Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 07.04.2003, Az.: 6 A 84/02
Angemessenheit; Anhörung; Aussageverweigerungsrecht; Dauer; Ermessen; Ermessensfehler; Ersatzfahrzeug; Fahrerfeststellung; Fahrtenbuch; Fahrtenbuchauflage; Gefährdung; qualifizierter Rotlichtverstoß; Rotlichtverstoß; Tatfahrzeug; Ursächlichkeit; Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Verkehrsteilnehmer; Verkehrsverstoß; Verwaltungsaufwand; Verwaltungsgebühr; weitere Fahrzeuge; Zeugnisverweigerungsrecht; Zumutbarkeit; Übermaßverbot
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 07.04.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 84/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31a StVZO
- § 6a StVG
- § 1 StGebO
- § 9 VwKostG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Entscheidung der Behörde, die Fahrtenbuchanordnung über das "Tatfahrzeug" und ein Ersatzfahrzeug hinausgehend auch auf alle weiteren (gegenwärtigen und zukünftigen) Fahrzeuge des Halters zu erstrecken, muss einschlägige Ermessenserwägungen erkennen lassen und ist nicht bereits durch die allgemeine Überlegung zu rechtfertigen, andernfalls sei eine Umgehung der Fahrtenbuchanordnung möglich.
2. Ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß rechtfertigt grundsätzlich eine Fahrtenbuchanordnung von (zumindest) neun Monaten Dauer.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 11.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.04.2002 wird aufgehoben, soweit er über die Anordnung eines Fahrtenbuches für den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D.. sowie für ein Ersatzfahrzeug hinausgehend auf weitere Fahrzeuge bezogen ist, und soweit darin Verwaltungsgebühren in Höhe von 80 Euro festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann eine vorläufige Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2335,62 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, für die Dauer von neun Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.
Der Kläger ist Halter eines Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Nach einem von der Bußgeldstelle des Beklagten eingeleiteten Bußgeldverfahren soll mit diesem Fahrzeug am 29.11.2001 um 8:20 Uhr in G., Celler Straße, Abzweigung Allerstraße das bereits zumindest 2 Sekunden andauernde Rotlicht der Lichtzeichenanlage missachtet und dadurch andere Verkehrsteilnehmer ("abbiegende Kraftfahrzeuge") gefährdet worden sein.
Auf den dem Kläger, der auch eine Einzelhandelsfirma führt, unter dem10.01.2002 übersandten Zeugenfragebogen meldete sich sein Prozessbevollmächtigter und erbat Akteneinsicht, die ihm gewährt wurde. Der mit weiteren Ermittlungen zur Feststellung des Fahrzeugführers beauftragte Polizeibeamte teilte in seinem Vermerk vom 12.02.2002 mit, der Polizeibeamte, der den Verkehrsverstoß angezeigt hatte, habe auf Befragen angegeben, dass er den Fahrer nur von hinten gesehen habe und deshalb lediglich angeben könne, es sei eine jüngere männliche Person in Begleitung eines noch jüngeren Beifahrers gewesen. Die bei dem Kläger und sonst geführten Ermittlungen seien ergebnislos verlaufen. Der Kläger habe auf Befragen lediglich angegeben, er habe einen Rechtsanwalt beauftragt und mache zum Sachverhalt sowie zu bei ihm beschäftigten Personen keine Angaben. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde daraufhin eingestellt.
Mit Bescheid vom 04.03.2002 gab der Beklagte dem Kläger auf, für die Dauer von neun Monaten "nach Bestandskraft dieses Bescheides" ein Fahrtenbuch zu führen. In dem Bescheid heißt es ferner u.a., den genauen Zeitraum werde der Beklagte zu gegebener Zeit noch bekannt geben und sofern der Kläger weitere Fahrzeuge auf seinen Namen zulasse gelte diese Anordnung auch für diese Fahrzeuge. Gleichzeitig setzte der Beklagte Kosten in Höhe von 85,62 Euro (eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 80 Euro zuzüglich Kosten für die Zustellung des Bescheides in Höhe von 5,62 Euro) fest, wobei er ausführte, nach dem entstehenden Verwaltungsaufwand halte er eine Gebühr in dieser Höhe für angemessen.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch, den die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2002 - zugestellt am 17.04.2002 - zurückwies.
