Landgericht Göttingen
Beschl. v. 29.07.1999, Az.: 10 T 41/99
Zulässigkeit der Anordnung einer Postsperre zur Erlangung eines umfassenden Überblicks über die Vermögensverhältnisse einer Schuldnerin ohne vorherige Anhörung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 29.07.1999
- Aktenzeichen
- 10 T 41/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 32918
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:1999:0729.10T41.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Göttingen - 02.07.1999 - AZ: 71/74 IN 145/99
Rechtsgrundlagen
- § 21 InsO
- § 99 Abs. 3 InsO
Fundstelle
- DZWIR 1999, 471
Verfahrensgegenstand
Das Vermögen der ...
In dem Insolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
die ...
auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin
gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 02.07.1999 angeordnete Postsperre
am 29.07.1999
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 3.000,- DM.
Gründe
Die Gläubigerin hat beantragt über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen.
Mit Beschluss vom 02.07.1999 hat das Amtsgericht Göttingen gem. §§21, 22 Insolvenzordnung (InsO) den ... zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und neben weiteren Sicherungsmaßnahmen gem.§§21, 99 InsO die Postsperre angeordnet. Insoweit hat das Amtsgericht ausgeführt, die Anordnung der Postsperre erfolge, um schnell einen umfassenden Überblick über die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin zu erlangen. Dabei sei von einer vorherigen Anhörung der Schuldnerin abgesehen worden, weil ansonsten der Erfolg der Maßnahme gefährdet worden wäre.
Gegen die Anordnung der Postsperre wendet sich die Schuldnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie beanstandet, dass ihr vor Anordnung der Postsperre kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Zudem habe das Gericht die Anordnung der Postsperre nicht hinreichend begründet.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin nicht abgeholfen. Insoweit hat es ausgeführt, der Postsperre habe es bedurft, weil sich zwischenzeitlich herausgestellt habe, dass die Schuldnerin zu einer Zusammenarbeit mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht gewillt sei. Trotz mehrfacher Aufforderungen habe sie dem vorläufigen Insolvenzverwalter die Geschäftsunterlagen nicht ausgehändigt.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gem. §§99 Abs. 3, 21 Abs. 2 Nr. 4 InsO zulässig, denn durch die Verweisung in §21 Abs. 2 Nr. 4 InsO auf §99 InsO ist klargestellt, dass auch gegen die im Eröffnungsverfahren angeordnete Postsperre die sofortige Beschwerde statthaft ist.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Anordnung der Postsperre ist zu Recht erfolgt. Gem. §21 Abs. 2 Nr. 4 InsO kann das Gericht schon im Eröffnungsverfahren eine Postsperre anordnen. Die Entscheidung darüber liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (Kübler/Prütting/Pape, InsO §21 Rdnr. 11). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrags die Postsperre besondere Bedeutung hat, weil die Gefahr der Vermögensverschiebung in dieser Phase am größten ist (Kübler/Prütting/Lüke, InsO §99 Rdnr. 8; Pape DtZ 1993, 199 f.). Dass das Gericht sein Ermessen in Bezug auf die Anordnung der Postsperre hier zutreffend ausgeübt hat, zeigt die nachfolgende Entwicklung des Verfahrens. Die Schuldnerin ist den mehrfachen Aufforderungen des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Übergabe der Geschäftsunterlagen bzw. Einsicht in dieselben nicht nachgekommen. Daraus folgt die Richtigkeit der Entscheidung des Amtsgerichts, denn der Versuch der Obstruktion seitens der Schuldnerin wird durch dieses Verhalten deutlich.
Der Beschluss des Amtsgerichts war auch nicht deswegen zu ändern, weil das Amtsgericht die Anordnung der Postsperre ohne vorherige Anhörung der Schuldnerin getroffen hat. Die vorherige Anhörung des Schuldners ist nicht zwingend notwendig. Zwar stellt die Postsperre einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Schuldners dar, die vorherige Anhörung kann jedoch die Wirkungen der Postsperre unterlaufen, weil der Schuldner dadurch gewarnt wird und noch Maßnahmen zur Umgehung der Postsperre ergreifen kann. Ausreichend ist es deshalb, wenn das Gericht die Anhörung des Schuldners nachholt (Kübler/Prütting/Pape, InsO §22 Rdnr. 12). Dass das Amtsgericht diese nachgeholte Anhörung hier noch nicht durchgeführt hat, geht indessen nicht zu Lasten des Amtsgerichts und führt deshalb auch nicht zur Änderung des Beschlusses. Das Amtsgericht hatte bis zur Entscheidung über die Beschwerde keine Gelegenheit, dem Geschäftsführer der Schuldnerin in Bezug auf die Postsperre rechtliches Gehör zu gewähren, denn die Schuldnerin hat den zuständigen Richter mit Schriftsatz vom 05.07.1999 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 14.07.1999 hat die Kammer dieses Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Nach Rückkehr der Akten zum Amtsgericht hat der zuständige Richter sodann über die Nichtabhilfe der sofortigen Beschwerde entschieden und die Akten der Beschwerdekammer des Landgerichts vorgelegt, so dass die Anordnung der Schuldnerin erst erfolgen kann, wenn die Akten dem Insolvenzgericht wieder zugeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §97 Abs. 1 ZPO.