Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2001, Az.: 15 K 794/98
Verlegung von Telefonkabeln und Einrichtung von Hausanschlüssen in Luxemburg für dortige Telefongesellschaft als Luxemburger Betriebsstätte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.2001
- Aktenzeichen
- 15 K 794/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14626
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0619.15K794.98.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 19.11.2003 - AZ: I R 3/02
Rechtsgrundlage
- Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. aa DBA L
Fundstellen
- DStRE 2002, 520-521 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2002, 281-282
- IStR 2002, 171-172
- IWB 2002, 411
Tatbestand
Streitig ist, ob und in welchem Umfang Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in den Jahren 1991 - 1993 und 1995 der deutschen Einkommensteuer unterfallen.
Der Kläger führte in den Streitjahren ein Einzelunternehmen, welches damit befasst war, für Telefongesellschaften moderne Leitungsnetze aufzubauen. Für die neu zu verlegenden Telefonleitungen wurden von einem Tiefbauunternehmen Schächte ausgehoben und die Telefonkabel verlegt. Es war Sache des Klägers, die Kabel miteinander zu verbinden und von dem öffentlichen Leitungsnetz die Hausanschlüsse für die einzelnen Abnehmer zu erstellen sowie die Verteilerkästen in den einzelnen Häusern einzubauen.
In den Streitjahren war der Kläger, abgesehen von einem im Jahre 1991 in H. durchgeführten Auftrag ausschließlich in Luxemburg tätig. Sein Büro unterhielt er in S. in einem größeren Raum im Obergeschoss des Einfamilienhauses der Kläger. Dort wurden auch die Büroarbeiten von der im Unternehmen des Klägers angestellten Klägerin erledigt.
Grundlage der Tätigkeit des Klägers in Luxemburg waren verschiedene Verträge, die er mit der dortigen Fernmeldegesellschaft jeweils nach erfolgter Ausschreibung in Luxemburg abschloss. Diese Verträge wurden jeweils für bestimmte Baubezirke über eine bestimmte Bausumme geschlossen. Die Fernmeldegesellschaft in Luxemburg erstellte zum Zwecke der Ausschreibung eine detaillierte Leistungsbeschreibung der durchzuführenden Arbeiten. Für jede der dort aufgeführten Leistungen kalkulierte der Kläger sodann einen Einheitspreis. Diese Kalkulation führte der Kläger in Luxemburg durch, geschrieben wurde das Angebot in dem Büro in S. Der Vertrag selbst wurde wiederum in Luxemburg geschlossen.
Der Kläger arbeitete aufgrund der abgeschlossenen Verträge in mehreren Baubezirken gleichzeitig, da die Arbeiten in einem Baubezirk nicht in einem Zug, sondern nur nach Fortschritt der zugleich durchgeführten Tiefbau- und Straßenbauarbeiten ausgeführt werden konnten. Die Abwicklung eines Vertrages für einen Baubezirk dauerte im Durchschnitt etwa zwei Jahre. Die Baustellen an denen der Kläger jeweils zu arbeiten hatte, wurden ihm täglich von Mitarbeitern des Fernmeldeunternehmens zugewiesen.
Die Arbeiten im Einzelnen führte der Kläger nach Plänen durch, die er von dem Fernmeldeunternehmen ausgehändigt erhalten hatte. Nach Abschluss der Arbeiten gab der Kläger die Baupläne zurück, an Hand derer ein Angestellter der Post die Aufmaße der Arbeiten errechnete. Aufgrund dieser Berechnungen erstellte der Kläger dann jeweils die Rechnungen.
Für die Arbeiten in Luxemburg beschäftigte der Kläger etwa vierzehn Mitarbeiter. Er und seine Mitarbeiter fuhren regelmäßig Montags nach Luxemburg und kehrten Freitags nach S. zurück. Nur in Ausnahmefällen, wenn Störungen zu beheben waren, arbeitete der Kläger auch am Wochenende in Luxemburg.
