Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.02.2009, Az.: VgK-57/2008
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 24.02.2009
- Aktenzeichen
- VgK-57/2008
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 43448
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
In dem Nachprüfungsverfahren
...
wegen
Vergabeverfahren Gleis-, Tief- und Straßenbauarbeiten für die Stadtbahnverlängerung von ... nach ... entlang der ...,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Dipl.-Ing. Dierks, auf die mündliche Verhandlung vom 17.02.2009 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und die Nebenangebote der Beigeladenen von der Wertung auszuschließen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens haben die Auftraggeberin und die Beigeladene je zur Hälfte zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.
- 3.
Die Kosten werden ... € festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin und die Beigeladene haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten je zur Hälfte zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung:
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom ....2008 die Gleis-, Tief- und Straßenbauarbeiten für die Stadtbahnverlängerung von ... nach ... entlang der ... europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. Den Zuschlag sollte das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf die in den Verdingungsunterlagen genannten Kriterien erhalten. Dort war unter Punkt 5.4 ausgeführt:
"Eine Gewichtung kann nicht angegeben werden, die Kriterien sind in der Reihenfolge ihrer Bedeutung aufgelistet:
Preis, Technischer Wert"
Der Vergabeakte ist nicht zu entnehmen, warum eine Gewichtung der Zuschlagskriterien nicht bekannt gegeben werden konnte.
Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass Nebenangebote/Alternativvorschläge berücksichtigt werden. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes ist unter 5.2 erläutert:
"Nebenangebote sind für folgende Teilleistungen (Positionen)/Fachlose (Gewerke)/Gesamtleistung zugelassen:
Bereich 3.20.30 Gleisoberbau - Ortbetonlängsbalken
Nebenangebote müssen die im Formblatt Mindestanforderungen an Nebenangebote EG 226EG genannten Mindestanforderungen erfüllen."
Anforderungen an Nebenangebote werden unter Ziffer 5 im Vordruck 212 EG (Bewerbungsbedingungen EG) sowie in eigenen Mindestanforderungen an die Oberbauform, Betoneigenschaften für die Längsbalken, Schienenbefestigung und Streustrombewehrung der Nebenangebote zu T 3.20.30 genannt. Das in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes bezeichnete Formblatt 226EG (Mindestanforderungen an Nebenangebote) war nicht beigefügt. Ferner sind im Leistungsverzeichnis unter Ziffer 1.2.3 noch allgemeine Anforderungen an Nebenangebote ausgeführt.
Den Vergabeunterlagen ist zu entnehmen, dass während der Angebotsfrist der Submissionstermin neu festgesetzt und das Leistungsverzeichnis für den Bereich Straßenbau und Straßenentwässerung ergänzt bzw. konkretisiert wurde. Ferner wurde der Titel 4.15 überarbeitet und als Titel 4.16 neu zusammengestellt.
Die Auftraggeberin sah sich aufgrund von Nachfragen zu Inhalten und Umfängen einzelner Positionen veranlasst, die Fangvorrichtung in der Position 3.20.01.07 und die Isolation gegen Streustrom im Weichenbereich zu konkretisieren.
Zur Verdingungsverhandlung am ....2008 hatten sechs Bieter ein Angebot vorgelegt, vier hatten Nebenangebote eingereicht, ein Bieter hatte Preisnachlässe gewährt. Das Hauptangebot der Antragstellerin lag mit einer Angebotssumme in Höhe von ... € an erster Stelle. Sie hatte zusätzlich 4 Nebenangebote eingereicht. Das Angebot der Beigeladenen lag mit einer Angebotssumme in Höhe von ... € an zweiter Stelle. Sie hatte zusätzlich 6 Nebenangebote eingereicht.
Dem Vergabevermerk vom 02.12.2008 ist zu entnehmen, dass die Verdingungsunterlagen ausdrücklich Nebenangebote für den Bereich 3.20 Ortbetonlängsbalken zulassen. Es wurde ausgeführt, dass man alternativ zum ausgeschriebenen Referenzsystem "..." grundsätzlich auch andere Systeme der "festen Fahrbahn" wünschte. Dazu habe man Mindestanforderungen an alternativen Oberbauformen definiert. Wörtlich wurde festgehalten:
"Dies seien im Wesentlichen
Schienenbefestigung/Schallschutz
Betoneigenschaften/Standfestigkeit
Streustrombewehrung.
