Landgericht Göttingen
Beschl. v. 18.05.1999, Az.: 10 T 29/99

Beiordnung eines Rechtsanwalts im Verbraucherinsolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
18.05.1999
Aktenzeichen
10 T 29/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30139
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1999:0518.10T29.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 01.04.1999 - AZ: 74 IK 22/99
nachfolgend
LG Göttingen - 18.05.1999 - AZ: 10 T 29/99

Fundstellen

  • EWiR 1999, 969
  • KTS 2000, 82
  • NJW-RR 1999, 1277-1278
  • NZI 1999, 277
  • Rpfleger 1999, 411
  • VuR 1999, 274-275
  • ZIP 1999, 1017-1018 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 1999, 352-353 (Volltext mit red. LS)
  • ZInsO 1999, 603 (red. Leitsatz)
  • ZInsO 2000, 653 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Nach § 121 Abs. 2 ZPO ist im gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren dem Schuldner dann ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn sich die Erforderlichkeit von Änderungen

  2. 2.

    Ein Verweis auf die Beratung durch öffentliche Schuldnerberatungsstellen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es gerichtsbekannt ist, dass bei diesen keine zeitnahen Beratungstermine zu erhalten sind und die Kontinuität des mit Verfahren bereits vertrauten Rechtsanwalts geboten ist.

Gründe

1

Der Schuldner hat, vertreten durch Rechtsanwalt W, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt, nachdem ein außergerichtlicher Versuch der Schuldenbereinigung mit seinen Gläubigern gescheitert ist. Für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren hat der Schuldner PKH und die Beiordnung von Rechtsanwalt W beantragt. Mit Beschluss v. 1. 4. 1999 hat das AG dem Schuldner für das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren PKH bewilligt, jedoch den weiter gehenden Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt W zurückgewiesen. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, es handele sich zunächst nicht um ein quasi streitiges Parteiverfahren, in dem sich Schuldner und Gläubiger gegenüberstünden.

2

Dem Gericht stehe in diesem Verfahrensstadium auch keine Prüfungskompetenz zu, so dass eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich erscheine. Das gelte auch für die Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans. Der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan sei i.d.R. mit dem außergerichtlichen Plan identisch. Eine Mehrarbeit falle nicht an, so dass es einer gesonderten, die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfordernden Tätigkeit nicht bedürfe. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts kommt allenfalls dann in Betracht, wenn aus dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan ein "quasi streitiges Parteiverfahren" werde, so z.B. wenn es um Planänderungen nach § 307 Abs. 3 InsO oder um den Bestand/die Höhe von Gläubigerforderungen (§ 309 Abs. 3 InsO) gehe. Da sich das Verfahren derzeit nicht in einem solchen Stadium befinde, bedürfe es der Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht.

3

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der Beschwerde. Er meint, ihm sei gegenwärtig nicht die Möglichkeit gegeben, sich von einer örtlichen Schuldenberatungsstelle vertreten bzw. beraten zu lassen, so dass er auf die Hilfe eines Rechtsanwalts angewiesen sei. Den Beratungsstellen fehlten zurzeit die erforderlichen Kapazitäten oder auch Finanzmittel, um eine zeitnahe Beratung durchzuführen. Darüber hinaus seien hier zwei Gläubiger durch Rechtsanwälte vertreten. Zudem sei zu erwarten, dass es um die Ersetzung von Zustimmungen von Gläubigern gehe bzw. eine Änderung des Schuldenbereinigungsplanes bevorstehe.

4

Die Beschwerde ist gem. § 127 Abs. 2 ZPO, § 4 InsO zulässig, sie ist auch begründet. Dem Schuldner ist entsprechend § 121 Abs. 2 ZPO ein Rechtsanwalt beizuordnen. Wie die Kammer bereits mit Beschluss v. 10. 3. 1999 (10 T 16/99) ausgeführt hat, sind die PKH- Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren anwendbar.

5

Nach § 121 Abs. 2 ZPO kann einer Partei auf ihren Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn jedenfalls im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde war absehbar, dass der Schuldenbereinigungsplan weder bereits durch erfolgte Zustimmung aller Gläubiger angenommen noch dass er bereits endgültig gescheitert ist. Auf die Frage, ob in den Fällen der eindeutigen Zustimmung aller Gläubiger zum Plan oder aber der ebenso eindeutigen Ablehnung des Plans die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist, braucht die Kammer deshalb hier nicht einzugehen.

6

Entscheidend ist, dass vorliegend sich die Erforderlichkeit einer Änderung bzw. Ergänzung des Schuldenbereinigungsplans durch den Schuldner abzeichnet. Von den sieben am Verfahren beteiligten Gläubigern haben zwischenzeitlich fünf eine Stellungnahme gem. § 307 Abs. 1 InsO abgegeben. Zwei Gläubiger haben dem Plan zugestimmt. Die anderen drei Gläubiger haben die im Forderungsverzeichnis angegebene Höhe ihrer jeweiligen Forderungen beanstandet und insoweit um Änderung ersucht bzw. weitere Angaben vom Schuldner über Pfändungen oder Abtretungen seiner Gehaltsansprüche und die Aufnahme weiterer Bedingungen in den Schuldenbereinigungsplan gefordert. Aufgrund der Äußerungen dieser Gläubiger wird das Gericht dem Schuldner Gelegenheit geben müssen, den Schuldenbereinigungsplan zu ändern bzw. zu ergänzen, so dass das Abstimmungsverfahren nochmals in Gang gesetzt werden wird. Bei diesen zu erwartenden Änderungen des Plans bedarf der Schuldner der Hilfe eines Rechtsanwalts, denn der Schuldner selbst ist mit den Änderungen und Ergänzungen des Plans überfordert. Der Schuldner kann auch nicht auf die Hilfe durch eine örtliche Schuldnerberatungsstelle verwiesen werden. Insoweit ist gerichtsbekannt, dass die in Betracht kommenden Schuldnerberatungsstellen keine zeitnahen Beratungstermine vergeben. Zudem muss dem Schuldner, der sich hier von Anfang an der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hat, aus Gründen der Kontinuität die Möglichkeit gegeben werden, weiterhin die Beratung des mit dem Verfahren bereits vertrauten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen.