Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 08.07.2009, Az.: VgK-29/2009

Rechtmäßigkeit einer Auswahl eines Anbieters für Aufbau eines Output-Management-Systems (OMS) mit Druckdienstleistungen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung durch eine gesetzliche Krankenkasse; Unverzüglichkeit einer Rüge eines Bieters gegen einzelne Festlegungen eines Grobkonzeptes im Vergabeverfahren von Post-Druckdienstleistungen; Vereinbarkeit einer Aufnahme funktionaler Anforderungen an eine Verwaltungssoftware in das Grobkonzept mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Gebot der Produktneutralität; Rechtmäßigkeit einer fehlenden Berücksichtigung einer vorherigen Preisfestlegung bei Vergabe komplexer IT-Leistungen; Rechtmäßigkeit einer Vorgabe spezifischer funktionaler Anforderungen an eine Verwaltungssoftware bei deren Vergabe wegen einer erforderlichen Kompatibilität mit einem vorhandenen Postvertriebssystem

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
08.07.2009
Aktenzeichen
VgK-29/2009
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 28650
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Verhandlungsverfahren mit Teilnahme-Wettbewerb "Post-Druckdienstleistungen"

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hinz,
auf die mündliche Verhandlung vom 02.07.2009
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Auftraggeberin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Auftraggeberin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom xxxxxx.2009 die Suche nach einem Anbieter für den Aufbau eines Outputmanagementsystems (OMS) mit Druckdienstleistung europaweit im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben. In der kurzen Beschreibung des Auftrages erläuterte die Auftraggeberin die zu erbringende Leistung dahingehend, dass eine Software und die erforderlichen Druckdienstleistungen beschafft werden sollen, um die Versorgung von Mitarbeitern und Mitgliedern der Krankenkasse mit notwendigen Dokumenten effektiv zu gestalten. Sie erklärte ferner, dass sie die zu erbringende Leistung zwar in zwei Lose (Los 1 = OMS und Los 2 = Druckdienstleistung) unterteilt habe, jedoch die Vergabe beider Lose an einen Auftragnehmer oder eine Bietergemeinschaft erfolgen soll. Bei den Angaben zu den Losen verwies sie auf das anzufordernde Grobkonzept. Dieses Grobkonzept umfasst 22 Seiten und beschreibt nach der Einleitung den Ist-Zustand, das erwünschte Ziel, die vorhandene Software, den Inhalt der Ausschreibung und die Anforderungen an die Systeme.

2

Vorab hatte sie in einer internen Notiz vom 10.02.2009 festgehalten, dass sie sich für ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Vergabebekanntmachung entschieden habe, da die Vielzahl im Detail voneinander abweichender Lösungsmöglichkeiten es letztlich unmöglich mache, die Spezifikation im Rahmen einer detaillierten Leistungsbeschreibung so vorzugeben, dass die Abgabe miteinander vergleichbarer Angebote erwartet werden kann.

3

Ferner hatte sie in einer weiteren internen Notiz vom 16.03.2009 die Gewichtung der Eignungskriterien und am darauf folgenden Tag ihre beabsichtigte Vorgehensweise bei der Bewertung der Teilnahmeanträge festgelegt. Noch vor der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU dokumentierte sie mit Datum vom 27.03.2009 in einer weiteren internen Notiz die beabsichtigte Gewichtung der Zuschlagskriterien.

4

In der Bekanntmachung wurden die Bieter u.a. darauf hingewiesen, dass sie mindestens drei Referenzen von vergleichbaren Auftraggebern zu benennen haben. Sie sollten auch die dort beschriebene Lösung ausführen und Ansprechpartner benennen.

5

Hinsichtlich der Kriterien, an Hand derer sieben Bewerber ausgewählt werden sollten, teilte die Auftraggeberin mit:

  • Darstellung des Unternehmens 10%

  • Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter 10%,

  • Darstellung und Inhalt des IT-Sicherheitskonzept 15%,

  • Darstellung und getroffene Maßnahmen zum Datenschutz 15%,

  • Referenzen 50%.

6

Während der Frist zur Abgabe eines Teilnahmeantrages ergaben sich insgesamt 54 Bieterfragen, u.a. auch von der Antragstellerin, die die Auftraggeberin mit ihren Antworten letztendlich in einem Katalog vom 28.04.2009 zusammenstellte.

7

Mit Schreiben vom 30.04.2009 rügte die Antragstellerin einzelne Punkte des Verfahrens. Zunächst beanstandete sie die Wahl des Vergabeverfahrens. Ihrer Auffassung nach wäre es im vorliegenden Fall nicht zulässig gewesen. Ferner beanstandete sie, dass die Leistung nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben worden ist, dass alle Bewerber sie im gleichen Sinne verstehen müssen. Es ergäbe sich auch nicht aus dem zur Verfügung gestellten zusammengefassten Grobkonzept, wer eigentlich was machen soll. Sie meint auch, dass die bekanntgemachten Kriterien zur Auswahl der Wettbewerbsteilnehmer dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, da die Auftraggeberin mindestens drei Referenzen von vergleichbaren Auftraggebern fordere. Schließlich rügte die Antragstellerin, dass in dem Grobkonzept die Briefsendungen schon im Produktionsprozess auf das Unternehmen xxxxxx zugeschnitten seien. Die Auftraggeberin erklärte mit Schreiben vom 05.05.2009, dass sie den Verfahrensrügen nicht abhelfen werde.

8

Bis zum Schlusstermin für den Eingang der Angebote am 04.05.2009 waren insgesamt 17 Teilnahmeanträge eingegangen, von denen 7 ausgeschlossen wurden, da sie nicht alle geforderten Angaben und Erklärungen enthielten. Die anderen 10 Teilnahmeanträge wurden von drei Mitarbeitern der Auftraggeberin hinsichtlich der Kriterien Darstellung des Unternehmens, Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter und Referenzen unabhängig voneinander bepunktet. Alle drei Bewerter stuften die Antragstellerin im Ergebnis entweder auf Rang 9 oder 10 ein.