Das für die Arbeiten notwendige Material wurde von der Auftraggeberin gestellt, die jeweiligen Baufahrzeuge und das erforderliche Werkzeug stellte der Kläger. Zum Abstellen der Fahrzeuge und des Werkzeugs mietete der Kläger in Luxemburg eine Halle an.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte der Kläger folgende Gewinne:
1991 | ... |
---|---|
1992 | ... |
1993 | ... |
1995 | ... |
In den ursprünglichen für die Streitjahre erteilten Einkommensteuerbescheiden setzte das Finanzamt die Gewinne wie erklärt an. Sämtliche Bescheide standen nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer bei dem Kläger durchgeführten Außenprüfung erteilte das Finanzamt für 1993 und 1995 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es in Auswertung der Ergebnisse der Außenprüfung die Gewinne des Klägers aus Gewerbebetrieb erhöhte. Die Kläger haben gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide Einspruch eingelegt. Im Einspruchsverfahren änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 erneut und wies in Fortsetzung des Einspruchsverfahrens die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die Kläger haben Klage erhoben. Sie sind nunmehr der Auffassung, dass die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in Luxemburg zu versteuern seien. Denn der Kläger habe in Luxemburg eine Betriebsstätte unterhalten. Dies ergebe sich daraus, dass sich der Ort der Leitung des Unternehmens in Luxemburg befunden habe. Der Kläger habe sich in den Streitjahren ständig in Luxemburg aufgehalten und die Arbeiten vor Ort geleitet und überwacht. In S. seien als Ort der Geschäftsleitung nur administrative Aufgaben erledigt worden.
Das Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 1995 im laufenden Klageverfahren unter dem 19. April 2000 geändert. Die Kläger haben diesen Bescheid fristgerecht nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1991 und 1992 sowie die Einkommensteuerbescheide 1993 und 1995 jeweils in der Fassung des Einspruchsbescheides vom ... dahingehend abzuändern, dass für 1991 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf ... DM festgesetzt werden und für die übrigen Jahre keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Auffassung, dass der Kläger in Luxemburg keine Betriebsstätte unterhalten habe. Die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb seien deshalb in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuern. Insbesondere habe sich der "Ort der Leitung" nicht in Luxemburg befunden, denn hierfür komme nur eine feste Geschäftseinrichtung in Betracht, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werde.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die gewerblichen Einkünfte des Klägers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus dessen Tätigkeit in Luxemburg dürfen nach dem DBA-Luxemburg in Deutschland nicht besteuert werden.
Nach Art. 5 Abs. 1 DBA Luxemburg liegt das Besteuerungsrecht für Einkünfte, die eine Person mit Wohnsitz in dem einen Vertragsstaat aus einem gewerblichen Unternehmen erzielt, dessen Tätigkeit sich auf das Gebiet des anderen Vertragsstaates erstreckt, bei dem anderen Vertragsstaat, soweit die Einkünfte auf eine dort befindliche Betriebsstätte des Unternehmens entfallen.
Ob der Kläger in den Streitjahren in Luxemburg eine Betriebsstätte unterhalten hat, ist - ausschließlich - nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA Luxemburg zu beurteilen. Der Begriff der Betriebsstätte ist in dieser Vorschrift abkommensrechtlich definiert. Danach ist eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Art. 2 DBA Luxemburg enthält sodann unter lit. a und b Aufzählungen, welche Einrichtungen als Betriebsstätte "gelten" oder nicht.
Durch die Anmietung der Halle in Luxemburg hat der Kläger allerdings dort keine Betriebsstätte begründet. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Geschäftseinrichtung, in der der Kläger seine Tätigkeit zumindest teilweise ausübte (Art. 2 Abs. 1 DBA Luxemburg). Der Kläger stellte in der Halle nur die Baufahrzeuge an den Wochenenden unter. Für die Arbeiten in Luxemburg war sie nicht erforderlich, da der Kläger Material nicht zu lagern hatte und das für die Arbeiten notwendige Werkzeug in den Baufahrzeugen selbst verwahrt wurde.
Der Kläger hat auch keine Betriebstätte in Luxemburg nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 a aa. des DBA Luxemburg unterhalten. Danach gilt als Betriebsstätte insbesondere der Ort der Leitung des Unternehmens. Der Ort der Leitung im Sinne des Abkommens befindet sich nach Art. 3 Abs. 6 DBA Luxemburg dort, wo sich die geschäftliche Oberleitung befindet. Dieser befindet sich dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebliche Wille gebildet wird. Bei einer an mehreren Orten tätigen Geschäftsführung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung da, wo sich die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet. Entscheidend ist, wo nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles dauernd die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. September 1989 V R 55/84, BFH/NV 1990, 353, 354; vom 21. September 1989 V R 32/88, BFH/NV 1990, 688). Für die Beurteilung sind Art und Umfang, Struktur und Eigenart des Unternehmens zu berücksichtigen. Der Senat geht davon aus, dass sich die Geschäftleitung in dem Arbeitszimmer im Wohnhaus des Klägers befunden hat. Es ist zwar davon auszugehen, dass allein der Kläger in seinem Unternehmen mit Leitungsaufgaben befasst und die Klägerin nur die laufenden Büroarbeiten ausgeführt hat. Auch wenn der Kläger sich in den Streitjahren überwiegend in Luxemburg aufgehalten hat, folgt daraus nicht, dass sich dort auch die Geschäftsleitung des Unternehmens befunden hat. In S. sind auch wesentliche kaufmännische Arbeiten verrichtet worden, insbesondere sind dort formelle Angebote ausgearbeitet und für die durchgeführten Arbeiten Rechnungen erstellt, die Korrespondenz geführt und sonstige Kontorarbeiten sowie die Geschäftsunterlagen aufbewahrt worden. In Luxemburg stand dem Kläger dagegen ein Büro für die Wahrnehmung seiner kaufmännischen Aufgaben nicht zur Verfügung. Diese Umstände erlauben den Schluss, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in S. befand.
