Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 11.04.2003, Az.: 5 A 339/02
Abschiebungsandrohung; Asylanerkennung; DABK; Devrimci Demokrasi; HKO; Isci Köylü Kurtulusu; Partisanflügel; Terrorismus; Terrorismusvorbehalt; TIKKO; TKP(ML); TKP/ML; TKP/ML-Hareketi; Tunceli; Unterstützung; Unterstützungshandlung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 11.04.2003
- Aktenzeichen
- 5 A 339/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48479
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 3 S 1 AuslG 1990
- § 51 Abs 3 S 2 AuslG 1990
- § 51 Abs 1 AuslG 1990
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
§ 51 Abs. 1 AuslG für (früheren) Sympathisanten der TKP/ML nicht durch § 51 Abs. 3 (Satz 2) AuslG ausgeschlossen.
Tenor:
Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (hinsichtlich der Türkei) gegeben sind; soweit der Bescheid vom 7.10.2002 dem entgegensteht, wird er aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Jeder Beteiligte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor jeweils Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der - nach einem als Fax-Kopie bei den Beiakten befindlichen Nüfus - am D..1972 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger, registriert in dem Dorf E., Kreis Mazgirt, Provinz Tunceli, nach seinen Angaben kurdischer Volkszugehöriger mit moslemisch-alevitischer Religionszugehörigkeit, begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter sowie Abschiebungsschutz nach §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG.
Nachdem er sich nach Aktenlage am 13. Februar 2002 in Braunschweig als asylsuchend gemeldet und am Folgetag unter Vorlage zweier Zeitungsartikel, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, einen Asylantrag gestellt hatte, gab er bei der am 25. Februar 2002 durchgeführten Anhörung an, dass er bis zum März 1995 in seinem Geburtsort gelebt habe, dann seien "sie" nach Izmir verzogen. Unter der zu Ziffer 9 des Anhörungsprotokolls angegebenen Anschrift in Izmir habe er sich bis zum Antritt der Ausreise auch tatsächlich aufgehalten. Dort lebten auch seine Eltern. Er habe noch fünf Geschwister. Eine verheiratete Schwester lebe in Izmir, die anderen vier Geschwister bei seinen Eltern. Er habe in seinem Heimatdorf fünf Jahre lang die Grundschule besucht, aber keine weiterführende Schule. Ohne abgeschlossene Berufsausbildung habe er als Straßenverkäufer je nach Jahreszeit Textilien, Sonnenbrillen oder Gürtel verkauft. Seinen Wehrdienst habe er ab 1992 in der Gesamtlänge von 15 Monaten abgeleistet. Izmir habe er am 8. Februar 2002 mittels Direktflug nach Hannover verlassen. Die Schlepper hätten ihm einen Pass besorgt. Den Namen, auf den dieser Pass gelautet habe, dürfe er nach Absprache mit den Schleppern nicht nennen. Hierbei blieb der Kläger auch nach Hinweis auf die Folgen der Nichtangabe. Unterlagen über den Flug mit der Gesellschaft Öger Tours um 6.05 Uhr ab Izmir und mit einer Ankunftszeit in Hannover um ca. 9.00 Uhr habe er nicht.
