Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 29.04.2003, Az.: 2 A 546/01
Bauverbotszone; Beseitigungsanordnung; Bestandsschutz; Brutto-Rauminhalt; Bundesstraße; Neubau; Rücksprung; Schuppen; Vorsprung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 29.04.2003
- Aktenzeichen
- 2 A 546/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48351
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 4 FStrG
- § 9 Abs 1 Nr 1 FStrG
- § 69 Abs 1 BauO ND
- § 89 Abs 1 BauO ND
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 DM (= 2.556,46 €) festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Beseitigungsanordnung des Beklagten hinsichtlich eines von ihm errichteten Steinschuppens nebst Aufbau.
Der Kläger ist Mieter des Grundstücks D. in E.. Das Grundstück grenzt unmittelbar an die Bundesstraße F.. In der Zeit vor 1999 errichtete der Kläger auf der zur G. gelegenen Grundstücksgrenze einen Schuppen aus Natursteinen. Das Dach des Schuppens besteht aus Holzbrettern und Teerpappe. Auf den Schuppen stellte er ein so genanntes Kinderspielhaus, welches ebenfalls vorwiegend aus Holz besteht. Nach den Feststellungen des Straßenbauamtes bei einer Ortsbesichtigung am 22.09.1999 hat das Gebäude eine Grundfläche von 4,00 m x 4,50 m und eine Höhe von 1,90 m. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die von dem Kläger in dem Gerichtsverfahren vorgelegten Fotos verwiesen. Vor dem Bau des Schuppens riss der Kläger einen an der gleichen Stelle stehenden Blechschuppen ab.
Nach Anhörung forderte der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 09.12.1999 auf, das auf dem Grundstück D. errichtete Nebengebäude (Steinschuppen mit Aufbau) rückstandsfrei zu beseitigen. Hierfür setzte er eine Frist von acht Wochen ab Bestandskraft der Verfügung. Zur Begründung führte der Beklagte an, das Volumen des Nebengebäudes betrage mehr als 15 m³, so dass die bauliche Anlage baugenehmigungspflichtig sei. Eine Baugenehmigung sei jedoch nicht erteilt worden. Außerdem befinde sich der Schuppen in der so genannten Bauverbotszone gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG). Hochbauten jeder Art dürften nur in einer Entfernung von 20 m außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten errichtet werden. Das von dem Kläger gemietete Grundstück liege in diesem Sinne außerhalb der Ortsdurchfahrt. Der Kläger werde als Bauherr nach § 57 Abs. 1 NBauO herangezogen.
Mit seinem am 07. Januar 2000 eingelegten Widerspruch trug der Kläger vor, der Steinschuppen sei nicht baugenehmigungspflichtig, da der umbaute Raum 15 m³ nicht übersteige. Die bauliche Anlage befinde sich auch nicht in einer Bauverbotszone. Sie liege innerhalb einer geschlossenen Ortschaft.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2001 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 09.10.2001 Klage erhoben. Zu deren Begründung vertieft er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Ohne das Vordach betrage der umbaute Raum lediglich 14,79 m³ (vgl. die Skizze des Klägers, Bl. 22 der GA). Ferner habe man ihm beim Kauf des Grundstückes vom Land Niedersachsen ausdrücklich erklärt, dass es sich um ein Haus in H. handele. Das Grundstück sei im Grundbuch von H. registriert. Sein Wohnhaus habe nur einen Abstand von 50 cm vom Fahrbahnrand (gerechnet vom Dachvorsprung). Die Straße sei später gebaut worden. Der Kläger verweist auch auf das so genannte Deutschlandhaus, welches ebenfalls nur 50 cm neben dem Fahrbahnrand der G. liege. Er berufe sich auf Bestandsschutz. Im Übrigen sei ihm vom Bauamt H. telefonisch eine Baugenehmigung für einen Schuppen bis zu einer Größe von 15 m³ erteilt worden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
den Bescheid des Beklagten vom 09.12.1999 in der Fassung des Widerspruchbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 10.09.2001 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf die angefochtene Verfügung und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig. Ergänzend trägt er vor, nur er, nicht aber die Stadt H. könne eine Baugenehmigung erteilen. Auch ein Rückbau des Schuppens auf 15 m³ Brutto-Rauminhalt führe zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage, weil auch genehmigungsfreie bauliche Anlagen dem öffentlichen Baurecht entsprechen müssten. Wegen der Errichtung in der Bauverbotszone nach dem Bundesfernstraßengesetz müsse der Schuppen auch in diesem Fall beseitigt werden. Auf Bestandsschutz könne sich der Kläger nicht berufen. Der ehemalige Blechschuppen sei entfernt worden. Der Schuppen aus Naturstein sei ein neu errichtetes Bauwerk.
Das Gericht hat eine Stellungnahme des Straßenbauamtes I. eingeholt. Diese Behörde ist - wie im Verwaltungsverfahren - der Auffassung, der Schuppen sei rechtswidrig in der Bauverbotszone nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 FStrG errichtet worden. Straßenrechtlich liege das Grundstück nicht an einem Teil der Bundesstraße, welcher als Ortsdurchfahrt angesehen werde. Die Straße diene hier nach ihrer Bestimmung nicht der Erschließung der anliegenden Grundstücke. Im Übrigen wird auf die Stellungnahme des Straßenbauamtes Goslar vom 03.03.2003 verwiesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage - über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO) - ist unbegründet.
