Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 02.04.2009, Az.: VgK-05/2009
Ausschreibung der Lieferung von Röntgenkontrastmitteln mit dem Vorbehalt der Vergabe von Losen; Verletzung des vergaberechtlichen Wettbewerbsgebots und des Transparenzgebots aufgrund einer beschränkten Ausschreibung; Einkaufskooperation von zusammengeschlossenen Universitätskliniken als öffentliche Auftraggeberin gemäß des Gesellschaftszwecks; Überschreitung des Schwellenwerts durch den Gesamtwert der ausgeschriebenen Lieferleistungen; Bereits vorgenommene Erteilung der Zuschläge als Hinderungsgrund für die Nachprüfung des Vergabeverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 02.04.2009
- Aktenzeichen
- VgK-05/2009
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 29905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 98 Nr. 2 GWB
- § 100 Abs. 1 GWB
- § 107 Abs. 2 GWB
- § 114 Abs. 2 S. 1 GWB
- § 13 VgV
- § 25a Nr.1 VOL/A
Verfahrensgegenstand
Beschaffung von Röntgenkontrastmitteln
In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
auf die mündliche Verhandlung vom 24.03.2009
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, das Vergabeverfahren hinsichtlich der von der Antragstellerin beanstandeten Lose 1 und 2 aufzuheben.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxxx EUR festgesetzt.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.
- 4.
Die Auftraggeberin ist verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin (xxxxxx vertreten durch die Medizinische Hochschule xxxxxx) hatte im Herbst 2008 die Lieferung von Röntgenkontrastmitteln für die Medizinische Hochschule xxxxxx sowie die Uni-Kliniken xxxxxx und xxxxxx öffentlich ausgeschrieben. Die Bieter wurden seinerzeit darauf hingewiesen, dass sich die Auftraggeberin vorbehält, eine Teilung in Lose, eine Festlegung des Umfangs der Lose und mögliche Vergabe der Lose an verschiedene Bieter vorzunehmen. Als den Zuschlag erteilende Stelle sowie als Stelle, bei der die Angebote bis zum xxxxxx.2008 einzureichen waren, war die Medizinische Hochschule xxxxxx, Abt. Zentralapotheke, genannt.
Die Antragstellerin hatte seinerzeit mit Schreiben vom 06.11.2008 die öffentliche Ausschreibung der Lieferleistungen gerügt, da sie die Auffassung vertrat, dass der Gesamtauftragswert der Ausschreibung für alle sechs Auftraggeber den Schwellenwert von 206.000 EUR übersteigt. In einem Vergabevermerk vom 24.11.2008 hielt die Auftraggeberin fest, dass durch formale Fehler 5 von 9 Angeboten aus dem Ausschreibungsverfahren auszuschließen sind. Die übrigen Bieter könnten die geforderten Eigenschaften der Präparate nicht oder nur mit hohen Preisen anbieten. Mit Datum vom 25.11.2008 informierte die Auftraggeberin die Bieter, dass sie nach § 26 Abs. 1 VOL/A die Ausschreibung aufgehoben hat, da sie kein wirtschaftliches Ergebnis ergeben habe.
Mit Schreiben vom 09.12.2008 forderte die Auftraggeberin Bieter, die sich an der öffentlichen Ausschreibung beteiligt hatten, zur Abgabe eines Angebotes zur Lieferung von Röntgenkontrastmitteln auf. Der Angebotsaufforderung ist zu entnehmen, dass beabsichtigt sei, die Lieferung durch "freihändige Vergabe in einem offenen Verfahren" zu vergeben. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass eine getrennte losweise und/oder positionsweise Vergabe vorbehalten bleibt.
Mit Schreiben vom 16.12.2008 rügte die Antragstellerin die Bezeichnung und Art des Vergabeverfahrens und wies u.a. darauf hin, dass Ihrer Auffassung nach der Schwellenwert überschritten sind und die zu liefernden Artikel im europaweiten Verfahren zu beschaffen sind. Darauf hin stellte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 17.12.2008 klar, dass es sich um eine beschränkte Ausschreibung handelt. Der Antragstellerin gegenüber nahm sie mit Schreiben vom 19.12.2008 zu den Rügen Stellung und wies diese bis auf kleinere Korrekturen in den Verdingungsunterlagen zurück.
Die Antragstellerin rügte mit Schriftsatz vom 22.12.2008 aus Ihrer Sicht folgende Verfahrensfehler:
- 1.
die fehlende europaweite Ausschreibung,
- 2.
die Durchführung einer beschränkten Ausschreibung,
- 3.
die fehlende Angabe der Zuschlagskriterien und
- 4.
die Änderung des Leistungsumfanges in Los 2.
In der Vergabeakte befindet sich eine undatierte Beschreibung der Berechnung der Wertung der einzelnen Angebote, die offenbar Grundlage für die Bewertung der einzelnen Positionen der fünf Lose für die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes war. Ob diese Beschreibung der Berechnung den einzelnen Universitätskliniken zur selbständigen Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zur Verfügung gestellt wurde oder die einzelnen Universitätskliniken "nur noch" ihren Bedarf zu ermitteln hatten, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen.