Auf Nachfrage nach den Asylgründen gab der Kläger an: "Ich habe die TKP-ML unterstützt und bin dabei in Polizeigewahrsam geraten." Auf weitere Nachfrage: "Materiell habe ich die TKP-ML unterstützt, ich habe ihnen Bekleidung, z.B. Hosen usw. gegeben." Auf weitere Nachfrage gab der Kläger dann an, am 10.12.2001 gegen 15.00 Uhr am Busbahnhof in Izmir festgenommen worden zu sein. Ihm seien die Augen verbunden worden; er glaube aber, im Stadtviertel Bosjaka festgehalten worden zu sein. Zwei Tage lang sei er festgehalten worden, weil er Materialien in ein anderes Gebiet habe bringen wollen. Nachdem sie ihn geschlagen hätten, habe er zugegeben, Material für die Guerilla transportiert zu haben. Sie hätten ihm die Mitarbeit als Agent angeboten; andernfalls würden sie ihn vernichten. Er habe auf dem Papier der Übernahme der Agententätigkeit zugestimmt, um fliehen zu können. Nach zwei Tagen sei er freigelassen worden. Außerdem sei er alevitischer Religion; er sei nicht beschnitten und habe sich in der Türkei als Alevit nicht wohlgefühlt. Bei einer Rückkehr in die Türkei fürchte er, da man ihn suche, eingesperrt oder gar umgebracht zu werden. Nach seiner Freilassung sei er nicht mehr nach Hause gegangen. Man habe ihn zu Hause gesucht. Über seine Rechte als Beschuldigter sei er nicht belehrt worden. Ebenso wenig habe er nach der Freilassung ein Protokoll unterzeichnet. Man habe ihm gesagt, dass niemand gesehen hätte, wie er mitgenommen worden sei. Zudem hätten sie ja diese interne Vereinbarung getroffen. Auf Nachfrage über die TKP-ML gab der Kläger an: "Das ist die kommunistisch-leninistische Partei der Türkei. Sie will eine Revolution mit dem Bauern und Werktätigen. Ihr Ziel ist die Abschaffung aller Ausbeutung und Grausamkeiten. Sie strebt eine klassenlose Gesellschaft an und wird derzeit von einem Komitee geführt; es können drei oder fünf sogenannte Sekretäre sein. Genau weis ich dies als Sympathisant nicht."
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 lehnte das beklagte Bundesamt den Asylantrag im Sinne des Asylverfahrensgesetzes ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte dem Kläger für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise binnen eines Monats nach Bestandskraft seine Abschiebung in die Türkei an. Als Asylberechtigter könne er schon nach § 26 a AsylVfG nicht anerkannt werden, da mangels Nachweises und glaubhafter Angaben zu der behaupteten Luftwegeinreise zu seinen Lasten von einer Einreise auf dem Landweg auszugehen sei. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien nicht erfüllt. Das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft. Er habe nicht einmal darlegen können, welchem Flügel der TKP-ML er sich zurechne und wie dessen heutiger Name laute. Die spätestens seit September 1994 nicht mehr unter diesen Namen existierende TKP-ML betreibe keine Guerillaorganisation, die der Unterstützung durch Bekleidungsspenden - wie vom Kläger dargestellt - bedürfe. Im Übrigen wäre der Kläger, wenn er tatsächlich eine Unterstützung für die TKP-ML gestanden hätte, nicht nach zwei Tagen wieder freigelassen, sondern angeklagt worden. Außerdem habe er im Rahmen der Anhörung zunächst selbst behauptet, sich bis zur Ausreise an seiner Wohnanschrift aufgehalten zu haben. Bei dieser Sachlage könne er nicht gesucht worden sein. Dem gegenüber habe er nachfolgend unglaubhaft behauptet, sich im Zeitraum zwischen seiner Freilassung bis zum Antritt der Ausreise am 8. Februar 2002 nicht zu Hause aufgehalten zu haben. Schließlich wäre er bei einer tatsächlichen Suche nicht das Risiko eingegangen, über den Flughafen seiner Heimatstadt, wenn auch mit gefälschten Papieren, auszureisen. Der Artikel aus dem Januar 1995 könne ersichtlich schon aus zeitlichen Gründen nicht ausreiseauslösend gewesen sein. Eine Gruppenverfolgung zu Lasten der kurdischen Volkszugehörigen sei nicht gegeben, ebenso wenig Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG.
