Landgericht Göttingen
Beschl. v. 01.10.1999, Az.: 10 T 69/99

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
01.10.1999
Aktenzeichen
10 T 69/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 34223
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:1999:1001.10T69.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 02.09.1999 - AZ: 71 N 58/98

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu 1) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  2. Beschwerdewert: bis zu 33 000,- DM.

Gründe

1

Mit Beschluss vom 10.03.1999 hat die Kammer den zuvor beim Konkursgericht für das Verfahren zuständigen Rechtspfleger - für befangen erklärt. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Amtsgerichts Göttingen ist damit der Rechtspfleger ... für das Verfahren zuständig geworden. Dieser hat Termin zur Gläubigerversammlung auf den 11.05.1999 bestimmt. Zur Vorbereitung dieses Termins hat der Rechtspfleger die Gläubigerin zu 7) auf einige Bedenken hinsichtlich der Forderungsanmeldung dieser Gläubigerin hingewiesen.U.a. hat er den Hinweis erteilt, dass für einige Anmeldungen keine Vollmachten vorlagen bzw. aus der Gesamtaufstellung Anmeldungen fehlten. Eine Abschrift dieses Hinweises hat der Rechtspfleger den übrigen Gläubigern zur Kenntnis zugeleitet. Die Gläubigerin zu 7) hat vor dem Termin der Gläubigerversammlung auf die Hinweisverfügung des Rechtspflegers Stellung genommen und u.a. Originalvollmachten übersandt.

2

Die Beschwerdeführerin, die Gläubigerin zu 1) hat vor dem Termin zur Gläubigerversammlung, nämlich mit Schreiben vom 06.05.1999 die Änderung einer bereits am 14.01.1999 getroffenen Stimmrechtsentscheidung gem. § 95 Abs. 1 S. 3 KO beantragt.

3

In der Gläubigerversammlung vom 11.05.1999 hat der Rechtspfleger in den Sachstand hinsichtlich der Forderungsanmeldung der Gläubigerin zu 7) eingeführt und das bisherige Stimmrecht der anwesenden Gläubiger erörtert. Die Gläubigerin zu 1) hat daraufhin ihren Antrag auf Stimmrechtsänderung wiederholt. Diesen Antrag hat der Rechtspfleger in der Gläubigerversammlung zurückgewiesen. Die Gläubigerin zu 1) hat daraufhin den Rechtspfleger ... wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Rechtspfleger ... habe die Ungleichbehandlung der einzelnen Gläubigergruppen ebenso wie der zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Rechtspfleger ... fortgesetzt. Dies folge daraus, dass der Rechtspfleger die Gläubigerin zu 7) mit Schreiben vom 27.04.1999 aufgefordert habe, die von ihm beanstandeten Anmeldungen zu korrigieren bzw. nachzuholen und dabei detailliert Anmeldungen beanstandet habe. Dieses Verhalten begründe bei der Gläubigerin zu 1) berechtigte Zweifel an der Objektivität des Rechtspflegers. Der Rechtspfleger bemühe sich offensichtlich darum, einer bestimmten Gläubigergruppe die Forderungen zu substantiieren, um zu einem bestimmten Abstimmungsergebnis über die Wahl eines neuen Konkursverwalters zu gelangen.

4

Die Ungleichbehandlung der Gläubigergruppen ergebe sich auch daraus, dass der Rechtspfleger das Schreiben der Gläubigerin zu 1) vom 06.05.1999, mit dem sie eine Änderung der Stimmrechtsentscheidung beantragt habe, inhaltlich nicht zur Kenntnis genommen habe. Er habe dieses Schreiben zu Beginn der Gläubigerversammlung den anwesenden Gläubigervertretern in Kopie überreicht, inhaltlich habe er jedoch das Schreiben nicht erfasst gehabt, was aus dem Verhalten des Rechtspflegers deutlich geworden sei. Erst auf den ausdrücklichen Hinweis des Vertreters der Gläubigerin zu 1) habe sich der Rechtspfleger inhaltlich mit dem Schreiben befasst. Hieraus ergebe sich, dass der Rechtspfleger bei der Terminsvorbereitung ausschließlich die Belange der Gläubigergruppe der Wohnungseigentümer gefördert habe.

