Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.2001, Az.: 5 K 33/00
Beiträge einer Rundfunkanstalt an die Pensionskasse als Entgelt für die Tätigkeit eines Rundfunkermittlers
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.06.2001
- Aktenzeichen
- 5 K 33/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14635
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0621.5K33.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 09.10.2002 - AZ: V R 73/01
Rechtsgrundlage
- § 10 Abs. 1 S. 2 UStG
Fundstellen
- EFG 2001, 1325-1327 (Volltext mit red. LS)
- UR 2001, 443-445
- UStB 2001, 298
Tatbestand
Streitig ist, ob Zahlungen der Rundfunkanstalt an die Pensionskasse Entgelt für die Tätigkeit eines Rundfunkermittlers darstellen.
Der Kläger ist seit 1978 als Beauftragter des X-RUNDFUNK mit der Überwachung und der Einhaltung der gebührenrechtlichen Bestimmungen in einem festgelegten Gebiet betraut. Zu seinen Aufgaben gehört neben der Ermittlung nicht angemeldeter Rundfunkgeräte und deren Betreiber die Überprüfung von Gebührenbefreiungen und die Beratung der Rundfunkteilnehmer einschließlich der Entgegennahme von An- und Änderungsmeldungen. Wegen der Einzelheiten der Tätigkeiten des Klägers wird auf die Verträge vom 1. September 1978, vom 14. Februar 1986 und vom 18. Mai 1998 Bezug genommen.
Im Jahr 1990 machte der Kläger von der Möglichkeit Gebrauch, der Pensionskasse für freie Mitarbeiter der Deutschen Rundfunkanstalten (Pensionskasse) als ordentliches Mitglied beizutreten. Der Beitrag beträgt für den Kläger als ordentliches Mitglied 7 v.H. der für die Tätigkeit beim X-RUNDFUNK erzielten Honorare (Tz. 4.10 Satz 1 der Satzung für die Pensionskasse). Der X-RUNDFUNK leistet als Gründungs- und Anstaltsmitglied einen Beitrag in gleicher Höhe (Tz. 4.10 Satz 2). Der Beitrag der Klägers wird vom X-RUNDFUNK bei der Honorarzahlung einbehalten und abgeführt (Tz. 4.11 Satz 1). Der Beitrag des X-RUNDFUNK wird an die Pensionskasse direkt überwiesen.
Bei Beendigung der Mitgliedschaft zu Lebzeiten des Klägers, ohne dass ein Leistungsanspruch besteht, erhält der Kläger eine Beitragsrückgewähr i.H. der von ihm selbst eingezahlten Beiträge; die vom X-RUNDFUNK eingezahlten Beiträge verbleiben der Pensionskasse (Tz. 4.20 Satz 1 und 3). Wenn die Wartezeit für einen Anspruch auf Kassenleistungen erfüllt ist (10 Jahre, vgl. Tz. 5.11) kann der Kläger die Beitragsfreistellung verlangen (Tz. 4.20 Satz 4 i.V.m. 4.14. Satz 3) oder bei Vollendung des 60. bzw. des 65 Lebensjahres den Anspruch auf Altersrente geltend machen (Tz. 5.24 bzw. 5.21).
Im Anschluss an eine Außenprüfung erlangte der Beklagte Kenntnis von den Zahlungen, die der X-RUNDFUNK unmittelbar an die Pensionskasse zahlt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass diese Zahlungen ebenfalls Entgelt für die vom Kläger gegenüber dem X-RUNDFUNK erbrachten steuerpflichtigen Leistungen darstellen und änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend ab. Hinsichtlich der Höhe der einzelnen Beträge wird auf Tz. 12 des BP-Berichts vom 2. August 1996 Bezug genommen.
Gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.
Er trägt vor, hinsichtlich der vom X-RUNDFUNK an die Pensionskasse geleisteten Beiträge sei keine Umsatzsteuer ausgewiesen worden. Diese Beträge seien zudem nicht in seine Verfügungsmacht gelangt. Er habe nur eine Versorgungsanwartschaft erworben. Diese habe für ihn im Streitzeitraum keinen konkreten wirtschaftlichen Wert gehabt, weil ihm die Verwertung der Versorgungsanwartschaft entzogen gewesen sei.