Mit Schreiben vom 09.01.2009 übersandte die Auftraggeberin den anderen Universitätskliniken einen Satz der eingegangenen Angebote und bat um fachtechnische Prüfung der abgegebenen Produkte. Sie wies zum weiteren Verfahrensablauf auf Folgendes hin:
"1.
Durchführung der fachtechnischen Prüfung. Kopie der Stellungnahme bitte an die xxxxxx senden (oder Fax).2.
Erteilung des Zuschlags bis zum 19.01.2009. Dies geschieht durch das jeweilige Klinikum. Bitte senden Sie eine Kopie des Zuschlags an die xxxxxx.Sollte der Termin zur Zuschlagserteilung nicht ausreichend sein, möchte ich Sie bitten, mir dies bis zum 17.01.2009 mitzuteilen. Bei einer Zuschlagsverlängerung geben Sie uns bitte einen neuen Termin vor."
Die einzelnen Universitätskliniken erteilten im Januar 2009 - differenziert nach Losen und teilweise auch differenziert nach einzelnen Positionen - die Aufträge an den jeweils wirtschaftlichsten Bieter und gaben dabei die von ihnen benötigten Mengen an. Dabei ergab sich lt. einem an die Vergabekammer gerichteten Schriftsatz der Auftraggeberin vom 19.03.2009, dass die tatsächlichen Netto-Auftragsvolumina der einzelnen Universitätskliniken jeweils unterhalb der Schwellenwerte lagen.
Mit Schreiben vom 19.01.2009 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin gemäß § 27 Nr. 2 VOL/Aüber den niedrigsten und höchsten Angebotspreis für die einzelnen Positionen der fünf Lose. Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 20.01.2009 das Wertungsergebnis der Ausschreibung. Sie moniert, dass die Wertungskriterien nicht bekannt gegeben wurden. Ferner sei die Durchführung der Wertung durch jedes Mitglied der Einkaufskooperation nicht ersichtlich. Sie unterstellt, dass eine zentrale Wertung stattgefunden hat, die im Widerspruch zu den Ausschreibungsbedingungen stehe.
Mit Schriftsatz vom 22.01.2009, eingegangen in der Vergabekammer am 26.01.2009, beantragt die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie ergänzt und vertieft ihren Vortrag in Bezug auf die bereits in ihren Rügeschreiben gegenüber der Auftraggeberin monierten Vergaberechtsverstöße.
Sie führt dabei insbesondere aus, dass nicht erkennbar sei, wie das Vertragsverhältnis ausgestaltet werden soll. Es sei anzunehmen, dass eine Rahmenvereinbarung mit der Einkaufskooperation geschlossen werden soll und aufgrund dieser Rahmenvereinbarung die beteiligten Kooperationspartner Einzelabrufe tätigen können. Insoweit seien zur Ermittlung des Auftragswertes die Aufträge der einzelnen Kooperationspartner zu den einzelnen Positionen der fünf Lose zu addieren und damit der maßgebliche Schwellenwert überschritten.
Ferner beanstandet sie, dass die Wertung intransparent sei und durch die fehlende Angabe der Zuschlagskriterien sowohl der Transparenz- als auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt seien.
Nach Durchführung der eingeschränkten Akteneinsicht führte die Antragstellerin ferner aus, dass der zentrale Streitpunkt "Schwellenwert" für das Erfordernis einer EU-weiten Ausschreibungüberschritten sei. Den Bietern sei zwar mitgeteilt worden, dass sie insgesamt sechs Exemplare Ihres Angebotes einzureichen haben, die Wertung sodann von den einzelnen Kooperationspartnern vorgenommen werde und ein Vertragsabschluss mit dem jeweiligen Kooperationspartner erfolge. Doch habe die Auftraggeberin trotz dieser Angaben im Leistungsverzeichnis nurein Ausschreibungsverfahren unter Zugrundelegung der kumulierten Auftragswerte durchgeführt. Die Leistungsbeschreibung gehe von Mengen aus, die nur bei einer Zusammenfassung des Bedarfs der jeweiligen Kooperationspartner erreicht werde. Die Angebote seien daher so zu kalkulieren, dass die Gesamtmenge der beteiligten Kooperationspartner abgerufen werde und zwar unabhängig davon, ob diese auf Grundlage eines Vertrages oder sechs identischer Verträge erfolge. Da die Auftraggeberin nicht den Bedarf der einzelnen Kooperationspartner offen gelegt habe, habe sie auch an keiner Stelle ausgeführt, dass sich der Gesamtbedarf verringern könne, wenn sich die Kooperationspartner für unterschiedliche Bieter entscheiden. Da die Bieter gezwungen waren, auf die Gesamtmenge für alle Kooperationspartner zu kalkulieren, konnte im Ergebnis auch nur ein Bieter ausgewählt werden, der den Auftrag erhält. Dass aus dem Angebot sechs gleichlautende Verträge resultieren, mache keinen Unterschied, da die Verträge die gleiche Laufzeit, Text und auch Preis hätten.