5

Der Rechtspfleger habe auch die Anträge nach § 95 Abs. 1 S. 3 KO in einer Art und Weise behandelt, die die Besorgnis der Befangenheit begründe. Aus der Formulierung des zurückweisenden Beschlusses in der Gläubigerversammlung ergebe sich, dass der Rechtspfleger nicht bereit sei, sich mit den Belangen der übrigen Gläubiger auseinanderzusetzen.

6

Mit Beschluss vom 02.09.1999 hat das Amtsgericht den Antrag der Gläubigerin zu 1), den Rechtspfleger ... für befangen zu erklären, zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, das Ablehnungsgesuch sei zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger mit Schreiben vom 27.04.1999 der Gläubigerin zu 7) das Ergebnis der Vorprüfung der Forderungsanmeldung mitgeteilt habe. Auch die Ablehnung der Änderung der Stimmrechtsfestsetzung rechtfertige nicht die Besorgnis der Befangenheit. Dass der Rechtspfleger zunächst den Antrag in Ablichtung zu Beginn der Sitzung an die übrigen anwesenden Gläubiger verteilt und nicht sogleich inhaltlich erörtert habe entspreche ständiger gerichtlicher Übung und weise nicht auf eine einseitige Bevorzugung einer bestimmten Gläubigergruppe hin. Wie sich aus dem weiteren Verlauf des Termins vom 11.05.1999 ergebe, habe sich der Rechtspfleger mit dem Antrag gem. § 95 KO auseinandergesetzt und sodann über das Stimmrecht entschieden. Die inhaltliche Richtigkeit dieser Entscheidung sei nicht im Rahmen des Ablehnungsgesuchs zu untersuchen, denn dass der Rechtspfleger über die Frage der Änderung des Stimmrechts willkürlich entschieden habe, ergebe sich nicht.

7

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin zu 1) mit der sofortigen Beschwerde. Sie meint, der Rechtspfleger ... habe die Verhandlungsführung seines Amtsvorgängers fortgesetzt, obwohl diese bei dem Vorgänger zur Befangenheit geführt habe. Er habe die Unschlüssigkeit der Forderungsanmeldungen nicht zum Anlass genommen, eine das Stimmrecht versagende Entscheidung zu treffen, sondern die Gläubigerin zu 7) zur Nachbesserung der Forderungsanmeldungen aufgefordert.

8

Das Amtsgericht habe auch nicht hinreichend gewürdigt, dass sich der Rechtspfleger mit dem Antrag der Gläubigerin zu 1) auf Stimmrechtsänderung nicht in der erforderlichen Art und Weise auseinandergesetzt habe. Es sei offensichtlich, dass sich der Rechtspfleger im Vorfeld des Termins nicht mit dem schriftlich eingereichten Antrag der Gläubigerin zu 1) auf Änderung der Stimmrechtsentscheidung befasst habe. Als der Rechtspfleger den Antrag der Gläubigerin zu 1) in Abschrift an die übrigen Gläubigerinnen verteilt habe, sei ihm nicht gegenwärtig gewesen, dass dieses Schreiben einen Antrag auf Änderung der Stimmrechtsfestsetzung enthalten habe. Der Rechtspfleger habe seine Entscheidung auch nicht hinreichend begründet und damit willkürlich gehandelt.

9

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu 1) ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts ist zutreffend. Der Rechtspfleger ... ist nicht befangen. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es besteht kein berechtigter Grund, an der Unparteilichkeit des Rechtspflegers zu zweifeln. Die Verfahrensweise des Rechtspflegers erweckt aus Sicht einer vernünftig denkenden und besonnenen Partei nicht den Anschein, dieser behandele eine bestimmte Gläubigergruppe bevorzugt.

