Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 22.12.2014, Az.: 6 C 255/14

Hochschulpakt 2020; Professorinnenprogramm; Überbuchung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
22.12.2014
Aktenzeichen
6 C 255/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

Die Anträge, mit denen die Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie (Bachelor) bei der Antragsgegnerin ab dem Wintersemester 2014/2015 erreichen wollen, haben keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um von dem Rechtsuchenden wesentliche Nachteile abzuwenden. Dazu muss der Antragsteller, der eine vorläufige Zulassung zum Studium begehrt, sowohl die Dringlichkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) als auch einen Anspruch auf Zulassung zum Studium wegen nicht vollständig ausgeschöpfter Aufnahmekapazität der Antragsgegnerin in diesem Studiengang (Anordnungsanspruch) glaubhaft machen (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO).

Bzgl. des Antrags der Antragstellerin zu 10. (Rohr) hat die Antragsgegnerin dargelegt, bei ihr liege kein Antrag auf außerkapazitäre Zulassung gemäß § 2 Abs. 2 der Hochschul-Vergabeverordnung (Verordnung über die Vergabe von Studienplätzen durch die Hochschulen v. 22.06.2005, Nds.GVBl. S. 213, zuletzt geändert durch Verordnung v. 19.06.2014, Nds.GVBl. S. 158 - Hochschul-VergabeVO -) vor; der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin habe eine falsche Faxnummer verwendet. Beabsichtigt ein Bewerber oder eine Bewerberin einen Studienplatz auf dem Gerichtsweg außerhalb des Zulassungsverfahrens und der festgesetzten Zulassungszahl zu erlangen, muss zuvor gemäß § 2 Abs. 2 Hochschul-VergabeVO ein entsprechender Antrag bei der Hochschule eingegangen sein. Für den Antragseingang ist der Bewerber beweispflichtig (vgl. zum Zugang der Hochschulzugangsberechtigung VG Hannover, B. v. 04.03.2009 - 8 C 5068/08 -; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 1,  Rn. 77).

Die Antragstellerin zu 10. hat im gerichtlichen Verfahren die Kopie eines von ihrem Prozessbevollmächtigten erstellten Antrags auf außerkapazitäre Zulassung an die Antragsgegnerin vom 17.07.2014 vorgelegt. Ausweislich des ebenfalls vorgelegten Sendeprotokolls wurde dieser Antrag am 03.09.2014 an die Faxnummer 0531/39163708 (= Faxnummer des Gauß-IT-Zentrums der Antragsgegnerin) gesandt. Das Gericht lässt dahinstehen, ob der Antrag damit gemäß § 130 BGB analog der Antragsgegnerin zugegangen, d. h. so in ihren Bereich gelangt ist, dass diese unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGH, B. v. 21.06.2011 - II ZB 15/10, juris). Ebenso wenig muss geklärt werden, ob durch das mit einem „OK-Vermerk“ versehene Sendeprotokoll der Zugang des Telefaxes nachgewiesen werden kann (vgl. BGH, U. v. 19.02.2014 - IV ZR 163/13 -, juris). Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wäre jedenfalls unbegründet.

Ähnliches gilt für die einstweiligen Rechtsschutzanträge in den Verfahren der Antragstellerinnen zu 3., 6. und 13. (6 C 259/14 van Ackern, 6 C 351/14 Hahn; 6 C 365/14 Mac). Da diese jedenfalls unbegründet sind, lässt das Gericht offen, ob wegen fehlender Vorlage einer beglaubigten Kopie der Hochschulzugangsberechtigung bzw. einer eidesstattlichen Versicherung gemäß § 3 Hochschul-VergabeVO (im Original) bei der Antragsgegnerin lediglich unvollständige Anträge auf außerkapazitäre Zulassung (s. o.) gestellt wurden.

Alle Antragsteller haben jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin, die von einer Aufnahmekapazität von 63 Studienplätzen für den Studiengang Psychologie (Bachelor) ausgegangen ist, jedoch derzeit 72 Studienbewerber zugelassen hat (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin v.  20.10.2014, S. 2, telefonische Mitteilung v. 10.11.2014 und Schriftsatz v. 17.12.2014) ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft hat.