Mit der am 13.05.2002 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend:
Der Bescheid sei wegen unterschiedlicher Zeitangaben in sich widersprüchlich und auch im Übrigen nicht rechtmäßig. Weshalb es der zuständigen Behörde nicht möglich gewesen sein solle, den Fahrer zu ermitteln, bleibe unerfindlich. Der Kläger sei dazu nicht rechtzeitig angehört worden und es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass der anzeigende Polizeibeamte den Fahrer nicht erkannt und auch nicht versucht habe, den Fahrer zu stellen. Selbst wenn ein Rotlichtverstoß unterstellt werde, wäre schon wegen seiner Einmaligkeit keinesfalls eine Fahrtenbuchauflage von mehr als 6 Monaten zulässig gewesen. Schließlich hätte das Fahrtenbuch nicht auf sämtliche anderen Fahrzeuge ausgedehnt werde dürfen ohne zu prüfen, ob auch bei diesen Fahrzeuge einschlägige Zuwiderhandlungen zu befürchten seien.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 04.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig vom 11.04.2002 aufzuheben.
Der Beklagte hält an der Entscheidung fest und beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann ( § 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber nur im ausgesprochenen Umfang begründet. Soweit die angefochtene Entscheidung des Beklagten sich nicht nur auf ein Ersatzfahrzeug erstreckt, sondern auch "weitere Fahrzeuge" des Klägers mit einbezieht, die dieser derzeit - soweit ersichtlich - noch nicht einmal angeschafft hat, sowie hinsichtlich der beanspruchten Verwaltungsgebühr in Höhe von 80 Euro ist sie auch in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.
Im Übrigen (überwiegend) ist die Klage jedoch unbegründet, da der Beklagte dem Kläger zu Recht ein Fahrtenbuch für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen E. sowie für ein Ersatzfahrzeug für die Dauer von neun Monaten auferlegt und im Rahmen der Kostenentscheidung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr - GebOSt - vom 26.06.1970 (BGBl. I S. 865, ber. S. 1298), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 11.12.2001 (BGBl. I S. 3617) die Erstattung der für die Bescheidzustellung verauslagten Postzustellungskosten in Höhe von 5,62 Euro festgesetzt hat.
Rechtsgrundlage für die gegenüber dem Kläger als Halter des Personenkraftwagens hinreichend bestimmt angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 31a Satz 1 StVZO. Nach dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder zukünftig zuzulassende Fahrzeuge (auch für Ersatzfahrzeuge) das Führen eines Fahrtenbuches auferlegen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist hier der Fall.
Soweit der Kläger dagegen einwendet, die Anordnung sei in zeitlicher Hinsicht nicht hinreichend bestimmt, trifft dies ersichtlich nicht zu. Die Wirksamkeit der Anordnung tritt nach der ausdrücklichen Bestimmung im angefochtenen Bescheid mit dem Zeitpunkt der Bestandskraft des Bescheides ein, über den der Beklagte zu gegebener Zeit lediglich klarstellend informieren wird.
Eine (erhebliche) Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im genannten Sinne ist darin zu sehen, dass mit dem Personenkraftwagen des Klägers am 29.11.2001 um 8:20 Uhr in G., Celler Straße, Abzweigung Allerstraße das bereits zumindest 2 Sekunden andauernde Rotlicht der Lichtzeichenanlage missachtet wurde, wodurch auch eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer eintrat. Das Gericht sieht keinen Anlass, an den diesbezüglichen Feststellungen des diesen Verkehrsverstoß anzeigenden Polizeibeamten bzw. an der Richtigkeit der Übernahme seiner Angaben im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahrens zu zweifeln. Dazu geben auch die spekulativen Erwägungen des Klägers keinen Anlass. Insbesondere begründet es keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen zum Verkehrsverstoß, wenn der anzeigende Polizeibeamte Fahrer und Beifahrer nur von hinten gesehen und beide nur als männliche Personen jüngeren Alters beschrieben hat. Beides schließt nicht aus, dass er den Verkehrsverstoß als solchen zutreffend wahrgenommen und geschildert hat.