Nach Bekanntgabe dieses Bescheides am 15. Oktober 2002 hat der Kläger am 21. Oktober 2002 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Er habe genaue Angaben zu seiner Luftwegeinreise gemacht, lediglich nicht den Namen, unter dem er gereist sei, angeben wollen. Die Organisation, für die er tätig geworden sei, heiße nach wie vor TKP-ML. Er habe zunächst lediglich als Sympathisant Kontakt zu dem eher im ländlichen Bereich agierenden anatolischen Komitee mit der Zusatzbezeichnung DABK gehabt. Weil dieser Flügel den bewaffneten Kampf unterstütze, liege eine Unterstützung durch Bekleidung nahe. Seine Angaben zu den Aufenthaltsorten nach der Verhaftung seien nicht widersprüchlich, da er nur gesagt habe, dass die angegebene Anschrift seine letzte Anschrift in Izmir gewesen sei. Zwischen der Verhaftung und seiner Flucht habe er sich an unterschiedlichen Plätzen bei Freunden versteckt gehalten. Mit Schreiben vom 2. April 2003 ist ergänzend auf zwei in Kopie vorgelegte Schreiben aus der Türkei vom Oktober 2002 Bezug genommen sowie im Übrigen auf das Zeugnis einer Cousine des Klägers mit Namen F., die - ebenso wie Herr G. für die Jahre 1995 bis 1997 - seit vielen Jahren die Unterstützungstätigkeit des Klägers für die TKP-ML als Sympathisant belegen könne.
Wegen des Vorbringens des Klägers und der Angaben der vernommenen Zeugen G. und H. - Frau I. war verhindert - in der mündlichen Verhandlung vom 11.4.2003 wird auf das Protokoll der Verhandlung Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des beklagten Bundesamtes vom 7. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, sowie die Beklagte weiterhin zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Begründung in dem angefochtenen Bescheid,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet, soweit der Kläger seine Anerkennung als Asylberechtigter begehrt (1), jedoch hinsichtlich der Verpflichtung zur Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG begründet (2); soweit der angefochtene Bescheid vom 7.10.2002 dem entgegensteht, war er einschließlich der Abschiebungsandrohung (vgl. Urteil des OVG Weimar v. 6.3.2002 - 3 KO 428/99 - NVwZ-Beilage I 3/2003, S. 19, 21 mwN) aufzuheben, § 113 VwGO.
Einer Entscheidung über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bedurfte es bei dieser Sachlage nicht mehr (vgl. etwa Beschluss des BVerwG v. 21.1.2000 - 9 B 589/99 - juris - mwN).
1. Der Asylanerkennung des Klägers steht § 26a AsylVfG entgegen. Insoweit wird gemäß § 77 AsylVfG auf die zutreffenden Ausführungen unter Ziffer 1 der Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass auch für das Gericht keine weitergehenden erheblichen Aufklärungsmöglichkeiten ersichtlich sind. Dabei kann dahinstehen, ob es zu dem von dem Kläger angegebenen Zeitpunkt einen Flug der von ihm benannten Gesellschaft gegeben hat. Daraus ergibt sich nämlich nicht - wie erforderlich - die notwendige Gewissheit des Gerichts davon, dass der Kläger diesen Flug auch tatsächlich selbst genutzt hat. Eine entsprechende Information kann er auch über Dritte, z.B. über die Schleuser zur Verschleierung des wahren Reisewegs, erhalten oder sich selbst verschafft haben. Im Übrigen hat der Kläger nicht bereits zu dem von ihm angegebenen Einreisetag am 8. Februar 2002, sondern erst am 13. Februar 2002 und auch nicht in Hannover, sondern in Braunschweig ein Asylgesuch gestellt.
2. Die Beklagte war jedoch zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei gegeben sind. Die dafür erforderlichen, unter Ziffer 2 der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend genannten Voraussetzungen, auf die gemäß § 77 AsylVfG Bezug genommen wird, sind nach der Überzeugung des Gerichts gegeben, da der Kläger Unterstützungshandlungen für die (frühere) TKP (ML) erbracht und deshalb sein Heimatland vorverfolgt verlassen hat, eine (erneute) Verfolgung bei einer Rückkehr dorthin nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann und dem schließlich auch nicht der sog. Terrorismusvorbehalt bzw. § 51 Abs. 3 AuslG entgegenstehen.