Maßstab für die Überprüfung der von der Antragsgegnerin ermittelten Zulassungszahl von 63 Studienplätzen ist die auf der Grundlage des § 9 NHZG ergangene Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen vom 23.06.2003 (Nds. GVBl. S. 222, i. d. F. der am 24.05.2014 in Kraft getretenen Verordnung vom 23.05.2014, Nds. GVBl. S. 145 - KapVO -). Das in allen Bundesländern weitgehend einheitliche Regelungswerk der Kapazitätsverordnungen, nach denen sich die Zahl der zum Studium zuzulassenden Studierenden aus einer Gegenüberstellung von Lehrangebot und Lehrnachfrage ergibt, ist ein geeignetes und daher verfassungsgemäßes Instrument zur Erfassung der Aufnahmekapazitäten der Hochschulen (vgl. BVerwG, U. v. 20.04.1990 - 7 C 74/87 -, juris Rn. 5).

Es ist nicht ersichtlich, dass die Berechnung der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Kapazitätsverordnung fehlerhaft ist. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KapVO ist die Aufnahmekapazität auf der Grundlage der Daten eines Stichtages zu ermitteln, der nicht mehr als neun Monate vor Beginn des Zeitraumes liegt, für den die zu ermittelnden Zulassungszahlen gelten (Berechnungszeitraum). Dieser Berechnungszeitraum setzt sich hier aus dem Wintersemester 2014/15 und dem Sommersemester 2015  zusammen. Die Antragsgegnerin hat klargestellt, dass sie ihrer Kapazitätsberechnung - unter Anwendung des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 20.12.2013 - den Berechnungsstichtag „01.02.2014“ zugrunde gelegt hat, sodass die Anforderungen der Stichtagsregelung erfüllt sind.

Die jährliche Aufnahmekapazität wird in zwei Verfahrensschritten ermittelt (§ 3 Abs. 1 KapVO). Zunächst ist die Aufnahmekapazität nach Maßgabe der §§ 6 ff. KapVO anhand der zur Verfügung stehenden personellen Ausstattung und unter Anwendung der Curricularnormwerte (CNW) zu berechnen (I.). Dieses Ergebnis ist sodann anhand der weiteren kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den §§ 14 ff. KapVO - insbesondere eines Schwundausgleichs - zu überprüfen (II.).

I. Die jährliche Aufnahmekapazität − ohne Berücksichtigung des Schwundfaktors − errechnet sich aus dem bereinigten Lehrangebot (Sb), dem gewichteten Curricularanteil aller einer Lehreinheit zugeordneten Studiengänge (CA) und dem Anteil der jährlichen Aufnahmekapazität eines zugeordneten Studiengangs an der Aufnahmekapazität der Lehreinheit (zp) nach folgender Formel (vgl. Abschn. II Formel 5 der Anlage 1 zur KapVO):

Ap = 2 x Sb : CA x zp

1. Das in die Kapazitätsberechnung einzustellende bereinigte Lehrangebot für den Studiengang ist auf der Grundlage des sog. unbereinigten Lehrangebots zu ermitteln, das um die Dienstleistungen zu reduzieren ist, die die Lehreinheit für ihr nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen hat (Abschn. I der Anlage 1 zur KapVO).

Das unbereinigte Lehrangebot einer Lehreinheit ist in Deputatstunden auszuweisen und errechnet sich aus den Lehrdeputaten der verfügbaren Stellen und der durch Lehraufträge zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputate; abzuziehen sind Verminderungen der Deputate nach der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen vom 02.08.2007 (Nds. GVBl. 408, i. d. F. d. Änd.VO v. 04.08.2014, Nds. GVBl. 235 - LVVO -, vgl. Abschn. I Nr. 1 der Anlage 1 zur KapVO).

Für die Berechnung sind demnach gemäß § 8 Abs. 1 und 3 KapVO zunächst alle haushaltsrechtlich besetzbaren Stellen des wissenschaftlichen und künstlerischen Lehrpersonals und der sonstigen Lehrpersonen nach Stellengruppen den Lehreinheiten zuzuordnen.