Die Feststellung des Fahrzeugführers, der das Fahrzeug ordnungswidrig gefahren hat, war der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus in Sinne des § 31a Satz 1 StVZO nicht möglich. Eine solche Sachlage ist gegeben, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich insoweit danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Dabei kann sich Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung einer Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende und kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. vom 17.12.1982 - Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 11 m. w. N.; Beschl. vom 21.10.1987 - Buchholz, aaO., Nr. 18 m. w. N.; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96 -; Nds. OVG, Beschl. vom 17.02.1999 - 12 L 669/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00). Entgegen der Auffassung des Klägers ist sie auch nicht gehalten, bestimmte Ermittlungsmethoden anzuwenden und hängt die "Unmöglichkeit" der Fahrerfeststellung insbesondere nicht davon ab , dass zunächst versucht worden ist, den Fahrer unmittelbar nach der Tat zu stellen (vgl. dazu bereits BVerwG, Urt. vom 13.10.1978 - VII C 49.77 -, VkBl. 1979, 209; Beschl. vom 09.12.1993 - 11 B 113.93).
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Ermittlungsaufwand der Behörde angemessen. Unerheblich ist insoweit, dass der Zeugenfragebogen zur Verkehrsordnungswidrigkeit dem Kläger nicht binnen zwei Wochen nach dem 29.11.2001, sondern erst mit Schreiben vom 10.01.2002 übersandt worden ist. Allerdings wird davon auszugehen sein, dass dem Erfordernis des angemessenen Ermittlungsaufwands grundsätzlich nur dann genügt ist, wenn der Halter unverzüglich (vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig innerhalb von zwei Wochen) von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis gesetzt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Wird die Anhörung des Halters - aus hier nicht nachvollziehbaren, für die Entscheidung aber auch unmaßgeblichen Gründen - verzögert, ist die Fahrtenbuchauflage gleichwohl indessen z. B. dann nicht ausgeschlossen, wenn - wie hier - feststeht, dass die Verzögerung für die Erfolglosigkeit der Täterermittlung nicht ursächlich gewesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 25.06.1987 - 7 B 139.87 - Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 17; Beschl. vom 23.12.1996 - 11 B 84/96; Beschl. vom 14.05.1997 - 3 B 28/97).
Eine solche Nicht-Ursächlichkeit der verspäteten Anhörung ist hier gegeben, da der Kläger ersichtlich nicht bereit gewesen ist, seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen. Auch ein rechtzeitiger Hinweis auf die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit hätte nicht zur Fahrerfeststellung geführt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Tatsache, dass der anzeigende Polizeibeamte eine genauere Täterbeschreibung nicht hat geben können und der Kläger gegenüber dem ermittelnden Polizeibeamten jegliche Einlassung zum in Betracht kommenden Personenkreis verweigert sowie auch über seinen Bevollmächtigten, dessen Verhalten er insoweit gegen sich gelten lassen muss (vgl. §§ 60 OWiG, 164 ff. BGB, 46, 78 ff, 85 ZPO, 60, 67 VwGO, 14 ff. VwVfG; dazu auch BVerwG, Urt. vom 09.10.1973 - V C 110.72 -, BVerwGE 44, 104; Nds. OVG, Beschl. vom 02.03.00 - 12 M 756/00), keine Angaben zur Sache gemacht und noch nicht einmal den Zeugenfragebogen zurückgesandt hat. Bei dieser Sachlage waren weitere Ermittlungen nicht möglich und fehlt den gegenteiligen Spekulationen des Klägers jegliche Grundlage. Insbesondere war die Bußgeldstelle des Beklagten nicht gehalten, den Kläger über seinen Bevollmächtigten erneut zu bitten, Angaben zur Sache zu machen und bei der Fahrerfeststellung mitzuwirken. Bezeichnenderweise behauptet der Kläger selbst nicht, er hätte auf weitere Anfragen kooperativ reagiert und zumindest den Kreis der Personen benannt, die als Fahrer in Betracht zu ziehen wären.