Die Antragstellerin beanstandet auch die mangelhafte Dokumentation des Vergabeverfahrens, die nicht dem Transparenzgrundsatz genügen würde.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
festzustellen, dass die in dem Ausschreibungsverfahren "Röntgenkontrastmittel Vermerk xxxxxx" erteilten Zuschläge nichtig sind,
- 2.
die Ausschreibung hinsichtlich der Lose 1 und 2 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, bei Fortbestand ihrer Beschaffungsabsicht ein europaweites Ausschreibungsverfahren durchzuführen,
- 3.
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären und
- 4.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Auftraggeberin beantragt:
- 1.
den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen,
- 2.
hilfsweise:
den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen,
- 3.
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erachten (§ 128 Abs. 4 S. 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG),
- 4.
die Antragstellerin zu verpflichten, der Antragsgegnerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 S. 2 GWB).
Die Auftraggeberin tritt den Vorwürfen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen und hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig.
Der maßgebliche Schwellenwert sei nicht überschritten. Die einzelnen Kooperationspartner (Uni-Kliniken) hätten jede für sich einen geschätzten Bedarf an Röntgenkontrastmittel, unterschieden nach Menge und Mitteln, geschätzt. Unter Berücksichtigung des im Zeitraum vom 1.1. bis 31.8.2008 festgehaltenen Verbrauchs habe jeder Kooperationspartner seinen Bedarf geschätzt und diese Schätzung an die Auftraggeberin gemeldet. Für keinen der Kooperationspartner werde der maßgebliche Schwellenwert überschritten. Da die Einzelaufträge für die jeweiligen Kooperationspartner nicht europaweit ausgeschrieben werden mussten, mussten auch die fünf Lose nicht europaweit ausgeschrieben werden.
Sie weist darauf hin, dass die Kooperationspartner keine klassische Einkaufskooperation bildeten, die zum Ziel habe, Einsparpotentiale zu realisieren. Die Zusammenarbeit der Kooperationspartner bestehe vielmehr vorrangig im fachlichen Austausch in wissenschaftlichen Fragestellungen.
Sie vertritt auch die Auffassung, dass eine Addition der Auftragswerte der beteiligten Kooperationspartner unzulässig sei, da der Legende der Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen sei, dass die Wertung der Angebote von jedem einzelnen Kooperationspartner vorgenommen werde und ein Vertragabschluss im Falle des Zuschlages mit dem jeweiligen Kooperationspartner erfolge. Die Antragstellerin habe während der Angebotsfrist auch nicht gerügt, dass die Angabe des jeweiligen Einzelbedarfs kalkulationsrelevant sei. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die verschiedenen Kooperationspartner von Beginn der Ausschreibung an völlig frei in ihrer Entscheidung waren, wem der Zuschlag (los- und positionsweise) erteilt werden soll. Sie sei daher auch nicht befugt, eine einheitliche Entscheidung über den Zuschlag zu treffen. Es sei Aufgabe des jeweiligen Apothekenleiters in Abstimmung mit der Arzneimittelkommission seines Klinikums und im Übrigen in freier Verantwortung über den Zuschlag zu entscheiden. Insoweit sei von Anfang an keine Beschaffung bei ein- und demselben Anbieter beabsichtigt gewesen.
Dem Schriftsatz der Auftraggeberin vom 19.03.2009 ist zu entnehmen, dass mit Ausnahme des Kooperationspartners xxxxxx alle zu einem identischen Ergebnis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes für die einzelnen Positionen der fünf Lose kamen.
Da - aus Sicht der Auftraggeberin - keine europaweite Ausschreibung erforderlich gewesen sei und der Zuschlag im Ausschreibungsverfahren bereits erteilt wurde, sei der Nachprüfungsantrag ferner unstatthaft und damit unzulässig.
Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag nicht nur unzulässig, sondern auch unbegründet.
Die Auftraggeberin führt ferner aus, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, die Zuschlagskriterien offen zu legen, da es sich nicht um eine EU-weite Ausschreibung gehandelt habe und damit der Abschnitt 2 der VOL/A anzuwenden sei. Sie habe sich entschlossen, den Zuschlag nachfolgenden Gesichtspunkten zu erteilen:
wirtschaftliche Erwägungen = 40%
medizinische Kriterien = 60%
Das konkrete Wertungsverhältnis sei ihr jedoch bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen noch nicht bekannt gewesen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladenen zu 1 und 3 haben sich im Nachprüfungsverfahren auch nicht geäußert. Die Beigeladene zu 2 hat in der mündlichen Verhandlung den Vortrag der Auftraggeberin unterstützt.
