Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2001, Az.: 15 K 795/98
Voraussetzungen für Unterhaltung einer Betriebsstätte eines Bauunternehmen in Luxemburg
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.2001
- Aktenzeichen
- 15 K 795/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 14627
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0619.15K795.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 S. 3 GewStG
- § 9 Nr. 3 GewStG
Fundstellen
- EFG 2003, 142
- IWB 2003, 148
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in den Streitjahren der Gewerbesteuer unterliegt.
Der Kläger führte in den Streitjahren ein Einzelunternehmen, welches damit befasst war, für Telefongesellschaften moderne Leitungsnetze aufzubauen. Für die neu zu verlegenden Telefonleitungen wurden von einem Tiefbauunternehmen Schächte ausgehoben und die Telefonkabel verlegt. Es war Sache des Klägers, die Kabel miteinander zu verbinden und von dem öffentlichen Leitungsnetz die Hausanschlüsse für die einzelnen Abnehmer zu erstellen sowie die Verteilerkästen in den einzelnen Häusern einzubauen.
In den Streitjahren war der Kläger, abgesehen von einem im Jahre 1991 in H. durchgeführten Auftrag ausschließlich in Luxemburg tätig. Sein Büro unterhielt er in S. in einem größeren Raum im Obergeschoss des Einfamilienhauses des Klägers und seiner Ehefrau. Dort wurden auch die Büroarbeiten von der im Unternehmen des Klägers angestellten Ehefrau erledigt.
Grundlage der Tätigkeit des Klägers in Luxemburg waren verschiedene Verträge, die er mit der dortigen Fernmeldegesellschaft jeweils nach erfolgter Ausschreibung in Luxemburg abschloss. Diese Verträge wurden jeweils für bestimmte Baubezirke über eine bestimmte Bausumme geschlossen. Die Fernmeldegesellschaft in Luxemburg erstellte zum Zwecke der Ausschreibung eine detaillierte Leistungsbeschreibung der durchzuführenden Arbeiten. Für jede der dort aufgeführten Leistungen kalkulierte der Kläger sodann einen Einheitspreis. Diese Kalkulation führte der Kläger in Luxemburg durch, geschrieben wurde das Angebot in dem Büro in S. Der Vertrag selbst wurde wiederum in Luxemburg geschlossen.
Der Kläger arbeitete aufgrund der abgeschlossenen Verträge in mehreren Baubezirken gleichzeitig, da die Arbeiten in einem Baubezirk nicht in einem Zug, sondern nur nach Fortschritt der zugleich durchgeführten Tiefbau- und Straßenbauarbeiten ausgeführt werden konnten. Die Abwicklung eines Vertrages für einen Baubezirk dauerte im Durchschnitt etwa zwei Jahre. Die Baustellen an denen der Kläger jeweils zu arbeiten hatte, wurden ihm täglich von Mitarbeitern des Fernmeldeunternehmens zugewiesen.
Die Arbeiten im einzelnen führte der Kläger nach Plänen durch, die er von dem Fernmeldeunternehmen ausgehändigt erhalten hatte. Nach Abschluss der Arbeiten gab der Kläger die Baupläne zurück, an Hand derer ein Angestellter der Post die Aufmaße der Arbeiten errechnete. Aufgrund dieser Berechnungen erstellte der Kläger dann jeweils die Rechnungen.
Für die Arbeiten in Luxemburg beschäftigte der Kläger etwa vierzehn Mitarbeiter. Er und seine Mitarbeiter fuhren regelmäßig Montags nach Luxemburg und kehrten Freitags nach S. zurück. Nur in Ausnahmefällen, wenn Störungen zu beheben waren, arbeitete der Kläger auch am Wochenende in Luxemburg.
Das für die Arbeiten notwendige Material wurde von der Auftraggeberin gestellt, die jeweiligen Baufahrzeuge und das erforderliche Werkzeug stellte der Kläger. Zum Abstellen der Fahrzeuge und des Werkzeugs mietete der Kläger in Luxemburg eine Halle an.
Das Finanzamt erteilte für die Streitjahre gegenüber dem Kläger Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag, in denen es die erklärten Gewinne des Klägers zugrunde legte.
Nach einer bei dem Kläger durchgeführten Außenprüfung erteilte das Finanzamt für die Streitjahre geänderte Bescheide. Hiergegen wendet sich der Kläger nach erfolglos gebliebenen Vorverfahren mit der Klage.