Die Festlegung der Wertungskriterien erfolgt in der Reihenfolge der Bedeutung. Bei geforderten Produktangaben wird der Nachweis der technischen Gleichwertigkeit ausschließlich der Preis berücksichtigt. Für die Wertung von Nebenangeboten ist ausschließlich der Preis berücksichtigt. Für die Wertung von Nebenangeboten ist vorgesehen, dass mit Erfüllung der technischen Mindestanforderungen der Preis ausschlaggebend ist. Eine darüber hinaus gehende Berücksichtigung von Kriterien bzw. Wertungsstufen ist nicht vorgesehen."
Nach dem Vergabevermerk kamen letztendlich nur die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen nach den ersten beiden Wertungsstufen in die engere Wahl. Es wurde festgehalten, dass die Nebenangebote der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden konnten.
Eine Begründung, warum die Nebenangebote der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden konnten, ist in der Vergabeakte nicht enthalten.
Über den Angebotsinhalt der sechs Nebenangebote der Beigeladenen ließ sich die Auftraggeberin offenbar am 02.12.2008 aufklären. Das Ergebnis der Verhandlung wurde im Vergabevermerk festgehalten.
Nach Auffassung des von der Auftraggeberin mit der Auswertung der Angebote beauftragten Büros waren nur die beiden ersten Nebenangebote gleichwertig und damit wertbar. Es handelt sich dabei um die Nebenangebote
NA 1, Pos. 3.20 001 ff - Fertigbetonlängsbalken statt Ortbeton-Gleisbalken
NA 2, Pos. 3.20 007 ff - Fertigbetonlängsbalken statt Ortbeton-Gleisbalken für "Schiene S49 mit Fangvorrichtung"
Diese führen laut Berechnung der Auftraggeberin zu einer möglichen Ersparnis in Höhe von insgesamt ... €. Das Büro kam zu dem Ergebnis, dass nach Wertung der Angebote und unter Berücksichtigung der wertbaren Nebenangebote die Beigeladene mit einer Netto-Angebotssumme in Höhe von ... € das wirtschaftlichste Angebot eingereicht hat und schlug vor, ihr den Zuschlag zu erteilen. Die Auftraggeberin schloss sich der Auffassung des beauftragten Büros an und hielt wörtlich fest:
"Die Wertung der Angebote des Vergabevorschlages entspricht den inhaltlichen Wertungsvorgaben der Verdingungsunterlagen."
Mit Schreiben vom 03.12.2008 informierte die Auftraggeberin die nicht berücksichtigten Bieter gemäß § 13 VgV, dass ihre Angebote nicht berücksichtigt werden konnten und sie beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot mit Nebenangebot der Beigeladenen zu erteilen.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2008 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene und führt aus, dass das wettbewerbsentscheidende Nebenangebote der Beigeladenen nicht technisch gleichwertig sei. Sie gehe davon aus, dass es sich bei dem gewerteten Nebenangebot um eine Fertigbauweise handelt. Die von der Auftraggeberin im Leistungsverzeichnis beschriebene monolithische Ortbetonbauweise "Gleisoberbau mit Ortbetonlängsbalken" mit den dort beschriebenen Parametern könne nicht gleichwertig durch eine Fertigbalkenbauweise ersetzt werden. Die Anforderungen würden nur durch die ausgeschriebene technische Bearbeitung der Betonlängsbalken sicher und nachweisbar erfüllt. Die Fertigteilbalken seien nicht gleichwertig.
Nachdem die Auftraggeberin ihre Auffassung zur Wertbarkeit des Fertigbalkensystems der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 09.12.2008 bekräftigt hatte, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.12.2008, eingegangen in der Vergabekammer am selben Tage, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in dem Rügeschreiben gegenüber der Auftraggeberin monierte Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen. Sie weist ferner darauf hin, dass die Auftraggeberin Mindestanforderungen nur für den Titel 3.20.30 benannt hat. Ein solcher Titel finde sich im Leistungsverzeichnis nicht, so dass unklar bleibe, in welchem Bereich Nebenangebote überhaupt zulässig sein sollen. Da sich die Mindestanforderungen der Auftraggeberin auf einen nicht existenten Titel im Leistungsverzeichnis beziehen, habe die Auftraggeberin bereits versäumt, wirksame und hinreichend klare Mindestanforderungen zu benennen um Nebenangebote überhaupt werten zu können. Insoweit sei unklar, in welchen Bereichen Nebenangebote zulässig sein sollen.
Das von der Beigeladenen als Nebenangebot angebotene "Fertigbalkensystem" dürfte damit die Positionen 3.20.01.03 und 3.20.01.07 betreffen. Diese ständen nicht im Titel 3.20.30 sondern im Titel 3.20.01.