Nach den vorliegenden Unterlagen stehen der Antragsgegnerin für die Studiengänge Psychologie (Bachelor und Master) insgesamt 18,9 Planstellen zur Verfügung, die sich zusammensetzen aus:

7 W 3 - / W 2 - Stellen

(Professor/Professorin)

4 C 1 - Stellen

(Wiss. Assistent/Assistentin)

1 A 13 - Stelle

(Akad. Rat/Oberrat)

4 EG 13 TV-L- Stellen

(Wiss. Mitarbeiter/Mitarbeiterin zur Förderung des wiss. Nachwuchses - FwN -)

2,9 weitere Stellen

(Stellen aus Mitteln des Hochschulpaktes 2020, wiss. Dienst)

Das Lehrdeputat ist gemäß § 9 Abs. 1 KapVO die aufgrund der LVVO festgesetzte Lehrverpflichtung einer Lehrperson, gemessen in Lehrveranstaltungsstunden (im Folgenden: LVS).

Vorliegend ergibt sich eine Summe von 134 LVS, die sich wie folgt zusammensetzt:

63 LVS für 7 W 3 - / W 2 - Stellen mit jeweils 9 LVS gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 LVVO

16 LVS für 4 C 1 - Stellen mit jeweils 4 LVS gem. § 4 Abs. 2 Nr. 1 LVVO

10 LVS für 1 A 13 - Stelle gem. § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO

16 LVS für 4 E 13  TV-L-Stellen (FwN) mit jeweils 4 LVS gem. § 4 Abs. 2 Nr. 3 LVVO

29 LVS für 2,9 E 13 - Stellen (wiss. Mitarb., Umsetzung des Hochschulpakts 2020) mit jeweils 10 LVS gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO

Der Wegfall einer W 2 - Professur mit 9 LVS durch das Auslaufen der 2009/2010 eingeworbenen Stelle von Frau Prof. Dr. O. zum 30.03.2014 durch das sog. Professorinnenprogramm I des Bundes und der Länder zur Förderung von Frauen in Spitzenpositionen von Wissenschaft und Forschung ist nicht zu beanstanden. Diese Situation konnte für den maßgeblichen Berechnungszeitraum zum Stichtag 01.02.2014 auch schon berücksichtigt werden, obwohl die Stelle von Frau Prof. Dr. O., die nunmehr eine freigewordene reguläre Professur innehat, erst zum 31.03.2014 auslief. Denn gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 KapVO sollen wesentliche Änderungen von Daten bis zum Beginn des Berechnungszeitraumes (hier des WS 2014/2015) berücksichtigt werden, wenn sie im Zeitpunkt der Kapazitätsermittlung erkennbar sind. Im Übrigen werden nach den Angaben der Antragsgegnerin mit den wiederum eingeworbenen Mitteln des Professorinnenprogramms II keine Psychologieprofessorinnen gefördert.