9

Ein Mitarbeiter bewertete nur die Darstellung und Inhalt des IT-Sicherheitskonzepts und Darstellung und getroffene Maßnahmen zum Datenschutz. Hier erhielt jedes Unternehmen für beide Kriterien die gleiche Punktzahl. Dieser Mitarbeiter sah die Antragstellerin auf Rang 10.

10

Nach der Zusammenführung der einzelnen Bewertungen lag die Antragstellerin auf Rang 10. Die vor ihr auf Rang 9 platzierte Bewerberin hatte insgesamt 7,84 Punkte mehr erhalten, die noch in der Wertung verbliebene Bewerberin auf Rang 7 erhielt 18,27 Punkte mehr.

11

Mit Schreiben vom 14.05.2009 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin gemäß § 13 VgV, dass sie für den weiteren Auswahlprozess nicht berücksichtigt wird, da anderen Bewerber eine höhere Punktzahl erreicht hätten.

12

Mit Schreiben vom 22.05.2009 rügte die Antragstellerin die fehlende Begründung für die Absage und die Gewichtung ihres Angebotes, sowie die fehlende Einordnung in die übrigen Teilnahmeanträge. Die Auftraggeberin teilte der Antragstellerin am 25.05.2009 mit, welche Punktzahl sie erzielt hatte und die Spreizung der Bewertungen.

13

Mit Schriftsatz vom 25.5.2009, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Zugrundelegung ihrer Rügeschreiben und führt ferner aus, dass die Ausnahmetatbestände für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung nicht vorliegen. Aus den Ausschreibungsunterlagen sei ersichtlich, dass die Auftraggeberin auch in der Lage war und ist, die gewünschte Leistung bis zur Sortierung für den Zustelldienst genau zu beschreiben. Ferner sei die Auftraggeberin bereits heute in der Lage, ihr genaues Portovolumen zu bezeichnen. Demnach könne sie auch mitteilen, welche Kosten sie bisher für die Produktion der Postsendungen aufwenden muss. Die Auftraggeberin sei auch ohne weiteres in der Lage, eine so genaue Beschreibung der gewünschten Dienstleistung vorzunehmen, dass ein offenes Verfahren stattfinden könne.

14

Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht führte sie ferner aus, dass die Auftraggeberin für sie erstmals im Vergabevermerk ihre bestehende EDV-Struktur ausführlich beschrieben habe. Hieraus ergäbe sich, dass die Auftraggeberin sehr wohl in der Lage sei zu beschreiben, welches Ergebnis sie von dem Outputmanagement erwarte. Insoweit hätte sie eine detaillierte Leistungsbeschreibung aufstellen können. Gründe für die Wahl des von ihr gewählten Vergabeverfahrens habe sie nicht dokumentiert.

15

Der Vergabeakte sei ferner zu entnehmen, dass sich die Auftraggeberin von der Firma xxxxxx habe beraten lassen. Diese Firma sei vorher bei der xxxxxx tätig gewesen. Sie sieht dadurch Ihre Vermutungen hinsichtlich der Ausrichtung auf die xxxxxxx bestätigt.

16

Soweit die Auftraggeberin vortrage, dass die Rüge verspätet erfolge, weist die Antragstellerin darauf hin, dass diese 5 Werktage nach Erhalt der Absage erfolgte.

17

Auch wäre die Auftraggeberin in einem offenen Verfahren im Gegensatz zum gewählten Verfahren verpflichtet gewesen, das Kriterium "Preis" bei der Wertung zu berücksichtigen. Ferner weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Auftraggeberin in ihrer "Internen Notiz" vom 27.03.2009 auf Seite 2 auf eine "Regelung der UfAB IV" Bezug genommen hat, die eine Bewertung bei der Ausschreibung von IT-Leistungen ermöglichen soll. Auch diese Unterlage sei ihr unbekannt. Nur durch Bekanntgabe der Unterkriterien sei gewährleistet, dass sie chancengleich behandelt wird.

18

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Ausschreibung über die Durchführung von Druckdienstleistungen - Az.: xxxxxx - aufzuheben und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer im offenen Verfahren gemäß § 101 Abs. 2 GWB neu auszuschreiben;

    hilfsweise

    den Teilnahmeantrag der Antragstellerin vom 4. Mai 2009 weiter zu berücksichtigen, ihr das ausführliche Grobkonzept zu der Durchführung von Druckdienstleistungen - Az.: xxxxxx - zuüberlassen und mit ihr Verhandlungen über die weiteren Auftragsbedingungen zu führen.

  2. 2.

    Die Auftraggeberin trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen des Verfahrens) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

19

Die Auftraggeberin beantragt:

  1. 1.

    Den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

  2. 2.

    Hilfsweise:

    Den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG).

  4. 4.

    Die Antragstellerin zu verpflichten, der Antragsgegnerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB).

20

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

21

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin keine Verletzung in ihren Rechten und auch keinen drohenden Schaden durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften dargelegt habe.

22

Zunächst weist sie darauf hin, dass ein Zuschnitt der ausgeschriebenen Leistung auf die xxxxxxx nicht erfolgt sei. Die xxxxxx habe sich im Übrigen auch nicht an dem Teilnahmewettbewerb beteiligt. Ferner weist sie darauf hin, dass die ausgeschriebenen Leistungen nicht den Einkauf von Post- und Zustelldienstleistungen umfassen. Sie vermag keine Benachteiligung der Antragstellerin darin zu erkennen, dass eines der Ziele ihres Beschaffungsvorhabens sei, eine möglichst reibungsfreie Eingliederung der zu vergebenden Leistungen zu erhalten, da sie zur Zeit einen großen Teil ihrer Postdienstleistungen über die xxxxxx versendet. Einen Teil der Postdienstleistungen erbringe aktuell die Antragstellerin bereits für die Auftraggeberin.

