Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 06.02.2009, Az.: VgK-56/2008

Ausschluss der Bewerbung des Bieters durch den Auftraggeber aufgrund seiner Vorbefassung als Sachverständiger; Ausschluss der Bewerbung eines Bieters wegen vermeintlicher Unzuverlässigkeit aufgrund zuvor erbrachter mangelhafter Leistung des Bieters i.R.d. Prüfung gem. § 13 Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF); Anforderungen an eine Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rüge gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB; Anforderungen an die Erstellung eines Vermerks über das Vergabeverfahren im Hinblick auf § 18 VOF

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
06.02.2009
Aktenzeichen
VgK-56/2008
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 13242
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Erneuerung der Stromversorgung für die Rechenzentren xxxxxx und xxxxxx,
hier: Verfahren zur Vergabe von Ingenieurleistungen der technischen Ausrüstung, Leistungsphasen 2 - 8, Elektrotechnik nach VOF

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Rohn und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ök. Brinkmann,
auf die mündliche Verhandlung
vom 06.02.2009 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, erneut in das Vergabeverfahren einzutreten, die Auswertung des Teilnahmewettbewerbes erneut durchzuführen und die Auswahl der von ihm gemäß Bekanntmachung im Verhandlungsverfahren auszuwählenden Bewerber unter Einbeziehung der Bewerbung der Antragstellerin durchzuführen. Dabei ist der Auftraggeber gehalten, die aus den Gründen ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten hat der Auftraggeber zu tragen. Der Auftraggeber ist jedoch von der Entrichtung der Gebühren befreit.

  4. 4.

    Der Auftraggeber wird verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Das Land Niedersachsen plant für das Landesamt xxxxxx die Erneuerung der Stromversorgung für die Rechenzentren xxxxxx und xxxxxx. Die Baumaßnahme umfasst u.a. die Ertüchtigung vom Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen, die Neuerrichtung von Niederspannungshauptverteilungen, 3 Stück 500kVA USV-Anlagen, 2 Stück 800 kVA Netzersatzaggregate sowie den Aufbau eines Stromschienensystems und Verkabelungsarbeiten.

2

Der Landesbetrieb xxxxxx hat bei der Antragstellerin ein Gutachten für die Ertüchtigung der Stromversorgung im Rechenzentrum xxxxxx und xxxxxx des Landesbetriebs xxx in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten beinhaltet die Leistungsphase 1 - Grundlagenermittlung.

3

Mit Datum vom xxxxxx.2008 hat das xxxxxx als Vergabestelle für dieses Projekt die Objektplanung für Leistungen der Technischen Ausrüstung der Anlagengruppe - Elektrotechnik für Gebäude in den Leistungsphasen 2 bis 4 nach § 73 HOAI und die Weiterbeauftragung in den Leistungsphasen 5 bis 8 - in Abhängigkeit von der Erteilung des Bauauftrages und der Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel - als VOF-Verhandlungsverfahren europaweit ausgeschrieben. Zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme sollten mindestens 3, höchstens 6 Teilnehmer aufgefordert werden. Die Auswahl unter den Bewerbern sollte anhand eines Bewerbungsbogens vorgenommen werden.

4

Für die Auswahl der Teilnehmer sollten gemäß IV.1.2) der Bekanntmachung maßgeblich sein

  • Vollständigkeit des Bewerbungsbogens

  • Ausschlusskriterien nach § 11 VOF

  • Wirtschaftliche Verknüpfung gem. § 7 (2) VOF

  • Finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach § 12 VOF

  • Fachliche Eignung nach § 13 VOF.

5

Bei mehr als 6 geeigneten Bewerbern sollte das Losverfahren entscheiden.

6

Als Schlusstermin für den Eingang der Bewerbungen war der 08.10.2008 Uhr festgelegt.

7

Nach Maßgabe der Vergabeakte wurden die Vorgaben der Bekanntmachung nicht gerügt.

8

Es bewarben sich insgesamt 17 Ingenieurbüros um die Teilnahme am Verhandlungsverfahren. Die Vergabestelle fertigte zur Auswertung der Bewerbungsbögen eine tabellarische Übersicht an, in welcher sie die Eintragungen und Nachweise der Bewerber zusammenstellte und diese in den Spalten "Bemerkungen", "Eignung" und "Begründung" auswertete. Nach Maßgabe der Eintragungen in der Spalte "Eignung" hat die Vergabestelle für 8 der insgesamt 17 Bieter die Eignung festgestellt. Die Antragstellerin gehört hiernach nicht zu den geeigneten Bietern. Für ihre Bewerbung ist in der Spalte "Begründung" vermerkt:

"Bereits Planungsleistungen (Gutachten) für das Projekt "xxxxxx-Erneuerung Stromversorgung" erbracht. Das Büro wurde vom xxxxxx 2007 mit einem anderen Projekt im xxxxxx beauftragt. Honorarkürzungen vorgenommen, da Büro mangelhaft. Der angegebene Bauleiter für die Maßnahme im xxxxxx ist MSR-Techniker."

9

Die Vergabestelle stellte im Vermerk vom 30.10.2008 fest, dass von 17 frist- und formgerecht eingegangenen Bewerbungen in der Vorauswahl 7 Ingenieurbüros als besonders geeignet bewertet wurden. Sie lud die sieben von ihr ausgewählten Bewerber mit Schreiben vom 06.11.2008 für den 20.11.2008 zum Verhandlungsgespräch ein. Der Einladung war ein zweiter Bewerbungsbogen beigefügt, der bis zum 13.11.2008 beigebracht bzw. durchgeführt werden sollte.

10

Zur Information und als Verhandlungsgrundlage erhielten die eingeladenen Bewerber verschiedene Unterlagen zum Projekt, hierunter eine Aufgabenbeschreibung mit zeichnerischen Darstellungen der Netze und der baulichen Gegebenheiten sowie folgende Bekanntgabe der Auftragskriterien:

KriterienGewichtung
1. Projektanalyse10
2. Referenzobjekte30
3. Projekt- und Büroorganisation45
4. Honorar und Nebenkosten10
5. Gesamteindruck der Präsentation5
11

Für das Kriterium Projektanalyse erwartete der Auftraggeber im Rahmen der Präsentation einen Beitrag zu folgenden Fragestellungen:

  • Wo z.B. sieht das Büro die Besonderheiten, Schwierigkeiten der Maßnahme?

  • Welche Randbedingungen/Probleme werden durch das Bauen im Bestand gesehen?

  • Hält das Büro das Projekt für realisierbar?

  • Hält das Büro das Projekt im Zeitrahmen für realisierbar?

12

Alle sieben ausgewählten Bewerber gaben ein Angebot ab, die Verhandlungen fanden am 20.11.2008 statt.

13

Die Ergebnisse der Verhandlungsgespräche wurden in stichwortartigen Protokollen festgehalten. Nach Maßgabe des Vergabevermerkes vom 28.11.2008 kam die Vergabestelle zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene die höchste Punktzahl erreicht habe und die bestmögliche Leistung erwarten lasse. Sie solle daher mit der Leistung beauftragt werden.

