesamten Ortsteils E. an die zentrale Abwasserentsorgung aus hydrogeologischer Sicht nach wie vor für vorzugswürdig hält. Soweit der Gutachter auf Befragen eine Trinkwassergefährdung bei einer dezentralen Abwasserbeseitigung verneint hat, gibt es angesichts der einleitenden Bewertung des Gutachters nicht einen Anhaltspunkt für die Interpretation der Klägerin, der Gutachter habe zwischen Trink- und Grundwasser nicht differenzieren wollen. Das Grundwasser umfasst nicht nur das unterirdische Trinkwasserreservoir, sondern u.a. auch nasse Stellen im Gelände (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 1 Rn. 6). Während Herr Prof. Dr. L. im Gutachten zu der Stauwasserbildung ausführlich Stellung nimmt, wird dieser Punkt in der Niederschrift nicht erwähnt. Insoweit ist davon auszugehen, dass die im Gutachten aufgeworfenen Bedenken wegen der nicht vorhandenen rückstaufreien Vorflut und des damit verbundenen Stauwasseraustritts nicht ausgeräumt sind.

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Soweit die Klägerin Feststellungen vermisst, dass das Oberflächenwasser mit einer dezentralen Abwasserversorgung in Zusammenhang stehe, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel, weil ein solcher Zusammenhang auf der Hand liegt. Wird Abwasser in nicht aufnahmefähigen Untergrund eingeleitet, bildet sich ein Rückstau, der auch als Oberflächenwasser sichtbar werden kann.

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1.2 Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht sei vom Standardfall der Kleinkläranlage nach DIN 4261 Teil I ausgegangen und habe unbeachtet gelassen, dass durch andere Kleinkläranlagen mit zusätzlichen Reinigungsstufen eine Qualität des in den Untergrund eingeleiteten Abwassers erreicht wird, die der Qualität eines Abwassers nach der Untergrundverrieselung entspricht, führt ebenfalls nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zwar kann durch Kleinkläranlagen mit Abwasserbelüftung nach DIN 4261 Teil II eine verbesserte Reinigung des Abwassers erzielt werden, jedoch sehen alle Kleinkläranlagenmodelle die Ableitung des gereinigten Abwassers in das Grundwasser oder in oberirdische Gewässer vor. Eine ausreichende Versickerungsmöglichkeit ist in der Ortschaft E. in weiten Teilen nicht gegeben, weil eine 2 bis 10 m dicke Geschiebelehmdecke den Abfluss des Grundwassers behindert und das Grundwasser als rückstaufreie Vorflut für das - wie auch immer gereinigte - Abwasser deshalb nicht in Betracht kommt.

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1.3 Der Auffassung der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass ein größeres Gebiet in der Ortschaft E. eine umweltverträgliche Versickerung zulasse, ist nicht zu folgen, denn die Satzung umfasst nicht nur den gleichsam "unproblematischen" Teil, sondern erlaubt eine Abwasserentsorgung durch Kleinkläranlagen in der gesamten Ortschaft. Auch fehlt es in der gesamten Ortschaft an einer gut wasserzügigen Vorflut, so dass der Gutachter zum Schluss kommt, dass eine Garantie für die Effizienz dezentraler Anlagen nicht gegeben werden kann. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, bei derartig unsicherer Prognose eine Zustimmung selbst für ein Teilgebiet zu erteilen, das zu bestimmen im übrigen Sache der Klägerin als Satzungsgeberin gewesen wäre. Die Gemeinde hat sich vor Erlass der Satzung über die Höhe des anstehenden Grundwassers, über die Bodenbeschaffenheit und die Strömungsverhältnisse Klarheit zu verschaffen (Nds.OVG, Urt. v. 13.08.1998 - 3 K 3398/97 -, NdsVBl. 1999, 11). Daher ist es Aufgabe der Klägerin, durch weitergehende Untersuchungen ermitteln zu lassen, ob in dem besagten Gebiet eine ordnungsgemäße Versickerung möglich ist.

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1.4 Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Beklagte, statt die Zustimmung zur Satzung zu verweigern, Auflagen hätte anordnen müssen, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Zwar darf die Zustimmung erst dann versagt werden, wenn die in § 149 aufgeführten nachteiligen Folgen durch den Betrieb von Kleinkläranlagen nicht durch Auflagen verhindert werden können (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, § 149 Rn. 23), jedoch stand dem Beklagten keine der in § 149 Abs. 5 Satz 2 NWG genannten Möglichkeiten einer Auflage zur Verfügung. Unabhängig von der Funktionsweise der jeweiligen Kläranlage besteht keine aufnahmefähige Vorflut. Auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, durch welche Auflagen das Problem der fehlenden rückstaufreien Vorflut gelöst werden könnte.

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2. Die Berufung ist nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.