23

Soweit die Antragstellerin die gewählte Verfahrensart angreift, fehle ihr die Antragsbefugnis. Die Antragstellerin habe nicht im Einzelnen dargelegt, dass und warum ihr gerade durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens gegenüber dem offenen Verfahren ein Schaden drohe. Bei dem Teilnahmewettbewerb ginge es noch nicht um eine genaue Kalkulation eines Angebotes, sondern allein um die grundsätzliche Eignung der Bewerber zur Erfüllung des ausgeschriebenen Auftrages.

24

Unzulässig sei der Nachprüfungsantrag auch, soweit die Antragstellerin die Forderung nach Vorlage von vergleichbaren Referenzen angreife, da sie die von der Antragstellerin vorgelegten Referenzen akzeptiert und bewertet habe. Da der Antragstellerin insoweit kein Schaden entstanden sei, fehle ihr in diesem Punkt auch die Antragsbefugnis.

25

Ferner habe die Antragstellerin ihren Ausschluss aus dem Teilnahmewettbewerb nicht unverzüglich gerügt. Die Information habe sie am 14.05.2009 per Telefax mitgeteilt. Erst am 22.5.2009 und damit 8 Tage nach Zugang der Information habe die Antragstellerin den Ausschluss ihres Teilnahmeantrages gerügt, nicht jedoch die Auswahlkriterien.

26

Soweit der Nachprüfungsantrag nicht unzulässig sei, sei er aber unbegründet.

27

Sie habe zu Recht den Beschaffungsvorgang im Verhandlungsverfahren ausgeschrieben, da es sich um einen komplexen Beschaffungsvorgang handelt, bei dem viele Aspekte zu berücksichtigen seien. Ferner seien geistigschöpferische Dienstleistungen erforderlich, die nicht hinreichend genau festgelegt werden können.

28

Eine Rechtsverletzung könne auch nicht darin gesehen werden, dass sie den Teilnehmern im Rahmen des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs ein zusammengefasstes Grobkonzept überlassen habe. Eine exaktere Beschreibung des zu vergebenden Auftrags war weder erforderlich noch zumutbar.

29

Die Auftraggeberin ist überzeugt, dass sie die Auswahl der Bewerber beurteilungsfehlerfrei durchgeführt hat. Sie habe sich an die bekannt gemachten Kriterien gehalten und die Beurteilung durch die einzelnen Bewerter zusammen geführt.

30

Die Forderung nach Vorlage von Referenzen sei auch zulässig gewesen, die die Antragstellerin im Übrigen auch vorgelegt habe. Die niedrige Bewertung des Teilnahmeantrages der Antragstellerin beruhe allein auf den aussagekräftigeren Bewerbungen der anderen Teilnehmer.

31

Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.06.2009 gem. § 113 Abs.1 Satz " GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 10.07.2009 verlängert.

32

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 02.07.2009 Bezug genommen.

33

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens noch durch die von der Antragstellerin gerügten Festlegungen des den Bewerbern von der Auftraggeberin vorgegebenen Grobkonzeptes für die zu erbringenden Dienstleistungen in ihren Rechten i.S. der §§ 97 Abs.7, 114 Abs.1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat sich im Rahmen ihres vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie sich entschied, vom Grundsatz des offenen Verfahrens gem. § 101 Abs. 6 GWB abzuweichen und den Anbieter für den Aufbau eines Output-Management-Systems (OMS) mit Druckdienstleistungen im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Vergabebekanntmachung gem.§ 3 a Nr. 1 Abs. 5 VOL/A auszuwählen. Die Auftraggeberin hat dargelegt, dass sie hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Leistungen und auch hinsichtlich der Machbarkeit einzelner Leistungen für die Integration ihrer bisherigen EDV in das Output-Management auf das know-how und die Konzepte der Fachunternehmen angewiesen ist. Sie hat sich nach ihrer eigenen, nicht zu beanstandenden Einschätzung für die vorliegende Beschaffung nicht in der Lage gesehen, vorab ein entsprechendes Pflichtenheft und damit eine ausreichende Leistungsbeschreibung zu erstellen. Eine solche wäre jedoch für ein offenes Verfahren oder auch ein nicht offenes Verfahren unabdingbar gewesen. Aber auch soweit die Antragstellerin einzelne Festlegungen des Grobkonzeptes beanstandet hat, liegt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB oder eine Verletzung des Gebotes der produktneutralen Ausschreibung gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A nicht vor. Da die Auftraggeberin zzt. unstreitig im Rahmen von laufenden Verträgen ihre Post sowohl über die xxxxxx als auch die Antragstellerin versendet, ist nicht zu beanstanden, dass das Grobkonzept auch funktionale Anforderungen an das Output-Management hinsichtlich der Portooptimierung (6.2.1.6) und des Versands (6.3.1.4) für eine Beförderung mit der xxxxxx enthält. Eine Bevorzugung der xxxxxx und damit eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes ist damit nicht verbunden, zumal Ziff. 6.2.1.6 ausdrücklich auch eine Funktionsanforderung hinsichtlich der Filterung der Briefe nach alternativen Postzustelldiensten anhand definierter Merkmale enthält. Der Auftraggeber musste und muss zudem gewährleisten, dass auch das im vorliegenden Vergabeverfahren zu beschaffende Output-Management und die entsprechende Software auch in Zukunft die Postbeförderung mit unterschiedlichen Postbeförderungsunternehmen ermöglicht. Die Postbeförderungsaufträge selbst sindnicht Gegenstand des vorliegenden Vergabeverfahrens.

