Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.01.1994, Az.: 18 L 3127/93
Mitbestimmungspflichtige Maßnahme; Personalvertretung; Teilzeit; Arbeitzeitveränderung; Vollzeit; Beamtenrecht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.01.1994
- Aktenzeichen
- 18 L 3127/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 14016
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1994:0124.18L3127.93.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig 11.05.1993 - AZ: 12 A 2/93
- nachfolgend
- BVerwG - 21.07.1994 - AZ: BVerwG 6 PB 8.94
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 11. Mai 1993 geändert.
Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Im Niedersächsischen Landeskrankenhaus ... sind im Bereich der Küche ca. 50 Mitarbeiterinnen eingesetzt, davon 26 im Bereich "Waschstraße". Mit drei von diesen, die alle mit einem Teilzeitvertrag über 20 Wochenstunden eingestellt sind, wurden die Dienstverträge befristet in ein Vollzeitarbeitsverhältnis geändert, und zwar bei Frau ... und Frau ... vom 16. November bis 31. Dezember 1992 und bei Frau ... vom 1. bis 31. Dezember 1992. Dies teilte der Beteiligte dem Antragsteller mit Schreiben vom 23. November 1992 mit. Mit Schreiben vom 27. November und 1. Dezember 1992 vertrat der Antragsteller die Auffassung, daß es sich um mitbestimmungspflichtige Maßnahmen handele. Dem trat der Beteiligte mit Schreiben vom 1. Dezember 1992 entgegen.
Der Antragsteller hat daraufhin am 12. Januar 1993 das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Es handele sich hier um die Festlegung von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Sinne des § 75 Abs. 1 Ziff. 1 Nds. PersVG bzw. um die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden gemäß § 75 Abs. 1 Ziff. 2 Nds. PersVG. Da es um drei Mitarbeiterinnen gehe, liege auch eine kollektive Regelung vor.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, daß die Anordnung der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit von drei Arbeitnehmerinnen das Beteiligungsrecht des Antragstellers verletzt hat.
Der Beteiligte hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, daß es sich nicht um eine kollektive Regelung, sondern um eine einzelvertragliche Änderung der Arbeitsverträge handele, die weder aus § 75 Nds. PersVG noch aus § 78 Nds. PersVG mitbestimmungspflichtig sei.
Mit Beschluß vom 11. Mai 1993 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, daß das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers bei der befristeten Übertragung von Vollarbeit auf die Mitarbeiterinnen ..., ... und ... verletzt worden ist, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Zwar sei das Mitbestimmungsrecht des § 75 Abs. 1 Nr. 1 Nds. PersVG bei Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen nicht verletzt. Denn dieses beziehe sich nur auf kollektive Regelungen, an denen es hier fehle. Das gleiche gelte für den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 1 Ziff. 2 Nds. PersVG. Auch hier setze das Gesetz eine kollektive Regelung voraus, die nicht vorliege. Verletzt sei aber der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 2 Ziff. 1 Nds. PersVG, wonach der Personalrat über die Einstellung von Angestellten und Arbeitern mitbestimme. Es liege eine einzelvertragliche Änderung des Arbeitsverhältnisses vor, die einer Einstellung im Sinne dieser Vorschrift gleichzusetzen sei. Die fehlende Schriftform stehe dem nicht entgegen. Es sei nicht Aufgabe des Personalrates, Fehler in der individuellen arbeitsvertraglichen Regelung und Verstöße gegen Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer bei Vertragsschluß zu rügen. Die Aufstockung der Arbeitszeit für die drei betroffenen Mitarbeiterinnen von 20 Stunden auf volle Arbeitszeit sei wie eine Einstellung im Sinne von § 78 Abs. 2 Ziff. 1 Nds. PersVG zu behandeln. Dieser Mitbestimmungstatbestand knüpfe an die Eingliederung des Beschäftigten in die Dienststelle an. Diese Eingliederung ändere sich dann, wenn der