Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 03.04.2003, Az.: 3 A 262/02

Bedarf; Bedarfsgemeinschaft; Bedürftigkeit; Einkommen; Erstattungsanspruch; Familienausgleich; freiwillige Krankenversicherung; Hilfe zum Lebensunterhalt; Interessenwahrungsgrundsatz; Kindergeld; Kostenerstattung; Krankenkassenbeitrag; Mindestentgeltgrenze; Pauschalabkommen; Sozialhilfeleistung; Umzug; Unterhaltspflicht

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
03.04.2003
Aktenzeichen
3 A 262/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 47953
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Kindergeld ist in der Regel Einkommen des Kindergeldberechtigten, d.h. der Eltern bzw. eines Elternteils.

2. Kindergeld kann nur dann zu anrechenbarem Einkommen des Kindes werden, wenn es diesem durch einen gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt weitergegeben wird (s. OVG Münster, Urteil vom 26.05.2001 - 16 A 445/01-, FEVS 53, 273 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 03.04.2002 - 4 Bs 20/02 -, NVwZ-RR 2002, 756; OVG Koblenz, Urteil vom 23.05.2002 - 12 A 10375/02 -, NVwZ-RR 2003, 44 ff.).

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.077,23 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

I. Das klagende Land Berlin begehrt vom Beklagten Kostenerstattung gemäß § 107 BSHG für Sozialhilfeleistungen an Frau A. B. und ihre drei Kinder für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001.

2

Im April 1999 zog Frau B. mit ihren drei minderjährigen Kindern von E. nach F.. Ab 01.05.1999 übernahm der Beklagte bzw. die Stadt F. die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung der Frau B. bei der DAK. Gleichzeitig wurde dem Sohn G. laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt. Ende September 1999 kehrte Frau B. mit ihren drei Kindern wieder nach E. zurück und stellte dort im Oktober 1999 einen Antrag auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 26.10.1999 bzw. 10.01.2000 meldete die Klägerin einen Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG bei der Stadt F. an, nachdem Frau B. und ihren drei Kindern ab Oktober 1999 Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt und der Krankenkassenbeitrag von Frau B. übernommen worden war. Bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt durch die Klägerin erfolgte eine Anrechnung des Kindergeldes in Höhe von insgesamt 840,00 DM als (alleiniges) Einkommen der Frau B. als Bezugsberechtigte. Unter dem 04.11.1999 bzw. 14.01.2000 erkannte die Stadt F. den Erstattungsanspruch grundsätzlich an. Am 21.02.2000 machte die Klägerin gegenüber der Stadt F. für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 1999 einen Erstattungsanspruch geltend, der von der Stadt F. im September 2000 befriedigt wurde.

3

Mit Schriftsatz vom 08.10.2001 machte die Klägerin gegenüber der Stadt F. für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 eine Erstattungsforderung in Höhe von insgesamt 17.470,92 EUR (34.170,15 DM) geltend. Daraufhin erstattete die Stadt F. der Klägerin im März 2002 eine Summe in Höhe von 15.284,26 EUR und lehnte eine Erstattung des Restbetrages in Höhe von 2.186,66 EUR ab. Zur Begründung führte die Stadt F. aus, das Kind H. B. sei bei Anrechnung des anteiligen Kindergeldes in Höhe von monatlich 266,67 DM als eigenes Einkommen in den Monaten Januar bis März 2000 nicht selbst hilfebedürftig gewesen. Deshalb habe die Kostenerstattungspflicht insoweit zu diesem Zeitpunkt geendet, da für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Sozialhilfe zu gewähren gewesen sei (§ 107 Abs. 2 BSHG). Das Kindergeld sei entgegen der Handhabung der Klägerin nicht auf die Hilfe für die Mutter, sondern für die Kinder anzurechnen. Dementsprechend sei eine Summe in Höhe von 1.173,53 EUR nicht zu erstatten. Außerdem werde der freiwillige Krankenversicherungsbeitrag für Frau B. nicht in der von der Klägerin bewilligten Höhe anerkannt, da lt. Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.12.2000 bei Sozialhilfeempfängern die Beiträge nach der gesetzlich festgesetzten Mindestentgeltsgrenze zu berechnen seien. Unter Berücksichtigung des jeweiligen Mindestbeitrages für den Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 ergebe sich eine Überzahlung in Höhe von 903,70 EUR (1.767,48 DM).

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Am 19.09.2002 hat die Klägerin Klage erhoben und begehrt eine weitere Erstattung seitens des Beklagten in Höhe von 2.077,23 EUR.