Die Vergabekammer hat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 20.02.2009 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 GWB) hinaus bis zum 06.04.2009 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.03.2009 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Auftraggeberin hat gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot und das Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie den gemeinsamen Bedarf an Röntgenkontrastmitteln der in der Einkaufsgemeinschaft xxxxxx zusammengeschlossenen Universitätsapotheken durch eine Beauftragung der Beigeladenen auf der Grundlage einer beschränkten Ausschreibung gedeckt hat, ohne den beteiligten Bietern zumindest über die von ihr bei Angebotswertung zugrunde gelegten Zuschlagskriterien (wirtschaftliche Erwägungen und medizinische Kriterien) zu informieren. Die bereits geschlossenen Verträge der in der Einkaufsgemeinschaft zusammengeschlossenen Universitätskliniken sind in entsprechender Anwendung des § 13 VgV nichtig. Die von der Rechtsprechung des EuGH und des BGH aufgestellten Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit von sog. de-facto-Vergaben liegen vor.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a)
Bei der Auftraggeberin, der Einkaufskooperation xxxxxx, handelt es sich um einen freiwilligen Zusammenschluss der im Rubrum genannten Universitätskliniken zum Zwecke des gemeinschaftlichen Einkaufs ihrer Universitätsapotheken und damit um einen Zusammenschluss vonöffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Die in der Einkaufskooperation zusammengeschlossenen Universitätskliniken üben ihre Kooperation auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung vom Juni 2008 aus. Die im Verbund zusammengeschlossenen Universitätskliniken haben gemäß § 2 der Vereinbarung zum Ziel, wirtschaftliche Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zu rationalisieren, ihre Markttransparenz auszuweiten und eine optimale Arzneimitteltherapie im Bereich der kooperierenden Universitätskliniken zu gewährleisten. Gegenstand der Vereinbarung ist gemäß § 3 die Durchführung gemeinsamer Tätigkeiten im Bereich des pharmazeutischen Einkaufs von Arzneimitteln im Sinne des Arzneimittelgesetzes, apothekenpflichtiger Medizinprodukte und diagnostischen Verbrauchsmaterials. Gemäß der Präambel der Kooperationsvereinbarung treten die ausführenden Stellen der Kooperationspartner nach außen gemeinsam auf. Unter Berücksichtigung des in der Kooperationsvereinbarung niedergelegten Regelwerks handelt es sich bei der Einkaufskooperation xxxxxxum eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und aufgrund ihrer Gesellschafter und ihres Gesellschaftszwecks um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB.
Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragsgegnerin darüber hinaus - wovon die Antragstellerin ausgeht - auch öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 3 GWB ist. Danach fallen unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers auch Verbände, deren Mitglieder unter § 98 Nr. 1 oder 2 GWB fallen. Die Kooperationspartner und Gesellschafter der Auftraggeberin sind Universitätskliniken und damit ihrerseits sämtlich Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung umfasst der Verbandsbegriff des § 98 Nr. 3 GWB nicht nur die klassischen Verbände wie etwa Zweckverbände oder Wasser- und Bodenverbände. Umfasst werden danach vielmehr alle Kooperationen von öffentlichen Auftraggebern nach § 98 Nr. 1 und Nr. 2 GWB mit gemeinsamer Zwecksetzung. Deshalb könne es sich auch um rein privat-rechtliche Zusammenschlüsse handeln, etwa in der Form von Arbeitsgemeinschaften, auch Einkaufskooperationen und privatrechtliche Spitzenverbände (vgl. Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 98, Rdnr. 252, m.w.N.). § 98 Nr. 3 GWB stellt jedoch lediglich einen Auffangtatbestand dar, der eingreift, wenn die Verbände und Zusammenschlüsse - anders als im vorliegenden Fall - nicht eigene Auftraggeberqualität haben (vgl. Weyand, a.a.O.,§ 98 GWB, Rdnr. 568; VK Düsseldorf, Beschluss v. 18.04.2002 - Az.: VK-5/2002/L).
b)
Der streitbefangene Auftragswert übersteigt auch in der Summe der von den Mitgliedern der Einkaufskooperation geschlossenen Aufträge den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Lieferleistungen im Sinne des§ 1 VOL/A. Gegenstand der vorliegenden beschränkten Ausschreibung ist die Deckung des Bedarfs der in der Einkaufskooperation zusammengeschlossenen Universitätskliniken an Röntgenkontrastmitteln. Für diese Leistungen gilt gemäß § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) in der seit 01.01.2008 geltenden Fassung ein Schwellenwert von 206.000 EUR (netto).