Eine Betriebsstätte in Luxemburg liegt indes nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 gg DBA Luxemburg vor. Danach bildet eine Bauausführung oder eine Montage, deren Dauer sechs Monate überschreitet, eine Betriebsstätte. Es kann zweifelhaft sein, ob in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA Luxemburg nur beispielhaft aufgeführt wird, welche Einrichtungen Betriebsstätten nach Satz 1 sind, oder ob Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA Luxemburg eine definitorische Erweiterung dieses Begriffs enthält. Für die letztere Auffassung könnte sprechen, dass Art. 2 DBA Luxemburg formuliert: "als Betriebsstätten gelten insbesondere" Diese Formulierung könnte auf eine gesetzliche Fiktion in dem Sinne hindeuten, dass das Abkommen für die dort aufgezählten Einrichtungen, die sich aus dem Vorliegen einer Betriebsstätte ergebenden Rechtsfolgen fingieren will, obwohl diese Einrichtungen der in diesem Artikel vorangestellten Definition der Betriebsstätte nicht entsprechen. Diese Frage kann indes dahinstehen, denn jedenfalls für die Bauausführung und Montage ist entsprechend den Regelungen im OECD Musterabkommen davon auszugehen, dass es sich um eine definitorische Erweiterung handelt. (Siegers in Debatin - Wassermeyer, Kommentar zum DBA Luxemburg Art. 2 Rz.51). Hieraus folgt, dass für Tätigkeiten, die als Bauausführungen oder Montagen einzustufen sind, nicht geprüft werden muss, ob auch die allgemeinen Voraussetzungen einer Betriebsstätte nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 DBA Luxemburg vorliegen, es sich insbesondere um eine feste Geschäftseinrichtung handelt.
Der Kläger hat in den Streitjahren in Luxemburg Montagearbeiten durchgeführt. Unter diesen Begriff fallen alle Arbeiten, die dem Zusammenfügen von Einzelteilen zu einer einheitlichen Sache dienen (BFH-Urteile vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BStBl II 1990, 983; vom 13. November 1990 VIII R 152/86, BStBl II 1991, 94, 96 ). Das Zusammenfügen von Telefonkabeln und das Erstellen der Hausanschlüsse für die Abnehmer sowie der Einbau von Verteilerkästen in den einzelnen Anschlussstellen, ist die Montage eines einheitlichen öffentlichen Telefonnetzes, durch die ein einheitliches Netz von den technischen Einrichtungen der Telefongesellschaft bis zum Nutzer geschaffen wird.
Die Montage hat auch die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 gg DBA Luxemburg genannte Mindestdauer von sechs Monaten überschritten. Der Senat geht davon aus, dass die einzelnen Aufträge, die der Kläger in Luxemburg nebeneinander oder nacheinander ausgeführt hat, bei der Bemessung der Frist zusammenzurechnen sind. Hierfür spricht, dass der Kläger die Arbeiten im wesentlichen am gleichen Ort und ausschließlich für einen Auftraggeber durchgeführt hat. Außerdem besteht zwischen den einzelnen Aufträgen insoweit ein wirtschaftlich - sachlicher Zusammenhang, als die Arbeiten an einer Anlage, nämlich dem örtlichen Fernmeldenetz durchgeführt wurden und die einzelnen Aufträge zeitlich in einem unmittelbaren Zusammenhang standen und soweit sie nicht ohnehin parallel abgewickelt wurden, sich ohne nennenswerte Verzögerung aneinander anschlossen vgl. hierzu BFH Urteil vom 21. April 1999 I R 99/97, BStBl II 1999, 694).
Deshalb bedarf es keiner Feststellungen darüber, ob die Arbeiten für jeden Auftrag für sich genommen die sechs Monate Frist erreichten oder ob dies wegen der Unterbrechungen der Arbeiten nicht der Fall war , weil die Zeiten, in denen die Arbeiten unterbrochen waren, nicht in die Frist einzubeziehen sind.
Nach alledem sind für die Jahre 1992,1993 und 1995 Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb nicht anzusetzen. Für 1991 sind Einkünfte in Höhe von ... DM anzusetzen, die auf im Inland durchgeführte Arbeiten entfallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Berechnung der Einkommensteuer wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt übertragen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.