Beschäftigte statt Teilzeit Vollzeit arbeite, so stark, daß die Eingliederung in die Dienststelle grundsätzlich neu erfolgen müsse. Im vorliegenden Fall sei auch nach den tatsächlichen Verhältnissen an den einzelnen Arbeitsplätzen davon auszugehen, daß die Eingliederung in die Dienststelle bei Vollzeitarbeitsplätzen eine völlig andere sei. Die Teilzeitarbeitsplätze bezögen sich lediglich auf die Tätigkeit an der Waschstraße in der Küche. Die Waschstraße in der Küche sei aber nicht während der gesamten Arbeitszeit in Betrieb, so daß die Aufstockung der Arbeitszeit von 20 Stunden auf Vollzeit bedeute, daß die betroffenen Bediensteten andere Tätigkeiten im Bereich der Küche, wie z.B. Gemüseputzen, ausführen müßten. Sie erhielten dann auch z.B. von anderen Vorarbeitern als an der Waschstraße ihre Anweisungen. Deshalb liege eine qualitative Umgestaltung des Arbeitsverhältnisses vor, die einer Neueinstellung gleichzusetzen sei. Dem stehe auch nicht entgegen, daß die Heraufsetzung der Arbeitszeit lediglich für vier bzw. sechs Wochen erfolgte. Auch die Einstellung aufgrund solcher befristeten Arbeitsverträge wäre nach § 78 Abs. 2 Ziff. 1 Nds. PersVG mitbestimmungspflichtig.
Gegen den ihm am 4. Juni 1993 zugestellten Beschluß richtet sich die am 5. Juli 1993 (Montag) eingelegte und gleichzeitig begründete Beschwerde des Beteiligten, mit der er unter Berufung auf den Beschluß des Fachsenats vom 18. Januar 1989 - 18 L 24/87 - geltend macht, daß auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG hier nicht gegeben sei.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens aller Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angefochtene Beschluß verletzt Verfahrensrecht. Er stellt sich auch nicht aufgrund des im Beschwerdeverfahren geänderten Antrags in der Sache als richtig dar.
1. Das Verwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen §§ 80, 81 Abs. 1 ArbGG iVm § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPOüber einen gar nicht gestellten Antrag entschieden; den in erster Instanz tatsächlich gestellten Antrag hätte es ablehnen müssen.
a) Auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlußverfahren gilt weitgehend der Dispositionsgrundsatz. Der Antragsteller bestimmt deshalb durch seinen Antrag den Verfahrensgegenstand und legt damit fest, über welche Streitfrage(n) mit Bindungswirkung für die Beteiligten entschieden wird. Das Gericht ist nicht befugt, ihm etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Demgemäß kann der Personalrat im Beschwerdeverfahren sein Begehren auf bestimmte Beteiligungsrechte ausdrücklich erstrecken oder auch beschränken (BVerwGE 72, 94, 96 [BVerwG 30.08.1985 - 6 P 20/83]; Beschl. v. 23. 9. 1992 - 6 P 26.90 -, PersR 1993, 28 f). Macht er von der ihm zustehenden Möglichkeit einer Beschränkung Gebrauch, so engt sich der Verfahrensgegenstand entsprechend ein. Hier hatte der Antragsteller schon durch die Fassung seines Antrags, der allein die Verletzung seines Beteiligungsrechts durch die Anordnung der befristeten Erhöhung der Arbeitszeit betraf, aber auch durch seinen Sachvortrag eine solche Beschränkung in der Weise vorgenommen, daß ausschließlich eine Verletzung der Mitbestimmungstatbestände aus § 75 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Nds. PersVG geltend gemacht wurde. Das ergab sich aus dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz vom 7. Januar 1993 (S. 2) ebenso eindeutig wie aus dem abschließenden Schriftsatz des Antragstellers vom 23. April 1993 (S. 5). Andere Mitbestimmungstatbestände waren danach nicht zur gerichtlichen Prüfung gestellt, insbesondere nicht der vom Verwaltungsgericht als verletzt angesehene § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG. Da die Mitbestimmungstatbestände des § 75 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Nds. PersVG - wie das Verwaltungsgericht unter 1. der Gründe zutreffend ausgeführt hat - hier nicht erfüllt waren, hätte es den Antrag des Antragstellers ablehnen müssen.