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Zur Begründung trägt sie vor, die Ansicht des Beklagten, dass das Kindergeld als Einkommen der Kinder anzurechnen sei, sei unzutreffend. Das Kindergeld solle nach der gesetzlichen Regelung gerade nicht ein bestimmtes Kind begünstigen, sondern den Gesamthaushalt der Familie entlasten. Die in der Person des Kindes entstehenden Kosten der allgemeinen Lebensführung sollten mindestens teilweise gedeckt werden, das Kindergeld somit zur Entlastung von den Kosten des Lebensunterhaltes beitragen. Dem Kindergeldberechtigten werde daher ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt darüber, wie er das Kindergeld im Rahmen der Zweckbestimmung konkret verwenden wolle. Es sei auch lebensfremd anzunehmen, dass Eltern das erhaltene Kindergeld quoteln und dem jeweiligen Kind unabhängig von individuellem Bedarf den Anteil zuwenden, den sie als Kindergeld für dieses Kind erhalten. Genau diese Berechnung habe der Beklagte jedoch vorgenommen. Die Berechnung des anteiligen Kindergeldes für H. B. sei daher bereits unzulässig. Der Charakter des Kindergeldes als allgemeine, dem Familienausgleich dienende Sozialleistung lasse auch dessen pauschale Anrechnung als Einkommen des Kindes nicht zu. Nach eindeutiger und gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es nur dann gerechtfertigt, das Kindergeld als eigenes Einkommen des Kindes anzusehen, wenn die kindergeldberechtigten Eltern das Geld auch tatsächlich an das Kind weiterleiten. Für eine solche Weiterleitung gebe es weder eine Vermutung noch einen Anscheinsbeweis. Die als Voraussetzung einer Anrechnung bei dem Kind unverzichtbare Feststellung, dass das Kindergeld dem Kind zugewendet werde, sei nicht schon damit getroffen, dass das Kindergeld in eine Haushaltskasse fließe, aus der alle für den Lebensunterhalt aller Familienmitglieder erforderlichen Aufwendungen bestritten werden. Genau nach dieser Methode sei aber vorliegend in der Bedarfsgemeinschaft gewirtschaftet worden. Das Einkommen der Familie habe ausschließlich aus dem Kindergeld für die drei Kinder bestanden. Weder könne festgestellt werden, welche konkrete Summe auf den Lebensunterhalt welchen Kindes entfalle, noch könne – insbesondere angesichts des jungen Alters der Kinder – von einer tatsächlichen Weiterleitung des Kindergeldes gesprochen werden. Außerdem dürfe der Träger der Sozialhilfe die Leistung nicht deshalb verweigern, weil ein anderer Leistungen gewährt habe, wenn dadurch der andere in Hilfsbedürftigkeit gebracht werde. Dieser Zustand trete aber bei der Bedarfsgemeinschaft B. ein, wenn man der Ansicht des Beklagten folge und das Kindergeld der Tochter anrechne. Wenn so die Hilfsbedürftigkeit der Tochter entfalle, so geschehe dies auf Kosten der Mutter und ggf. der übrigen Kinder, die infolge des verringerten Einkommens in noch größerem Maße hilfsbedürftig würden. Selbst wenn der Beklagte an seiner Ansicht festhalten wolle, müsse er sich in Ansehung der Regelungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG auf die Grundsätze einlassen, die in dem ausgleichsberechtigten Land maßgeblich seien. Hierzu habe die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz zuletzt im Rundschreiben vom 17.07.2002 eindeutig festgestellt, dass in E. das Kindergeld in aller Regel als Einkommen des Kindergeldberechtigten anzurechnen sei. Dementsprechend bestehe ein weiterer Erstattungsanspruch in Höhe von 1.173,53 EUR (2.295,24 DM).