Aus Mitteln des Hochschulpaktes 2020 finanzierte Stellen wurden nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur vom 20.12.2013 zu Nr. 4.2 berücksichtigt. Soweit sich die Verringerung dieser Stellen um 0,85 (= 8,5 LVS) kapazitätsmindernd ausgewirkt hat, können sich die Antragsteller nicht darauf berufen, die Stelle habe weiterhin für den Studiengang Psychologie Bachelor eingesetzt werden müssen. Der Hochschulpakt 2020 stellt eine die Hochschulfinanzierung betreffende Verwaltungsvereinbarung dar, die zwar Pflichten zwischen Bund und Ländern begründet, der jedoch keine drittbegünstigende Wirkung in dem Sinne beigemessen werden kann, dass hierdurch Ansprüche von Studienplatzbewerbern auf Verwendung von auf der Grundlage dieser Vereinbarung zur Verfügung gestellten Mitteln zum Ausbau der Kapazität gerade in dem Studienfach begründet würden, das sie studieren wollen (vgl. Nds. OVG, B. v. 13.08.2012 - 2 NB 439/10 -, juris Rn. 13 ff.). Stellenumwandlungen werden von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Die so errechnete Summe der Deputatstunden ist nach den Regelungen der KapVO um die durch Lehraufträge zusätzlich zur Verfügung stehenden Deputate zu erhöhen. Nach § 10 Satz 1 KapVO werden als Lehrauftragsstunden die Lehrveranstaltungsstunden, die nicht auf einer Regellehrverpflichtung beruhen, in die Berechnung einbezogen, soweit sie der Lehreinheit für den Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern im Durchschnitt je Semester zur Verfügung gestanden haben. Eine Lehrveranstaltung dient dem Ausbildungsaufwand nach § 13 Abs. 1 KapVO, wenn sie nach der zugrunde liegenden Prüfungsordnung dem Pflicht- oder Wahlpflichtbereich des Studiengangs zuzurechnen ist (ebenso VG Osnabrück, B. v. 27.10.2010 - 1 C 7/10 -, www.rechtsprechung.nieder-sachsen.de; Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl., § 10 KapVO Rn. 3; Zimmerling/Brehm, Hochschulkapazitätsrecht, Band 2, Rn. 406). Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin rechtsfehlerfrei ein für vergütete Lehrauftragsstunden zusätzlich zu berücksichtigendes Deputat von 4LVS angenommen (zu den nicht vergüteten Lehraufträgen s. u.). Insoweit wird auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 20.10.2014 zu 9 b) der gerichtlichen Aufklärungsverfügung verwiesen.

Von der danach errechneten Summe aus den Lehrdeputaten der zur Verfügung stehenden Lehrpersonen (134 LVS) und den durch vergütete Lehraufträge verfügbaren Deputaten (4 LVS) sind die Verminderungen der Lehrdeputate nach der LVVO abzuziehen. Hier ergibt sich ein Abzug von 8,75 LVS für zwei Professorinnen, denen auf Antrag Ermäßigungen gewährt wurden. Eine Professorin erhielt eine Reduzierung der Lehrverpflichtung als Vizepräsidentin für Lehre, Studium und Weiterbildung nach § 43 Abs. 3 Satz 1 und 5 NHG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVVO um 75 Prozent (6,75 LVS, s. Beschl. des Präsidiums der Antragsgegnerin vom 30.01.2013, Anl. 4 a zum Schriftsatz vom 20.10.2014). Die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LVVO erfordert - anders als bei einer Reduzierung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 LVVO - keine Interessenabwägung im Rahmen einer Ermessensentscheidung (vgl. Nds. OVG, B. v. 09.08.2012 - 2 NB 307/11 -, www.rechtsprechung.niedersachsen.de). Die bei der Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVVO erforderliche Ermessensbetätigung ist hinsichtlich der Entscheidung über die Reduzierung der Lehrverpflichtung um 2 LVS einer Professorin aufgrund ihrer Tätigkeit als Studiendekanin rechtlich nicht zu beanstanden. Das Präsidium hat die Interessen der Professorin und der Hochschulverwaltung mit den Interessen der Studienplatzbewerber hinreichend abgewogen (Protokoll der Präsidiumssitzung vom 26.06.2013, Anl. 4 b zum Schriftsatz vom 20.10.2014). Insofern liegt nicht (auch) ein Fall des Satzes 2 des § 7 Abs. 1 LVVO vor, da Prof. P. Studiendekanin und zugleich Oberstudiendekanin ist, aber kein weiteres Mitglied des Dekanats i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 3 Grundordnung der Antragsgegnerin (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 2. Halbs. NHG). Dass das Präsidium von § 7 Abs. 1 Satz 2 LVVO ausging, hat die Ermessensentscheidung nicht beeinflusst. Die Reduzierung um 2 LVS für Prof. Q. hat das Präsidium zwar am 26.06.2013 beschlossen (vgl. Anl. 4 c zum Schriftsatz vom 20.10.2014). Sie wird von der Antragsgegnerin aber nicht bei der Kapazitätsberechnung berücksichtigt (auch nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 KapVO; vgl. für alles Vorstehende VG Braunschweig, B. v. 20.12.2013 - 6 C 217/13 - u.a.).

Damit steht für die Studiengänge ein sogenanntes unbereinigtes Lehrangebot von 129,25 LVS zur Verfügung.

