Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.03.2002, Az.: 11 LA 3190/01
Leistungsklage; Prozesszinsen; Verzugszinsen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.03.2002
- Aktenzeichen
- 11 LA 3190/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43493
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.08.2001 - AZ: 6 A 5389/99
Rechtsgrundlagen
- § 288 BGB
- § 291 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Verzugszinsen und andere materiell- rechtl. Zinsen sind in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher gesetzliche Regelung zu gewähren. Prozesszinsen sind dagegen generell zu entrichten.
Gründe
1 a) Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts hat, soweit die Beklagte zur Zahlung von 165.870,-- DM und 4 % Zinsen seit dem 1. November 1999 (Rechtshängigkeit der Zahlungsklage) verurteilt worden ist, keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen im Hinblick darauf nicht vor.
aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Der Kläger konnte den Betrag von 165.870,-- DM, den die Bezirksregierung H. der Beklagten gemäß Ziff. 2.2 des Runderlasses des MB vom 16.04.1991 (Nds. MBl. 1991, 811) zum Erwerb von Mobilheimen zur Unterbringung von Asylbewerbern im Mai 1992 zur Verfügung gestellt hatte, mit der am 1. November 1999 erhobenen Leistungsklage zurückfordern, nachdem die Beklagte die von ihr noch im Mai 1992 käuflich erworbenen Mobilheime tatsächlich niemals aufgestellt hat.
Rechtsgrundlage der Rückforderung ist - wovon auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (st. Rspr. d. Sen., vgl. z.B. Urt. v. 20.11.2001 - 11 LB 2870/01 - ebenfalls zu Rückforderungen aus dem Bereich des Nds. Aufnahmegesetzes). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist durch den o.a. Erlass vom 16.04.1991 nicht ein irgendwie geartetes, den öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch verdrängendes "gesetzliches Schuldverhältnis" begründet worden. Ebenso wenig führt die Tatsache, dass mit dem Nds. Aufnahmegesetz Vorgaben der Bundesgesetze (z.B. § 44 AsylVfG) durch die Länder als eigene Angelegenheit (Art. 83 GG) vollzogen werden, und dass das Land Niedersachsen diesen Vollzug wiederum den Gemeinden als staatliche Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung (§ 5 Abs. 1 NGO) übertragen hat, dazu, das Verhältnis Land - Gemeinde einem Auftragsverhältnis i.S.d. § 662 ff. BGB gleichzustellen.
Es ist auch eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung eingetreten. Gemäß § 3 Nds. AufnG (in der hier anzuwendenden Fassung v. 9.3.1982 - Nds. GVBl 1982, 63) hatte die Beklagte nur einen Anspruch auf Erstattung der "notwendigen" Kosten. In der Regel erfolgte diese Erstattung im nachhinein. Für die Herrichtung von Wohnraum (hier Anschaffung von Mobilheimen) sah der o.a. Runderlass in Ziff. 2.2 jedoch ausnahmsweise die Möglichkeit einer Vorausleistung vor. Erforderlich war aber nach wie vor, dass sich die Kosten als notwendig erweisen, mithin für die Unterbringung von Asylbewerbern eingesetzt werden. Da die Beklagte die Mobilheime zwar gekauft, sie jedoch - aufgrund des erheblichen politischen Widerstandes in ihrem Gemeindegebiet - tatsächlich nicht zur Unterbringung von Asylbewerbern aufgestellt hat, war die Vorausleistung letztlich nicht "notwendig" im Sinne des Nds. Aufnahmegesetzes. Der Senat kann offen lassen, ob im vorliegenden Fall - wovon das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - eine Zweckverfehlung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB vorliegt und ob im öffentlichen Recht ebenso wie im Zivilrecht ein derartiger selbständiger Erstattungstatbestand für den Fall des Nichteintritts des mit einer Leistung bezweckten Erfolges anzuerkennen ist. Ein derartiger selbständiger Erstattungstatbestand wegen Zweckverfehlung wäre nämlich nur dann erforderlich und hätte nur dann einen eigenen Anwendungsbereich, wenn die Fälle der Zweckverfehlung nicht schon als rechtsgrundlose Vermögensverschiebung erfasst werden könnten. So ist es aber vorliegend; denn die Bewilligung durch die Klägerin in Höhe von 165.870,-- DM war streng zweckgebunden und ersichtlich darauf gerichtet, dass die Beklagte die Mobilheime auch zur Unterbringung von Asylbewerbern nutzt. Die zweckwidrige Mittelverwendung, also die Zweckverfehlung, liegt mithin bereits außerhalb des Regelungsgehaltes der Bewilligung (vgl. hierzu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 429, 430).
Die Beklagte ist durch die Vermögensverschiebung auch bereichert; denn sie hat mit Zahlung des Kaufpreises das Eigentum an den Mobilheimen erworben.