14

Mit Informationsschreiben vom 01.12.2008 informierte die Vergabestelle die Bewerber über das Ergebnis des Verhandlungsverfahrens. Der Antragstellerin teilte sie mit, dass beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Ihre eigene Bewerbung sei nicht berücksichtigt worden, weil wegen der Vielzahl der Teilnahmeanträge nicht alle Bewerber zum Verhandlungsgespräch aufgefordert werden konnten.

15

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.12.2008 rügte die Antragstellerin das Auswahlverfahren als vergaberechtswidrig. Sie bezweifelt, dass die Voraussetzungen für den nur ausnahmsweise zulässigen Losentscheid gegeben sind. Nach dem Wortlaut des Informationsschreibens müsse sie davon ausgehen, dass vor dem Losentscheid keine objektive und qualitative Reduzierung der Bewerber vorgenommen worden sei. Die in der Bekanntmachung hierzu angegebenen Kriterien reichten hierfür ohnehin nicht aus, auch sei deren Gewichtung nicht bekannt gegeben worden. Unter Fristsetzung forderte sie die Vergabestelle zur Überprüfung der Entscheidung auf.

16

Mit ihrer Rügeantwort vom 10.12.2008 teilte die Vergabestelle der Antragstellerin mit:

"Die xxxxxx war bereits im Vorfeld der Aufgabenstellung als Sachverständiger mit der Begutachtung der Stromversorgung der genannten Rechenzentren und dem Aufzeigen möglicher Lösungswege zur Erhöhung der Versorgungssicherheit (Tier III) betraut. Die von der xxxxxxx erstellte Ausarbeitung ist ursächlich für die Auslösung des Planungsauftrages und Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel durch das Land Niedersachsen.

Die xxxxxx wurde u.a. daher nach § 6 VOF im weiteren Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt, um einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern auszuschließen. Daneben habe ich bereits in der Vergangenheit die xxxxxx mit der Durchführung einer Baumaßnahme im xxxxxx beauftragt. Infolge beauftragter aber nicht erbrachter Leistungen habe ich hier der xxxxxx 8 Prozentpunkte ihres Honorars in Abzug gebracht. Aufgrund meiner negativen Erfahrung mit der xxxxxx stellt sich diese mir nicht als gegenüber den Mitbewerbern gleichermaßen für die Umsetzung der Baumaßnahme geeigneter Bewerber dar.

Entgegen Ihrer Ausführung habe ich im Auswahlverfahren nicht die Option des Losentscheids genutzt, da in der Phase der Eignungsprüfung 7 Bewerber gegenüber den Restbewerbern für eindeutig geeigneter befunden wurden. Mit dem Ziel des größtmöglichen Wettbewerbs habe ich das Verhandlungsgespräch mit allen 7 Bewerbern durchgeführt."

17

(im Zitat: xxxxxx = Antragstellerin/Hinweis der Vergabekammer)

18

Mit Schriftsatz vom 11.12.2008 rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung und insbesondere den in der Rügeantwort begründeten Ausschluss ihrer Bewerbung als vergaberechtswidrig. Ein Ausschluss mangels Eignung wegen Nichtleistung in einem früheren Vertragsverhältnis sei ungerechtfertigt, da die Ursachen hierfür nicht ihr, sondern dem Auftraggeber zuzurechnen seien, denn dieser habe ihr die Leistung unmöglich gemacht. Dass sie entsprechende Honorarkürzungen nicht beanstandet habe, könne nicht als Eingeständnis ihres Verschuldens und damit auch nicht als Indiz für ihre Ungeeignetheit herangezogen werden.

19

Ihre Vorbefassung begründe nicht automatisch ein Beteiligungsverbot. Die Antragstellerin sei nicht als Sachverständige, sondern allenfalls im Vorfeld als Projektantin tätig gewesen. Aus der Rechtsprechung und aus § 4 Abs. 5 VgV sei diesbezüglich ein automatisches Beteiligungsverbot nicht ableitbar.

20

Wie der Vortrag der Vergabestelle erkennen lasse, habe diese außerdem vergaberechtswidrig gegen die eigenen Vorgaben verstoßen, wonach mit höchstens 6 geeigneten Teilnehmern Verhandlungsgespräche geführt werden sollten.

21

Mit Schreiben vom 16.12.2008 an die Antragstellerin ergänzte die Vergabestelle ihre Ausführungen zur mangelnden Eignung der Antragstellerin durch Details bezüglich der Nichtleistung bei der Planung einer anderen Baumaßnahme im Jahre 2006. Im Rahmen dieser Leistung seien zudem erhebliche Abweichungen der Auftragssumme von der Kostenberechnung und der Kostenschätzung negativ aufgefallen. Die Antragstellerin habe die entsprechende Kürzung ihrer Honorarschlussrechnung rügelos hingenommen.

22

Wesentliches Auswahlkriterium sei im vorliegenden Verhandlungsverfahren die Fähigkeit zur Projektanalyse, welche die Vergabestelle anhand eines unbeeinflussten Herangehens der ausgewählten Bewerber an die Aufgabenstellung beurteilen wollte. Hierzu erhielten diese eine einfache schematische Darstellung des Bestandes und eine Kurzbeschreibung der Aufgabenstellung und der bestehenden Stromversorgung, nicht jedoch die - z.T. von der Antragstellerin erarbeiteten - Untersuchungen und Lösungsansätze.

23

Im Falle ihrer Teilnahme hätte die Antragstellerin wegen ihrer Vorbefassung eindeutige Wettbewerbsvorteile gehabt. Hätte man diese durch zusätzliche Informationen an die übrigen Bewerber ausgleichen wollen, hätte man die wichtige Chance, qualifizierte und leistungsstarke Ingenieurbüros anhand der Projektanalyse zu ermitteln, verloren.

24

Mit per Fax übersandtem Schriftsatz vom 15.12.2008 wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer. Der Nachprüfungsantrag wurde dem Auftraggeber am 16.12.2008 zugestellt.

25

Unter Bezugnahme auf ihre Rügen beanstandet die Antragstellerin die Entscheidung des Auftraggebers als vergaberechtswidrig. Ihre Projektantentätigkeit für den Auftraggeber rechtfertige es nicht, sie nicht zum Wettbewerb zuzulassen. Auch seien die Nichtleistung in dem vom Auftraggeber erwähnten früheren Vertragsverhältnis und diesbezügliche Auseinandersetzungen über die Höhe des Honorars kein Grund für die Annahme fehlender Eignung.

26

Aus den Mitteilungen des Auftraggebers müsse sie darauf schließen, dass vor Losentscheid keine objektive und qualitative Reduzierung der Bewerber stattgefunden habe.

27

Zwar seien die Voraussetzungen für einen - nur ausnahmsweise zulässigen - Losentscheid im vorliegenden Vergabeverfahren ohnehin nicht gegeben, der Auftraggeber sei jedoch an die von ihm bekannt gemachten Modalitäten gebunden und dürfe hiervon nicht abweichen.

28

Bekannt gemacht habe er, dass bei mehr als 6 geeigneten Bewerbern das Losverfahren entscheiden soll. Der Auftraggeber sei hiervon eindeutig abgewichen und habe damit das Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot verletzt.