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Weiterhin bestehe auch ein Anspruch auf die Erstattung weiterer 903,70 EUR in Bezug auf die geleisteten Krankenkassenbeiträge. Auch hier sei auf die eindeutige Regelung des § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG zu verweisen. Unter die dort genannten „Grundsätze“ fielen insbesondere auch Vereinbarungen mit Krankenkassen. Eine solche Vereinbarung bestehe in E. in Form eines Pauschalabkommens. Die von ihr geleisteten Beiträge entsprächen den in diesem Abkommen vereinbarten Beiträgen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.077,23 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist er auf die unterschiedliche Rechtsprechung zur Frage der Anrechnung von Kindergeld als Einkommen. So hätten das OVG Bautzen (B. v. 18.12.1997 – 2 S 614/95 -) und das OVG Lüneburg (B. v. 02.03.1998 – 4 M 4114/97 -) entschieden, dass das Kindergeld vorrangig auf den Bedarf der Kinder anzurechnen sei, soweit sie es selbst zur Bestreitung ihres notwendigen Lebensbedarfes benötigten. Dem habe sich auch die erkennende Kammer mit Beschluss vom 15.03.2001 (3 B 57/01) angeschlossen und hierbei besonders hervorgehoben, dass „Kindergeld bei einem Bedarf auf Hilfe zum Lebensunterhalt nicht in jedem Fall dem anspruchsberechtigten Elternteil als Einkommen anzurechnen sei, sondern bis zur Höhe des sozialhilferechtlichen Bedarfs der Hilfe zum Lebensunterhalt dem Kind zuzurechnen sei“. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil vom 21.06.2001 (5 C 7.00) die Frage der Aufteilung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft offen gelassen. Er sei der Auffassung, dass nicht auf zufällige bzw. gewillkürte Weitergaben bzw. Eigenverbräuche des Kindergeldes durch den berechtigten Elternteil abgestellt werden könne. Auch wenn das Kindergeld nach seiner Zweckbestimmung als Familiengeld zu bewerten sei, habe es doch in erster Linie seinen Zweck darin, die durch Kinder entstehenden Belastungen abzufedern und nicht den Eltern höhere Barmittel zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zukommen zu lassen. Dies müsse in besonderem Maße gelten, wenn dem Kind keine weiteren ausreichenden Einkünfte zur Verfügung stünden und es zur Befriedigung seines Lebensbedarfes selbst auf Sozialhilfe angewiesen sei. In der Praxis werde daher weitgehend die ältere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter angewandt und das Kindergeld zunächst bis zur Höhe seines Sozialhilfebedarfs als Einkommen des Kindes berücksichtigt. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass nach § 48 SGB I die Stelle, die einem Kind Unterhalt gewähre, sogar berechtigt sei, die Auszahlung z.B. des Kindergeldes an sich zu begehren, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind nicht oder nicht ausreichend nachkomme, also nicht genügend Geldmittel für den Unterhalt des Kindes zur Verfügung stelle. Nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB I gelte dies für das Kindergeld auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit gar nicht unterhaltspflichtig sei oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten brauche, der geringer sei als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Hierdurch werde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass das Kindergeld gerade für den Lebensbedarf (Unterhalt des Kindes) bestimmt sei. Die über § 48 SGB I hinsichtlich der Auszahlung des Kindergeldes gesetzgeberisch gewollte Zweckbindung des Kindergeldes zum Lebensunterhalt des Kindes müsse erst recht auch für dessen einkommensmäßige Zuordnung nach dem BSHG gelten.

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In Bezug auf die von der Klägerin geforderten höheren Kranken- bzw. Pflegeversicherungsbeiträge müsse hervorgehoben werden, dass die dortige Bewilligungspraxis nicht der einschlägigen Rechtslage nach dem bekannten Bundessozialgerichtsurteil vom 19.12.2000 entspreche. Insoweit entspreche die geleistete Sozialhilfe nicht dem BSHG und sei damit nach § 111 BSHG nicht zu erstatten. Daran könne auch eine anderslautende Vereinbarung der Klägerin mit den Krankenkassen seines Bereiches nichts ändern. Diese Regelung entspreche gerade nicht der durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geschaffenen Rechtslage. Die hier geschaffene anderslautende Rechtslage, die offensichtlich von anderen politischen Einschätzungen eines Landes geprägt sei, könne eine länderübergreifende sozialhilferechtliche Kostenerstattung nicht unterlaufen. Zu den in § 111 BSHG genannten „Grundsätzen“ könnten keine Vereinbarungen in Bereichen gehören, die gerade durch höherrangiges Recht geregelt seien. Vor diesem Hintergrund sei der Klägerin angeboten worden, die hier begehrte höhere Erstattung zuzubilligen, wenn sie sich verpflichte, diese Ansprüche gegenüber der zuständigen Krankenversicherung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG geltend zu machen. Wenn dies aufgrund der Vereinbarung rechtlich problematisch sei, so müsse dies zu Lasten der Klägerin gehen. Es hätte nahe gelegen, die abgeschlossene Vereinbarung im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung einer Überprüfung zu unterziehen. Ein eventuell politisch motivierter Verzicht einer solchen Überprüfung könne nicht zu seinen Lasten gehen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie die Verwaltungsvorgänge der Beteiligten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Leistungsklage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann(§ 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.