Der Auffassung der Beklagten, das Land Niedersachsen habe durch seine ablehnenden offiziellen Stellungnahmen zur Unterbringung von Asylbewerbern in Mobilheimen (sog. Anti-Container-Erlass) dazu beigetragen, dass die gekauften Mobilheime nicht mehr hätten verwendet werden können, diese gegenüber früher geänderte Unterbringungspolitik des Landes habe sie - die Beklagte - nicht voraussehen können, dieses müsse bei der Rückforderung der bewilligten Summe berücksichtigt werden, vermag der Senat nicht zu folgen. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass die Erlasslage im Frühjahr 1992, als die umstrittenen Mobilheime angeschafft worden waren, dieser Anschaffung nicht entgegenstand, sondern lediglich vorgab, mit Container-Lösungen restriktiv umzugehen. Der sog. "Anti-Container-Erlass", in dem die Unterbringung in Containern nur noch als Übergangslösung akzeptiert wurde, datiert vom 11. März 1993 (Nds. MBl. S. 566). Er ist also erst ca. ein Jahr nach Bestellung der Container durch die Beklagte ergangen und war somit nicht ursächlich dafür, dass die von der Beklagten angekauften Mobilheime letztlich nicht aufgestellt werden konnten. Dieses beruhte allein darauf, dass die zuständigen Ortsräte ihre Zustimmung zu der von der Verwaltung der Beklagten beabsichtigten Aufstellung der Mobilheime verweigerten. Es fällt jedoch in den Verantwortungsbereich der Beklagten, wenn sie Mobilheime noch unter dem 19. Mai 1992 kauft, ohne die (ebenfalls) für den 19. Mai 1992 am Abend vorgesehene Abstimmung mit den Ortsräten abzuwarten.
Obgleich die Mobilheime zwischenzeitlich keinen Wert mehr haben, kann die Beklagte sich nicht auf Entreicherung berufen. In dem Urteil ist zutreffend ausgeführt, dass der Entreicherungseinwand bei Rückforderungen zwischen öffentlich-rechtlichen Trägern grundsätzlich nicht eingreift (BVerwGE 60, 208, 211; vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 535). Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung eine Ausnahme zu machen
Die Klägerin hat auch mit Rechtshängigkeit ihrer Klage - also ab 1. November 1999 -einen Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 4 % gemäß §§ 291, 288 BGB i.d.F. des Gesetzes vom 21.7.1999 (BGBl I S. 1642); denn das Bundesverwaltungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung es als allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts angesehen, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, es sei denn, das einschlägige Fachrecht trifft - was vorliegend aber nicht der Fall ist - eine gegenteilige Regelung (BverwG, Urt. v. 22.2.2001 - 5 C 34/00 -, BVerwGE 114, 61). Die Erhöhung der Prozesszinsen durch Erhöhung des Zinsfußes in § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB gemäß Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I S. 330) spielt im vorliegenden Prozess keine Rolle. Weder hat der Kläger höhere Zinsen als 4 % beantragt noch stünden sie ihm zu; denn nach Art. 229 Abs. 1 Satz 3 EGBGB (eingefügt durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 30. März 2000) ist der neue Zinsfuß erst auf Forderungen anzuwenden, die vom 1. Mai 2000 an fällig werden.
bb) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass hinsichtlich der Hauptforderung und der Zinsforderung ab Rechtshängigkeit der Klage auch keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Fragen bestehen und der Sachverhalt auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und 2 VwGO).
b) Soweit das Verwaltungsgericht 4 % Zinsen auch für den Zeitraum vom 23. März 1996 bis 31. Oktober 199 einschließlich zugesprochen hat, war die Berufung dagegen zuzulassen, da insoweit ernstliche Zweifel an der Richtigkeit gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen.
Soweit es um Zinsen für diesen Zeitraum geht, könnten diese Zinsen allenfalls als Verzugszinsen (§ 288 BGB) geltend gemacht werden. Während - wie oben ausgeführt - Prozesszinsen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generell zu entrichten sind, sind ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Verzugs- und andere materiell-rechtliche Zinsen in den der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte unterfallenden Gebieten des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung zu gewähren (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.2.1971 - 4 C 17.69 - BVerwGE 37, 239 [BVerwG 17.02.1971 - BVerwG IV C 17.69]; vom 22.2.2001 - 5 C 34.00 - NVwZ 2001, 1057; v. 20.9.2001 - 5 C 5/00 - zitiert nach Juris). Bei gesetzlichen Ansprüchen hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Anerkennung von Ansprüchen auf Verzugszinsen regelmäßig verneint. Da der hier im Streit befindliche öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kein vertraglicher, sondern ein gesetzlicher Rückzahlungsanspruch ist, besteht somit kein rechtlicher Ansatz für die Erhebung von Verzugszinsen. Unabhängig davon bestehen auch deswegen Zweifel an der vom Verwaltungsgericht bereits für den Zeitraum ab 23. März 1996 angenommenen Zinszahlungspflicht, weil der Verzugsbeginn dem ursprünglich von der Beklagten erlassenen Rückforderungsbescheid vom 22.Februar 1996 entnommen wurde, in dem die Beklagte eine Zahlungsfrist bis zum 22. März 1996 gesetzt hatte. Dieser Rückforderungsbescheid ist jedoch - da die Rückforderung gegenüber der Beklagten mangels Außenrechtsverhältnisses nicht über einen Bescheid erfolgen konnte - mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 1999 wieder aufgehoben worden. Damit ist aber auch die gesetzte Zahlungsfrist wieder entfallen.