Außerdem seien die Umsatzsteuerbescheide bereits rechtswidrig, weil es an der für die Unternehmereigenschaft erforderlichen Selbständigkeit der Tätigkeit fehle. Das von ihm erstrittene Urteil des BFH vom 02. Dezember 1998 (X R 83/96, BStBl II 1999, 534), in welchem der BFH die Gewerbesteuerpflicht bejaht habe, sei unzutreffend und Gegenstand einer von ihm unter dem 30. April 1999 erhobenen Verfassungsbeschwerde.
Neben der Zahlungen an die Pensionskasse waren zunächst noch die pauschalen Vorsteuern aus Reisekosten und Verpflegungsmehraufwendungen (vgl. Tz. 14 und 15 des BP-Berichts) und Vorsteuern aus einer Vermietungstätigkeit des Klägers streitig. Diese Streitpunkte wurden in der mündlichen Verhandlung erörtert und werden vom Kläger nicht weiter verfolgt.
Der Kläger beantragt,
die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 1990 um 10.339,00 DM, 1991 um 12.363,00 DM und 1992 um 11.998,00 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, zum Entgelt gehöre nach §10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger (hier: X-RUNDFUNK) aufwende, um die vom Kläger erbrachten Leistungen zu erhalten. Da ein anderer Zahlungsgrund weder vom Kläger benannt noch aus den Akten ersichtlich sei, beruhten neben dem eigentlichen Honorar auch die vom X-RUNDFUNK aufgewendeten Beitragsanteile zur Pensionskasse auf der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers.
Diese Beurteilung werde sowohl vom Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 4. Mai 2000 5 K 495/97, EFG 2000, 1282 rkr.) als auch vom FG Münster (Urteil vom 31. März 1998 5 K 5661/97 U, EFG 1999, 630) geteilt.
Gründe
Die Klage ist begründet. Die streitigen Beiträge an die Pensionskasse stellen kein Entgelt i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG dar, weil der X-RUNDFUNK diese Zahlungen nicht für Rechnung und im Interesse des Klägers sondern aufgrund eigener Verpflichtung erbracht hat.
Der Senat hat keine Zweifel an der Selbständigkeit der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit. Er macht sich diesbezüglich die Ausführungen des für die Gewerbesteuer zuständigen X. Senats des BFH zu eigen, wonach der Kläger als Rundfunkermittler kein Arbeitnehmer sondern Gewerbetreibender ist, weil die Höhe seiner Einnahmen weitgehend von seinem eigenen Arbeitseinsatz abhängt und er auch im Übrigen - insbesondere bei Ausfallzeiten - ein Unternehmerrisiko in Gestalt des Entgeltrisikos trägt (BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl II 1999, 534).
Die streitigen Beitragszahlungen des X-RUNDFUNK stellen jedoch kein Entgelt für die umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit des Klägers dar.
Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Der Leistungsempfänger kann das Entgelt für die bezogenen Leistungen auch durch Zahlung an Dritte (statt an den Leistenden) aufwenden. In diesem Fall ist das Entgelt jedoch an die Voraussetzung geknüpft, dass die Zahlungen an den Dritten für "Rechnung des leistenden Unternehmers entrichtet werden und im Zusammenhang mit der Leistung stehen" (BFH-Urteil vom 27. Mai 1987 X R 2/81, BStBl II 1987, 739). Abzugrenzen sind Zahlungen des Leistungsempfängers an den Dritten "aufgrund eigener Schuld"; sie gehören nicht zum Entgelt für die bezogene Leistung (BFH a.a.O.; Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 90 ff.).
Vorliegend hat der X-RUNDFUNK die Beitragszahlungen aufgrund einer eigenen satzungsgemäßen Verpflichtung (Tz. 4.10 Satz 2) geleistet und nicht für Rechnung des Klägers. Dieser hatte nur den hälftigen Beitrag, also 7 v.H. der von ihm erzielten beitragspflichtigen Honorare an die Pensionskasse zu leisten. Folglich kann auch nur der Einbehalt und das Abführen dieser Beträge durch den X-RUNDFUNK für Rechnung des Klägers erfolgt sein. Die Beitragszahlung des X-RUNDFUNK als Anstaltsmitglied in gleicher Höhe erfolgte dagegen nicht für Rechnung des Klägers sondern in Erfüllung einer eigener Verpflichtung. Diese Verpflichtung beruht letztlich darauf, dass sich der X-RUNDFUNK als Gründungs- und Anstaltsmitglied der Pensionskasse selbst deren Satzung unterworfen hat.