Für die Berechnung des sog. bereinigten Lehrangebots ist das unbereinigte Lehrangebot zu reduzieren um die Dienstleistungen (gemessen in Deputatstunden), die die Lehreinheit für ihr nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen hat. Dabei sind die Curricularanteile zugrunde zu legen, die für die Dienstleistungen für nicht zugeordnete Studiengänge auf die Lehreinheit entfallen (vgl. Abschn. I Nr. 2 der Anlage 1 zur KapVO).

Der Dienstleistungsaufwand für die nicht der Psychologie zugeordneten Studiengänge Integrierte Sozialwissenschaften (Bachelor) und Medienwissenschaften (2-Fächer-Bachelor) ist von der Antragsgegnerin zutreffend berücksichtigt worden (§ 11 KapVO, s. Schriftsatz der Beklagten v. 20.10.2014, S. 4 ff. sowie Anl. 5). Wegen des Dienstleistungsbedarfs der beiden genannten Studiengänge sind insgesamt 5,5632 LVS abzuziehen. Damit beläuft sich das bereinigte Lehrangebot auf insgesamt 123,6868 LVS.

2. Der gewichtete Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie (Bachelor) beträgt nach der auf vier Nachkommastellen begrenzten Berechnung des Gerichts 1,7581; der gewichtete Curricularanteil der Lehreinheit Psychologie (Master) 0,6432. Der CA-Wert beläuft sich daher auf 2,4013. Er setzt sich aus der Summe der gewichteten Curricularanteile der genannten einzelnen zugeordneten Studiengänge zusammen (vgl. Abschn. II Formel 4 der Anlage 1 zur KapVO). Ausgangspunkt für diese Berechnung ist der Curricularnormwert, der den insgesamt erforderlichen Lehraufwand für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem Studiengang bezeichnet und in Deputatstunden zu messen ist (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 KapVO). Dieser Curricularnormwert beläuft sich für den Studiengang Psychologie (Bachelor) auf insgesamt 3,2 und für den Studiengang Psychologie (Master) auf 1,6 (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 2 KapVO i. V. m. Abschn. A der Anlage 3 zur KapVO). Für die Ermittlung des Curricularanteils des Studiengangs Psychologie (Bachelor) sind die Anteile abzusetzen, die auf die am Lehrangebot für diesen Studiengang beteiligten Lehreinheiten Biowissenschaften (0,0847) und Mathematik (0,1753) entfallen (vgl. § 13 Abs. 4 KapVO). Danach ergibt sich ein von der Antragsgegnerin zutreffend ermittelter Curricularanteil des Studiengangs Psychologie (Bachelor) von 2,9400 (vgl. zu dieser Berechnungsweise: VG Braunschweig, B. v. 03.05.1991 - 6 C 6055/91 u. a. -; Nds. OVG, B. v. 22.12.1993 - 10 N 5838/93 u. a. -).

Zur Berechnung der gewichteten Curricularanteile aller der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengänge (CA) sind die Curricularanteile der zugeordneten Studiengänge mit der jeweiligen Anteilsquote zu multiplizieren und anschließend zu addieren. Die Anteilsquote eines einer Lehreinheit zugeordneten Studiengangs ist das Verhältnis der jährlichen Aufnahmekapazität dieses Studiengangs zur Summe der jährlichen Aufnahmekapazität aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge (§ 12 KapVO). Die Antragsgegnerin ist von Anteilsquoten von 0,5980 für den Bachelor- und 0,4020 für den Masterstudiengang ausgegangen. Dies ist angesichts des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums der Antragsgegnerin (s. o., vgl. VG Osnabrück, B. v. 27.10.2010, a. a. O.) nicht zu beanstanden. Für eine willkürliche und kapazitätsvernichtende Bemessung der Anteilsquoten durch die Antragsgegnerin und damit für einen Verstoß gegen das Gebot der erschöpfenden Nutzung der Kapazitäten gibt es keine Anhaltspunkte (vgl. dazu Bahro/Berlin, a. a. O., § 12 KapVO Rn. 3).