Gemäß der §§ 1, 3 VgV haben die öffentlichen Auftraggeber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den voraussichtlichen Auftragswert zu schätzen und zu prüfen, ob der geschätzte Auftragswert die in § 2 VgV geregelten Beträge ohne Umsatzsteuer erreichen oder übersteigen (Schwellenwerte). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes ist gem. § 3 Abs. 10 VgV der Tag der Absendung der Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe oder die sonstige Einleitung des Vergabeverfahrens. Die Schätzung ist vom Auftraggeber nach objektiven Kriterien, ausgehend von der zu beschaffenden Leistung und der aktuellen Marktlage auf Grund einer sorgfältigen betriebswirtschaftlichen Finanzplanung durchzuführen (OLG München,Beschluss v.28.09.2005, Az.: Verg 19/05; OLG Koblenz, Beschluss v.06.07.2000, Az.: 1 Verg 1/99). Dabei darf gem. § 3 Abs. 2 VgV der Wert nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung der Vergabebestimmung zu entziehen. Sofern sich der Auftraggeber innerhalb dieses Rahmens bewegt, steht ihm ein Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen beachtet werden muss (vgl. Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 5). Wegen der Bedeutung des Schwellenwertes für den Rechtsschutz ist es allerdings erforderlich, dass die Vergabestelle die ordnungsgemäße Ermittlung des geschätzten Auftragswertes in einem Aktenvermerk festhält (vgl.OLG Celle, Beschluss v. 12.07.2007, Az.: 13 Verg 6/07; OLG Rostock, Beschluss v. 20.09.2006, Az.: 17 Verg 8/06; OLG Schleswig, Beschluss v. 30.03.2004, Az.: 6 Verg 1/03).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass der Gesamtwert der ausgeschriebenen Lieferleistungen den maßgeblichen Schwellenwert von 206.000 EUR überschreitet. In der Vergabeakte (Band 1) ist ein Vermerk der mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Zentralapotheke der Universitätsklinik xxxxxx vom 09.12.2008 zur Begründung der Wahl des Vergabeverfahrens enthalten. Danach ist die Auftraggeberin ausweislich ihrer Schätzung zwar davon ausgegangen, dass der Wert der Ausschreibung über dem Schwellenwert von 206.000 EUR liegt. Von einer EU-weiten Ausschreibung hat sie nach diesem Vermerk jedoch aus zwei Gründen gleichwohl abgesehen. Zum Einen sei dies darauf zurückzuführen, dass in der Beschaffung von ausländischen Produkten wichtige Einführungsgesetze, Zulassungsbestimmungen und deren Anwendung zu beachten sind, die eine Regelversorgung mit dem o. g. Gegenstand in keinem Verhältnis stehen lassen. Zum Anderen stützt die Auftraggeberin ihre Entscheidung auf einen Beschluss des OLG Celle v. 12.07.2007, Az.: 13 Verg 6/07. Nach der zitierten Entscheidung sind Aufträge verschiedener öffentlicher Auftraggeber bei der Schätzung des Auftragswertes auch dann selbstständig zu bewerten, wenn bei den Aufträgen sachliche Zusammenhänge bestehen. Anders kann es nach dieser Rechtssprechung aber ausdrücklich ausnahmsweise dann sein, wenn zwei öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass die benötigte Leistung aus technischen oder anderen Gründen von demselben Anbieter beschafft werden soll und wenn die Auftraggeber deshalb die Beschaffungsvorhaben koordinieren und Angebote für den gemeinsamen Bedarf einholen (Hervorhebungen durch die Vergabekammer).
Nach den der Vergabekammer auf ihre Anforderung übersandten Unterlagen der Auftraggeberin, insbesondere der auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 19.03.2009 enthaltenen Gegenüberstellung der geschätzten Auftragsvolumina und der tatsächlichen Auftragsvolumina der Kooperationspartner, stehen sowohl die geschätzten Auftragswerte wie auch die tatsächlichen Auftragswerte auf der Grundlage der jeweils von den Kooperationspartnern ermittelten wirtschaftlichsten Angebote für sich genommen stets unterhalb des Schwellenwertes von 206.000 EUR. Auch nach der rechnerischen Überprüfung durch die Vergabekammer bewegen sich die tatsächlichen Auftragswerte zwischen xxxxxx EUR netto für die Universitätsklinik xxxxxx und xxxxxx EUR netto für die Universitätsklinik xxxxxx. Für eine getrennte Betrachtung dieser Auftragssummen spricht unter Berücksichtigung der zitierten Rechtssprechung des OLG Celle zunächst, dass die ausschreibenden Kooperationspartner offenbar von Anfang an beabsichtigt hatten, die Deckung ihres Bedarfs an Röntgenkontrastmitteln zwar auf der Grundlage der gemeinsamen Ausschreibung, aber jeweils im Wege eigener Verträge zu decken. Ausweislich der Legende zum Leistungsverzeichnis der streitbefangenen Ausschreibung Nr. xxxxxx hatten die Bieter ihre Angebote ausdrücklich in 6-facher Ausfertigung zu übersenden. Ferner heißt es in der Legende:
"Nach Öffnung der vorliegenden Angebote zum vorgegebenen Eröffnungstermin erfolgt die Auswertung der eingegangenen Angebote. Danach erhält jedes Haus die Auswertung, um intern mit den Nutzern nach medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen Vergabevorschlag zu erarbeiten."
Nach dem Beschluss des OLG Celle vom 12.07.2007, Az.: 13 Verg 6/07, sind die Einzelauftragswerte einer gemeinsamen Ausschreibung mehrerer öffentlicher Auftraggeber jedoch dann bei der Schätzung insgesamt zu berücksichtigen, wenn die kooperierenden Auftraggeber davon ausgehen, dass die benötigten Leistungen aus technischen oder anderen Gründen von dem selben Anbieter beschafft werden sollen, wenn die Auftraggeber deshalb die Beschaffungsvorhaben koordinieren und Angebote für den gemeinsamen Bedarf einholen. Für eben eine solche gemeinschaftliche Beschaffung aber spricht das Leistungsverzeichnis insgesamt und insbesondere die dortigen Erläuterungen in der vorangestellten Legende. Dort heißt es ausdrücklich:
"Im Rahmen der Einkaufskooperation schreiben die Universitätskliniken xxxxxx den Bedarf an Röntgenkontrastmittelgemeinsam aus. Der Bedarf der einzelnen Kliniken wurde in fünf Lose zusammengefasst:........"