29

Mit Schriftsatz vom 23.01.2009 wies die Antragstellerin nach Akteneinsicht nochmals darauf hin, dass die zu vergebende Leistung und das Projekt aus dem Jahr 2006 getrennt zu betrachten seien. Ein Ausschluss mangels Eignung dürfe zudem nur auf gesicherten Erkenntnissen beruhen, was nicht der Fall sei. Die diesbezüglich in der Vergabeakte enthaltene Mängelliste werde bestritten. Die Vorhaltungen des Auftraggebers bezüglich des Projektes aus dem Jahr 2006 seien ungerechtfertigt, die bei der Projektdurchführung aufgetretenen Probleme habe der Auftraggeber selbst zu vertreten. Die zuständigen Mitarbeiter des Auftraggebers hätten sich zudem mit den Leistungen der Antragstellerin hoch zufrieden gezeigt. Der Ausschluss wegen mangelnder Eignung sei nach alledem beurteilungs- und ermessensfehlerhaft.

30

Ein Ausschluss sei auch nicht aus wettbewerblichen Gründen geboten, denn ihre Projektleistungen im Jahr 2006 stünden bereits zeitlich nicht mehr im Zusammenhang mit der zu vergebenden Leistung. Zudem verlange § 4 Abs. 5 VgV, dass der Auftraggeber im Falle einer Vorbefassung sicherstellt, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bewerbers nicht verfälscht wird. Nur im Ausnahmefall komme hierbei ein Ausschluss in Betracht. Der Auftraggeber hätte einen vermeintlichen Wettbewerbsvorteil z.B. durch entsprechende zusätzliche Information der übrigen Bewerber und/oder verlängerte Angebotsfristen ausgleichen können. Der Verpflichtung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, sei der Auftraggeber nicht nachgekommen.

31

Seine Entscheidung sei im Hinblick auf das fehlerhafte Informationsschreiben gemäß § 13 VgV und seine widersprüchliche Dokumentation in der Vergabeakte intransparent.

32

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin anzuweisen, das Vergabeverfahren aufzuheben, hilfsweise der Antragstellerin zu ermöglichen, ein Angebot abzugeben und mit ihr eine Verhandlungsrunde zu führen,

  2. 2.

    die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erachten.

33

Der Auftraggeber beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

34

Er weist die Kritik an der vorgenommenen Wertung zurück. Auch wenn die Antragstellerin zunächst fehlerhaft informiert worden sei, sei die Wertung selbst fehlerfrei erfolgt. Die in der Vergabeakte enthaltene tabellarische Übersicht fasse lediglich die einzelnen Ergebnisse zusammen. Abgesehen davon, dass in der Spalte "Eignung" für den Bewerber Nr. 6 versehentlich dessen Eignung bejaht worden sei, sei erkennbar, dass die 7 ausgewählten Bewerber gleichermaßen qualifiziert seien und Erfahrungen mit Rechenzentren ähnlicher Größe hätten. Der Verzicht auf das angekündigte Losverfahren habe dem Wettbewerb nicht geschadet, sondern ihn erhöht.

35

Die für die Antragstellerin festgestellte mangelnde Eignung beziehe sich ausschließlich auf den in diesem Verfahren zu vergebenden Planungsauftrag. Der Ausschluss sei im Hinblick auf die Nicht- und Schlechtleistung im Rahmen der bisherigen Leistungen der Antragstellerin für den Auftraggeber gerechtfertigt. Die von der Antragstellerin angeführten positiven Referenzen von Seiten des Landesbetriebs xxx bezögen sich lediglich auf eine Teilleistung, nämlich die Leistungsphase 1 - Grundlagenermittlung.

36

Der Wettbewerbsvorteil der Antragstellerin hätte nicht durch Maßnahmen ausgeglichen werden können, hierdurch wäre der wichtige Wertungs- und Verfahrensschritt der Projektanalyse hinfällig geworden.

37

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

38

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 09.01.2009 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 13.02.2009 verlängert.

39

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 06.02.2009 Bezug genommen.

40

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Er ist auch begründet, soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass der Auftraggeber ihre Bewerbung zum einen aufgrund ihrer Projektantentätigkeit und zum anderen wegen vermeintlicher Unzuverlässigkeit im Rahmen der Prüfung nach § 13 VOF vom Wettbewerb ausgeschlossen hat. Weder die Dokumentation in der Vergabeakte noch der Vortrag des Auftraggebers im Zuge des Nachprüfungsverfahrens tragen die Entscheidung des Auftraggebers, der Antragstellerin die Eignung für den ausgeschriebenen Auftrag abzusprechen. Soweit sich der Auftraggeber diesbezüglich auf eine in der Vergabeakte enthaltene handschriftliche Liste vom 21.12.2006 über mangelhafte Leistungen im Zuge einer vorherigen Beauftragung der Antragstellerin stützt, konnte sie diese angesichts des geringen Umfangs der dort dokumentierten Mängel, die seinerzeit zu einer von der Antragstellerin akzeptierten Entgeltkürzung in Höhe von lediglich 170,41 EUR führten, allenfalls bei der Auswertung der Teilnahmeanträge für die Entscheidung mit berücksichtigen, ob die generell geeignete Antragstellerin zum Kreis der zur Angebotsabgabe aufzufordernden Bewerber gehört. Wenn der Auftraggeber, wie im beanstandeten Vergabeverfahren geschehen, sich in Abweichung zu der von ihm in der Bekanntmachung festgelegten Begrenzung der Teilnehmerzahl entscheidet, alle geeigneten Bewerber zum Verhandlungsverfahren zuzulassen und aufzufordern, muss er auch der Antragstellerin Gelegenheit geben, ein Angebot abzugeben. Das gleiche gilt selbstverständlich ohnehin, wenn die Antragstellerin mit ihrer Bewerbung nach der Auswertung des Teilnahmewettbewerbs auf der Grundlage der bekannt gemachten Auswahlkriterien unter die ersten sechs Teilnehmer gelangt. Der Auftraggeber hat die Auswertung des Teilnahmewettbewerbs wie auch das Vergabeverfahren im Übrigen in einer den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Weise zu dokumentieren.