Das dem Kläger im Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeräumte Recht, die Aussage oder das Zeugnis verweigern zu können, um nicht sich selbst oder einen nahen Angehörigen belasten zu müssen, steht der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches nicht entgegen. Ein doppeltes „Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches „Recht" widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen, die auch der Kläger für sich gegenüber anderen in Anspruch nimmt (BVerwG, Beschl. vom 22.06.1995 - 11 B 7/95 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr 22 = DAR 1995, 459 m. w. Nw.; Beschl. vom 11.08.1999 - 3 B 96.99 - NZV 2000, 385 unter Hinweis auch auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.01.1981 – 1 BvR 116/77 -, BVerfGE 56, 37; vgl. ferner BVerfG, Beschl. vom 07.12.1981 – 2 BvR 1172/81 -, NJW 1982, 586; ständige Rechtsprechung u.a. auch des Nds. OVG, Beschl. vom 30.04.2002 – 12 ME 349/02 m. w. Nw.; Beschl. vom 03.06.2002 – 12 LA 469/02).
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt die angefochtene Fahrtenbuchanordnung in der maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Braunschweig Ermessensfehler insoweit nicht erkennen, als sie sich auf das "Tatfahrzeug", den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen E. sowie auf ein etwaiges Ersatzfahrzeug erstreckt. Die Anordnung verstößt insoweit insbesondere auch nicht gegen das Übermaßverbot.
Insoweit ist zunächst mit Blick auf den missglückten Sprachgebrauch im Widerspruchsbescheid klar zu stellen, dass von einem Ersatzfahrzeug sinnvoll nur dann gesprochen werden kann, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das an die Stelle des mit seiner amtlichen Zulassungsnummer genauer bezeichneten Fahrzeugs tritt. Sofern verschiedene Fahrzeuge während der Geltungsdauer der Fahrtenbuchanordnung nacheinander an die Stelle des zunächst gehaltenen Fahrzeugs treten, betrifft die Fahrtenbuchanordnung das jeweils in Gebrauch befindliche Ersatzfahrzeug und ist auch insoweit hinreichend bestimmt (vgl. dazu bereits BVerwG, Beschl. vom 03.02.1989 - 7 B 18/98 -, NJW 1989, 1624). Besitzt der Halter neben dem "Tatfahrzeug" weitere Fahrzeuge oder werden solche auf ihn neben dem "Tatfahrzeug" oder einem an dessen Stelle getretenem Ersatzfahrzeug auf ihn zugelassen, kann insoweit nicht von Ersatzfahrzeugen gesprochen werden und muss die Fahrtenbuchanordnung insoweit - wie noch auszuführen sein wird - auch diesbezügliche Ermessenserwägungen enthalten (woran es vorliegend mangelt).
Der festgestellte Verkehrsverstoß betraf eine nicht unerhebliche erhebliche Verkehrszuwiderhandlung. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa Nds. OVG Urt. vom 14.11.1994 - 12 L 5254/94 -; Urt. vom 06.11.1996 - 12 L 2664/96 - sowie Beschl. vom 03.06.2002 - 12 LA 469/02; BVerwG, Beschl. vom 09.12.1993 - 11 B 113.93, Beschl. vom 22.06.1995 - 11 B 11.95 -) rechtfertigt das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage ohne Rücksicht darauf, ob hierdurch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden sind, auch bei einmaliger Begehung regelmäßig die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches, gleich ob es sich dabei (nach einer Rotlichtphase von mehr als einer Sekunde) um einen qualifizierten, oder um einen sog. einfachen Rotlichtverstoß handelt. Als Maßnahme der Gefahrenabwehr ergänzt die Fahrtenbuchanordnung die für das fragliche Fahrzeug bestehende Kennzeichnungspflicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a StVG i.V.m. den §§ 18, 23 StVZO.