34

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in der Rechtsform einer Körperschaft desöffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Krankenkassen und deren gemeinsame Einrichtungen sind öffentliche Auftraggeber i. S. des§ 98 Nr. 2 GWB (vgl. BGH, Beschluss v.15.07.2008, Az.: X ZB 17/08; EuGH, Urteil v. 11.06.2009, Rs.C-300/07; VK bei der Finanzbehörde Hamburg, Beschluss v. 21.04.2004, Az.: VgK FB 1/04). Dies folgt in erster Linie daraus, dass die Tätigkeiten der gesetzlichen Krankenkassen hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert werden, die nachöffentlich-rechtlichen, bundesgesetzlichen Regelungen (§§ 3, 5, 220 ff. SGB V) auferlegt, berechnet und erhoben werden. Gesetzliche Krankenkassen sind daher als Einrichtungen desöffentlichen Rechts und damit als öffentliche Auftraggeber i. S. desArt. 1 Abs. 9 Unterabsatz 2 lit. c der Richtlinie 2004/18/EG anzusehen (vgl. BGH, Urteil v. 11.06.2009, Rs.C-300/07; 3.VK Bund, Beschluss v.27.03.2009, Az.: VK 3-46/09; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.12.2007, VII-Verg 51/07 und Beschluss v. 17.01.2008, VII-Verg 57/07, m.w.N.). Durch die Schaffung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 ist die mittelbareöffentliche Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sogar noch direkter geworden. Seither werden die Beiträge zunächst gem.§ 28 k SGB IV n.F. an den Gesundheitsfonds weitergeleitet, der als Sondervermögen beim Bundesversicherungsamt geführt wird (vgl.§ 271 SGB V n.F.), und aus dem die gesetzlichen Krankenkassen die erforderlichen Zuweisungen und damit ihre Finanzierung unmittelbar erhalten.

35

Die Vergabekammer Niedersachsen ist für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens gem. §§ 104 Abs. 1, 127 Nr. 5 GWB i.V.m. § 18 Abs. 7, 8 VgV - auch -zuständig. Zwar erfolgt die mittelbare Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen auf Grund des SGB V und damit auf der Grundlage einer bundesgesetzlichen Regelung. In erster Linie sind daher für die Nachprüfung von Vergabeverfahren der gesetzlichen Krankenkassen gem.§ 18 Abs.1 VgV die Vergabekammern des Bundes zuständig. Da die xxxxxx jedoch gem. § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V der Aufsicht durch Landesbehörden unterstehen, geht die Rechtssprechung bislang von einer zumindest parallelen Zuständigkeit der Vergabekammer des jeweiligen Landes aus, in dem die ausschreibende xxxxxx ihren Sitz hat (vgl. VK Schleswig-Holstein, Beschluss v.17.09.2008, Az.: VK-SH 10/08 und Beschluss v.19.12.2008, Az.: VK-SH 21-27/08 und VK-SH 28-34/08; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v.28.10.2008, L 11 KR 4810/08 ER-B und Beschluss v.23.01.2009, L 11 WB 5971/08). Da es sich bei der Auftraggeberin im vorliegenden Fall um die xxxxxxx handelt und Gegenstand des Vergabeverfahrens nicht eine länderübergreifende Beschaffung, sondern eine Beschaffung allein für den Bedarf der xxxxxx, ist die Vergabekammer Niedersachsen für das vorliegende Vergabeverfahren zuständige Nachprüfungsbehörde.

36

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem.§ 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der vierte Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 206.000 EUR (netto) gilt. Die Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2009 enthält keine Angaben zum geschätzten Gesamtwert des in zwei Losen ausgeschriebenen Dienstleistungsvertrages (Los 1 = Output-Management-System, Los 2 = Druckdienstleistung). Auch die Vergabeakte enthält keinerlei Angaben zur Schätzung des Auftragswertes gem.§§ 2, 3 VgV. Die Auftraggeberin hat jedoch auf Nachfrage der Vergabekammer mit Schreiben vom 08.07.2009 mitgeteilt, dass sie den Gesamtwert des Auftrags vorab auf insgesamt xxxxxx EUR geschätzt hat. Abschließende Angebote liegen im gegenwärtigen Stadium des Vergabeverfahrens noch nicht vor.

37

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe zu Unrecht gegen den Vorrang des offenen Verfahrens gem. § 101 Abs. 6 GWB verstoßen und stattdessen ein Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung durchgeführt, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 5 VOL/A nicht vorliegen. Der Auftraggeber sei durchaus in der Lage gewesen, eine ordnungsgemäße Leistungsbeschreibung gem. § 8 VOL/A zu erstellen und die Dienstleistung in einem offenen Vergabeverfahren gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A zu beauftragen. Da die generelle Eignung der Antragstellerin vorliegend auch von der Auftraggeberin nicht in Frage gestellt wird, sondern die Antragstellerin nur deshalb nicht für die Teilnahme am Verhandlungsverfahren ausgewählt wurde, weil sie nicht die notwendige Punktzahl erzielt hat, um unter die ersten sieben Bewerber zu gelangen, ist nicht auszuschließen, dass die Wahl des Verhandlungsverfahrens Auswirkungen auf ihre Rechtsposition hat. In einem offenen Vergabeverfahren hätte sie sich möglicherweise erfolgreich mit einem Angebot beteiligen können. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VR, 2. Auflage,§ 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Durchführung eines offenen Vergabeverfahrens eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist im Übrigen nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, Seite 24).

38

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung zu rügen. Bei der Vorschrift des§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels i. S. von§ 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtssprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich in 1-3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg 4/03; Bechthold, GWB, § 107, Rdnr. 2). Auch bei einer ggf. notwendigen Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erfüllt ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche das Zeitkriterium des§ 107 Abs.3 GWB regelmäßig nicht (vgl. OLG Dresden,Beschluss v.11.09.2006, Az.: WVerg 13/06). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtssprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, Seite 45 ff.), kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und /oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert.