Nach Multiplikation der beiden Curricularanteile für den Bachelor- und den Masterstudiengang mit der jeweiligen Anteilsquote und anschließender Addition ergibt sich nach der Berechnung des Gerichts folgender Wert:

CA = (2,9400 x 0,5980) + (1,6000 x 0,4020)

 CA = 2,4013

Unter Berücksichtigung dieses Wertes, des bereinigten Lehrangebots und des Curricularanteils des Studiengangs Psychologie (Bachelor) ergibt sich nach der oben dargestellten Formel 5 (Abschn. II Anlage 1 zur KapVO) die folgende Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität (Ap):

Ap = (2 x 123,6868) : 2,4013 x 0,5980

Ap = 61,6038

II. Die nach den §§ 6 ff. KapVO ermittelte Aufnahmekapazität ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 16 KapVO um einen Schwundausgleich zu erhöhen, soweit zu erwarten ist, dass wegen Studienabbruchs, Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge. Die Antragsgegnerin hat nach dem sog. Hamburger Modell einen Schwundfaktor von 1,0195 (Bachelor) errechnet. Dieser Wert ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat für ihre in dem errechneten Wert zum Ausdruck kommende Prognoseentscheidung die tatsächlichen Studienanfängerzahlen zugrunde gelegt und alle Daten für den Zeitraum vom Sommersemester 2013 bis zum Wintersemester 2013/2014 berücksichtigt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie von unzutreffenden Daten ausgegangen ist oder unzulässige Faktoren berücksichtigt hat. Nachträglich durch Gerichtsentscheidungen zugelassene Studierende waren nicht zu berücksichtigen, weil die Kammer die Antragsgegnerin seit dem Sommersemester 2013 nicht zu einer Aufnahme weiterer Bewerber verpflichtet hat (vgl. zuletzt VG Braunschweig, B. v. 20.12.2013 - 6 C 217/13 u. a. - ). Beurlaubte Studierende wurden berücksichtigt (Schriftsatz der Antragsgegnerin v. 20.10.2014, S. 7). Das sog. Hamburger Modell ist ein anerkanntes Verfahren zur Ermittlung der Schwundquote (vgl. zu allem Bahro/Berlin, a. a. O., § 16 KapVO Rn. 3, 5 f.).

Danach ergibt sich nach den Regelungen der KapVO unter Berücksichtigung eines Schwundausgleichs eine jährliche Aufnahmekapazität im Studiengang Psychologie (Bachelor) von insgesamt 62,8050 und damit gerundet 63 Studienplätzen (61,6038 x 1,0195).

Darüber hinaus bestehenden Zweifeln an der Berechnung musste in den vorliegenden Verfahren nicht nachgegangen werden. Auch unter Berücksichtigung eventuell noch in Betracht kommender Erhöhungen der Lehrveranstaltungsstunden haben die einstweiligen Rechtsschutzanträge keinen Erfolg. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Es ist fraglich, ob bei der Kürzung der EG 13-TV-L-Stellen für wiss. Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen zur Förderung des wiss. Nachwuchses (FwN) um eine Stelle (= 4 LVS) auf nunmehr nur noch insgesamt 4 Stellen die Belange der Studienbewerber der betroffenen Studiengänge und diejenigen von Forschung, Lehre und Studium entsprechend dem Kapazitätserschöpfungsgebot abgewogen worden sind. Eine Abwägung in diesem Sinne lässt sich den Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 17.12.2014 unter Hinweis auf den Beschluss ihres Präsidiums vom 18.09.2014 nicht entnehmen. Ebenfalls ist nicht nachvollziehbar, ob die zur Finanzierung der Professorinnenstelle aus dem Professorinnenprogramm um 50 % gekürzte EG 13-TV-L- Stelle mit dem Auslaufen dieser Stelle (s. o.) wieder ungekürzt (mit 2 zusätzlichen LVS) berücksichtigt wurde. Darüber hinaus ist derzeit nicht geklärt, ob die erbrachten unvergüteten Lehrleistungen in Pflicht- und Wahlpflichtveranstaltungen aus Lehraufträgen in Höhe von durchschnittlich 5 LVS im SS 2013 und im WS 2013/2014 (vgl. Stellungnahme der Antragsgegnerin v. 20.10.2014 zu 9 c. der gerichtlichen Aufklärungsverfügung) rechtsfehlerfrei nicht kapazitätserhöhend in die Berechnung eingestellt wurden. Gemäß § 10 Satz 2 KapVO werden Lehrleistungen nicht in die Berechnung einbezogen, die von Personal von Forschungseinrichtungen außerhalb der Hochschule freiwillig und unentgeltlich übernommen werden. Während die Recherchen des Gerichts Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass die Lehrkraft Frau Dr. R. beim Deutschen Luft- und Raumfahrzentrum Braunschweig beschäftigt ist, ist Frau Prof. Dr. S. Professorin für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie und Lehrbeauftragte für Sozialpsychologie bei der Antragsgegnerin (www.tu-braunschweig.de /psychologie/abt/aos/mitarbeiterinnen/dowling).