Zu der TKP/ML (bzw. TKP(ML)), für die der Kläger tätig geworden ist, wird in dem Gutachten von Kaya vom 29.11.1997 an das VG Braunschweig betont, dass diese vertreten ist. Als Zeitschrift der Organisation wird für die Jahre 1993/1994 u.a. die Publikation Partizan Sesi angeführt sowie darauf hingewiesen, dass Publikationen der Organisation über Reisebusse in die Provinzhauptstädte und Kreisstädte transportiert werden. In der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. März 1998 an das VG Frankfurt/Oder wird angeführt, dass die TKP/ML 1972 gegründet wurde. 1976 sei es zur Spaltung in die TKP/ML mit ihrer bewaffneten Organisation TIKKO und die TKP/ML-Hareketi ohne bewaffnete Kräfte gekommen. 1987 habe sich dann die TKP/ML wiederum in zwei Flügel, nämlich den Partisanflügel und die DABK gespalten, wobei beide für sich die Bezeichnung TKP/ML in Anspruch nähmen und legale Dachverbände für ihre jeweiligen Basisorganisation in Europa unterhielten. Die Mitgliedschaft und die Mitwirkung in einer verbotenen Partei wie der TKP/ML und deren Unterorganisationen sind in der Türkei danach von Strafe bedroht u.a. nach Artikel 168 Abs. 2 und 169 Strafgesetzbuch.
Zur aktuellen Situation wird in den Bundesverfassungsschutzbericht für 2001 unter Ziffer 2.2.3 gleichfalls unter der einheitlichen Bezeichnung TKP/ML zwischen dem Partisanflügel und dem DABK unterschieden, wobei der letztgenannte Flügel wenige Mitglieder umfasse und als Publikation über zwei Zeitschriften mit Namen Devrimci Demokrasi und Isci Köylü Kurtulusu verfüge. Beide Flügel unterhalten von einander getrennte bewaffnete Gruppierung unter der identischen Bezeichnung TIKKO. Für beide Lager habe der Hungerstreik in den türkischen Haftanstalten das zentrale Agitationsthema gebildet. Franz unterscheidet in seinem Bericht im "Deutschen Orient-Institut Focus Nr. 4", 10/2002, S. 18, 21, zwischen der TKP/ML-Partizan und dem seit 1994 unter der Bezeichnung TKP(ML) auftretenden ehemaligen DABK. Letztgenannter Teil der vormaligen TKP/ML werde ebenso konspirativ organisiert und geleitet wie der Partizan-Flügel, sei vornehmlich mit internen Problemen beschäftigt und widme sich (in Deutschland) nur in geringem Maße der politischen Arbeit. Schließlich wird im jüngsten Verfassungsschutzberichtes des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2002 unter der Ziffer 5.1.4. von einer Umbenennung der Organisation im September 2002 von TKP(ML) in MKP und der TIKKO in HKO berichtet. Die Umbenennung sei "notwendig geworden, da man sich künftig nicht mehr als regional agierende Partei verstünde, sondern globaler agieren wolle. Die kommunistische Revolution sei nur zu verwirklichen, wenn alle revolutionären Kräfte zusammen arbeiten."
Hiermit stimmen die Angaben des Klägers zu seiner Tätigkeit für die (vormalige) TKP(ML) überein. Er stammt aus der Provinz Tunceli, in der - wie dargelegt - der regionale Schwerpunkt der Aktivitäten der Organisation innerhalb der Türkei jedenfalls bis Ende 2001 lag (vgl. zu bewaffneten Auseinandersetzungen der TIKKO in Tunceli noch aus dieser Zeit, nämlich am 21.10.2001, den TIHV-Bericht für 10/01 unter Ziffer 2.7). Dass er dort Kontakt zu den entsprechenden örtlichen Kräften der DABK hatte, wird durch den von ihm angeführten Artikel aus dem Jahre 1995 aus der damaligen Parteizeitschrift "Partizan Sesi" sowie die glaubhafte Aussage des Zeugen G. unterstrichen. Dass der Kläger wegen dieses Artikels ausreiserelevante Probleme bekommen habe, behauptet er jedoch selbst nicht und wäre im Hinblick auf den zeitlichen Abstand zwischen der Veröffentlichung im Jahre 1995 und der von ihm vorgetragene Ausreise im Jahre 2002 auch unverständlich.