Weiter heißt es dort:
"Ziel dieser gemeinsamen Ausschreibung soll es sein, mit ein bis zwei Lieferanten für diese Produktpalette innerhalb der Einkaufskooperation zusammenzuarbeiten.
Sobald sich die Einkaufskooperationspartner über die Vergabe einig sind, wird jedes Haus für sich die Zuschläge erteilen und je nach Bedarf aus dem Vertrag direkte Aufträge erteilen."
Aber auch die konkrete Gestaltung der Leistungsbeschreibung selbst und die dortigen Festlegungen sprechen vorliegend dafür, dass hier der Gesamtbedarf der Kooperationspartner ausgeschrieben und von den Bietern bei der Kalkulation ihrer Angebote zu Grunde zu legen war. So wurden etwa für das Los 1 (nicht jodhaltiges Röntgenkontrastmittel) unter der Position 1 für den Artikel "xxxxxx" Staffelpreise für Mengen von 5.500 l, 6.500 l, 7.500 l und < 8.500 l abgefragt. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine derartige Menge von mindestens 5.500 l allenfalls von mehreren Kooperationspartnern oder allen Kooperationspartnern gemeinsam benötigt wird. Weder aus der Vergabeakte noch aus den von der Auftraggeberin im Zuge nach Nachprüfungsverfahrensübersandten Aufstellungen ergibt sich ein vergleichbar großer Einzelbedarf der Kooperationspartner. Vielmehr geht aus der Leistungsbeschreibung insgesamt hervor, dass die gemeinsame Ausschreibung nicht nur erfolgte, um den Koordinierungsaufwand im Vergabeverfahren gering zu halten. Die gemeinsame Ausschreibung erfolgte - zumindest auch - um für die benötigten Produkte einen günstigeren Marktpreis zu erzielen. Anderenfalls hätte die Auftraggeberin die Losaufteilung nicht nur getrennt nach Art der Röntgenkontrastmittel, sondern auch getrennt nach dem Bedarf der Universitätskliniken vorgenommen. Wird aber, wie im vorliegenden Fall, den Bietern der Gesamtbedarf als Kalkulationsgrundlage vorgegeben, ist für eine getrennte Betrachtung der Auftragswerte bei der Schätzung des Gesamtauftragswertes nach § 3 VgV kein Raum mehr.
Der Gesamtauftragswert übersteigt somit deutlich den für eine Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert von 206.000 EUR.
c)
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, in dem sie vorträgt, dass die vorliegende Angebotswertung intransparent sei. Durch die fehlende Angabe von Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung sei darüber hinaus sowohl der Transparenz- als auch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Diese Mängel hätten die Antragstellerin daran gehindert, ein Angebot abzugeben, dessen Kalkulation sich an der abgefragten Leistung orientiert. Die Dokumentation des Vergabeverfahrens in der Vergabeakte genüge darüber hinaus nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Vergabevermerk gem. § 30 VOL/A. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs.2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR,§ 107, Rdnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darstellt, dass er bei vergabekonformen Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, Seite 24).
d)
Einer Nachprüfung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer steht vorliegend nicht entgegen, dass sich Kooperationspartner im streitbefangenen Vergabeverfahren jeweils mit Schreiben vom 16.01.2009 die Zuschläge bereits erteilt haben. Die Regelung des § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, wonach ein nach Erteilung der jeweiligen Zuschläge gestellter Nachprüfungsantrag unzulässig ist, greift vorliegend nicht. Die entsprechenden, mit Schreiben vom 16.01.2009 erteilten Zuschläge sind entsprechender Anwendung des § 13 VgV nichtig, weil die Auftraggeberin, respektive ihre Kooperationspartner, nicht den Ablauf der 14-tägigen Informationsfrist abgewartet haben. Vorliegend ist die Zuschlagserteilung im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung nach den Basisparagraphen des ersten Abschnitts der VOL/A erfolgt, nachdem ein ursprünglich durchgeführtes, öffentliches Vergabeverfahren von der Auftraggeberin gem. § 26 Abs.1 VOL/A mit der Begründung aufgehoben wurde, dass dieses kein wirtschaftliches Ergebnis ergeben habe. Eine Vorabinformation der Bieter gem. § 13 VgV vor Zuschlagserteilung ist unstreitig nicht erfolgt, weil die Auftraggeberin, wie oben dargelegt, in unzutreffender Weise davon ausgegangen ist, dass der streitbefangene Auftrag den Schwellenwert nicht erreicht. In Ermangelung einer Vorabinformation gem.§ 13 VgV sind die nach Auskunft der Auftraggeberin jeweils mit Schreiben vom 16.01.2009 erteilten Zuschläge daher nichtig.