Sie vertritt auch die Auffassung, dass die Mindestanforderungen für Nebenangebote sich allein auf die Ausführung der Gleisbalken in Ortbeton beziehen, so dass Nebenangebote, die eine Ausführung aus Fertigteilen vorsehen, nicht berücksichtigungsfähig sind. Die Mindestanforderungen geben vor, dass in den Ortbeton-Gleisbalken Verbindungsstangen/Spurhalter zur Spurlagesicherung einzubauen sind. Ferner habe die Auftraggeberin Anforderungen zur Streustromisolierung allein für die Ortbetonlängsbalken vorgegeben. Daraus folgt, dass andererseits Fertigteile nicht zugelassen waren, da an sie keine Mindestanforderungen gestellt worden seien.
Zusätzlich müsse ein Nebenangebot auch technisch gleichwertig sein. Es sei davon auszugehen, dass die Ausführung der Gleisbalken als Fertigteil erhebliche Nachteile habe, da bei der Fertigbauweise eine Gelenkkette mit wechselnder Biegesteifigkeit entstehe, da jedes Fertigteil für sich steht. Der von der Auftraggeberin für die Gleichwertigkeit herangezogene Systemvergleich von Oberbauvarianten aus dem Jahre 2003 zeige, dass ein Fertigteilbalkensystem gerade nicht gleichwertig sei. Die dort dokumentierten Luftschallmessungen bestätigten, dass der Nachtrichtwert von 49 dB (A) überschritten werde. Diesen Punkt habe die Auftraggeberin in Bezug auf die Gleichwertigkeit in ihrem Vergabevermerk nicht geprüft und dokumentiert.
Hinzu käme, dass das beauftragte Büro in seinem Systemvergleich aus dem Jahre 2003 selbst ausgeführt habe, dass das Systemergebnis immer wesentlich von der manuellen "Geschicklichkeit" des ausführenden Unternehmens und dessen vermessungstechnischen Eigenüberwachung abhängig ist. Auch sei ein ausdrücklich dokumentierter Nachteil eines Betonfertigteilbalkens der hohe Anteil an manueller Arbeit, die nicht die hohe Gleislagegenauigkeit des ausgeschriebenen Systems durch eine besondere Sicherheit im Hinblick auf das Endergebnis besitze. Auch diesen Punkt habe die Auftraggeberin in ihren Vergabevermerk nicht geprüft und dokumentiert.
Die Ausführungen zur Gleichwertigkeit beziehen sich allein auf die Stellungnahme des beauftragten Büros. Die Auftraggeberin habe lediglich festgehalten, dass die gewerteten Nebenangebote der Beigeladenen nach dem Vergabevorschlag des beauftragten Büros die Mindestanforderungen und die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllen.
Unabhängig davon könne das Nebenangebot der Beigeladenen nicht berücksichtigt werden, da es ausweislich des Vergabevermerks erst aufgrund des Aufklärungsgespräches für objektiv wertungsfähig gehalten wurde. Damit habe die Auftraggeberin keine Aufklärung über den Angebotsinhalt geführt, sondern es der Beigeladenen in unzulässiger Weise ermöglicht, ihre Nebenangebote zur Wertungsfähigkeit zu verhelfen.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Der Antragsgegnerin wird untersagt, im Vergabeverfahren "Projekt ... - Stadtbahnverlängerung ... - ... - Gleis-, Tief- und Straßenbauarbeiten" den Auftrag an die Bietergemeinschaft ... zu erteilen.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Wertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
- 3.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt.
- 4.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Auftraggeberin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
- 2.
festzustellen, dass die Antragstellerin die zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen hat,
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Hinsichtlich der Mindestanforderungen vertritt sie die Auffassung, dass sie nach Ziffer 5.2 des Formblatts 211 EG Nebenangebote für den Bereich "3.20. Gleisbauarbeiten" unter dem Titel "3.20.01 Gleisoberbau mit Ortbetonlängsbalken" zugelassen habe. Eine Zeile darunter lautet die Überschrift "Vorbemerkungen zu T 3.20.30". Damit sei eindeutig klar, dass ein Nebenangebot für den Bereich "Gleisoberbau mit Ortbetonlängsbalken" zugelassen worden ist, zumal auch eine Identität mit der numerischen Bezeichnung "3.20.30" bestehe, die sowohl im Formblatt 211 EG als auch im Leistungsverzeichnis so bezeichnet ist. Unabhängig davon hätte die Antragstellerin eine etwaige Unklarheit in der numerischen Bezeichnung der Leistungspositionen unverzüglich rügen müssen. Das vermeintliche Fehlen einer mit "3.20.30" bezeichneten Leistungsposition im Leistungsverzeichnis habe die Antragstellerin jedoch nicht beanstandet.