41

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um das Land Niedersachsen, vertreten durch den Landesbetrieb xxx, dem insbesondere der Betrieb und die Weiterentwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur für die niedersächsische Landesverwaltung und die Beschaffung der dafür erforderlichen Liefer- und Dienstleistungen obliegt, und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Ingenieurleistungen der technischen Ausrüstung, Leistungsphasen 2 - 8, im Zuge der Maßnahme "Erneuerung der Stromversorgung für die Rechenzentren xxxxxx und xxxxxx" und damit um freiberufliche Dienstleistungen im Sinne der §§ 1, 2 VOF, für die gemäß § 2 Nr. 3 VgV in der zurzeit geltenden Fassung ein Schwellenwert von 206.000 EUR gilt. Weder die Bekanntmachung vom xxxxxx.2008 noch die Dokumentation in der Vergabeakte enthalten Angaben zu einer ex ante Schätzung des Auftragswertes gemäß §§ 1, 3 VgV. Ausweislich der Vergabeakte waren die Bewerber lediglich aufgefordert, die "Randbedingungen des Honorars" anhand der zur Verfügung gestellten Unterlagen zu bewerten (Honorarzone, Angabe des Honorarsatzes, Zuschlag für Umbauten und Modernisierungen, Einschätzung und Berücksichtigung der vorhandenen Bausubstanz, Einordnung, ob es sich um mehrere Gebäude handelt, Angebot über die Abrechnung der Nebenkosten - gemäß HOAI). Der Auftraggeber ist offenbar von einer Überschreitung des Schwellenwertes für eine Ausschreibungspflicht auf der Grundlage der VOF ausgegangen. Auf der Grundlage des bislang vom Auftraggeber für den Zuschlag vorgesehenen Angebotes der Beigeladenen und der dort nach Honorarzone und prozentualem Honoraransatz enthaltenen Angaben hat der Auftraggeber auf Anfrage der Vergabekammer unter Berücksichtigung der geschätzten Projektkosten eine Honorarforderung und damit einen Auftragswert in Höhe von xxxxxx EUR brutto und damit xxxxxx EUR netto (§ 1 VgV) errechnet.

42

Die Antragstellerin ist hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Vergaberechtsverstöße auch antragsbefugt gemäß § 107 Abs. 2 GWB. Antragsbefugt ist danach jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Die Antragstellerin hat als Bewerberin im vorliegenden Verhandlungsverfahren ein Interesse am Auftrag. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie macht eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie vorträgt, der Auftraggeber habe zu Unrecht ihre Bewerbung vom Teilnahmewettbewerb ausgeschlossen, weil diese als Sachverständige mit der Begutachtung der Stromversorgung der auftragsgegenständlichen Rechenzentren und dem Aufzeigen möglicher Lösungswege zur Erhöhung der Versorgungssicherheit betraut worden war. Ein unzulässiger Wettbewerbsvorteil für die Antragstellerin würde daraus nicht erwachsen. Zumindest aber sei der Auftraggeber in der Lage, die übrigen Wettbewerber über die Bekanntmachung der von der Antragstellerin erstellten Ausarbeitung auf den gleichen Informationsstand zu versetzen. Auch soweit der Auftraggeber den Ausschluss der Antragstellerin auf schlechte Erfahrungen wegen vermeintlich mangelhafter Leistungen bei der Durchführung einer früheren Baumaßnahme des Auftraggebers stützt, vermöge dies nicht die Aberkennung der Zuverlässigkeit und damit der Eignung der Antragstellerin für den ausgeschriebenen Auftrag gemäß § 13 Abs. 1 VOF zu rechtfertigen. Die Ursachen für die seinerzeitigen Minderleistungen, die zu einer von der Antragstellerin akzeptierten Honorarminderung in Höhe von lediglich ca. 170 EUR geführt hätten, seien nicht ihr, sondern dem Auftraggeber zuzurechnen, weil dieser ihr seinerzeit die entsprechende Leistung unmöglich gemacht habe. Die Antragstellerin hat damit in einer den Anforderungen des § 107 Abs. 2 GWB genügenden Weise dargelegt, dass sie bei vergaberechtskonformem Verhalten des Auftraggebers eine generelle Chance auf den Zuschlag hätte. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99).

43

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen nach positiver Kenntnisnahme erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechthold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

44

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs erfolgten die mit den Anwaltsschriftsätzen vom 08. und 11.12.2008 erhobenen Rügen noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Der Auftraggeber hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.12.2008, eingegangen bei der Antragstellerin am 04.12.2008, gemäß § 13 VgV erstmalig darüber informiert, dass ihr Angebot ausgeschlossen werde und beabsichtigt sei, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin hatte der Auftraggeber zunächst lediglich damit begründet, dass wegen der Vielzahl der Teilnahmeanträge nicht alle Bewerber zum Verhandlungsgespräch hätten aufgefordert werden können. Bereits diese Entscheidung und ihre Begründung hat die Antragstellerin vier Tage später, mit Anwaltsschriftsatz vom 08.12.2008, ausdrücklich gerügt. Erst in Erwiderung auf diese Rüge hat der Auftraggeber dann mit Schreiben vom 10.12.2008 seine Entscheidung damit begründet, dass die Antragstellerin gemäß § 6 VOF ausgeschlossen worden sei, um einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil zu vermeiden, den die Antragstellerin nach Auffassung des Auftraggebers aufgrund ihrer Vorbefassung mit dem Projekt im Falle einer Berücksichtigung ihrer Bewerbung gehabt hätte. Des weiteren begründete der Auftraggeber die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin mit vermeintlich schlechten Erfahrungen in einem vorangegangenen Vertragsverhältnis. Die Antragstellerin rügte auch diese Begründung bereits einen Tag später , am 11.12.2008 als sachlich und rechtlich unzutreffend. Damit hat die Antragstellerin den von ihr angefochtenen Ausschluss ihrer Bewerbung unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt.

45

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Der Auftraggeber war und ist weder gehalten noch berechtigt, die Antragstellerin wegen einer Vorbefassung als Sachverständiger mit der Begutachtung der verfahrensgegenständlichen Stromversorgung der Rechenzentren xxxxxx und xxxxxx vom Verfahren auszuschließen. Der Auftraggeber war und ist aber auch nicht berechtigt, der Antragstellerin der aufgrund in der Vergabeakte dokumentierten negativen Erfahrungen aus einem anderen Vertragsverhältnis die generelle Eignung für die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen abzusprechen. Die diesbezügliche, in der Vergabeakte enthaltene schriftliche Mängelliste vom 21.12.2006 rechtfertigt eine Aberkennung der generellen Zuverlässigkeit gemäß § 13 VOF nicht. Die dort dokumentierten Kritikpunkte, die seinerzeit zu einer von der Antragstellerin akzeptierten Honorarkürzung in Höhe von lediglich 170,41 EUR geführt hatten, konnte und kann der Auftraggeber im Zuge der Auswahl der im Verhandlungsverfahren auszuwählenden Bewerber im Rahmen der Auswertung des Teilnahmewettbewerbs angemessen mit berücksichtigen. Die im Zuge der Auswahl erforderliche sorgfältige Abwägung hat jedoch zumindest in Bezug auf die der Anragstellerin nunmehr zur Last gelegten vermeintlichen Leistungsmängel bislang nicht stattgefunden, geschweige denn ist sie in einer den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Weise dokumentiert.

46

a)

Der Auftraggeber war und ist entgegen seiner Auffassung weder gehalten noch berechtigt, die Bewerbung der Antragstellerin aufgrund einer Vorbefassung mit der verfahrensgegenständlichen Maßnahme unter Wettbewerbsgesichtspunkten gemäß § 4 Abs. 1, 2 und 3 VOF nicht zu berücksichtigen. Der Auftraggeber hat eine Entscheidung gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.12.2008 u.a. damit begründet, dass die Antragstellerin bereits im Vorfeld der Aufgabenstellung als Sachverständiger mit der Begutachtung der Stromversorgung der genannten Rechenzentren und dem Aufzeigen möglicher Lösungswege zur Erhöhung der Versorgungssicherheit (Tier III) betraut war. Die von der Antragstellerin erstellte Ausarbeitung war danach ursächlich für die Auslösung des Planungsauftrages und Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel durch das Land Niedersachsen. Dieser unstrittige Sachverhalt ist jedoch nicht geeignet, im Falle einer Berücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin per se von einer Begünstigung der Antragstellerin und einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB, § 4 Abs. 2 VOF zulasten der übrigen Wettbewerber auszugehen.