e)
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels i. S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße rechtzeitig gerügt. Die Antragstellerin hatte sich bereits mit Schreiben vom 06.11.2008 gegen die vorangegangene, öffentliche Ausschreibung gewandt und die Auftraggeberin darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach eine europaweite Ausschreibung erforderlich ist, da gem. § 3 Abs. 5 VgV bei Aufträgen, die aus mehreren Losen bestehen, die Auftragswerte zusammenzuziehen sind. Die Antragstellerin hat in dem Schreiben unmissverständlich darauf hingewiesen, dass sie dieses Schreiben als Beanstandung gewertet wissen wollte. Nachdem die Auftraggeberin die Bieter mit Schreiben vom 25.11.2008 darüber informiert hatte, dass sie dieöffentliche Ausschreibung gem. § 26 Abs. 1 VOL/A aufhebt, forderte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 09.12.2008 die Bieter, die sich an der öffentlichen Ausschreibung beteiligt hatten, zur Abgabe eines Angebotes zur Lieferung von Röntgenkontrastmitteln auf. Die Auftraggeberin bezeichnete dieses sich anschließende Verfahren als "freihändige Vergabe in einem offenen Verfahren". Mit Anwaltsschriftsatz vom 16.12.2008 rügte die Antragstellerin erneut das aus ihrer Sicht fehlerhafte Verfahren. Sie wies die Auftraggeberin darauf hin, dass es "eine freihändige Vergabe in einem offenen Verfahren" nicht gebe, dass der Schwellenwert durch den Gesamtauftragswert überschritten werde und dass deshalb ein europaweites offenes Verfahren erforderlich sei. Gleichzeitig rügte sie, dass die Auftraggeberin es versäumt habe, die Zuschlagskriterien anzugeben. Ferner wies sie auf weitere Unstimmigkeiten des Leistungsverzeichnisses hin und forderte die Auftraggeberin auf, das Vergabeverfahren aufzuheben. Sie forderte die Auftraggeberin zur Stellungnahme bis zum 21.12.2008 auf und erklärte, dass sie im Anschluss daran ggf. die zuständige Vergabekammer in Lüneburg anrufen werde. Da die Antragstellerin erst auf Grund der Angebotsaufforderung vom 09.12.2008 erfahren hat, dass die Auftraggeberin den streitbefangenen Auftrag erneut nicht europaweit ausschreiben würde und die Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise mit der Prüfung des Sachverhaltes und der Absetzung der Rüge einen Rechtsanwalt beauftragt hat, erfolgte die innerhalb von einer Woche mit Schreiben vom 16.12.2008 abgesetzte Rüge noch unverzüglich i. S. des § 107 Abs.3, Satz 1, GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragstellerin ist i. S. der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat gegen den vergaberechtlichen Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, in dem sie es versäumt hat, die streitbefangenen Lieferleistungen gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A europaweit im offenen Verfahren auszuschreiben, den Bietern gem. § 9 a Nr. 1 lit. c VOL/A spätestens mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe alle vorgesehenen Zuschlagskriterien einschließlich deren Gewichtung mitzuteilen und die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes im Rahmen der Angebotswertung sodann gem. § 25 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ausschließlich auf der Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung durchzuführen. Die Auftraggeberin ist daher verpflichtet, die angefochtene beschränkte Ausschreibung zumindest hinsichtlich der von der Antragstellerin beanstandeten Lose 1 u. 2 (Antrag der Antragstellerin i.d.F. ihres Schriftsatzes v. 09.02.2009, Seite 7) aufzuheben und die Lieferleistungen bei fortbestehender Beschaffungsabsicht nach Durchführung eines ordnungsgemäßen europaweiten offenen Verfahrens gem.§ 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A zu beauftragen.
Die Auftraggeberin hat es versäumt, die streitgegenständlichen Lieferleistungen gem. § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A i. V. m . § 101 Abs. 6 GWB europaweit im offenen Verfahren auszuschreiben, obwohl der Gesamtwert der losweise vergebenen Aufträge für alle Kooperationspartner gem.§ 3 Abs. 5 VgV - wie oben unter II.1.b dargelegt - den für ein europaweites Vergabeverfahren maßgeblichen Schwellenwert von 206.000 EUR überschreitet und damit gegen Vergaberecht verstoßen. Zwar folgt aus der Wahl des falschen Vergabeverfahrens (hier: beschränkte Ausschreibung) noch nicht automatisch auch eine Rechtsverletzung der Antragstellerin. Denn die Antragstellerin konnte sich an der beschränkten Ausschreibung mit einem eigenen Angebot beteiligen und hat dies auch - wenn auch unter Protest - getan.
Zu Recht macht die Antragstellerin jedoch geltend, dass die Auftraggeberin es infolge der Verkennung ihrer Pflicht zur Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens entgegen § 9 a Nr. 1 lit. c VOL/A versäumt hat, bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe den Bietern alle vorgesehenen Zuschlagskriterien einschließlich deren Gewichtung mitzuteilen und die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. §§ 25 Nr. 3, 25 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A sodann ausschließlich auf der Grundlage der bekannt gemachten Zuschlagskriterien und ihrer ebenfalls bekannt gemachten Gewichtung durchzuführen. Durch eben dieses Versäumnis, das die Antragstellerin ausdrücklich gerügt hat, ist die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
Gemäß § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Satz 1 VOL/A ist der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Gemäß § 25 Nr. 3 Satz 2 VOL/A ist der niedrigste Angebotspreis - grundsätzlich - nicht allein entscheidend. Die Vergaberichtlinien der EU legen übereinstimmend fest, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 53 u. 54 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG (VKR) wie zuvor bereits Art. 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50 EWG, ABl. EG Nr. L 209/1; Art. 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. L 199/54, Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. L 199/1).
Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs.5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebotes im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach dem deutschen Vergaberecht vielmehr regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, VergabeR, § 97, Rdnr. 144). Der Auftraggeber ist bei der Angebotswertung an die von ihm festzulegenden bekannt zu machenden Zuschlagskriterien und ihrer ebenfalls festzulegenden und bekannt zu machenden Gewichtung gem. § 9 a Nr. 1 lit. c VOL/A i.V.m. § 25 a Nr.1 VOL/A gebunden. Mit dieser Verpflichtung soll erreicht werden, dass die Bieter vorhersehen können, auf was es dem Auftraggeber bei den Angeboten ankommt. Nur so können die Bieter Zielstellung und die Wünsche des Auftraggebers bei der Angebotserstellung berücksichtigen. Für den Auftraggeber hat die Angabe der Zuschlagskriterien den Vorteil, dass er auf seine konkreten Bedürfnisse zugeschnittene Angebote erhält und zugleich werden dadurch Manipulationen des Verfahrens ausgeschlossen und die Zuschlagsentscheidung wird transparent sowie nachprüfbar. Eine Festlegung der Zuschlagskriterien kann den Auftraggeber durch die damit eintretende Selbstbindung auch vor der Einflussnahme Dritter schützen (vgl. Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, VOL/A, 2.Auflage, § 9 a, Rdnr. 8, m.w.N.). Dabei ist zudem zu beachten, dass es nicht immer ausreicht, lediglich die Hauptzuschlagskriterien und ihrer Gewichtung bekannt zu geben. Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe von Unterkriterien und deren Gewichtung besteht jedenfalls dann, wenn sich für die Bieter die Kenntnis davon auf den Inhalt ihrer Angebote auswirken kann (OLG München, Beschluss v. 17.01.2008 - Verg 15/07).
Die Auftraggeberin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahrens erklärt, dass sie die angefochtene Angebotswertung auf der Grundlage der Kriterien "wirtschaftliche Erwägungen" mit einer Gewichtung von 40% sowie "medizinische Kriterien" mit einer Gewichtung von 60% durchgeführt hat. Sofern sie diese Kriterien und die diese Hauptkriterien ausfüllenden Unterkriterien in einem künftigen, erneut durchzuführenden Vergabeverfahren nebst Gewichtung festlegt und bekannt macht, wäre dies nicht zu beanstanden. Die Festlegung der Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung liegt grundsätzlich im Beurteilungsspielraum des Auftraggebers. Bei der Frage, wie Preis und Leistung in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu bringen sind, kommt dem Auftraggeber ein erheblicher Beurteilungsermessensspielraum zu (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.05.2005, Az.: Verg 8/05). Dabei muss der Auftraggeber bei der Festlegung der Kriterien und ihrer Gewichtung gerade auch den konkreten Beschaffungsgegenstand berücksichtigen, was einer allgemein gültigen "Mindestgewichtung" des Kriteriumspreises widerspricht.
Gemäß § 114 Abs.1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Festlegung der Zuschlagskriterien und ihrer Gewichtung unmittelbar Auswirkung auf die Kalkulation der Angebote haben, kann das Versäumnis ihrer Bekanntmachung nicht im laufenden Vergabeverfahren geheilt werden. Die Auftraggeberin war daher entsprechend den Anträgen der Antragstellerin i.d.F. ihres Antrages gem. Schriftsatz vom 09.02.2009, Seite 7, zu verpflichten, das Vergabeverfahren hinsichtlich der beanstandeten Lose 1 u. 2 aufzuheben und die dortigen Leistungen bei Fortbestand der Beschaffungsabsicht ordnungsgemäß in einem europaweiten, offenen Verfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer auszuschreiben. Die Vergabekammer weist zudem darauf hin, dass die Auftraggeberin verpflichtet ist, das Vergabeverfahren und insbesondere die Angebotswertung und die getroffenen Entscheidungen in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungs-
gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die
DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt xxxxxx EUR brutto. Der Betrag entspricht dem Angebot der Antragstellerin für die streitbefangenen Lose 1 (mind. xxxxxx EUR + xxxxxx EUR) und 2 (xxxxxx EUR) nach den in der Vergabeakte (Band 1, Abschnitt 7) enthaltenen Gegenüberstellungen der von der Auftraggeberin ermitteltenGesamtpreise und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die Auftraggeberin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25. 01. 2005, Az.: WVerg 0014/04).
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit die Anwaltskosten zu erstatten. Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.
Angesichts der Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
IV.
Rechtsbehelf
Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden.
...
Schulte
Hintz