Mit den Beitragszahlungen des X-RUNDFUNK ist auch kein wirtschaftlich verwertbarer Anspruch des Klägers begründet worden. Denn dem Kläger steht keine Verfügungsbefugnis an den Zahlungen der Rundfunkanstalt zu. Diese werden seinem Beitragskonto bei der Pensionskasse zwar gutgeschrieben. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine buchhalterische Zusammenstellung der eingehenden Zahlungen zur Ermittlung etwaiger späterer Rentenansprüche. Eine schutzwürdige Rechtsposition hat der Kläger bezüglich dieser Zahlungen in den Streitjahren noch nicht erworben. Die Beitragsrückgewähr ist nämlich - ebenso wie die Beitragsfreistellung - an die Erfüllung der Wartezeit von 10 Jahren geknüpft. Bei der Auflösung vor Ablauf dieser Wartezeit verbleiben die vom X-RUNDFUNK gezahlten Beiträge in der Pensionskasse. Dem Kläger stehen auch keine sonstigen Verwertungsmöglichkeiten in Form von Abtretung, Verpfändung o.ä. zu, weil die Zahlungen eigentumsrechtlich in das Anstaltsvermögen übergegangen sind.
Erst mit Erfüllung der - nicht in den Streitzeitraum fallenden - 10-jährigen Wartezeit und Erreichen des 60. Lebensjahres erlangt der Kläger einen wirtschaftlich verwertbaren Anspruch auf Altersrente. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kläger über die für ihn bei der Pensionskasse angelegten Zahlungen des X-RUNDFUNK dadurch verfügen, dass er seinen Anspruch auf Rente geltend machen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Kläger dann tatsächlich die gekürzte Altersrente ab dem 60. Lebensjahr (Tz. 5.24) die reguläre Altersrente ab dem 65. Lebensjahr (Tz. 5.21) oder die erhöhte Altersrente zwischen 65. und dem 70. Lebensjahr in Anspruch nimmt. Entscheidend ist vielmehr, dass ihm die Verfügungsbefugnis über die Beitragszahlungen bereits mit Erfüllung der Wartezeit und Erreichen des 60. Lebensjahres zuwächst. Daraus folgt, dass dann nicht der Zufluss beim Kläger in Höhe der jeweiligen monatlichen Rentenzahlungen, sondern die Summe der bis zu diesem Zeitpunkt vom X-RUNDFUNK eingezahlten Beträge als Entgelt für die unternehmerische Tätigkeit des Klägers anzusehen wären.
Diese Sichtweise wird durch das Gemeinschaftsrecht bestärkt. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie bestimmt als Bemessungsgrundlage (Besteuerungsgrundlage) für entgeltliche Leistungen "alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende vom Abnehmer . . . erhält oder erhalten soll". Mit der gemeinschaftsrechtlichen Anknüpfung der Entgeltdefinition an die Person des Leistenden (Lieferer oder Dienstleistender) ist eine Akzentverschiebung bei der Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG verbunden (Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rz. 16 m.w.N.). So ist die Zahlung auf Seiten des Leistungsempfängers zur Begründung des Entgelts nur dann ausreichend, wenn mit ihr zugleich ein Zufluss (zumindest in Form einer wirtschaftlich verwertbaren Besserstellung) auf Seiten des Leistenden verbunden ist.
Der Senat hält an seiner zuvor mit Urteil vom 4. Mai 2000 (EFG 2000, 1282) vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr fest. In der genannten Entscheidung hatte der Senat bereits die Zahlung der Kassenbeiträge als Entgelt angesehen, weil die Leistungen dem Rundfunkermittler durch Einzahlung auf sein Beitragskonto zu Gute gekommen seien (ebenso FG Münster Urt. v. 31. März 1998 5 K 5661/97 U, EGG 1999, 639).
Bei der Kostenentscheidung nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO war zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser erst in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, die übrigen Streitpunkte nicht weiter zu verfolgen.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).