Sofern die Antragstellerin behaupte, dass die Mindestanforderungen in Bezug auf die Längsbalken Fertigteile von vorne herein ausschließen, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass es in den Mindestanforderungen an Nebenangeboten zur Oberbau heißt:
"Feste Fahrbahn, Rasengleis mit Stahlbetonlängsbalken"
Diese Bezeichnung lasse ohne weiteres jeden Längsbalken aus Stahlbeton zu, gleich ob er in Ortbetonbauweise oder als Fertigteil hergestellt werde. Es seien vielmehr alle, wie auch immer hergestellte Stahlbetonlängsbalken als Nebenangebot zulässig, die den bekannt gemachten Mindestanforderungen entsprechen.
Es seien auch Stahlbetonlängsbalken in Form von Fertigteilbalken mit denen aus Ortbetonlängsbalken gleichwertig, sofern sie den Mindestanforderungen entsprechen. Maßgebend sei nur, dass sie unter den definierten Mindestanforderungen auch einem anderen System als dem ...-System entsprechen können.
Durch einen Systemvergleich von Oberbauvarianten im Jahre 2003 habe sich die Gleichwertigkeit der beiden Bauweisen herausgestellt. Im Jahre 2003 sei das System ... indes kostengünstiger gewesen als ein Fertigteilbalkensystem. Im Übrigen habe das beauftragte Büro im Rahmen der Angebotswertung vom 02.12.2008 zu Ziffer 6 die technische Prüfung des streitgegenständigen Nebenangebotes der Beigeladenen sach- und fachgerecht zutreffend durchgeführt. Deren Wertung und Vergabevorschlag habe sie sich angeschlossen.
Hinsichtlich der Ausführung der Antragstellerin zu dem Gutachten aus dem Jahre 2003 zum Luftschall übersehe diese, dass sich die Angabe auf eine Messung an Gleisen mit Raseneindeckung bis OK Balken beziehen. Ferner habe die Antragstellerin bei ihren Ausführungen nicht die in der Ausschreibung berücksichtigten Maßnahmen zur Verbesserung der Schalleigenschaften erwähnt.
Tatsache sei, dass Ortbeton- und Fertigteilbalken qualitativ identisch seien und denselben bautechnischen Anforderungen unterliegen.
Die Beigeladene beantragt:
- 1.
den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;
- 2.
festzustellen, dass die Antragstellerin die zur Rechtsverfolgung und notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen hat;
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen.
Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeberin zur Wertbarkeit ihrer Nebenangebote.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 13.01.2009 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 25.02.2009 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.02.2009 Bezug genommen.
Gründe
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist durch die Absicht der Auftraggeberin, den Zuschlag auf die Nebenangebote der Beigeladenen zu erteilen, im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin ist gemäß § 25a Nr. 3 VOB/A nicht berechtigt, die auf eine Verwendung von Fertigbetonlängsbalken anstelle der für das Hauptangebot ausgeschriebenen Ortbeton-Gleisbalken basierenden Nebenangebote der Beigeladenen (NA 1 und NA 2) zu berücksichtigen. Die Nebenangebote der Beigeladenen weichen insoweit ausdrücklich auch von den Mindestanforderungen für Nebenangebot gemäß § 10a lit. f VOB ab, die die Auftraggeberin in ihren Vergabeunterlagen festgelegt hat. Auch diese Mindestanforderungen gehen ausdrücklich von Angebotsvarianten unter der Verwendung von Ortbetonlängsbalken aus.
- 1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin, der ..., handelt es sich um eine Gesellschaft der Region ... und um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Teilbaumaßnahme "Gleis-, Tief- und Straßenbauarbeiten" und damit um einen Bauauftrag im Sinne des § 1 VOB/A, für den gemäß § 2 Nr. 4 der Vergabeverordnung in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung eine Schwellenwert von 5.150.000 € gilt. Werden Gesamtbaumaßnahmen, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, gilt gemäß § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. € oder bei Losen unterhalb 1 Mio. € deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Der hier streitbefangene Auftrag ist somit Teil der Gesamtbaumaßnahme "Stadtbahnverlängerung von ... nach ... entlang der ...", deren Gesamtauftragswert den maßgeblichen Schwellenwert unstreitig überschreitet. Der Wert des hier streitbefangenen Loses "Gleis-, Tief- und Straßenbauarbeiten" überschreitet den Teilschwellenwert von 1 Mio. €. Selbst unter Zugrundelegung des von der Auftraggeberin als preislich niedrigstes Angebot ermittelten Nebenangebotes der Beigeladenen beträgt die Auftragssumme ... € netto.
Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, dass die Auftraggeberin das Nebenangebot der Beigeladenen nur deshalb als das wirtschaftlichste ermitteln konnte, weil sie es vergaberechtswidrig entgegen § 25a Nr. 3 VOB/A in der Wertung berücksichtigt habe. Die Auftraggeberin sei aber verpflichtet, das Nebenangebot auszuschließen, weil es die Mindestbedingungen der Auftraggeberin nicht erfülle, die ausdrücklich von einer Ausführung der Gleisbalken in Ortbeton ausgehen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte liegt das von der Antragstellerin zur Verdingungsverhandlung am ....2008 eingereichte Hauptangebot mit einer Angebotssumme in Höhe von ... € an erster Stelle. Es ist im Übrigen aber nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darstellt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/02 ). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gerügt. Die Auftraggeberin informierte die Antragstellerin erstmals mit Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 03.12.2008 darüber, dass sie beabsichtigt, den Zuschlag auf das Nebenangebot der Beigeladenen zu erteilen. Darauf reagierte die Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 05.12.2008 und rügte die beabsichtigte Vergabe unter Hinweis darauf, dass ihrer Auffassung nach das Nebenangebot der Beigeladenen nicht technisch gleichwertig sei, weil sie davon ausgehen müsse, dass es sich bei dem gewerteten Nebenangebot um eine Fertigbauweise handele. Eine solche sei aber nicht gleichwertig mit der von der Auftraggeberin im Leistungsverzeichnis beschriebenen monolithischen Ortbetonbauweise "Gleisoberbau mit Ortbetonlängsbalken". Diese Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
- 2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin ist gemäß § 25a Nr. 3 VOB/A gehindert, die auf einer Verwendung von Fertigbetonlängsbalken basierenden Nebenangebote der Beigeladenen für den Zuschlag zu berücksichtigen. Die Nebenangebote entsprechen nicht den von der Auftraggeberin gemäß § 10a lit. f VOB/A festgelegten Mindestanforderungen für Nebenangebote, die ebenso wie die Festlegungen im Leistungsverzeichnis für Hauptangebote von einer Erstellung der Gleisbalken in Ortbetonweise ausgehen.
Gemäß § 25a Nr. 3 VOB/A berücksichtigt der Auftraggeber nur Angebote, die die von ihm verlangten Mindestbedingungen erfüllen. Diese Regelung ist die Umsetzung von Art. 24 Abs. 3 der europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG vom 31.03.2004, wonach die öffentlichen Auftraggeber bei der Zulassung von "Varianten" (= Nebenangeboten) schon in den Verdingungsunterlagen die Mindestanforderungen, welche die Varianten erfüllen müssen, nennen und darüber hinaus angeben müssen, in welcher Art und Weise sie einzureichen sind. Dies erfolgt regelmäßig gemäß § 10a lit. f VOB/A in den Vergabeunterlagen oder gemäß § 17a Nr. 3 Abs. 1 VOB/A bereits in der Bekanntmachung (vgl. Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Auflage, A § 25a, Rdnr. 9, m.w.N.).
Die Auftraggeberin hat ausweislich des vorliegenden Vergabevermerks vom 02.12.2008 das Angebot der Beigeladenen als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt, weil sie die Nebenangebote NA 1 und NA 2 der Beigeladenen zu den Positionen 3.20 001 ff. und 3.20 007 ff. (Fertigbetonlängsbalken statt Ortbeton-Gleisbalken) im Zuge der Angebotswertung für gleichwertig und damit wertbar befunden hat. Diese Nebenangebote führten beim Angebot der Beigeladenen zu einer Ersparnis in Höhe von ... €. Dies wiederum führte dazu, dass die Beigeladene mit einer Nettoangebotssumme in Höhe von ... € das preislich niedrigste und nach der Wertung der Auftraggeberin auch das wirtschaftlichste Angebot vorgelegt hatte.