47

Richtig ist, dass die Mitwirkung eines Bewerbers oder Bieters bei der Planung einer Ausschreibung oder der Erstellung der Verdingungsunterlagen im Einzelfall zu wettbewerbswidrigen Vorteilen führen kann. In Rechtsprechung und Schrifttum wird deshalb einhellig die Auffassung vertreten, dass die Zulassung eines Unternehmens zum Wettbewerb um die Vergabe eines Auftrags im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot gemäß § 97 Abs. 2 GWB i.V.m. § 4 Abs. 2 VOF bzw. § 2 Nr. 2 VOL/A oder § 2 Nr. 2 VOB/A problematisch sein kann, wenn dieses Unternehmen im Vorfeld Entwurfs- und Planungsarbeiten oder sogar die Erstellung der Leistungsbeschreibung für den Auftraggeber durchgeführt hat. Die vertretenen Auffassungen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Konsequenzen, die aus dieser grundsätzlichen Besorgnis zu ziehen sind. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine Vergabestelle dürfe ein derartiges Unternehmen in gar keinem Fall beauftragen, weil die Vergabestelle schon den Anschein eines Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen auch im Hinblick auf die Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens vermeiden müsse (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, Rdnr. 27 zu § 8 VOL/A). Für den Baubereich wird dagegen trotz aller Bedenken zugestanden, dass in Ausnahmefällen eine Beteiligung zweckmäßig oder - wenn sich kein geeigneter Projektant finden lässt - sogar notwendig sein kann. Dies könne beispielsweise der Fall sein bei komplexen Bauvorhaben mit umfangreichen betriebstechnischen Anlagen (z.B. einem Krankenhausbau), da hier größere Ausführungsfirmen, die meist eigene Planungsabteilungen unterhalten, gegenüber reinen Fachplanern oftmals einen Entwicklungsvorsprung haben. Solche Unternehmen seien häufig nicht bereit, die Planungsarbeiten zu übernehmen, wenn sie sich nicht an der Ausschreibung für die Bauleistungen beteiligen dürfen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, Rdnr. 34 zu § 8 VOB/A). Werden nach dieser Auffassung etwa planende Unternehmen am Wettbewerb beteiligt, so kann und muss der Auftraggeber einen Verstoß gegen das Vergaberecht vermeiden, indem er im Interesse des Wettbewerbs z.B. darauf achtet, dass der betreffende Projektant nicht die übrigen Bieter auswählt, die Verdingungsunterlagen abgibt, die Angebote entgegennimmt und verwahrt, die Eignungsprüfung und -wertung vornimmt oder gar - falls er den Auftrag erhält - seine eigene Leistung überwacht, abnimmt und abrechnet.

48

Bei den Nachprüfungsinstanzen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass allein die Tatsache, dass ein Bieter oder Bewerber im Vorfeld der streitbefangenen Ausschreibung als Projektant mitgewirkt hat, nicht geeignet ist, die Annahme einer Wettbewerbsverzerrung zu begründen (so bereits VÜA des Landes Nordrhein-Westfalen, Az.: 424-84-43-7/97; VÜA Thüringen, Az.: 1 VÜ 4/97; VÜA des Bundes, ZVgR 1997, S. 136). Vielmehr müssen danach beim Vergabeverfahren selbst konkrete Verletzungen einzelner Vergabebestimmungen hinzukommen, um eine Vergaberechtswidrigkeit der Beteiligung eines Projektanten zu begründen.

49

Die Vergabekammer teilt diese Auffassung. Zwar kann die Beteiligung eines Bieters oder Bewerbers, der durch seine Tätigkeit als Projektant Informationsvorsprünge und damit Vorteile gegenüber anderen Bietern im Wettbewerb erlangt, einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB zur Folge haben. Es verstößt gegen den Neutralitätsgrundsatz, wenn der Auftraggeber einen Bieter oder Bewerber zum Wettbewerb zulässt, von dem er weiß, dass er aufgrund seines Informationsvorsprungs ein konkurrenzfähigeres Angebot als die anderen Bieter abgeben kann. Der Neutralitätsgrundsatz als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß § 97 Abs. 2 GWB bindet die öffentliche Hand auch dann, wenn es um die Auftragsvergabe in privatrechtlichen Formen geht. Die Vergabekammer teilt jedoch nicht die oben zitierte Auffassung (vgl. Daub/Eberstein a.a.O.), dass bereits der "Anschein eines Verstoßes" gegen die Vergabebestimmungen zu einer Verletzung des Diskriminierungsverbots führt. Die Vergabekammer hat in dieser Konsequenz bereits für den Fall der Besorgnis einer "Doppelmandatschaft" von an Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Personen entschieden, dass sie im Gegensatz etwa zur Entscheidung des OLG Brandenburg (Beschluss vom 03.08.1999 - 6 Verg 1/99 - NVwZ 1999, S. 1242 ff. - Flughafen BBI) nicht die Auffassung teilt, dass eine Verletzung des Diskriminierungsverbots bereits vorliegt, wenn lediglich ein "böser Schein" der Parteilichkeit einer am Vergabeverfahren beteiligten natürlichen Person vorliegt. Vielmehr bedürfe es zusätzlich konkreter Umstände, die eine Parteilichkeit besorgen lassen (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 07.09.2005, Az.: 203-VgK-38/2005; Beschluss vom 27.09.2000, Az.: 203-VgK-10/2000). Auch der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Ausschlusses von als voreingenommen geltenden natürlichen Personen gemäß § 16 VgV nicht den "bösen Schein" für ausreichend erachtet, sondern er geht vom Erfordernis eines tatsächlichen Interessenkonflikts und einer konkreten Auswirkung der Tätigkeiten der betroffenen Personen auf die Entscheidung des Vergabeverfahrens aus.