Allerdings hat er nach seinen Angaben auch nach seiner Übersiedlung nach Izmir seine Unterstützungstätigkeit für die TKP (ML) in Form von Kuriertätigkeiten fortgesetzt und sei dabei an einem Busbahnhof festgenommen worden. Dies stimmt insoweit mit den o.a. Informationen überein, als gerade Reisebusse als Transportmittel für Materialien der Organisation von Provinzhauptstädten aus angeführt werden. Ebenso hat der Zeuge J. glaubhaft angegeben, von dem Kläger in der Zeit von 1997 bis etwa 1999 von Izmir aus Parteimaterial erhalten zu haben. Daher ist es auch unter dem persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass er - wie er insoweit widerspruchsfrei geschildert hat - am 10.12.2001 bei dem Versuch, Material am Busbahnhof zu transportieren, festgenommen und zwei Tage festgehalten worden ist. Allerdings trifft es auch nach Erkenntnislage der Kammer grundsätzlich zu, dass Personen, die - wie der Kläger nach seinen Angaben - eine Unterstützungstätigkeit für eine militante, in der Türkei verbotene Organisation, hier die TIKKO als militärischer Teil der TKP (ML), gestanden haben, strafrechtlich verfolgt, nicht aber freigelassen werden (vgl. die Auskunft von Kaya v. 29.8.2000 an das VG Hamburg). Andererseits berichtet derselbe Gutachter, dass Personen, die im Verdacht der Zusammenarbeit mit einer illegalen Organisation geraten sind, unter Druck gesetzt und ihnen Spitzeltätigkeiten angeboten werden (vgl. etwa v. 14.1.02 an das OVG Hamburg und an das VG Augsburg v. 2.5.2000). Dementsprechend kann auch der Kläger als lediglich Zuträger der Organisation nach Zusage einer Spitzeltätigkeit (vorläufig) ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens freigelassen worden sein, um auf diese Weise an die "Hintermänner" zu gelangen. Da er aber die zugesagten Informationen nicht weitergegeben hat, sondern untergetaucht ist und danach die Türkei verlassen hat, bestand für ihn bei der Ausreise und besteht bei einer Rückkehr weiterhin die Gefahr, erneut festgenommen, strafrechtlich verfolgt und in der Haft mißhandelt zu werden (vgl. dazu etwa Urteil des VG Ansbach v. 31.7.2001 - 17 K 98. 34659 - asylis 2001000914 , Az. des Bundesamtes 2392302-163), um von ihm weitere Informationen über die (vormalige) TKP (ML) TIKKO bzw. heute die MKP - HKO - diese vor kurzem erfolgte Umbenennung war dem Kläger bekannt - zu erhalten. Da Ziel dieser Organisationen der gewaltsame Umsturz des türkischen Staatssystems und stattdessen die Errichtung eines kommunistischen Systems mit maoistischer Prägung ist, ist zwar die Festnahme und Bestrafung von Mitgliedern und Unterstützern als strafrechtliche Verfolgung nicht "asylrelevant"; dies trifft aber auf die als "politmalus" anzusehende Gefahr der Misshandlung zum Erhalt weitergehender Informationen zu.
Der sog. Terrorismusvorbehalt (vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. Dezember 1989 - 2 BvR 958/86 - BVerfGE 81, 142 <152 f.> unter Bezugnahme auf BVerfGE 80, 315 <339 ff.>; ferner Kammer- Beschluß vom 8. Oktober 1990 - 2 BvR 508/86 - InfAuslR 1991, 18 <19/20>) steht der ausgesprochenen Verpflichtung nicht entgegen, so dass dahin stehen kann, ob dieser für die Einschränkung des Asylrechts bestehende Vorbehalt sich auch auf § 51 Abs. 1 AuslG bezieht (vgl. dazu BVerwGE 109, 12 ff). Nach der o.a. BVerfG-Entscheidung vom 20. Dezember 1989 a.a.O. wird die Betätigung der politischen Überzeugung unter Einsatz terroristischer Mittel von der Bundesrepublik Deutschland in Übereinstimmung mit der von ihr mitgetragenen Völkerrechtsordnung grundsätzlich missbilligt. Maßnahmen des Staates zur Abwehr des Terrorismus sind deshalb keine politische Verfolgung, wenn sie dem aktiven Terroristen, dem Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne oder demjenigen gelten, der im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten