Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.2001, Az.: 15 K 468/98
Rücklagenbildung im Wege der Bilanzänderung bei schon getätigter Investition und Betriebsaufgabe
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.2001
- Aktenzeichen
- 15 K 468/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 17554
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2001:0619.15K468.98.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 EStG
- § 7g Abs. 3 EStG
Fundstellen
- DStR 2003, XVI Heft 48 (Kurzinformation)
- DStRE 2003, 1318-1319 (Volltext mit amtl. LS)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt (FA) verpflichtet ist, einer Änderung der Bilanz zuzustimmen.
Der Kläger (Kl.) betrieb im Streitjahr ....... ein Fuhrgeschäft, welches er mit Wirkung zum 30. Juni .... aufgab.
In seiner Bilanz (ohne Datum) auf den 31. Dezember ...., welche er am 18. November .... beim FA einreichte, wies der Kl. einen Gewinn in Höhe von ......... DM aus.
In dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom ............... setzte das FA Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie erklärt an. Hiergegen richtet sich nach erfolglos gebliebenem Vorverfahren die Klage.
Im Klageverfahren hat der Kl. eine geänderte Bilanz auf den 31. Dezember .... vorgelegt, in der ein Sonderposten mit Rücklageanteil in Höhe von ...... DM zu Lasten des Gewinns eingestellt wurde, so dass der Kl. in der geänderten Bilanz noch einen Gewinn in Höhe von nur ......... DM auswies.
In diesem Zusammenhang haben die Kl. vorgetragen, dass im Streitjahr die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 7 g des Einkommensteuergesetzes (EStG) gegeben seien. Der Kl. habe im Jahre .... die Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens geplant und diese im Jahre .... auch tatsächlich angeschafft. Im Einzelnen habe es sich dabei um folgende geplante Investitionen gehandelt:
Peugeot Boxer | 38.000,00 DM |
---|---|
Lkw Mercedes Benz mit Kofferaufbau | 138.000,00 DM |
Anhänger | 5.000,00 DM |
Faxgerät | 1.000,00 DM |
gesamtes geplantes Investitionsvolumen | 182.000,00 DM. |
Tatsächlich seien im Kalenderjahr .... die geplanten Investitionen auch durchgeführt worden, und zwar:
Peugeot Boxer | 38.339,00 DM |
---|---|
Lkw Mercedes Benz mit Kofferaufbau | 138.294,00 DM |
Anhänger Firma ...... | 5.652,00 DM |
Faxgerät | 1.041,00 DM |
gesamte Summe | 183.326,00 DM. |
Die Kl. vertreten die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG erfüllt seien. Es sei die Anschaffung von neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens geplant gewesen und letztlich auch durchgeführt worden. Die im Jahre .... gebildete Rücklage sei im Jahre .... auch wieder aufgelöst worden. Es habe sich unter Berücksichtigung der Auflösung der Rücklage ein Gewinn von ......... DM aus Gewerbebetrieb ergeben, den das FA in dem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid .... auch angesetzt habe.
Die Kl. beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid .... vom 26. Januar .....und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag .... vom 23. Februar .... unter Aufhebung der Einspruchsbescheide vom 4. Juni .... dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer .... und der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag .... auf 0,00 DM festgesetzt werden.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA ist der Auffassung, dass § 7 g Abs. 3 EStG als sog. Ansparabschreibung nach seinem Sinn und Zweck dazu dienen solle, geplante, künftige Investitionen von neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens zu erleichtern. Eine rückwirkende Bildung der Rücklage wie im Streitfall werde dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht gerecht. Denn im Zeitpunkt der Erstellung der geänderten Bilanz im Kalenderjahr .... seien die Investitionen bereits getätigt worden. Im Übrigen würde die Berücksichtigung der Rücklage für das Streitjahr zu einer gleichzeitigen Erhöhung des Gewinns für den Veranlagungszeitraum .... führen, mit der Folge, dass lediglich eine Gewinnverschiebung eintrete. Wirtschaftliche Gründe für die nunmehr begehrte Bilanzänderung seien nicht ersichtlich, da der Kl. das Unternehmen zum 30. Juli .... aufgegeben habe und nicht mehr gewerblich tätig sei. Deshalb komme eine Zustimmung zur Bilanzänderung nicht in Betracht.
Insgesamt liege somit eine steuerrechtlich nicht anzuerkennende rückwirkende Sachverhaltsgestaltung vor. In der am 25. November .... erstellten Bilanz auf den 31. Dezember .... werde eine in der Vorjahresbilanz nicht enthaltene Rücklage aufgelöst. Hierdurch werde der Bilanzzusammenhang durchbrochen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
1.