50

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist eine Berücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin um die verfahrensgegenständlichen Ingenieurleistungen der technischen Ausrüstung, Leistungsphasen 2 - 8, Elektrotechnik, unter Berücksichtigung des Wettbewerbsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots vergaberechtlich unbedenklich. Die Antragstellerin hat als Ingenieurbüro am hier streitgegenständlichen Vergabeverfahren selbst nicht mitgewirkt. Aber auch ihre Vorbefassung mit dem Gesamtprojekt durch die von ihr seinerzeit durchgeführte Begutachtung der Stromversorgung der genannten Rechenzentren und dem Aufzeigen möglicher Lösungswege zur Erhöhung der Versorgungssicherheit ist vergaberechtlich unschädlich, solange der Auftraggeber gewährleistet, dass im Zuge des Verhandlungsverfahrens alle (ausgewählten) Bewerber den gleichen Informationsstand erhalten, indem allen Bewerbern insbesondere auch die Ergebnisse der seinerzeitigen Sachverständigentätigkeit der Antragstellerin offengelegt werden. Dazu ist der Auftrageber nach der im Rahmen des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes 2006 einfügten Regelung des § 4 Abs. 5 VgV ausdrücklich verpflichtet (vgl. Bischoff in: Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 4 VgV, Rn. 16, 17, m w. N.). Denn nunmehr ist auch gesetzlich geregelt, dass der Auftraggeber sicherzustellen hat, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines Bewerbers oder Bieters, der vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder unterstützt hat, nicht verfälscht wird. Dabei kommt aber der Ausschluss des betreffenden Bewerbers als schärfstes und letztes Mittel nur in Betracht, wen andere Maßnahmen zur Nivellierung des Informationsstandes und damit zur Vermeidung der Wettbewerbsverfälschung nicht möglich sind.

51

Entgegen der Auffassung des Auftraggebers ist diesem eine derartige Nivellierung des Informationsstandes der auszuwählenden Bewerber nicht nur möglich, sondern auch zumutbar. Der Auftraggeber hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens darauf hingewiesen, dass ihm hier im Falle einer derartigen Offenlegung die Berücksichtigung eines wesentlichen Auftragskriteriums im Zuge der Angebotswertung genommen würde. Dabei handele es sich um das Kriterium "Projektanalyse", dass der Auftraggeber als eines von insgesamt 5 Auftragskriterien festgelegt und den ausgewählten Bewerbern bekannt gemacht hat und das nach der Festlegung mit einer Gewichtung von 10% für die Ermittlung des für den Auftrag auszuwählenden Bewerbers berücksichtigt werden soll. Durch die Weitergabe der durch die Antragstellerin erstellten gutachterlichen Ausarbeitung bzw. der baufachlichen Stellungnahme an alle Bewerber würde nach Auffassung des Auftraggebers der Wertungs- und Verfahrensschritt der Projektanalyse seinen Sinn verlieren und sich das Wertungsverfahren insofern erledigen. Erst durch eine von den Wettbewerbsteilnehmern eigenständig zu erarbeitende Projektanalyse sei aber eine deutliche Stufung in der aufgabenbezogenen Leistung des Büros möglich.

52

Der Auftraggeber hat nachvollziehbar dargelegt, dass er am Auftragskriterium Projektanalyse festhalten möchte. Es ist regelmäßig auch sinnvoll und naheliegend, die Fähigkeiten der Bewerber zur Projektanalyse der Einfachheit halber an dem der Ausschreibung zugrunde liegenden Projekt zu überprüfen. Dies ist aber nicht die einzige Möglichkeit. Der Auftraggeber dürfte ohne weiteres in der Lage sein, mit Rücksicht auf eine Vorbefassung der Antragstellerin die diesbezügliche Leistungsfähigkeit der ausgewählten Bewerber durch eine entsprechende Aufgabenstellung z.B. zu einer anderen Maßnahme abzuprüfen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Projekts ist. Dabei könnte es sich für die Aufgabenstellung sowohl um ein vom Auftraggeber bereits realisiertes Projekt als auch um das Szenario eines von ihm vorgegebenen fiktiven Projektes handeln. Der Auftraggeber muss lediglich gewährleisten, dass alle Bewerber für die von ihnen zu erarbeitende Projektanalyse den gleichen Informationstand erhalten.

53

Sofern der Auftraggeber - aus hier nicht erkennbaren Gründen - eine Befassung mit dem der Ausschreibung zugrunde liegenden Projekt für zwingend notwendig hält, hätte er die Antragstellerin vor Vergabe des seinerzeitigen Gutachtenauftrages (Leistungsphase 1) auf die Konsequenz eines Teilnahmeverbotes für die hier zu vergebenden Leistungen hinweisen müssen. Die Tatsache, dass der Gutachtenauftrag seinerzeit direkt vom Landesbetrieb xxx vergeben worden ist, für die hier zu vergebenden Leistungen aber das xxxxxx als Vergabestelle tätig ist, ändert hieran nichts, denn die Tätigkeiten beider sind dem Auftraggeber zuzurechnen.

54

Die konkrete Vorbefassung der Antragstellerin als Sachverständige steht daher im vorliegenden Fall eine Bewerbung der Antragstellerin für die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen nicht entgegen, da der Auftraggeber in zumutbarer Weise einen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 2 GWB und § 4 Abs. 2 GWB verletzenden Informationsvorsprung der Antragstellerin vermeiden kann.

55

b)

Die Antragstellerin ist darüber hinaus auch im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, soweit der Auftraggeber die Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung auch auf eine vermeintlich fehlende Zuverlässigkeit der Antragstellerin gemäß § 4 Abs. 1 VOF stützt, obwohl er weder nach Aktenlage noch nach dem im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens geklärten Sachverhalts Anlass zu einer derart negativen Einstufung der Antragstellerin hatte. Die Begründung des Auftraggebers und der Hinweis auf eigene schlechte Erfahrungen aus einem früheren abgeschlossenen Vertragsverhältnis, die der Auftraggeber in einer in der Vergabeakte enthaltenen, handschriftlichen Mängelliste vom 21.12.2006 skizziert hat, sind auch in ihrer Summe nicht geeignet, der Antragstellerin die generelle Zuverlässigkeit und damit Eignung für die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen abzusprechen. Der Auftraggeber war allenfalls berechtigt, diese Erfahrungen im Zuge der Auswahl der Bewerber auf der Grundlage des Teilnahmewettbewerbs gemäß § 10 VOFangemessen mit zu berücksichtigen, da ein Auswahlkriterium ausweislich IV.1.2. der Bekanntmachung vom xxxxxx.2008 ausdrücklich die fachliche Eignung nach § 13 VOF war und ist, die insbesondere aufgrund der Fachkunde, der Leistungsfähigkeit, der Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden kann. Der Auftraggeber hat es ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte jedoch versäumt, die für eine Berücksichtigung solcher negativen Erfahrungen notwendige sorgfältige Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte vorzunehmen. Dazu war der Auftraggeber vorliegend schon deshalb besonders gehalten, weil die der Antragstellerin vorgeworfenen Versäumnisse aus dem zurückliegenden Vertragsverhältnis im Ergebnis nur geringfügige Auswirkungen hatten. Dies wiederum wird dadurch dokumentiert, dass die vorgeworfenen Leistungsmängel lediglich zu einer von der Antragstellerin seinerzeit akzeptierten Honorarminderung von 170,41 EUR geführt haben.