10

Nachdem der Rechtspfleger ... die Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens übernehmen musste, war es seine Aufgabe die durchzuführende Gläubigerversammlung vorzubereiten. Dies erforderte eine eigenständige Prüfung der angemeldeten Forderungen der Gläubiger. Darauf, welche Forderungen der zuvor mit der Bearbeitung des Verfahrens befasste Rechtspfleger für substantiiert oder unsubstantiiert hielt, durfte der Rechtspfleger ... nicht zurückgreifen. Vielmehr musste er die von ihm in der Gläubigerversammlung zu treffenden Entscheidungen eigenständig und aufgrund eigener Prüfung vorbereiten. Dass er im Rahmen dieser Vorbereitung der Gläubigerin zu 7) einen Hinweis auf die von ihm beanstandeten Forderungsanmeldungen gab, begründet in keiner Weise den Verdacht der Voreingenommenheit, denn dieses Verhalten ist in jeder Hinsicht durch die in § 139 ZPO normierte Aufklärungspflicht gedeckt. Entgegen der Auffassung der Gläubigerin zu 1) hat der Rechtspfleger ... auch nicht an die Verfahrensweise des zuvor wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Rechtspflegers angeknüpft. Der Rechtspfleger ... hat nicht mehrfach Termine vertagt und Entscheidungen über die Stimmrechtsfestsetzung der Gläubigerin zu 7) nicht getroffen, vielmehr hat er vor der erstmals von ihm zu leitenden Gläubigerversammlung Hinweise erteilt. Dass es in dieser ersten Gläubigerversammlung nicht mehr zu einer Entscheidung über die Stimmrechtsfestsetzung für die Gläubigerin zu 7) gekommen ist, beruht auf dem zuvor angebrachten Befangenheitsantrag, der den Rechtspfleger ... an der Fortsetzung des Termins hinderte. Im Ergebnis ist jedenfalls der erstmals erfolgte Hinweis des Rechtspflegers ... an die Gläubigerin zu 7) vor der ersten Gläubigerversammlung kein Grund um an der Unvoreingenommenheit des Rechtspflegers zu zweifeln.

11

Auch die von der Gläubigerin zu 1) gerügte Behandlung des Antrags auf Änderung der sie betreffenden Stimmrechtsfestsetzung begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit des Rechtspflegers .... Der Rechtspfleger hat die Doppel dieses Antrags der Gläubigerin zu 1) zu Beginn der Gläubigerversammlung an die übrigen Gläubigervertreter ausgehändigt. Ob sich der Rechtspfleger bis zu diesem Zeitpunkt inhaltlich mit dem Antrag der Gläubigerin zu 1) auseinandergesetzt hatte, kann dahinstehen, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtspfleger - selbst wenn er diesen Antrag der Gläubigerin zu 1) bis dahin nicht geprüft hatte - willkürlich gehandelt hätte. Bei einem derart umfangreichen Verfahren wie dem Vorliegenden kann nicht auf Willkür geschlossen werden, wenn dem Rechtspfleger im Rahmen der Vorbereitung ein kurz vor dem Termin noch eingegangener Antrag nicht sofort geläufig ist. Auch die sodann vom Rechtspfleger vorgenommene rechtliche Würdigung dieses Antrags führt nicht zur Befangenheit des Rechtspflegers. Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, begründen Verfahrensfehler oder eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BayObLG MDR 1988, 1063). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Richter durch eine Kette von Verstößen und Ungeschicklichkeiten verrannt hat oder wenn der Richter/Rechtspfleger offensichtlich willkürlich handelt. Dafür bestehen hier keine Anhaltspunkte. Der Rechtspfleger hat den Antrag der Gläubigerin zu 1) durch Beschluss zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, über das Stimmrecht sei rechtskräftig und abschließend entschieden. Aus der knappen Begründung lässt sich indes nicht auf willkürliches Verhalten des Rechtspflegers schließen.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kammer folgt insoweit nicht der Auffassung, dass es sich bei den Kosten der Beschwerde um Kosten des Rechtsstreits handelt. Vielmehr schließt sie sich in ständiger Rechtsprechung der insoweit vertretenen Auffassung von Thomas/Putzo (ZPO, 19. Aufl. § 46 Rdnr. 9 m.w.N.) an.

Streitwertbeschluss:

Den Beschwerdewert hat die Kammer am Interesse der Gläubigerin zu 1) bemessen und ist dabei von 5 % der angemeldeten Forderung ausgegangen.