Er vertritt die Auffassung, dass er in den Jahren 1992 bis 1995 im Inland keinen Gewerbebetrieb unterhalten habe, da sich die Betriebsstätte seines Unternehmens in Luxemburg befunden habe. Für 1991 seien nur die im Inland erzielten Einkünfte als Gewerbeertrag zu erfassen.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge .......... geändert durch die Bescheide vom .............., jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom .......... dahingehend zu ändern, dass die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge ............. auf DM 0,-- und für 1991 auf DM .......... festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt ist der Auffassung, dass der Kläger in Luxemburg keine Betriebsstätte unterhalten habe. Die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb seien deshalb in der Bundesrepublik Deutschland zu versteuern. Insbesondere habe sich der "Ort der Leitung" nicht in Luxemburg befunden, denn hierfür komme nur eine feste Geschäftseinrichtung in Betracht, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt werde.
Wegen des Sachverhalts im einzelnen und des Vorbringens der Beteiligten nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand seines Urteils vom heutigen Tag in dem Verfahren 15 K 794/98.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger unterliegt nach § 2 Abs.1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer, soweit der Gewerbebetrieb im Inland betrieben wird. Dies ist auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags zu beachten. Deshalb bestimmt § 9 Nr.3 GewStG, dass die zur Berechnung des Gewerbeertrags führende Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags des inländischen Unternehmens gekürzt wird, der auf eine nicht im Inland belegene Betriebstätte entfällt.
Nach § 2 Abs.1 Satz 3 GewStG wird ein Gewerbebetrieb im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird. Daraus folgt, dass ein Unternehmen, das nur im Inland eine Betriebstätte unterhält, mit seiner gesamten Tätigkeit der Gewerbesteuer unterliegt, auch wenn diese im Ausland ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1971 I R 200/67 BStBl. II 1971, 743; vom 10. Juli 1974 I R 248/71, BStBl. II 1974, 752). Unterhält das Unternehmen auch im Ausland eine Betriebstätte so ist nach § 9 Nr.3 GewStG der Teil des Gewerbeertrags, der auf die ausländische Betriebstätte entfällt, d.h. der durch die in der ausländischen Betriebstätte ausgeübte oder ihr zuzurechnende unternehmerische Betätigung erzielt worden ist, der Gewerbesteuer entzogen.
Der Kläger hat in den Streitjahren in der Bundesrepublik einen Gewerbebetrieb betrieben. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf sein Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren 15 K 794/98, in dem ausgeführt wird, dass sich die geschäftliche Leitung des Unternehmens in S. befand. Er hat indes auch in Luxemburg eine Betriebsstätte unterhalten. Für die Auslegung des Begriffs Betriebstätte sind in diesen Zusammenhang die Grundsätze des deutschen Steuerrechts maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 1979 I R 145/76, BStBl. II 1979). Nach § 12 Satz Nr. 8 AO sind Bauausführungen oder Montagen als Betriebsstätte anzusehen, wenn mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern.
Der Kläger hat in Luxemburg Montagen in diesem Sinn durchgeführt. Montagen im Sinne des § 12 AO sind Arbeiten, durch die einzelne Teile zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt werden (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 I R 113/87, BStBl. II 1990, 983). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Der Senat nimmt auch insoweit Bezug auf seine Ausführungen in den Entscheidungsgründen seines Urteils in dem Verfahren 15 K 794/98.
Die Montagearbeiten haben auch länger als sechs Monate gedauert. Sie sind - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auch ohne Unterbrechungen ausgeführt worden, mit der Folge, dass der Kläger dort eine Betriebsstätte unterhalten hat.
Der im Jahre 1991 erzielte Gewerbeertrag entfällt mit Ausnahme eines Betrages, der auf die inländische Betriebsstätte in Höhe von 35.000,00 DM entfällt, auf die Betriebsstätte in Luxemburg. Für die Jahre 1992 bis 1995 entfällt der gesamte Gewerbeertrag auf die Betriebsstätte in Luxemburg.
Da ein Gewerbemessbetrag nach dem Gewerbekapital nicht festzusetzen ist, ergibt sich, dass die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre 1992 bis 1995 auf 0,00 DM und für 1991 nach einem Gewerbeertrag von 35.000,00 DM unter Berücksichtigung der Hinzurechnungen für Dauerschulden nach § 8 Nr. 1 GewStG festzusetzen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 3 Finanzgerichtsordnung FGO-, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung. Die Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages wird nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem Finanzamt übertragen. Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache zugelassen worden (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).