Gemäß § 25 Nr. 5 VOB/A sind Nebenangebote grundsätzlich zu werten, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - vom Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen zugelassen wurden. Nebenangebote müssen vom Bieter gemäß § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A auf besonderer Anlage kenntlich gemacht und als solche deutlich gekennzeichnet werden. Diese Voraussetzung hat die Beigeladene durch die streitbefangenen Nebenangebote erfüllt. Unter einem Nebenangebot ist eine bewusste Abweichung vom Hauptangebot zu verstehen, das der Auftraggeber nach § 10 VOB/A in seinen Vergabeunterlagen vorformuliert hat. Es handelt sich begrifflich um eine eigenständige Ausarbeitung eines Bieters, mit der er sich einen Vorteil im Wettbewerb erhofft (vgl. Dähne in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 2. Auflage, § 21, Rdnr. 33). Die Änderung kann technischer Art sein, z.B. andere Ausführungsmethoden oder andere Stoffe und Bauteile, oder sonstige Vertragsbestimmungen betreffen, z.B. Bauzeit oder Zahlungsmodalitäten. Neben der Chance für den Bieter, mit spezieller Sachkunde legale Wettbewerbsvorteile zu erzielen, bietet sich für den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich die Chance, durch Nebenangebote Kenntnis von anderen, ihm möglicherweise gar nicht bekannten Ausführungsvarianten zu erhalten (vgl. Hertwig in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 10, Rdnr. 20). Ein Nebenangebot liegt insbesondere immer auch dann vor, wenn der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bei der Bezeichnung eines Vertragsgegenstandes ein bestimmtes Verfahren zur Erreichung des Vertragsziels angegeben hat und der Bieter ein anderes Verfahren zur Grundlage seines Angebots macht. Mit dieser Auslegung wird der Bedeutung der Zulassung von Nebenangeboten Rechnung getragen, in das Ausschreibungsverfahren neueste technische Erkenntnisse einzubeziehen, über die der Auftraggeber oft nicht wie der Bieter unterrichtet ist (vgl. OLG Celle, BauR 2000, S. 405 = NZBau 2000, S. 105 ff.; Rusam in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Auflage, A § 25, Rdnr. 70). Nebenangebote können ungeachtet der damit verbundenen Chancen aber auch mit erheblichen Risiken behaftet sein, und zwar sowohl für den Auftragnehmer als auch für den Auftraggeber. Ein erhebliches Risiko kann für einen Bieter, der ein Nebenangebot abgegeben hat, darin bestehen, dass er für dessen Inhalt, insbesondere was die technische Gestaltung und die praktische Ausführung anbelangt, voll verantwortlich ist. Demgegenüber besteht das Risiko für den Auftraggeber zunächst vor allem darin, dass Nebenangebot von Bietern vor allem in dem Bestreben unterbreitet werden, die Auftragschance durch preislich günstige Vorschläge zu verbessern. Die Folge davon kann sein, dass Änderungsvorschläge oder Nebenangebote mit der ausgeschriebenen Leistung nicht gleichwertig sind und - im Auftragsfall - der Auftraggeber nicht das erhält, was er in qualitativer oder quantitativer Hinsicht eigentlich haben wollte (vgl. Rusam a.a.O., A § 25, Rdnr. 81).
Nicht zuletzt aufgrund dieser Risiken darf der Auftraggeber nur solche Nebenangebote beauftragen, die mit dem Amtsvorschlag technisch und wirtschaftlich gleichwertig sind, wobei diese Eigenschaft vom Bieter im Zweifelsfall nachgewiesen werden muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 05.09.2002, Az.: 1 Verg 4/02 = VergabeR 2003, S. 72). Dabei ist entscheidend, dass das Nebenangebot den vertraglich vorausgesetzten Zweck unter allen technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mindestens ebenso erfüllt wie das Hauptangebot und so für den Auftraggeber geeignet ist. Der Bieter muss somit ein Nebenangebot vorlegen, das gegenüber dem Hauptangebot eine gleichwertige Qualität vorweist, das also in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht die Anforderungen der Vergabestelle erfüllt, ohne teurer zu sein, oder dass die Qualität der ausgeschriebenen Bauleistung sogar übertrifft, dabei aber preislich im Rahmen der Hauptangebote bleibt (vgl. Rusam, a.a.O., A § 25, Rdnr. 93).
Von vornherein unzulässig sind nach allgemeiner Auffassung aber solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die konkurrierenden Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden. Dies wiederum ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen, namentlich von den festgelegten Mindestbedingungen für Nebenangebote abweichen (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.10.2003, Az. 1 VK 51/02; Beschluss vom 20.09.2001, Az.: 1 VK 26/01, m.w.N.; VK Nordbayern, Beschluss vom 15.10.2008, Az.: 21 VK 3194-48/08, sowie OLG München, Beschluss vom 24.11.2008, Az.: Verg 23/08, zitiert nach ibr-online).