39

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes erfolgten die mit Schreiben vom 30.04.2009 erhobenen Rügen der Antragstellerin unproblematisch unverzüglich i. S. des § 107 Abs.3 Satz 1 GWB, soweit sie sich gegen einzelne, aus ihrer Sicht diskriminierende Festlegungen des Grobkonzeptes vom 31.03.2009 wendet. Die Antragstellerin hat während der Frist zur Abgabe ihres Teilnahmeantrages mit Schreiben vom 26.04.2009 mehrere detaillierte Fragen, insbesondere auch zu den von ihr beanstandeten Forderungen des Grobkonzeptes, an die Auftraggeberin gerichtet (per E-Mail). Die Bieteranfragen der Antragstellerin ebenso wie die übrigen Bieteranfragen (insgesamt 54) hat die Auftraggeberin mit ihren Antworten in einem Katalog vom 28.04.2009 zusammengestellt und den Bewerbern übersandt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin erst auf Grund der aus ihrer Sicht nicht zufriedenstellenden Antworten der Auftraggeberin vom 30.04.2009 die von ihr letztlich beanstandeten Festlegungen des Grobkonzeptes als Vergabeverstöße gewertet hat.

40

Fraglich ist allein, ob die Rüge der Antragstellerin auch rechtzeitig erfolgte, soweit sie sich gegen die Wahl des Verhandlungsverfahrens anstelle eines offenen Verfahrens wendet. Dass die Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb durchführte, ergab sich bereits unmittelbar aus der Beschreibung des Beschaffungsvorhabens in II.1.5 der Vergabebekanntmachung vom xxxxxx.2009. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie auch die Wahl des Vergabeverfahrens erst unmittelbar vor Absetzung der Rüge vom 30.04.2009 als vergaberechtswidrig bewertet hat. Da gem. § 107 Abs.3 Satz 2 GWB Verstöße gegen Vergabevorschriften, die auf Grund der Bekanntmachung erkennbar sind, spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden müssen, die Teilnahmeanträge vorliegen und bis zum 04.05.2009 bei der Auftraggeberin eingehen mussten, erfolgte die Rüge vom 30.04.2009 noch rechtzeitig i. S. des § 107 Abs.3 GWB.

41

2.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die Antragstellerin ist durch das von der Auftraggeberin gewählte Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung anstelle eines offenen Verfahrens nicht in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat sich im Rahmen ihres durch § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b und c VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten als sie davon ausging, dass die Anforderungen des verfahrensgegenständlichen Aufbaus eines Output-Management-Systems (OMS) mit Druckdienstleistung unter Berücksichtigung der bei ihr bereits vorhandenen EDV für so komplex bewertete, dass sie eine für ein offenes Verfahren notwendige detaillierte Leistungsbeschreibung, die den Anforderungen des § 8 VOL/A genügt, vorab nicht erstellen konnte. Sie hat die Entscheidung über die Wahl des Verfahrens und ihre Begründung auch in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk dokumentiert (im Folgenden a). Da die Auftraggeberin ihre Post gegenwärtig nicht nur über die Antragstellerin, sondern auch über die xxxxxx im Rahmen von laufenden Verträgen versendet, ist auch nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin in ihrem an die Bewerber im vorliegenden Vergabeverfahren versandten Grobkonzept auch funktionale Anforderungen für die Software aufgenommen hat, die mit der automatischen Portooptimierung und die Versendung durch die xxxxxx kompartibel sind. In der Aufnahme dieser funktionalen Anforderungen liegt deshalb keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs.2 GWB und insbesondere auch keine Verletzung des Gebotes der Produktneutralität gem.§ 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Dies folgt auch daraus, dass das Grobkonzept hinsichtlich der Portooptimierung ausdrücklich auch die Filterung der Briefe nach alternativen Postzustelldiensten anhand definierter Merkmale fordert. Eine einseitige Festlegung zu Gunsten der xxxxxx liegt somit nicht vor. Die Auftraggeberin war und ist vielmehr darauf angewiesen, dass das Output-Management-System so gestaltet wird, dass auch zukünftig eine Postbeförderung durch unterschiedliche Postdienstleister möglich bleibt (im Folgenden b).

42

a)

Die Antragstellerin ist nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass die Auftraggeberin vorliegend ein Verhandlungsverfahren nach vorheriger Vergabebekanntmachung gem. § 3 a Nr.1 Abs. 5 VOL/A anstelle eines offenen Verfahrens gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A durchgeführt hat. Richtig ist, dass § 101 Abs. 6 GWB ebenso wie § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ausdrücklich den Vorrang des offenen Verfahrens regelt. Die in § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A geregelte mehrstufige Hierarchie der Verfahrensarten, die ein Abweichen vom Regelfall des offenen Verfahrens an besondere Ausnahmetatbestände knüpft, ist bereits dadurch gerechtfertigt, dass das offene Verfahren am stärksten den Wettbewerbsgrundsatz des§ 97 Abs. 1 GWB gewährleistet. Das offene Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass sich grundsätzlich jedes fachkundige Unternehmen auf der Grundlage der öffentlichen Bekanntmachung mit einem konkreten Angebot am Wettbewerb beteiligen kann. Es bietet am ehesten die Gewähr für die Einhaltung der Vergabegrundsätze des§ 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB (Weyand, VR, 2. Auflage, § 101 GWB, Rdnr.1436, m.w.N.). Dementsprechend sind die Tatbestände, die ein Abweichen vom offenen Verfahren eröffnen, eng auszulegen (OLG Naumburg, Beschluss v.10.11.2003 - Az.: 1 Verg 14/03).