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Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten gemäß §§ 107, 111 BSHG ein Anspruch auf Erstattung von weiteren 1.173,53 EUR in Bezug auf im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 an die Einstandsgemeinschaft der Frau B. mit ihren Kindern bewilligte und ausgezahlte Sozialhilfeleistungen zu. Gemäß § 107 BSHG ist, wenn eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes verzieht, der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Jedoch besteht der Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 111 BSHG nur, soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht, d.h. rechtmäßig geleistet worden ist. Auch sind gemäß § 111 Abs. 2 BSHG Kosten unter 2.560,00 EUR, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungsgewährung von bis zu 12 Monaten, nicht zu erstatten.

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Danach steht der Klägerin der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch zu. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die in § 107 Abs. 1 BSHG genannten Grundvoraussetzungen vorliegen. Die Klägerin hat die Erstattungsforderung in rechtmäßiger Weise geltend gemacht ; der Beklagte hat sie dem Grunde nach anerkannt.

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Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Verpflichtung nach § 107 Abs. 1 BSHG nicht in Bezug auf die der Tochter H. B. geleistete Sozialhilfe in Höhe von 1.173,53 EUR entfallen, weil insoweit für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war (vgl. § 107 Abs. 2 Satz 1 BSHG). In dieser Hinsicht kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich Hilfe gewährt wurde, sondern ob ein tatsächliches Erfordernis bestand, d.h. ein Bedarf vorlag und der Kostenträger davon Kenntnis hatte (vgl. Mergler/Zink, BSHG, § 107 Rn. 15).

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Die an die Einstandsgemeinschaft der Familie B. seitens der Klägerin bewilligten Sozialhilfeleistungen waren in der Weise ermittelt worden, dass die Klägerin das für die drei Kinder gezahlte Kindergeld in Höhe von seinerzeit 840,00 DM gänzlich als Einkommen ihrer Mutter, welche im Übrigen über keinerlei Einkommen verfügte und das Kindergeld nicht bewusst und zweckorientiert an ihre Kinder weitergegeben hat, berücksichtigt hat. Diese Berechnung ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist die Kammer insoweit auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26.05.2001 (16 A 455/01, FEVS 53, 273 ff.; ebenso OVG Koblenz, Urt. v. 23.05.2002 – 12 A 10375/02 -, NVwZ-RR 2003, 44 ff.; OVG Hamburg, B. v. 03.04.2002 – 4 Bs 20/02 -, NVwZ-RR 2202, 756 ff.), dessen Begründung sie im vollen Umfang folgt. Danach gilt auch das nunmehr im Wege des „Familienausgleichs“ gemäß § 31 EStG neu ausgestaltete Kindergeld nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (§§ 62 ff.) als Einkommen im Sinne des § 76 Abs. 2 BSHG. Es ist Einkommen des Kindergeldberechtigten, und zwar in der Regel der Eltern bzw. eines Elternteils. Es kann nur dann zu anrechenbarem Einkommen des Kindes werden, wenn es diesem durch einen gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt weitergegeben wird. Dementsprechend muss ein Hilfesuchender, der, wie z.B. der kindergeldberechtigte Elternteil, mit dem Kindergeld über eigenes Einkommen verfügt, sich dieses grundsätzlich auch anrechnen lassen. Er hat es regelmäßig zuerst für seinen eigenen notwendigen Lebensunterhalt einzusetzen, auch wenn er sich dadurch außerstande setzt, Schuldverpflichtungen zu erfüllen. Dagegen spricht auch nicht die vom Beklagten in Bezug genommene Regelung des § 48 SGB I, wonach das Kindergeld unmittelbar an Kinder ausgezahlt werden kann, wenn der Leistungsberechtigte seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt und auch eine Zahlung z.B. an das den Lebensunterhalt des Kindes sicherstellende Jugendamt in Betracht kommt. Denn da die Grenze der Leistungspflicht im Unterhaltsrecht deutlich über der sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit liegt, kann daraus keine Verpflichtung des Kindergeldberechtigten hergeleitet werden, das Kindergeld sogar dann an das Kind weiterzugeben, wenn er dadurch selbst sozialhilfebedürftig würde (vgl. auch VG Düsseldorf, B. v. 14.02.2000, 22 L 4115/99, info also 2000, 88 ff.). Darüber hinaus spricht dafür, dass das Kindergeld Einkommen des Kindergeldberechtigten ist, der durch Art. 3 des Gesetzes zur Familienförderung vom 22.12.1999 (BGBl. I, S. 2552) eingefügte § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG, bezogen auf die durch dasselbe Gesetz vorgenommene Erhöhung des Kindergeldes. Bereits aus dem Wortlaut wird deutlich, dass der Gesetzgeber das Kindergeld nicht als Einkommen des Kindes, sondern als Einkommen eines anderen (des Kindergeldberechtigten) betrachtet, von dem für das Kind ein bestimmter Betrag abzusetzen ist (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O.).