Selbst bei Berechnung des Lehrangebotes unter Addition weiterer 11 LVS  ergäbe sich nur ein bereinigtes Lehrangebot von 67,0825 LVS, das unter Berücksichtigung des Schwundfaktors zu einer Ausbildungskapazität von 68,3906 (gerundet 68) Studienplätzen führt. Diese 68 Studienplätze sind von der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch tatsächlich im Wege einer Überbuchung um 9 Studienplätze vergeben worden. Diese 9 Studienplätze sind auch zu berücksichtigen; d. h. mit ihrer Vergabe sind etwa noch vorhandene (verborgene) Studienplätze belegt und die vorhandenen Kapazitäten ausgeschöpft worden. Zu entsprechenden Überbuchungen hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 20.01.2013

(2 NB 286/12, juris) Folgendes ausgeführt:

„Überbuchungen sind grundsätzlich zulässig (vgl. etwa Beschl. v. 22.5.2012 - 2 NB 306/11 -; Beschl. v. 15.12.2011 - 2 NB 104/11 -, juris; Beschl. v. 23.12.2010 - 2 NB 93/10 u.a. -; Beschl. v. 25.11.2009 - 2 NB 648/08 u.a. -; Beschl. v. 21.1.2008 - 2 NB 283/07 -, jeweils m.w.N.). Nach § 5 Abs. 4 der Hochschul-Vergabeverordnung kann die Hochschule durch eine Überbuchung berücksichtigen, dass Studienplätze voraussichtlich nicht angenommen werden. Damit wird keine neue Kapazität erschlossen, sondern lediglich die in der Zulassungszahl erfasste Kapazität wirksam genutzt. Ob die Hochschule überbucht oder nachrücken lässt, ist keine Frage der verfassungsrechtlich gebotenen vollständigen Kapazitätsausnutzung, sondern richtet sich nach verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeitserwägungen. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Hochschule zu entscheiden, welcher der beiden Maßnahmen sie den Vorzug gibt (Senatsbeschl. v. 21.1.2008 - 2 NB 283/07 - unter Hinweis auf Beschl. d. ehemals für das Kapazitätsrecht zuständigen 10. Senat des erkennenden Gerichts v. 25.8.1981 - 10 B 770/81 -, SchlHA 1981, 165).

Überbuchungen zehren die vorhandene Kapazität auf. Für einen Zuteilungsanspruch des Studienplatzbewerbers müsste deshalb vom Gericht das Vorhandensein einer über die bereits vorgenommenen Überbuchungen hinaus bestehenden freien Kapazität festgestellt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 29.6.2004 - 2 NB 859/04 -, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.8.2009 - 5 NC 7.09 -, juris Langtext Rdnr. 10 m. w. N.).