43

Die Auftraggeberin hat sich jedoch ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 10.02.2009 vor Einleitung des Vergabeverfahrens ausführlich mit der Frage der Wahl der zulässigen Verfahrensart und der Entscheidung für ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung auseinandergesetzt. Sie stützt ihre Entscheidung auf die Ausnahmetatbestände des § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b und c VOL/A. Gemäß § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A können Auftraggeber in Ausnahmefällen Aufträge im Verhandlungsverfahren nach vorheriger Vergabebekanntmachung vergeben, wenn es sich um Liefer- oder Dienstleistungsaufträge handelt, die ihrer Natur nach oder wegen der damit verbundenen Risiken eine vorherige Festlegung des Gesamtpreises nicht zulassen. Der Ausnahmetatbestand des § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit.c VOL/A lässt ein Verhandlungsverfahren nach vorheriger Bekanntmachung zu, wenn die zu erbringenden Leistungen dergestalt sind, dass vertragliche Spezifikationen nicht hinreichend genau festgelegt werden können, um den Auftrag durch die Auswahl des besten Angebotes in Übereinstimmung mit den Vorschriften über das offene und das nicht offene Verfahren vergeben zu können. Die Auftraggeberin hat ihre Entscheidung für das Verhandlungsverfahren im Vergabevermerk vom 10.02.2009 wie auch im Nachprüfungsverfahren damit begründet, dass es sich bei der Einführung eines Output-Managements-Systems um ein ausgesprochen komplexes IT-Projekt mit Berührungspunkten zu einer Vielzahl von internen Geschäftsprozessen der xxxxxx handelt. Gleichzeitig sei ein reibungsloses Funktionieren der angestrebten Lösung für den Geschäftsbetrieb der Auftraggeberin als einer im Wettbewerb stehenden Krankenkasse unerlässlich. Mit der Einführung eines OMS sollen unterschiedlichste, im Vermerk vom 10.02.2009 im Einzelnen aufgeführte Ziele verfolgt werden. Dazu gehört nach Darstellung der Auftraggeberin insbesondere die Funktion, dass jeder Mitarbeiter, unabhängig vom Standort, mit einem "Klick" einen Briefdruck auslösen können soll. Alle übrigen Tätigkeiten wie Drucken, Kuvertieren, Frankieren und Versenden sollen zentral durch den externen Dienstleister durchgeführt werden. Als Ersatz für das doppelte Ausdrucken und Ablegen einer Kopie in der Vorgangsakte soll das zentral gedruckte Dokument zusätzlich in digitaler Form archiviert und in dem derzeit von der Auftraggeberin eingesetzten SAP-oscare CRM-Systems hinterlegt werden. Bei dieser Funktion müsse der Mitarbeiter zudem jederzeit nachvollziehen können, wann er was an welchen Kunden gesandt hat. Außerdem müsse das OMS eine Kontrolle des Druckprozesses vor dem Starten eines Dokumentes durch den Sachbearbeiter bis zum fertig kuvertierten Brief ermöglichen. Darüber hinaus solle eine komfortable Broschürenverwaltung integriert werden, die dem Anwender erlaubt, Broschüren direkt mit dem Brief zu versenden.

44

Die Auftraggeberin hat dargelegt, dass sie im Rahmen des laufenden Verhandlungsverfahrens von den Fachunternehmen eine Vielzahl im Detail voneinander abweichender Lösungsmöglichkeiten erwartet, so dass es ihr unmöglich gewesen sei, die Spezifikation im Rahmen eines detaillierten Pflichtenheftes und damit einer detaillierten Leistungsbeschreibung so vorzugeben, dass die Abgabe miteinander vergleichbarer Angebote erwartet werden kann. Ihrer Auffassung nach sei es aus Sicht der Bieter demgegenüber nicht möglich, einen feststehenden Gesamtpreis für die angebotenen Leistungen anzugeben. Die Unmöglichkeit einer Festlegung des Gesamtpreises i. S. des § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A muss regelmäßig in der Natur der Leistung oder in den mit dieser verbundenen Risiken liegen. Diese Risiken dürfen weder vom Auftraggeber noch vom Auftragnehmer beherrschbar sein (vgl. Kaelble in: Müller-Wrede, VOL/A, 2.Auflage, § 3 a, Rdnr. 114 ff., m.w.N.). Diese Risiken wiederum müssen zur Unmöglichkeit der Bildung eines Gesamtpreises und damit zur Unmöglichkeit der Bildung einer für alle Unternehmen einheitlichen Preisstruktur, aus welcher sich der Gesamtpreis der Angebotsabgabe errechnen lässt, führen. Fehlt es an einer solchen Preisstruktur, können Angebote der Verfahrensteilnehmer nicht miteinander verglichen werden. Der Auftrag kann dann nur in einer Verhandlung mit den Unternehmen über die finanziellen Bedingungen und die Preisstruktur vergeben werden. Die Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A steht damit ebenso wie der Ausnahmetatbestand der Unmöglichkeit einer genauen Festlegung der vertraglichen Spezifikationen gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. c VOL/A in einem Spannungsverhältnis zu der Pflicht zur erschöpfenden Beschreibung der Leistung gem.§ 8 Nr.1 Abs.1 VOL/A. Der Auftraggeber ist grundsätzlich verpflichtet, die Vergabe so vorzubereiten, dass eine hinreichend bestimmte Leistungsbeschreibung formuliert wird, so dass vergleichbare Angebote abgegeben werden können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 02.08.2002, Az.: Verg 25/02). Die Einführung einer neuen zentralen Verwaltungssoftware - wie im vorliegenden Fall einer OMS - stellt an die Erstellung eines notwendigen Pflichtenheftes und damit einer ordnungsgemäßen Leistungsbeschreibung i. S .des§ 8 VOL/A deutlich überdurchschnittliche Anforderungen. Bei der Vergabe komplexer IT-Leistungen ist daher häufig eine vorherige Festlegung auf einen Preis nicht möglich (vgl.Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 3 a, Rdnr.80 ff, m.w.N.).