56

Gemäß § 4 Abs. 1 VOF sind Aufträge unter ausschließlicher Verantwortung des Auftraggebers im leistungsbezogenen Wettbewerb an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige - und soweit erforderlich befugte - Bewerber zu vergeben. Gemäß § 13 Abs. 1 VOF kann die fachliche Eignung von Bewerbern für die Durchführung von Dienstleistungen insbesondere aufgrund ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden. Ebenso wie nach den entsprechenden Regelungen in § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A und § 25 VOB/A sind also bei der Auswahl der Bewerbungen, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur Bewerber zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Diese Regelung deckt sich grundsätzlich mit der entsprechenden Regelung in § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A und § 97 Abs. 4 1. Halbsatz GWB. Bei den Begriffen der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. BayObLG, Beschluss vom 03.07.2002, Az.: Verg 13/02). Da die Prüfung der Eignung eines Unternehmens ein wertender Vorgang ist, in den zahlreiche Einzelumstände einfließen, ist davon auszugehen, dass diese Begriffe den Auftraggebern einen Beurteilungsspielraum einräumen, der nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich ist. Die Vergabekammer kann im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens die Entscheidung der Vergabestelle über die Eignung eines Unternehmens folglich nur daraufhin überprüfen, ob die rechtlichen Grenzen dieses Beurteilungsspielraums überschritten sind (vgl. Weyand, Vergaberecht, GWB § 97, Rdnr. 396, m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 21.04.2006, Az.: Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2005, Az.: VII-Verg 55/05). Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums ist regelmäßig (nur) anzunehmen, wenn

  • das vorgeschriebene Vergabeverfahren nicht eingehalten wird,

  • nicht von einem zutreffend und vollständig ermitteltem Sachverhalte ausgegangen wird,

  • sachwidrige Erwägungen einbezogen werden oder wenn der sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht zutreffend angewendet wird.

    (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.03.2004, Az.: 13 Verg 3/04; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.09.2002 - Az.: Verg 37/02).

57

Ein Beurteilungsfehler liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Auftraggeber von dem ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum gar keinen Gebrauch macht, weil er diesen nicht mit einer eigenen Abwägungsentscheidung ausfüllt (vgl. VK Brandenburg, Beschluss vom 25.08.2002, Az.: VK 45/02).

58

Während es sich etwa bei den Ausschlussgründen des § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. b VOL/A i.V.m. § 7 Nr. 5 VOL/A noch um relativ schnell feststellbare, eher objektiv einzustufenden Merkmale von Bietern handelt, so stellt die Überprüfung der Eignungskriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A oder - wie im vorliegenden Fall - § 13 Abs. 12 VOF deutlich höhere Anforderungen an die Prüfung. Letztlich bewegt sich der Prüfungsrahmen dabei auf einem gerade auch an der Überzeugung der Vergabestelle orientierten Maßstab (vgl. Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, 1. Auflage, § 25, Rdnr. 52). Dabei ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Auftraggeber - wie im vorliegenden Fall - bei der Prüfung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Bieters auch auf eigene Erfahrungen aus früheren, abgeschlossenen Vertragsverhältnissen zurückgreift (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 2, Rdnr. 30). Vorherige negative Erfahrungen des Auftraggebers mit einem Bewerber bei der Abwicklung von Vertragsverhältnissen können daher von besonderer Bedeutung für die Versagung der Zuverlässigkeit sein (vgl. Harr in: Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 13 VOF, Rdnr. 6; VK Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.2006, Az.: 50/2005; VK Sachsen, Beschluss vom 10.08.2005, Az.: 88/05). Es ist danach grundsätzlich zulässig, dass ein Auftraggeber bei der Prüfung der Zuverlässigkeit eines Bieters/Bewerbers auch auf eigene Erfahrungen aus früheren, abgeschlossenen Vertragsverhältnissen zurückgreift. Die in Betracht kommenden Erfahrungen können sich dabei auf ein vertragswidriges Verhalten oder eine Schlechterfüllung des Bewerbers bei der Vertragsausführung beziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2005, Az.: Verg 5/05). Bei Berücksichtigung solcher Erfahrungen ist der Auftraggeber allerdings verpflichtet, eine umfassende Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfangs, der Intensität, des Ausmaßes und des Grades der Vertragsverletzung vorzunehmen. Die Vertragsverletzungen müssen gerade die Zuverlässigkeit für die nunmehr ausgeschriebene Leistung in Frage stellen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.08.2001, Az.: Verg 27/01). Hat ein Auftraggeber etwa mehrfach mit einem Bewerber die Erfahrung gemacht, dass dieser bei der Ausführung eines Auftrags vertragliche Pflichten verletzt oder sonstige Obliegenheiten außer Acht gelassen hat, kann dies die Annahme der Unzuverlässigkeit und den Ausschluss des Bewerbers rechtfertigen. Es kann aber auch zulässig sein, aus Vertragsverletzungen und Schlechterfüllungen im Rahmen eines kleinen Auftrages auf die Unzuverlässigkeit für die Durchführung eines größeren Auftrages zu schließen, sofern der Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung zu einem solchen Schluss gelangt und er seine diesbezügliche Prüfung und die Ergebnisse in einer den Anforderungen des § 18 genügenden Weise im Vergabevermerk dokumentiert.

59

Gemäß § 18 VOF ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Diese Vorschrift dient - ebenso wie § 30 Nr. 1 VOB/A und § 30 VOL/A - in erster Linie der sog. Ex-post-Transparenz und damit dem Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB. Der Weg zur Vergabeentscheidung soll vom Bieter nachvollzogen und auch kontrolliert werden können. Durch diese Vorschrift soll eine erleichterte Nachprüfung der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen der jeweiligen Verfahren ermöglicht werden (vgl. Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 97, Rdnr. 101). Diese Ex-post-Transparenz ist schließlich auch für einen effektiven Rechtschutz erforderlich, so dass alle Entscheidungsschritte grundsätzlich zu dokumentieren sind und nicht erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens vorliegen müssen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.08.1999, Az. NZBau 2000, S. 44 ff.; OLG Celle, Beschluss vom 03.03.2005, Az.: 13 Verg 21/04). Dabei ist nicht notwendigerweise ein zusammenhängender Vergabevermerk zu fordern. § 18 VOF ist vielmehr ebenso wie § 30 VOB/A und § 30 VOL/A dahin gehend auszulegen, dass das Vergabeverfahren und alle wesentlichen Entscheidungen laufend und in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren sind (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O., VK Lüneburg, Beschluss vom 07.06.2004, Az.: 203-VgK-16/2004).

60

Der in der vorliegenden Vergabeakte dokumentierte Sachverhalt trägt die Entscheidung des Auftraggebers, der Antragstellerin aufgrund negativer Erfahrungen aus einem Vertragsverhältnis im Jahre 2006 die generelle Zuverlässigkeit und damit die Eignung für die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen abzusprechen, nicht.

61

In der die Bewerberauswahl dokumentierenden tabellarischen Anlage 2 zum Vergabevermerk vom 28.11.2008 ist unter lfd. Nr. 5 zur vermeintlich fehlenden Eignung und zur Nichtberücksichtigung der Antragstellerin folgende Begründung vermerkt:

"Bereits Planungsleistungen (Gutachten) für das Projekt "xxxxxx - Erneuerung der Stromversorgung" erbracht. Das Büro wurde vom xxxxxx 2007 mit einem anderen Projekt im xxxxxx beauftragt. Honorarkürzungen vorgenommen, da Büro mangelhaft. Der angegebene Bauleiter im xxxxxx ist MSR-Techniker!"