Zwar kann eine Überbuchung infolge von Prognoseunsicherheiten dazu führen, dass mehr Studierende zugelassen werden als in der Zulassungszahlenverordnung vorgesehen, was die Chancen anderer Studienbewerber schmälert, im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens an einen Studienplatz zu gelangen (vgl. dazu auch Schemmer, DVBl. 2011, 1338, und Maier, DVBl. 2012, 615). Das ist jedoch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wer sich für einen Platz unter den Begünstigten einer Überbuchung durch seine Rangziffer qualifiziert (vgl. zu dieser Erwägung in anderer Einkleidung auch BVerwG, Urt. v. 23.3.2011 - 6 CN 3.10 -, BVerwGE 139, 210 = NVwZ 2011, 1135; dazu Müller, NVwZ 2011, 1113, 1114: "zulassungsnahe Qualifikation"), braucht nicht hinter Eilantragstellern zurückzustehen, zumal ihm ebenfalls das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG zur Seite steht.

An Grenzen mag das Instrument der Überbuchung freilich dort stoßen, wo es "rechtsmissbräuchlich" gehandhabt wird, etwa um die tatsächlich vorhandenen Kapazitäten zu verschleiern oder um den vom Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil vom 23. März 2011 angesprochenen "Anreiz" zur Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren. Führen Überbuchungen wiederholt zu deutlich mehr Zulassungen als der Zulassungszahlenverordnung entspricht, kann dies unter Umständen einen Hinweis darauf geben, dass die Hochschule ihre Kapazität grundsätzlich unrichtig ermittelt oder angibt. Da die Überbuchung allerdings auf einer Prognose über das Annahmeverhalten der Studierenden beruht, ist auch in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die gerichtliche Überprüfung von Prognosen ihrem Wesen nach auf die Frage beschränkt ist, ob der Sachverhalt zutreffend ermittelt und der Prognose eine geeignete Methode zugrunde gelegt worden ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1992 - 1 BvR 167/87 -, BVerfGE 88, 40 = NVwZ 1993, 666; BVerfG, 3. K. d. 1. Senats, Beschl. v. 10.12.2009 - 1 BvR 3151/07 -, BVerfGK 16, 418 = NVwZ 2010, 435).

Insoweit ist allerdings kein enger Maßstab anzulegen, denn eine großzügige Überbuchung ist "kapazitätsfreundlich" und verliert diese aus der Sicht der Studierwilligen positive Eigenschaft auch nicht dadurch, dass sie zu Verschiebungen der Zulassungsquoten zwischen der Gruppe der Bewerber mit "zulassungsnaher Qualifikation" einerseits und der Gruppe der Eilantragsteller andererseits führt. Bei der Einschätzung des Annahmeverhaltens der zugelassenen Bewerber darf deshalb Raum gelassen werden für Prognosefehler zugunsten von Studienbewerbern mit "zulassungsnaher Qualifikation". Für eine Argumentation mit mathematischen Scheingenauigkeiten ist in diesem Zusammenhang deshalb von vornherein kein Raum. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Hochschulen auf die Herausforderungen, die sich durch doppelte Abiturjahrgänge und die Aussetzung von Dienstpflichten gestellt haben, für einen begrenzten Zeitraum mit einer besonderen "Kraftanstrengung" geantwortet und dabei auch berücksichtigt haben, dass in einer solchen Situation in besonderem Maße mit der Nichtannahme von Studienplätzen zu rechnen ist, weil der verstärkte Zulauf zu den Hochschulen durch die Zulassungsverfahren nur unzureichend geordnet werden kann. Für diese besondere Situation kann nicht ohne Weiteres auf Erfahrungswerte der Vorjahre zurückgegriffen werden.“

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Überbuchung rechtsmissbräuchlich oder willkürlich herbeigeführt hat, sind nicht ersichtlich. Insoweit verweist das Gericht auf die plausiblen Ausführungen der Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 19.12.2014.

Nach alledem kommt es auf die Möglichkeit, Psychologie an der Fernuniversität Hagen zu studieren, nicht an.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts, den Streitwert in Eilverfahren mit dem Ziel der vorläufigen Zulassung zu einem Vollstudium auf den Auffangwert festzusetzen, weil solche Verfahren in aller Regel die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen (vgl. Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, NVwZ, Beil. 2/2013, S. 57 ff. zu Nr. 18.1 und 1.5 Satz 2 sowie Nds. OVG, B. v. 28.04.2004 - 2 NB 729/04 - und VG Braunschweig, B. v. 25.10.2007 - 6 C 295/07 - m. w. N.).