Im vorliegenden Fall ist die im Schrifttum nach wie vor umstrittene Frage nach Art und Umfang der zu nennenden Mindestanforderungen nicht entscheidend. Überwiegend werden technische bzw. materielle (im Sinne von eigenständigen, speziell für Nebenangebote formulierten) Mindestanforderungen gefordert (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22.06.2004, Az.: Verg 13/04). Zu Recht wird nach Auffassung der Vergabekammer aber im Schrifttum darauf hingewiesen, dass der Auftraggeber die in den Nebenangeboten vorgeschlagenen Ausführungsvarianten nicht kennen und daher für diese keine derartig detaillierten, vergleichbaren Anforderungen wie im Leistungsverzeichnis für den Amtsvorschlag aufstellen kann (vgl. Raufeisen in: Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 10a VOB/A, Rdnr. 27, m.w.N.). Die Erläuterung in den Verdingungsunterlagen soll es den Bietern vielmehr ermöglichen, in gleicher Weise von den Mindestanforderungen Kenntnis zu nehmen. Die dahin gehende Transparenzverpflichtung soll die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gewährleisten ( EuGH, Urteil vom 16.10.2003, Rs. C-421/01 -Traunfellner; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2007, Az.: VII-Verg 20/07). Nicht ausreichend ist daher, wenn die Verdingungsunterlagen auf eine nationale Rechtsvorschrift verweisen, nach der Nebenangebote qualitativ gleichwertig mit der ausgeschriebenen Leistung sein müssen. Vielmehr ist erforderlich - aber auch ausreichend - dass die Verdingungsunterlagen ein Mindestmaß an inhaltlichen Vorgaben enthalten, die Nebenangebote zu erfüllen haben. Die Anforderungen dürfen nicht lediglich abstrakt und für die Gestaltung von Nebenangeboten "inhaltsleer" sein, sondern müssen sich auf den konkreten Beschaffungsvorgang und die konkrete Ausgestaltung von Nebenangeboten beziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2005, Az.: VII-Verg 106/04; 1. VK Bund, Beschluss vom 20.08.2008, Az.: VK1-108/08).
Diesen Anforderungen genügen die von der Auftraggeberin im vorliegenden Fall aufgestellten Mindestanforderungen für Nebenangebote. Die Auftraggeberin hatte in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter der lfd. Nr. 5.2 folgende Anforderungen festgelegt:
"Nebenangebote sind für folgende Teilleistungen (Positionen)/Fachlose (Gewerke)/ Gesamtleistung zugelassen: Bereich 3.20.30 Gleisoberbau-Ortbetonlängsbalken.
Nebenangebote müssen die im Formblatt Mindestanforderungen an Nebenangebote 226 EG genannten Mindestanforderungen erfüllen."
Die Auftraggeberin hat mit Ihrer Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zwar nicht das bezeichnete Formblatt 226 EG beigefügt. Sie hat jedoch umfangreiche, detaillierte Anforderungen an Nebenangebote in Ziffer 5 im Vordruck 212 EG (Bewerbungsbedingungen EG) sowie in eigenen Mindestanforderungen an die Oberbauform, Betoneigenschaften für die Längsbalken, Schienenbefestigung und Streustrombewehrung der Nebenangebote zu T 3.20.30 genannt.
Diese Mindestanforderungen beinhalten im ersten Teil noch technische Bedingungen für die Oberbauform, die Betoneigenschaft für die Längsbalken und die Schienenbefestigung, die sämtlich auch in Fertigbeton-Gleisbalken eingehalten werden können und deshalb einer Berücksichtigung des Nebenangebotes der Beigeladenen nicht entgegenstehen. Dort heißt es zur Oberbauform:
"Feste Fahrbahn, Rasengleis mit Stahlbetonlängsbalken".
Auch hinsichtlich der Mindestanforderungen für die Betoneigenschaften für die Längsbalken enthalten die Mindestbedingungen keine Festlegung hinsichtlich der Ausführung in Ortbeton oder in Fertigbetonbauweise. Der zweite Teil der Mindestanforderungen an Nebenangebote zu T 3.20.30 ist jedoch derartig eindeutig formuliert, dass der verständige Bieter davon ausgehen musste, dass Nebenangebote nur akzeptiert werden würden, wenn sie ebenfalls die Bauweise mit Ortbeton-Gleisbalken beinhalten. Dort heißt es:
"Entsprechend statischer Berechnung, maximal im Abstand von 5,00 m sind in den Ortbeton-Gleisbalken Verbindungsstangen/Spurhalter zur Spurlagesicherung einzubauen. Diese sind zum Schutz vor Korrosion mit bitumenhaltiger Dickschichtbeschichtung zu versehen und mit einer PUR-Rohrschale zu ummanteln.
Streustrombewehrung:
Die Teile der Ortbeton-Rasengleisbalken sind als Schutzmaßnahme gegen die Auswirkungen von Streustromkorrosion im Allgemeinen und Einhaltung der Ableitungsbeläge im Besonderen mit speziellen Ausrüstungen zu versehen ...