45

Aber selbst wenn man vorliegend mit der Antragstellerin davon ausgeht, dass die Auftraggeberin in der Lage wäre, unter Hinzuziehung externen Sachverstands (vgl. Kaelble a.a.O., § 3 a, Rdnr. 114) ein ausreichendes Pflichtenheft und damit eine angemessene Leistungsbeschreibung für das künftige OMS zu erstellen, das auch die Einbeziehung der derzeit bereits bei der Auftraggeberin eingesetzten Kernsysteme (SAP-oscare, IDVS II sowie IKON) für alle Versicherten- und Kundendaten und die Abrechnung von Leistungen hinreichend integriert und berücksichtigt, würde eine vorherige - abschließende - Leistungsbeschreibung im vorliegenden Fall an ihre Grenzen stoßen. Die Auftraggeberin hat dargelegt, dass sich ihre bei der Einführung der OMS ebenfalls zu berücksichtigende Verwaltung der Versicherten- und Kundendaten derzeit in einem noch nicht abgeschlossenen Umstrukturierungsprozess befindet. Das liege daran, dass das von der Auftraggeberin verwendete Bestandsführungssystem SAP-oscare noch nicht flächendeckend bei der Auftraggeberin eingeführt ist. Im vorliegenden Fall würde somit für die Auftraggeberin im Falle des offenen Vergabeverfahrens ein erhebliches Risiko verbleiben, Angebote zu erhalten, deren zugrunde liegende Konzepte zwar der Leistungsbeschreibung entsprechen, die aber unveränderbar sind (§ 24 Nr.2 Abs.1 VOL/A) und deshalb bereits bei Einführung der OMS schon den Anforderungen an die Integration der sonstigen bei der Auftraggeberin verwendeten IT-Systeme nicht mehr genügen.

46

Die Auftraggeberin hat sich daher im Rahmen ihres durch § 3 a Nr. 1 Abs. 5 lit. b und c VOL/A gehalten, als sie entschied, für die streitgegenständliche Beschaffung ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung anstelle eines offenen Verfahrens zu wählen.

47

b)

Die Auftraggeberin hat auch nicht zulasten der Antragstellerin gegen das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot gem. § 97 Abs.2 GWB, insbesondere auch nicht gegen das Gebot der Produktneutralität gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A verstoßen. Die Antragstellerin hat sich mit ihrer Rüge und im Nachprüfungsantrag gegen Vorgaben im Grobkonzept gerichtet, die eine Berücksichtigung von spezifischen Anforderungen der xxxxxx gewährleisten sollen. Unter Ziff.6.2.1.6 des Grobkonzeptes heißt es:

"Portooptimierung"
- automatische Portooptimierung, Portooptimierung nach postalischen Kriterien(zertifiziert von der xxxxxx)
- Sendungskonsolidierung - ggfl. Filterung der Briefe nach alternativen Postzustelldiensten anhand definierter Merkmale".

48

Unter Ziff.6.3.1.4 heißt es:

"Versand"
- Unterstützung der DV-Freimachung
- Einlieferung der Tagesproduktion E+1
- Einlieferung nach Teilleistungsverträgen BZA und BZE ".

49

(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

50

Die Antragstellerin sieht sich dadurch sowohl im Hinblick auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des § 97 Abs. 2 GWB als auch im Hinblick auf das Gebot der Produktneutralität gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A in ihren Rechten verletzt. Dies folge daraus, dass diese Vorgaben offenbar nur auf die Angebotsstruktur der xxxxxx ausgerichtet seien. Diese führe bereits z. Zt. Postdienstleistungen für die Auftraggeberin durch und solle dies offenbar auch in Zukunft machen. Dadurch würden bereits mit der vorliegenden Beschaffung zu Gunsten ihres Konkurrenzunternehmens Vorgaben aufgenommen, die Auswirkungen auf künftige Vergabeverfahren für die zu erbringenden Postdienstleistungen haben. Aber auch bereits im gegenwärtigen Zeitpunkt und im hier streitbefangenen Vergabeverfahren werde die Antragstellerin diskriminiert, weil sie gezwungen werde, ihr Konzept und Angebot so auszurichten, dass sie die Vorgaben hinsichtlich der spezifischen Anforderungen ihres Konkurrenzunternehmens einhalten muss.

51

Die Berücksichtigung von Spezifika der xxxxxx - die sich imÜbrigen am vorliegenden Vergabeverfahrennicht beteiligt hat - hinsichtlich der Portooptimierung und des Versandes stellt jedoch weder eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes gem. § 97 Abs.2 GWB noch eine Verletzung des Gebotes der Produktneutralität gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dar. § 97 Nr. 2 GWB verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber, alle Teilnehmer an einem Vergabeverfahren grundsätzlich gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund des GWB ausdrücklich geboten oder gestattet. Es handelt sich hierbei um einen der zentralen vergaberechtlichen Grundsätze schlechthin. Das diesen Grundsatz flankierende Gebot der Produktneutralität gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A soll sicherstellen, dass eine Leistungsbeschreibung die Herstellung von Chancengleichheit im Vergabewettbewerb gewährleistet. Ziel ist es, dass alle Bieter die gleiche Ausgangsposition haben (vgl. OLG Saarbrücken,Beschluss v.09.11.2005, Az.: 1 Verg 4/05; OLG Celle, Beschluss v.02.09.2004, Az.: 13 Verg 11/04). Die Chancengleichheit bedingt, dass hinsichtlich bestimmter Erzeugnisse, Produkte, Verfahren, Hersteller etc. nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden darf. Daher gilt der Grundsatz der Produktneutralität (vgl. Noch in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Auflage,§ 8, Rdnr. 206). Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dürfen daher bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Vorliegend sind die angefochtenen spezifischen funktionalen Anforderungen bereits dadurch gerechtfertigt, dass die Auftraggeberin ihre laufende Post im Rahmen von geltenden Verträgen nicht nur über die Antragstellerin, sondern auch über die xxxxxx abwickelt. Die Auftraggeberin muss daher gewährleisten, dass das zu beschaffende, künftige Output-Management-System und die damit verbundenen Druckdienstleistungen auch mit den vertraglichen Spezifika und den spezifischen Systemanforderungen der xxxxxx kompatibel sind. Dabei kann dahinstehen, ob die vom künftigen OMS zu berücksichtigende Portooptimierung tatsächlich, wie im Grobkonzept dargestellt, von der xxxxxx zertifiziert werden muss oder ob lediglich, wie von der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung dargestellt, gewährleistet sein muss, dass die angebotene Lösung mit dem spezifischen Portooptimierungssystem der xxxxxx kompatibel ist. Die Auftraggeberin muss schon auf Grund der laufenden Vertragsbeziehungen in ihren Postvertriebssystem sichergehen, dass das künftige OMS auch mit den dortigen vertraglichen Anforderungen vereinbar ist.