Um die hiernach gebotene nachprüfbare Überwachung der Fahrzeugbenutzung durchführen und den Fahrzeughalter zur zukünftigen Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anhalten zu können, ist eine gewisse, nicht zu geringe Dauer der Fahrtenbuchauflage und deren Erstreckung auch auf ein Ersatzfahrzeug erforderlich. Neun Monate übersteigen das Maß der gebotenen effektiven Kontrolle bei einem Rotlichtverstoß der hier gegebenen qualifizierten Art nicht und stellen deshalb keine übermäßige Belastung dar. Bereits ein Verkehrsverstoß, der zu einer Eintragung in das Verkehrszentralregister von einem Punkt führt, rechtfertigt eine Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches von sechs Monaten (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. vom 17.05.1995, aaO; Nds. OVG, Beschl. vom 08.03.1999 - 12 L 976/99 -, Beschl. vom 27.06.00 - 12 L 2377/00 - m. w. Nw.).
Bei einem Verstoß, der - wie hier - gemäß Nr. 4.8 der Anlage 13 („Punktebewertung nach dem Punktsystem") zu § 40 der Fahrerlaubnis-Verordnung zu einer Eintragung von 4 Punkten im Verkehrszentralregister geführt hätte, verletzt es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht, die Dauer der Fahrtenbuchauflage auf (zumindest !) neun Monate zu erhöhen, zumal durch das Überfahren des Rotlichts im konkreten Fall (anders als in der vom Kläger zitierten Entscheidung des OVG Münster vom 11.04.1988 - 13 a 1388/87 -, VRS 75, 384,) durchaus auch eine konkrete Verkehrsgefährdung verbunden gewesen ist (vgl. dazu VG Braunschweig, Urt. vom 07.12.1998 – 6 A 6185/98 -, Urt. vom 11.04.2002 - 6 A 112/01 -; Nds. OVG, Beschl. vom 08.03.1999 – 12 L 976/99; vgl. ferner VGH Bad.-Württ., Urt. vom 28.05.2002 - 10 S 1408/01 -, NZV 2002, 431 f, Urt. vom 09.04.1991 - 10 S 407/91 - NZV 1991, 408 [OVG Rheinland-Pfalz 18.12.1990 - 7 A 11461/90]; VG Karlsruhe, Beschl. vom 11.09.1996 - 12 K 2422/96 -, zitiert nach Juris; ebenso Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. A., § 31a StVZO Rn 8).
Ermessensfehlerhaft ist dagegen die im angefochtenen Bescheid sowie im Widerspruchsbescheid durch nichts begründete Entscheidung des Beklagten, die Fahrtenbuchauflage auch auf weitere Fahrzeuge des Klägers, die sich nicht als ein Ersatzfahrzeug qualifizieren lassen, zu erstrecken. Die im Widerspruchsbescheid enthaltene Erwägung, dass durch die ausschließliche Nutzung anderer Fahrzeuge die Fahrtenbuchanordnung "ausgehebelt" werden könne, ist dafür nicht hinreichend tragfähig. Es wäre Sache des Beklagten gewesen, Anhaltspunkte dafür zu liefern und nachvollziehbar bei seinen Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Anschaffung weiterer Fahrzeuge tatsächlich befürchten lassen würde, dass die Fahrtenbuchanordnung zumindest teilweise leer liefe (vgl. dazu auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. A., § 31a StVZO Rn. 9 m.w.Nw.).
Dieser Rechtsmangel führt nicht gemäß §§ 113 Abs. 1, 114 VwGO zu einer vollständigen Aufhebung der Fahrtenbuchanordnung, da sich die Ermessenserwägungen zur Dauer der Fahrtenbuchanordnung von der Frage, auf welche Fahrzeuge des Halters sie sich erstreckt, unterscheiden und trennen lassen (a.A. wohl OVG Münster, Urt. vom 07.04.1977 - XIII A 603/76 -, DAR 1977, 333).
Auch die Entscheidung des Beklagten zur Erhebung einer Gebühr für die Fahrtenbuchanordnung in Höhe von 80 Euro ist rechtsfehlerhaft.
Rechtliche Grundlage für die Kostenfestsetzung ist § 1 der GebOSt i.V.m. Nr. 252 der Anlage zu § 1 GebO. Diese Gebührenordnung hat in § 6a StVG ihre gesetzliche Grundlage. Soweit die Gebührenordnung keine abweichenden Regelungen enthält, ist außerdem gemäß § 6 GebOSt das Verwaltungskostengesetz - VwKG - i.d.F. der Gesetzesänderung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) ergänzend anzuwenden.