Die Anforderungen an die Ausführung der entsprechenden Einbauten zur Streustromisolierung in den Ortbetonlängsbalken für tief liegendes Rasengleis: ..."
(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)
Angesichts dieser eindeutigen Festlegungen in den Mindestanforderungen durfte ein fachkundiger Bieter nicht davon ausgehen, dass die Auftraggeberin auch Nebenangebote akzeptieren würde, die auf die Verwendung von Fertigbetonlängsbalken basieren, selbst wenn diese im Übrigen eine im Vergleich zu den entsprechenden Positionen des Hauptangebotes technisch völlig gleichwertige Lösung darstellen können. Die Auftraggeberin hatte durch die Abfassung der Verdingungsunterlagen von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und den Rahmen für die anzubietenden Längsbalken dahin gehend gesetzt, dass nur Varianten akzeptiert werden würden, die auf einer Ortbetonbauweise basieren. An diese Festlegungen sind sowohl die Bieter wie auch die Auftraggeberin selbst gebunden. Die darin enthaltene Beschränkung für die zugelassenen Längsbalken musste aus Sicht der Bieter umso konsequenter erscheinen, als die Auftraggeberin in den allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis unter "23 Gleis- und Straßenbau" auf Seite 2 unter der lfd. Nr. 1.1.3.3 folgende Anforderungen hervorgehoben hatte:
"Vignolschiene 49 E1 auf Ortbeton-Längsbalken
Der größte Teil der Neubaustrecke wird mit Vignolschiene 49 E1 auf Längsbalken hergestellt, der zwingend in Ortbetonweise gegossen werden muss."
Zudem entsprechen die von der Auftraggeberin formulierten "Mindestanforderungen an Nebenangebote zu T 3.20.30" in den entscheidenden Passagen wörtlich den von der Auftraggeberin für das Hauptangebot zugrunde gelegten Positionsvorbemerkungen für den Einbau des Rasengleissystems ... des Systemlieferanten .... Diese Positionsvorbemerkungen gehen ausschließlich von einer technischen Bearbeitung der Ortbetonlängsbalken für das Rasengleis aus.
Angesichts dieser eindeutigen Anforderungen durften und mussten die Bieter im vorliegenden Fall - wie die Antragstellerin - davon ausgehen, dass nur Angebote akzeptiert werden würden, die ebenfalls von einer Ortbetonausführung der Gleisbalken ausgingen. Die Auftraggeberin ist daher gemäß § 25a Nr. 3 VOB/A gehindert, bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auch die Nebenangebote NA 1 und NA 2 der Beigeladenen zu berücksichtigen.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen und verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die streitbefangenen Nebenangebote NA 1 und NA 2 der Beigeladenen, wie dargelegt, nicht die Mindestanforderungen gemäß § 25a Nr. 3 VOB/A erfüllen, war der Auftraggeber entsprechend dem Tenor zu 1 zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, diese unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes die Nebenangebote der Beigeladenen nicht zu berücksichtigen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die
DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1: 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von ... € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... € brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin (geprüfte Angebotssumme ... zzgl. 16 % Mwst.) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... €.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen.
Die anteilige Kostentragungspflicht folgt daraus, dass sowohl die Auftraggeberin als auch die Beigeladene im Nachprüfungsverfahren unterlegen sind. Die Beigeladene hat die Kosten gem. §§ 128 Abs. 3, 4 GWB, 91, 100 Abs. 1, 101 ZPO auf Seiten der Auftraggeberin als Gesamtschuldnerin mit zu tragen, weil sie sich durch ihren mündlichen Vortrag in der Verhandlung vor der Vergabekammer aktiv am Verfahren beteiligt und vor allem mit eigenem Antrag die Zurückweisung des Nachprüfungsantrages beantragt hat (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 14.09.2006, Az.: 13 Verg 3/06 ).
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostGbefreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04). Allerdings darf eine persönliche Kostenbefreiung bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Kostenschuldnern nicht zu einer Mehrbelastung des nicht befreiten anderen Gesamtschuldners führen, so dass sich der Gesamtbetrag der Gebühren um den Betrag vermindert, den der befreite Gesamtschuldner an den nicht befreiten zu erstatten hätte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az. 13 Verg 9/05 ), d. h. hier um 1/2 der Gebühren.
Kosten der Antragstellerin
Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Die Beigeladene wird aufgefordert, den Betrag von ... € unter Angabe des Kassenzeichens
...
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses auf folgendes Konto zu überweisen:
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