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2.1 Die Frage, inwieweit die dezentrale Abwasserentsorgung zu nachteiligen Veränderungen des Grundwassers führt, wirft keine überdurchschnittlichen tatsächlichen Schwierigkeiten auf. Sie ist durch das Gutachten klar und erschöpfend beantwortet. Die Zweifel daran, die die Klägerin unter Hinweis auf die in der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses am 26. Februar 1998 wiedergegebenen Äußerungen des Sachverständigen zu erwecken sucht, entbehren tatsächlicher Grundlagen (vgl. oben unter 1.1).

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2.2 Die von der Klägerin - jedenfalls wenn man ihren Vortrag zum Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung mit heranzieht - geltend gemachten rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Anwendung des § 149 NWG bestehen nicht. Die zu § 149 Abs. 4 NWG aufgeworfene Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die zuverlässige Ableitung der geklärten Abwassers unabhängig vom Typ der Kleinkläranlage in der gesamten Ortschaft E. nicht möglich ist. Die begrenzten (vgl. Haupt/Reffken/ Rhode, a.a.O. Rn. 22) Möglichkeiten der Wasserbehörde sind ohne weiteres dem Gesetzestext zu § 149 Abs. 5 Satz 2 NWG zu entnehmen (vgl. oben unter 1.4).

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3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

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Hinsichtlich der beiden ersten aufgeworfenen Fragen verweist der Senat auf das zu 2.2 Ausgeführte. Weder eine nicht entscheidungserhebliche noch eine Rechtsfrage, die sich bereits ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, rechtfertigt die Zulassung einer Berufung aus diesem Grund.

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Hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen (Teil-)Frage, ob die Gemeinde zunächst konkret im Satzungsentwurf beschreiben muss, für welche Gebiete besondere Anforderungen zu erfüllen sind, bleibt unklar, was die Klägerin mit "besonderen Anforderungen" meint. Sollte sie geklärt wissen wollen, ob sie verpflichtet sei, in ihrer Satzung die hydrogeologischen Verhältnisse zu berücksichtigen, so ist bereits entschieden, dass sich die Gemeinde vor Erlass der Satzung die notwendigen Kenntnisse über die Auswirkungen der Abwassereinleitung in den Untergrund und damit auf das Grundwasser zu machen hat (Nds.OVG, Urt. v. 13.08.1998, a.a.O.).

14

Die Benennung des Begriffs "nachteilige Veränderung des Grundwassers" in § 149 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 NWG reicht für die Darlegung eines Zulassungsgrundes nicht aus. Die Bitte um Erläuterung eines Tatbestandmerkmales ersetzt nicht die Formulierung einer konkreten Rechtsfrage und die Darlegung, inwieweit deren Beantwortung für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist.

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4. Die Berufung ist auch nicht wegen Verfahrensmängel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.

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4.1 Der Annahme der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte aufgrund der Niederschrift über die Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 26. Februar 1998 den Sachverhalt weiter aufklären müssen, steht entgegen, dass für eine ergänzende Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht kein Anlass bestand, da das vorgelegte Gutachten erschöpfend und nachvollziehbar ist. Der schriftsätzlichen Anregung der Klägerin nachzugehen, war das Gericht nicht verpflichtet, denn es steht in seinem Ermessen, die Mittel zur Erforschung des Sachverhaltes zu bestimmen. Der Klägerin stand die Möglichkeit offen, einen Beweisantrag auf Vernehmung von Herrn Prof. Dr. L. als sachverständigen Zeugen oder auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zu stellen. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass sie nicht "verpflichtet" gewesen sei, entsprechende Beweisanträge zu stellen, entspricht dies der Rechtslage; aus der Unterlassung kann sie allerdings Vorteile nicht herleiten.

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4.2 Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen, indem es erst im Urteil auf die DIN 4261 Teil I Bezug nahm. Ob darin ein Verfahrensverstoß liegt, kann hier offen bleiben, da die Entscheidung nicht auf der Anwendung der DIN 4261 Teil I beruht. Eine Entscheidung beruht dann auf einem Rechtsverstoß, wenn mindestens die Möglichkeit besteht, dass das Gericht ohne den Rechtsverstoß zu einem dem Rechtsmittelführer sachlich günstigeren Ergebnis gelangt wäre (BVerwG, Beschl. v. 14.08.1962 - V B 83.61 -, BVerwGE 14, 343 (346)). Da sich der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nur auf entscheidungserhebliche Feststellungen bezieht, ist er nicht verletzt, wenn das rechtliche Gehör lediglich im Hinblick auf solche Umstände versagt wurde, welche das angefochtene Urteil aus der Sicht des Rechtsmittelgerichts nicht tragen (Nds.OVG, Beschl. v. 06.02.1996 - 11 L 6914/95 -). Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung maßgeblich auf die schwierigen hydrogeologischen Verhältnisse in E. abgestellt, die - unabhängig von der Funktionsweise der jeweiligen Kläranlage - eine dezentrale Entsorgung mangels rückstaufreier Vorflut unmöglich machen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.

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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.