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Insgesamt würde die Argumentation des Beklagten und eine Klageabweisung insoweit zu einem treuwidrigen Ergebnis führen. Denn wäre das Kindergeld auf den Bedarf der Tochter angerechnet worden, hätte dies zwangsläufig zu einem (erhöhten) ungedeckten Bedarf ihrer Mutter geführt, der von der Klägerin zu decken gewesen wäre. Der letztlich zu zahlende Gesamtbetrag von laufender Hilfe nach dem BSHG hätte sich nicht geändert (vgl. in Bezug auf die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG, OVG Münster, a.a.O.).

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Der Klägerin steht darüber hinaus gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Erstattung von weiteren 903,70 EUR in Bezug auf die von ihr für Frau B. im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 übernommenen Krankenkassenbeiträge zu. Die Erstattung dieser Kosten scheitert entgegen der Ansicht des Beklagten nicht daran, dass die Krankenkassenbeiträge in der durch die Klägerin übernommenen, über dem Mindestbeitragssatz liegenden Höhe dem BSHG im Sinne von § 111 Abs. 1 BSHG nicht entsprochen hätten.

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Nach dieser Vorschrift sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht. Dabei gelten die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen. Aus dieser Regelung ergibt sich in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dass die Interessen des kostenersatzpflichtigen Trägers der Sozialhilfe zu wahren sind. Der sog. Interessenwahrungsgrundsatz besagt, dass der Hilfe gewährende Träger die Pflicht hat, alle nach Lage des Einzelfalles zumutbaren und möglichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich sind, um die erstattungsfähigen Kosten möglichst niedrig zu halten. Bei Verletzung des Interessenwahrungsgrundsatzes durch den kostenerstattungsberechtigten Träger mindert sich dessen Anspruch oder entfällt sogar ganz. An den Interessenwahrungsgrundsatz im Sinne des § 111 Abs. 1 BSHG dürfen jedoch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. So ist geklärt, dass der die Kostenerstattung begehrende Sozialhilfeträger bei der Hilfeleistung bzw. der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber Dritten (lediglich) die Sorgfalt aufzuwenden hat, die er in eigenen Angelegenheiten aufwendet. Der kostenerstattungsberechtigte Träger handelt in eigener Zuständigkeit; er hat daher die Hilfe nach den maßgeblichen Grundsätzen der Sozialhilfe, also insbesondere Art, Form und Maß der Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles (§ 3 Abs. 1 BSHG) unter Beachtung der Ziele der Sozialhilfe (§ 1 Abs. 2 BSHG) zu gestalten und damit eine optimale Hilfe zu erbringen. Der kostenerstattungsberechtigte Sozialhilfeträger entscheidet über die Form der Hilfegewährung nach pflichtgemäßem Ermessen, und zwar unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der besonderen Situation des Hilfeempfängers. Bei der Überprüfung des Ermessens kommt es maßgeblich auf die Verhältnisse am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers und damit auf die Verwaltungspraxis des Hilfe gewährenden Trägers an (vgl. für alles Vorstehende OVG Lüneburg, B. v. 16.01.2002 – 4 L 4201/00 -, NDV-RD 2002, 48 ff. [OVG Hamburg 01.02.2002 - 4 Bf 181/00]).