Die Klage der Klägerin gegen den Gewerbesteuermessbescheid ist unzulässig. Denn der Bescheid richtet sich nur gegen den Kläger; die Klägerin ist durch ihn nicht beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO).
2.
Im übrigen ist die Klage unbegründet, denn das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. zuzustimmen.
Der Änderung der Bilanz auf den 31. Dezember 1995 steht allerdings nicht die durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 geänderte Fassung des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG entgegen. Danach darf der Steuerpflichtige die Vermögensübersicht nur ändern, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht. Zwar ist die Vorschrift nach der Überleitungsvorschrift des § 52 Abs. 9 EStG auch für Veranlagungszeiträume vor 1999 anzuwenden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Dezember 2000 - VIII R 10/99 - (BFH/NV 2001, 538) ist die Vorschrift aber in der Weise verfassungskonform einschränkend auszulegen, dass über einen Antrag auf Zustimmung zur Bilanzänderung dann noch nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. zu entscheiden ist, wenn der Antrag vor dem 1. Januar 1999 gestellt wurde und ein Rechtsanspruch des Klägers auf Erteilung der Zustimmung bestand.
Die Bilanzänderung setzt nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. die Zustimmung des FA voraus. Über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung dieser Zustimmung ist im Rahmen des Einkommensteuerverfahrens zu entscheiden. (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1992 VIII R 72/87, BStBl II 1992, 958). Die Einwendungen gegen eine ablehnende Entscheidung des FA können mit der Klage gegen den Einkommensteuerbescheid geltend gemacht werden (BFH-Urteil vom 9. August 1989 X R 110/87, BStBl II 1990, 195). Das schließt die Möglichkeit ein, den Antrag auf Änderung der Steuerbilanz auch erstmals im Klageverfahren zu stellen (BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 20/94, BStBl II 1999, 272).
Die Änderung der Wahlrechtsausübung ist ein bilanzrechtlich anerkanntes Gestaltungsrecht, das der Steuerpflichtige in den Grenzen des § 4 Abs. 2 EStG a.F. frei und unbeschränkt geltend machen konnte (BFH-Urteil in BStBl II 1999, 272 [BFH 24.03.1998 - I R 20/94].) Das FA kann diesen Antrag deshalb nur ablehnen, wenn er zu einer Verzögerung der Erledigung des Besteuerungsverfahrens führt, der durch die Bearbeitung des Antrags beim FA anfallende Arbeitsaufwand in keinem sachgerechten Verhältnis zum Interesse des Steuerpflichtigen an der Bilanzänderung steht oder der vom Steuerpflichtigen angeführte sachliche Grund nicht mit dem von § 7 g EStG verfolgten Ziel vereinbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 7.März 1996 IV R 34/95, BStBl II 1996, 568).
Die vom Kläger vorgenommene Bilanzänderung hält sich nicht im Rahmen des mit § 7 g Abs. 3 EStG verfolgten Zwecks.
Nach § 7 g Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr 1995 geltenden Fassung können Steuerpflichtige unter im Einzelnen näher geregelten Voraussetzungen für die künftige Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Durch die Einführung der s.g. Ansparabschreibung soll die Liquidität und die Eigenkapitalausstattung kleinerer oder mittlerer Betriebe dadurch verbessert werden, dass die spätere AfA auf die angeschafften Wirtschaftsgüter in ihrer Aufwandswirkung vorgezogen werden.
Dieser Zweck konnte im Zeitpunkt der Erstellung der geänderten Bilanz nicht mehr erreicht werden. Im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG konnte sich durch die Bildung der Ansparabschreibung die Liquidität des Unternehmens nicht mehr verbessern, weil der Kläger zuvor bereits die geplanten Investitionen durchgeführt und zum 30. Juni 1997 seinen Betrieb aufgegeben hatte. Für die Bildung der Ansparabschreibung waren auch keine sonstigen wirtschaftlichen Gründe ersichtlich. Bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt kann die Rücklagenbildung nur der Steuerminderung dienen, indem der laufende Gewinn für das Jahr .... nach .... verlagert wird. Denn im Jahre .... hat der Kl. in seinem Unternehmen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit einen Verlust erwirtschaftet. Durch die Auflösung der Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG ist zwar in der Bilanz auf den 31.12..... ein Gewinn ausgewiesen worden, der jedoch bei der Einkommensteuerveranlagung .... ebenfalls zu einer Einkommensteuer von 0 DM geführt hat.
Bei dieser Sachlage durfte das Finanzamt die Zustimmung zur Bilanzänderung verweigern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.