52

Das künftige Output-Management-System muss aber darüber hinaus auch gewährleisten, dass auch beikünftigen Ausschreibungen von Postdienstleistungen im Interesse eines breiten Wettbewerbsdie Beteiligung einer Vielzahl von Anbietern auf dem Postdienstleistungssektormöglich bleibt. Dazu gehört neben der Antragstellerin auch die xxxxxx. Eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin wäre nur dann zu besorgen, wenn die Anforderungen des Grobkonzeptes einseitig auf den Konkurrenten xxxxxx ausgerichtet wären und eine künftige Bewerbung der Antragstellerin im Rahmen von Postdienstleistungsausschreibungen verhindert oder unmöglich gemacht würden. Dies ist jedoch weder vorgetragen noch bietet der vorliegende Sachverhalt für eine derartige Annahme Anlass. Die streitbefangene Anforderung unter Ziff. 6.2.1.6 des Grobkonzeptes enthält ausdrücklich auch die Anforderung einer Filterung der Briefe nachalternativen Postzustelldiensten anhand definierter Merkmale. Auch im Übrigen bietet das von der Auftraggeberin den Bewerbern vorgegebene Grobkonzept einen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Auftraggeberin mit der Ausrichtung ihres künftigen Output-Management-Systems bereits an die xxxxxx binden will.

53

Eine Diskriminierung der Antragstellerin ist auch nicht dadurch zu besorgen, dass sich die Auftraggeberin im Rahmen des Vergabeverfahrens der Firma xxxxxx beraten lassen hat. Diese Firma ist zwar unstreitig zuvor auch für die xxxxxx tätig gewesen. Die xxxxxx hat sich jedoch im vorliegenden Verhandlungsverfahren nicht mit einer eigenen Bewerbung beteiligt. Der Anwendungsbereich des § 16 VgV, der den Ausschluss von Personen regelt, die als voreingenommen gelten, ist somit vorliegend unter keinem Gesichtspunkt eröffnet.

54

Auch im Übrigen bietet der Sachverhalt und insbesondere die Dokumentation in der Vergabeakte keinen Anhaltspunkt für eine Rechtsverletzung der Antragstellerin. Die Auftraggeberin hat das gesamte bisherige Vergabeverfahren, insbesondere auch die Durchführungund Auswertung des Teilnahmewettbewerbs, in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise dokumentiert. Dies gilt auch, soweit die Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahren nach Durchführung der Akteneinsicht darauf hingewiesen hat, dass die Auftraggeberin in ihrer internen Notiz vom 27.03.2009 auch auf eine Regelung der "UfAB IV" Bezug genommen hat, die ihr, der Antragstellerin, unbekannt sei. Bei dieser internen Notiz handelt es sich um einen Vergabevermerk zur Bewertung der Angebote sowie zur Festlegung der Kriterien für die Vergabe. Dort heißt es:

"Die Bewertungssystematik erfolgt nach den Regelungen der UfAB IV (Unterlage für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen) unter Anwendung der erweiterten Richtwertmethode. Die Schwankungsbreite wird auf 7,5% festgesetzt. Als Stichkriterium wird der Preis festgelegt."

55

Bei der UfAB IV handelt es sich um einen Leitfaden für die Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen, der von der Koordinierungs- und Beratungsstelle für Informationstechnik der Bundesregierung herausgegeben wird und für jedermann unter www.kbst.bund.de im Internet abrufbar ist. Dieser Leitfaden wird regelmäßig füröffentliche Ausschreibungen und insbesondere die Bewertung von IT-Leistungen herangezogen und ist daher regelmäßig sowohl denöffentlichen Auftraggebern wie auch den Fachunternehmen im IT-Bereich bekannt.

56

Der Nachprüfungsantrag war somit als unbegründet zurückzuweisen.

57

III. Kosten

58

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in§ 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 EUR, die Höchstgebühr 25.000 EUR bzw. in Ausnahmefällen 50.000 EUR beträgt.

59

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

60

Der zu Grunde zu legende Auftragswert für den streitbefangenen Gesamtauftrag beträgt nach den Schätzungen der Auftraggeberin xxxxxx EUR.

61

Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.

62

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zzt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von xxxxxx EUR.

63

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

64

Die in Ziffer 3 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

65

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeberin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurfte die Auftraggeberin für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenenöffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

66

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdnr. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl.,

67

§ 80, Rdnr. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zugunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren übertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

68

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx EUR unter Angabe des Kassenzeichens

69

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

70

xxxxxx.

IV.

Rechtsbehelf

71

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.

72

...

Gause
Schulte
Hintz