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Die Klägerin hat im hier umstrittenen Zeitraum gemäß § 13 BSHG die Krankenkassenbeiträge für die freiwillige Krankenversicherung der Frau B. bei der DAK E. übernommen. Dazu war sie – was von dem Beklagten nicht angezweifelt wird – verpflichtet bzw. war das ihr gemäß § 13 Abs. 2 BSHG zustehende Ermessen auf Null reduziert, da Frau B. seit Jahren bei der DAK freiwillig krankenversichert war und im Haushalt drei Kinder lebten (vgl. LPK, BSHG: § 13 Rn. 18). Die Höhe des übernommenen Beitrages richtete sich nach einem Pauschalabkommen der Klägerin als Sozialhilfeträgerin mit der Krankenkasse und lag rund 70,00 DM über dem Mindestbeitrag. Entgegen der Ansicht des Beklagten führt das von diesem angeführte Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.12.2000 (B 12 KR 1/00 R, FEVS 52, 193 ff.) nicht dazu, dass für den umstrittenen Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 die Übernahme eines gegenüber dem Mindestbeitrag höheren Krankenkassenbeitrages rechtswidrig war, die tatsächliche Hilfegewährung deshalb nicht dem BSHG entsprach und ein Kostenerstattungsanspruch insoweit nicht besteht.

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Für den Zeitraum vor der Verkündung des Urteils des Bundessozialgerichts vom 19.12.2000 ergibt sich dies bereits aus der Tatsache, dass ein höchstrichterliches Urteil aus Dezember 2000 keinen Einfluss auf die zulässige Beitragshöhe für das gesamte Jahr 2000 haben kann. Darüber hinaus ist die Übernahme der höheren Krankenkassenbeiträge auch nach dem 19.12.2000 nicht automatisch rechtswidrig geworden. Zwar ist richtig, dass das Bundessozialgericht in dem genannten Urteil entschieden hat, dass bei freiwillig krankenversicherten Sozialhilfeempfängern Hilfen zum Lebensunterhalt an Familienangehörige des Mitglieds nicht zu dessen beitragspflichtigen Einnahmen gehören; beitragspflichtig sind danach bei einem solchen Mitglied lediglich die ihm gewährten Hilfen zum Lebensunterhalt (Regelsatz, Mehrbedarfszuschläge, einmalige Beihilfen, anteilige Unterkunftskosten, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Dies führt in der Regel dazu – und wird vom Bundessozialgericht ausdrücklich betont -, dass bei freiwillig versicherten Sozialhilfeempfängern nur die Erhebung von Mindestbeiträgen in Betracht kommt. In Anbetracht dieses Urteils ist fraglich, ob das Pauschalabkommen der Klägerin mit der DAK nach dem Erlass des Urteils des Bundessozialgerichtes gegen höherrangiges Recht verstößt. Insofern kann sich die Klägerin nicht allein auf § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG berufen, wonach es für die materielle Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung auf die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe ankommen soll, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zur Zeit der Hilfegewährung bestehen. Denn selbst wenn auch Vereinbarungen mit Krankenkassen zu diesen „Grundsätzen“ gehören, dürfte eine Berufung darauf nur dann zulässig sein, wenn diese Vereinbarungen dem geltenden Recht entsprechen (vgl. Schellhorn, BSHG: § 111 Rn. 5).

24

Allein der Erlass des Urteils führt jedoch nach Ansicht der Kammer nicht dazu, dass das Pauschalabkommen sofort hinfällig würde und die Klägerin ab dem 20.12.2000 nur noch die Mindestbeiträge an die Krankenkasse abzuführen hat. Zum einen dürfte zu berücksichtigen sein, dass es bis zur Veröffentlichung des Urteils einige Zeit gedauert haben dürfte. Zum anderen bedarf die tatsächliche Umsetzung einer derart gravierenden höchstrichterlichen Rechtsprechung einer gewissen Zeit, weshalb die Übernahme der bisherigen Krankenkassenbeiträge zumindest in einem Übergangszeitraum nach dem Urteil für noch rechtmäßig zu erachten ist. Dieser Übergangszeitraum war nach Ansicht der Kammer innerhalb von ca. neun Monaten nach Verkündung des Urteils des Bundessozialgerichts noch nicht abgelaufen, weshalb die Übernahme der Krankenkassenbeiträge im Zeitraum vom 01.01.2000 bis 30.09.2001 insgesamt rechtmäßig war.

25

Nach alledem ist der Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin insgesamt weitere 2.077,23 EUR zu zahlen.

26

Die von dem Beklagten noch zu erstattende Summe ist analog §§ 288, 291 BGB mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.06.2002, 9 C 6/01, recherchiert in Juris).

27

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Klage nach dem 01.01.2002 erhoben wurde und es sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern handelt, ist Gerichtskostenfreiheit nicht gegeben (vgl. § 188 Satz 2 letzter Halbs. VwGO).

28

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.