vornimmt, ohne sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen. Allerdings kann - wie hier - auch in derartigen Fällen eine asylerhebliche Verfolgung vorliegen, sofern zusätzliche Umstände - etwa die besondere Intensität der Verfolgungsmaßnahmen - für eine solche Annahme sprechen. Das Bundesverfassungsgericht fährt dann fort (a.a.O. S. 152/153): "Unabhängig davon gilt: Es liegt außerhalb des Asylrechts, wenn für terroristische Aktivitäten nur ein neuer Kampfplatz gesucht wird, um sie dort fortzusetzen oder zu unterstützen. Demgemäß kann Asyl nicht beanspruchen, wer im Heimatland unternommene terroristische Aktivitäten oder deren Unterstützung von der Bundesrepublik Deutschland aus in den hier möglichen Formen fortzuführen trachtet; er sucht nicht den Schutz und Frieden, den das Asylrecht gewähren will. Das Asylrecht hat zu seinem Grundgedanken, demjenigen Zuflucht zu gewähren, der sich wegen (ihm drohender) politischer Verfolgung in einer für ihn ausweglosen Lage befindet (BVerfGE 74, 51 <64>). Der lebens- oder existenzbedrohende politische Kampf soll ein Ende haben, der vor politischer Verfolgung Flüchtende soll (wieder) den Schutz einer übergreifenden staatlichen Friedensordnung finden, aus der ihn der verfolgende Staat ausgegrenzt hat."
Dass der Kläger einen auch von der Völkerrechtsordnung missbilligten politischen Kampf mit terroristischen Mitteln vom Boden der Bundesrepublik Deutschland aus fortzusetzen oder zu unterstützen gedenkt, kann nicht festgestellt werden. Nach den o.a. Informationen beschäftigt sich die heutige MKP in Deutschland vielmehr vornehmlich mit internen Problemen. Politische Arbeit und Aktionen finden nur in geringem Maße statt. Dass für den Kläger persönlich etwas anderes gilt, ist nicht erkennbar.
Aus demselben Grund sind auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AuslG (Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland) nicht gegeben. Der Kläger ist nach den Kenntnissen des Gerichts in Deutschland nicht verurteilt worden, so dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 AuslG ebenfalls nicht gegeben sind. Schließlich kann auch das Vorliegen der Voraussetzungen des durch das sog. Terrorismusbekämpfungsgesetz v. 9.1.2002 (BGBl. I S. 361) zur Umsetzung der VN-Resolutionen 1269 (1999) und 1373 (2001) in nationales Recht eingefügten (vgl. BT-Drs. 14/7386, S. 57) § 51 Abs. 3 Satz 2 AuslG (vgl. hierzu zuletzt etwa Urteil des OVG Koblenz v. 6.12.2002 - 10 A 100089/ 02 - asylis 2003000179 sowie Davy, ZAR 2003, 44, Renner, ZAR 2003, 52 ff) nicht festgestellt werden. Nach der Entstehungsgeschichte soll diese Bestimmung zwar gerade auch "Terroristen" vom Schutz des § 51 Abs. 1 AuslG ausschließen, wobei nach der o.a. VN-Resolution 1373 (2001) darunter nicht nur die eigene Begehung entsprechender Taten, sondern auch ihre Planung, Erleichterung oder Beteiligung verstanden werden. Andererseits reicht dafür die lediglich im Vorfeld konkreter terroristischer Taten erfolgte Unterstützung durch Weitergabe etwa von Lebensmitteln, Kleidung oder Geldspenden ohne unmittelbaren Bezug oder ohne bestimmenden Einfluss auf solche Taten durch Eingliederung in die Organisation nicht aus (vgl. die bei Marx, ZAR 2002, 127, 134, Fn. 54 wiedergegebene Stellungnahme des UNHCR). Hieran gemessen erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes nicht. Durch die von ihm glaubhaft eingeräumte Weitergabe von Publikationen der TKP (ML) sowie Sachspenden an andere Organisationsanhänger kann ein unmittelbarerer Bezug zu terroristischen Aktionen dieser Organisation oder ihres bewaffneten Arms - TIKKO - ebenso wenig wie die eigene Begehung solcher Aktionen durch den Kläger festgestellt werden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 83b AsylVfG, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.