62

Bezüglich der in der Anlage 2 zum Vergabevermerk erwähnten, vermeintlichen Mangelhaftigkeit, Leistungen der Antragstellerin im Rahmen eines anderen Projekts ist in der Vergabeakte eine E-Mail des auch mit dem vorliegenden Vergabeverfahren befassten Mitarbeiters des xxxxxx, Herrn xxxxxx, an den Mitarbeiter der Antragstellerin, Herrn xxxxxx , vom 08.12.2006 enthalten, in welcher erklärt wird, dass die im damals betreffenden Projekt von der Antragstellerin erstellten Ausführungszeichnungen vom Auftraggeber nicht als solche anerkannt werden würden, weil es sich lediglich um Grobskizzen handele, die den tatsächlichen Leistungsumfang in keiner Weise wiedergeben. Die Antragstellerin wurde seinerzeit aufgefordert, umgehend Ausführungszeichnungen vorzulegen, die dem Auftraggeber als Arbeitsunterlage zur Verfügung gestellt werden können und auf deren Grundlage Änderungen bzw. Ergänzungen dem Baufortschritt entsprechend fortgeschrieben werden können. Weiter heißt es in der E-Mail:

"Falls die von Seiten des xxxxxx (Auftraggeber) zur Verfügung gestellten Unterlagen im dwg-Format aus ihrer Sicht keine Arbeitsgrundlage darstellen, da veraltet oder mittlerweile veränderter Grundriss, bitte ich um Bestandsaufnahme auf Stundenbasis. Falls so verfahren werden soll, reichen Sie mir umgehend ein entsprechendes Angebot ein."

63

Des weiteren enthält die Vergabeakte eine handschriftliche Mängelliste vom 21.12.2006, in der der Auftraggeber für die damalige Maßnahme bemängelte, dass die CAD-Austauschdatei für den CAD-Pilottest korrekt und in angemessener Zeit bearbeitet wurde. Die seinerzeitige Kostenschätzung der Antragstellerin in Höhe von xxxxxx EUR brutto hat sich auf eine tatsächliche Auftragssumme von xxxxxx EUR reduziert. Die vom Auftraggeber, auch damals vertreten durch das xxxxxx, geforderte Ausführungsplanung im Maßstab 1:50 habe der zuständige Mitarbeiter der Antragstellerin nicht erstellen wollen, obwohl dieses Thema gelegentlich der Baubesprechungen vom 04.12.2006 und 11.12.2006 mehrmals angesprochen worden sei. Gelegentlich der Baubesprechung vom 04.12. habe der zuständige Mitarbeiter der Antragstellerin einen ortsunkundigen Eindruck gemacht. Die Antragstellerin sei über den Zustand der Kabelverlegung unterhalb der Doppelböden nicht im Bilde gewesen.

64

Diese Mängel zusammengenommen führten in der Folge zu der bereits erörterten Honorarkürzung. Diese ist in der Vergabeakte dokumentiert durch eine Kopie der seinerzeitigen Rechnung der Antragstellerin vom 17.04.2007, in der handschriftlich vom Auftraggeber bei sämtlichen Rechnungspositionen eine Kürzung vorgenommen wurde. Insgesamt handelt es sich dabei jedoch lediglich um eine Kürzung von ursprünglich geforderten xxxxxx EUR auf xxxxxx EUR. Auch wenn die Antragstellerin diese achtprozentige Kürzung seinerzeit unstreitig akzeptiert hat und damit unterstellt werden darf, dass es seinerzeit Leistungsmängel gegeben hat, kann angesichts der geringen Honorarkürzung um lediglich 170,41 EUR (!) nicht darauf geschlossen werden, dass die zugrunde liegenden Mängel seinerzeit so gravierend waren, dass der Antragstellerin generell die Zuverlässigkeit und damit die Eignung für die nunmehr ausgeschriebenen Ingenieurleistungen abgesprochen werden kann.

65

Berücksichtigen konnte und durfte der Auftraggeber diese negativen Erfahrungen allenfalls im Zuge der Bewerberauswahl auf der Grundlage des Teilnahmewettbewerbs nach § 10 VOF. Hierzu bedurfte und bedarf es jedoch einer sorgfältigen Abwägung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte unter angemessener Berücksichtigung des Umfangs der Intensität des Ausmaßes und des Grades der vom Auftraggeber festgestellten Mängel (vgl. Harr, a.a.O., § 13 VOF, Rdnr. 6). Ferner ist der Auftraggeber verpflichtet, die erforderliche umfassende Abwägung in einem den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.

66

Nur ergänzend weist die Vergabekammer darauf hin, dass diese Dokumentationsanforderungen des § 18 VOF auch für die im Zuge des weiteren Verhandlungsverfahrens durchzuführende Auswertung der Verhandlungsgespräche und der Angebote der auswählenden Bewerber auf der Grundlage der bekannt gemachten Auftragskriterien und ihrer Gewichtung gilt. Auch hier muss die Punktevergabe für die einzelnen Bewerber zumindest kurz und nachvollziehbar begründet werden.

67

c)

Im Übrigen ist das Vergabeverfahren dagegen nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber war entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht verpflichtet, auch die Gewichtung der Auswahl kriterien anzugeben. Weder § 10 VOF noch Art. 44 der Richtlinie 2004/18/EG enthalten eine entsprechende Verpflichtung. Vielmehr ist der Auftraggeber nur verpflichtet - wie geschehen - die Gewichtung der Zuschlagskriterien (2. Stufe) anzugeben (vgl. Harr, a.a.O., § 10 VOF, Rdnr. 26, m.w.N.). Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber sich vorliegend entschlossen hat, über die von ihm ursprünglich festgelegte Höchstzahl von 6 Bewerbern hinaus den Kreis der zur Verhandlung zuzulassenden Bewerber auszuweiten, sofern er, wie vom Auftraggeber in der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2009 erklärt, sich dafür entscheidet, alle für generell geeignet befundenen Bewerber zur Verhandlung aufzufordern. Eine derartige Ausweitung wird mit dem Argument des hierdurch erreichbaren größeren Wettbewerbs von der Rechtsprechung zugelassen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.04.2006, Az.: Verg 6/06).

68

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Voraussetzungen für einen Bewerberausschluss wegen gutachterlicher Vorbefassung und/oder vermeintlicher Unzuverlässigkeit der Antragstellerin nicht vorliegen, ist es erforderlich, den Auftraggeber zu verpflichten, erneut in das Vergabeverfahren, beginnend mit der Auswertung des Teilnahmewettbewerbs, einzutreten, das Verfahren ab diesem Zeitpunkt erneut durchzuführen und die Auswahl der vom Auftraggeber gemäß Bekanntmachung im Verhandlungsverfahren auszuwählenden Bewerber unter Einbeziehung der Bewerbung der Antragstellerin und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.

69

III. Kosten

70

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungs- gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

71

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

72

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach einer Schätzung der Vergabestelle xxxxxx EUR brutto. Der Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

73

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.

74

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

75

Der Auftraggeber ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).

76

Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

77

Angesichts der Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

78

IV. Rechtsbehelf

79

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. ...

Gause
Rohn
Brinkmann