Nach Nr. 252 GebOSt ist für eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches einschließlich der Prüfung der Eintragung ein Gebührenrahmen von 21,50 Euro bis 93,10 Euro vorgesehen, innerhalb dessen Grenzen die im Einzelfall angemessene Gebühr nach den in § 9 VwKG aufgestellten Kriterien des Verwaltungsaufwands für die einzelne Amtshandlung und des Wertes des Gegenstands der Amtshandlung zu bestimmen ist. Damit sind der Behörde Maßstabshilfen an die Hand gegeben, die sie bei ihrer (Ermessens-) Entscheidung zu beachten und als Grundlage der Gebührenfestsetzung für den Adressaten erkennbar umzusetzen hat. Insoweit bedarf es allerdings nicht einer bis ins Einzelne gehenden betriebswirtschaftlichen Kostenberechnung, deren Aufwand regelmäßig außer Verhältnis zur Höhe der hier in Betracht zu ziehenden Gebühren stünde. Dem Äquivalenzprinzip in § 9 Abs. 1 VwKG wird vielmehr in der Regel mit einer Pauschalierung des durchschnittlichen Verwaltungsaufwandes und einer typisierenden Wertrelation von Verwaltungsleistung und Nutzen der Amtshandlung genügt, sofern die Gebührenermittlung, deren wesentlichen Gesichtspunkte darzulegen sind, nicht grob übersetzt ist (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Urt. vom 22.04.1981 - 9 OVG A 12/80 - m. w. N.). Hierzu finden sich Hinweise z.B. in dem Runderlass des Nds. Finanzministeriums vom 19. Juni 2001 über Pauschsätze für den Verwaltungsaufwand bei der Gebührenbemessung im staatlichen Bereich (Nds. MBl. 2001, S. 419, zuletzt geändert durch Runderlass vom 18.04.2002, Nds. MBl. 2002, 286).
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch weder der Begründung zur Kostenfestsetzung im angegriffenen Bescheid des Beklagten noch dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig entnehmen, nach welchen Kriterien die Behörde die festgesetzte Gebühr für die Fahrtenbuchanordnung einschließlich der Prüfung der Eintragung bemessen hat. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Beklagte eine angemessene Wertrelation zwischen dem entstandenen Verwaltungsaufwand und dem Gegenstandswert der dem Betroffenen auferlegten Verpflichtung hergestellt hat. Damit fehlt es an den für die Ausführung eines Gebührenrahmens anzustellenden und nachvollziehbar darzulegenden Abwägungen nach § 9 Abs. 1 VwKG. Die bloße Behauptung des Beklagten, er halte den festgesetzten Betrag für angemessen, kann die erforderliche Begründung dafür, warum er dies meint, nicht ersetzten.
Solche Ermessenserwägungen können, weil ein Ermessen in nachvollziehbarer Weise offensichtlich nicht ausgeübt wurde, auch nicht mehr im Klageverfahren nach § 114 Satz 2 VwGO nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Beschl. vom 14.01.1999, NJW 1999, 2912 m.w.N.). Dies führt zur Aufhebung der Kostenfestsetzung, soweit die Verwaltungsgebühr betroffen ist (vgl. dazu im einschlägigen Zusammenhang bereits VG Braunschweig, Urt. vom 23.08.2001 - 6 A 119/01 -, dem Beklagten bekannt).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da der Unterliegensanteil des Beklagten verhältnismäßig unbedeutend und insbesondere hinsichtlich eventueller zukünftiger weiterer Fahrzeuge des Klägers von eher theoretischer, nicht streitwertrelevanter Bedeutung geblieben ist. Mangels Kostenlast des Beklagten bleibt kein Raum für die vom Kläger begehrte Feststellung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Eine Bestimmung zur Art einer Sicherheitsleistung ist offenkundig entbehrlich.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GKG und entspricht in dieser Höhe der ständigen Rechtsprechung der Kammer sowie des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (250 Euro je Monat der getroffenen Fahrtenbuchanordnung und konkret betroffenem Fahrzeug zuzüglich der streitigen Verwaltungskosten).