b) Der Verfahrensfehler ist indessen im Beschwerdeverfahren nicht mehr erheblich, nachdem der Antragsteller im Wege einer gemäß §§ 87 Abs. 2 Satz 3, 81 Abs. 3 ArbGG zulässigen Antragsänderung jetzt nur noch die Feststellung der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG erstrebt. Beide Beteiligte streiten deshalb nunmehr nur noch darum, ob hier der Mitbestimmungstatbestand der "Einstellung" i.S. von § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG erfüllt war.
2. Diese Frage ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts zu verneinen.
a) Der Senat hat, ausgehend davon, daß der Arbeitsvertrag selbst und seine Ausgestaltung - mit Ausnahme der festzulegenden Tätigkeit - der Mitbestimmung des Personalrats entzogen sind, in der einzelvertraglichen Änderung des Umfangs einer Teilzeitbeschäftigung (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29. 2. 1984 - 18 OVG L 16/83 -, LS in PersV 1988, 273; Beschl. vom 20. 3. 1985 - 18 OVG L 6/84) auch dann keine mitbestimmungspflichtige Einstellung gesehen, wenn dadurch das Teilzeit- in ein Vollzeitarbeitsverhältnis umgewandelt wird (Beschluß vom 18. 1. 1989 - 18 OVG L 24/87; ebenso OVG Berlin, Beschluß vom 13. 10. 1983 - OVG PV Bln 3/83 -; OVG NW, Beschluß vom 9. 2. 1991 - CB 163/89 -; a.A. OVG Hamburg, Beschl. v. 5. 4. 1982 - Bs PB 13/81 -, RiA 1982, 174). Das BVerwG hat jedoch die zitierte Entscheidung des OVG NW aufgehoben und für das Bundesrecht entschieden, daß die Umwandlung eines Teilzeit- in ein Vollzeitbeschäftigungsverhältnis bei der gebotenen zweckorientierten Betrachtung als Einstellung gewertet werden muß (Beschluß vom 2. 6. 1993 - 6 P 3.92 -, PersR 1993, 450). Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Einstellung in ihrer Gesamtheit zwar grundsätzlich einen einheitlichen, nicht in weitere Mitbestimmungsfälle aufzugliedernden Tatbestand bildet, daß aber die Änderung bestimmter Modalitäten - auch soweit diese der Mitbestimmung entzogen sind - ganz neue mitbestimmungsbedürftige Konstellationen erzeugen und dann ggf. als neue, veränderte Einstellung der Mitbestimmung unterliegen kann (a.a.O. S. 452).