Der Beklagte hat dem Kläger rechtmäßig aufgegeben, den Steinschuppen mit Aufbau rückstandsfrei innerhalb von acht Wochen nach Bestandskraft der Verfügung zu beseitigen. Der Bescheid des Beklagten vom 09.12.1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 10.09.2001 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat zu Recht gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 NBauO die Beseitigung des Steinschuppens mit dem darauf errichteten Kinderspielhaus verlangt. Nach dieser Vorschrift kann die Beseitigung von baulichen Anlagen angeordnet werden, wenn diese dem öffentlichen Baurecht widersprechen. Das ist hier schon deshalb der Fall, weil der Kläger für den Schuppen nicht die gemäß § 68 Abs. 1 NBauO erforderliche Baugenehmigung eingeholt hat. Diese wäre gemäß § 75 Abs. 3 NBauO schriftlich von dem Beklagten zu erteilen gewesen.
Die Errichtung des Steinschuppens mit Aufbau war nicht gemäß § 69 Abs. 1 NBauO i.V.m. Nr. 1.1 des Anhangs zur NBauO baugenehmigungsfrei. Gebäude ohne Aufenthaltsräume sind danach nur dann ohne Baugenehmigung zu errichten, wenn der Brutto-Rauminhalt nicht mehr als 15 m³ beträgt. Bei der Berechnung des Rauminhaltes kommt es auf die Außenmaße des Gebäudes an. Nr. 1.1 des Anhangs spricht deshalb auch vom „Brutto“-Rauminhalt. Die Innenmaße, auf die der Kläger in seiner im Gerichtsverfahren vorgelegten Skizze abstellt, sind nicht maßgeblich. Außerdem ist der Teil des Schuppens unter dem „Vordach“ mitzurechnen. Überdachte Flächen, die nicht, oder nur teilweise umschlossen sind, werden nach der Projektion der äußeren Begrenzung des überdeckenden Bauteils berechnet. Nur konstruktive und gestalterische Vor- und Rücksprünge, z. B. übliche Dachüberstände, bleiben unberücksichtigt. Überdachte Freisitze zählen bspw. bei der Berechnung der Größe des Gebäudes mit (vgl. zum Vorstehenden: Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Aufl., § 69, Rn. 10). Danach steht fest, dass der 4,0 m x 4,50 m x, 1,90 m große Schuppen einen Brutto-Rauminhalt von mehr als 15 m³ hat.
Als bauliche Anlage durfte der Schuppen außerdem nicht unmittelbar an der Bundesstraße F. errichtet werden. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 FStrG dürfen Hochbauten jeder Art in einer Entfernung bis zu 20 m bei Bundesstraßen außerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten, gemessen vom äußeren Rand der befestigten Fahrbahn, nicht errichtet werden. Wie auch das Straßenbauamt I. in der Stellungnahme vom 03.03.2003 ausgeführt hat, kommt es nicht auf die straßenverkehrsrechtliche Begrenzung der geschlossenen Ortschaft an. Nach § 5 Abs. 4 FStrG ist hier allein maßgeblich, dass die Bundesstraße F. im Bereich des Grundstücks des Klägers J. nach ihrer Bestimmung nicht der Erschließung der anliegenden Grundstücke dient und es sich straßenrechtlich auch nicht um eine Ortsdurchfahrt handelt. Die so genannten Ortsdurchfahrtssteine sind nach der Stellungnahme vom 03.03.2003 dort nicht gesetzt worden. Eine Ausnahme vom Anbauverbot gemäß § 9 Abs. 8 FStrG ist hier nicht zugelassen worden.
Der Schuppen besitzt in keiner Hinsicht Bestandsschutz. Der ursprünglich dort vorhandene Blechschuppen ist durch ein neu errichtetes Gebäude ersetzt worden. Selbst wenn der Blechschuppen in seinem Bestand geschützt gewesen sein mag, kann dieses für den Neubau nicht mehr gelten. Das ist allgemein anerkannt (vgl. Große-Suchsdorf/pp., a.a.O., § 99, Rn. 29 f.). Hinsichtlich des Schuppens kann sich der Kläger weder auf das von ihm genutzte Wohnhaus noch auf das so genannte Deutschlandhaus berufen. Deren baurechtliche Bewertung ist für das vorliegende Verfahren unerheblich. Das bereits Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Deutschlandhaus besitzt nach den Angaben des Beklagten im Übrigen Bestandsschutz. Der Abstand zwischen dem Dachvorsprung am Haus des Klägers und der Bordsteinkante beträgt zudem 1,50 m (Stellungnahme des Straßenbauamtes Goslar v. 03.03.03).
Die bauaufsichtliche Anordnung des Beklagten ist - auch hinsichtlich der Frist von acht Wochen - verhältnismäßig.
Der Kläger ist als Bauherr gemäß § 57 Abs. 1 NBauO der richtige Adressat der Maßnahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Der Streitwert ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG festgesetzt worden. Wegen der bereits im Jahre 2001 anhängig gemachten Klage ist der Streitwert noch in DM festzusetzen. Das Gericht orientiert sich an dem damals gültigen Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG für baurechtliche Verfahren nach dem 01.07.1994 (Nds.VBl. 1995, 80). Für eine Beseitigungsverfügung bzgl. einer Gerätehütte werden dort 8.000,00 DM genannt. Vorliegend erscheint ein geringerer Wert angemessen.