Dieser Rechtsprechung, die auch auf die Wertung der Verlängerung bzw. Entfristung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses als Einstellung i.S. von § 75 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG (BVerwGE 57, 280; Beschl. v. 1. 2. 1989 - 6 P 2.86 -, PersV 1989, 354) abstellt, läßt sich zwar jedenfalls für das Landesrecht entgegenhalten, daß sie an die Grenze einer richterlichen Rechtsfortbildung stößt (abl. deshalb Cecior/Dietz/Vallendar, LPVG NW, § 72 Rn. 26). Denn das Landesrecht geht insofern teilweise positiv von einem engeren Begriff der "Einstellung" aus, als es daneben zusätzlich "wesentliche Änderungen des Arbeitsvertrages" der Mitbestimmung unterwirft (vgl. z.B. § 72 Abs. 1 Nr. 4 2 LPVG NW). In Kenntnis dieser Lage hat der niedersächsische Gesetzgeber auch in dem neuen Nds. PersVG vom 2. März 1994 (Nieders. GVBl. S. 95) keinen Anlaß gesehen, den erheblich erweiterten Mitbestimmungskatalog des § 65 Abs. 2 auch insoweit auszudehnen. Zum anderen bildet die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages in § 78 Abs. 2 Nr. 2 Nds. PersVG einen eigenen Mitbestimmungstatbestand und gehört nach der Systematik des Gesetzes nicht mehr zur "Einstellung" i.S. von § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG; daran hat sich auch nach § 65 Abs. 2 Nr. 4 Nds. PersVG 1994 nichts geändert. Ob es gleichwohl im Interesse der Rechtseinheit geboten erscheint, bei der Umwandlung eines Teilzeit- in ein Vollzeitarbeitsverhältnis den zentralen personalvertretungsrechtlichen Begriff der "Einstellung" im Nds. PersVG nicht anders als im Bundesrecht zu verstehen, bedarf hier keiner Entscheidung.
b) Denn das Mitbestimmungrecht des Antragstellers entfiel jedenfalls deshalb, weil die Umwandlung der Arbeitsverhältnisse hier aufgrund eines krankheitsbedingten Personalengpasses im Küchenbereich nur vorübergehend mit einer Befristung von einem Monat bzw. sechs Wochen erfolgte.
Allerdings ist es für das Mitbestimmungsrecht des § 78 Abs. 2 Nr. 1 Nds. PersVG grundsätzlich unerheblich, ob die Beschäftigung nur befristet erfolgen soll. Die befristete Einstellung für eine Aushilfstätigkeit unterliegt jedoch nicht der Mitbestimmung, wenn diese Tätigkeit vorübergehend und geringfügig ist. Dafür spricht nach Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts im Regelfall eine Vermutung, wenn die Tätigkeit von vornherein auf längstens zwei Monate befristet ist (BVerwG, Beschl. v. 27. 11. 1991 - 6 P 19.90 -, PersR 1992, 189; OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. 2. 1993 - 18 L 8478/91 -). Die Tätigkeit verliert den Charakter der Geringfügigkeit und Vorläufigkeit auch nicht dadurch, daß der Beschäftigte dabei eine Daueraufgabe der Dienststelle wahrnimmt, über eine entsprechende Ausbildung dafür verfügt und wöchentlich regelmäßig 20 Stunden oder noch länger arbeitet (BVerwG a.a.O. S. 201).
Diese Begrenzung des Tatbestands der Einstellung müßte folgerichtig auch auf die - wie eine Einstellung zu wertende - kurzfristige Aufstockung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses übertragen werden. Denn ebenso wie bei der Ersteinstellung liegt auch bei der kurzfristigen Änderung ihrer Modalitäten in Gestalt des Umfang der Beschäftigung, die überhaupt erst die Annahme einer erneuten Einstellung rechtfertigte, unter diesen Bedingungen nur eine geringfügige Veränderung der ursprünglichen mitbestimmungsbedürftigen Konstellation vor. Hätte der Beteiligte den kurzfristigen krankheitsbedingten Engpaß in der Küche durch die auf einen Monat bzw. sechs Wochen befristete Einstellung von drei externen Aushilfskräften für jeweils 20 Wochenstunden überbrückt, so hätte dem Antragsteller daran kein Mitbestimmungsrecht zugestanden. Nichts anderes kann für die hier aus demselben Anlaß getroffene, in gleicher Weise befristete Aufstockung der Teilzeitarbeitsverhältnisse der drei bereits in der Dienststelle beschäftigten Arbeitnehmerinnen gelten.
Auf die Beschwerde des Beteiligten war danach unter Änderung des angefochtenen Beschlusses der - geänderte - Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Dr. Dembowski
Schwermer
Dr. Uffhausen
G. Zöllmer
Thiem