Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.03.2022, Az.: 5 A 5732/21

Asylanerkennung; Flüchtlingseigenschaft; innerstaatliche Fluchtalternative; innerstaatlicher Schutz; Jonglei; Juba; Rücknahme; Schutzalternative; Subsidiärer Schutz; Subsidiärer Schutz bejaht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.03.2022
Aktenzeichen
5 A 5732/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59857
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Rücknahme der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist rechtmäßig, weil der Kläger jedenfalls wesentliche Tatsachen verschwiegen hat.
2. Es liegen stichhaltige Gründe für die Annahme vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Jonglei State einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sein würde.
3. Der Kläger ist auch nicht auf Juba als innerstaatliche Schutzalternative zu verweisen, weil er auch dort der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) und nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG).

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen.

Der Bescheid der Beklagten vom H. 2021 wird hinsichtlich der Nr. 3 des Entscheidungstenors aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, jeweils zur Hälfte.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Der 1957 geborene Kläger ist südsudanesischer Staatsangehöriger vom Volk der I. und christlicher Religionszugehörigkeit. Er reiste am 30. Juni 2017 auf Einladung der J. AG vom K. 2017 mit einem von der Deutschen Botschaft in Uganda am L. 2017 ausgestellten Visum zum kurzfristigen Aufenthalt auf dem Luftweg in das Bundesgebiet ein. Am 12. Juli 2017 stellte er einen Asylantrag. Er legte unter anderem ein durch die südsudanesische Botschaft in Kampala, Uganda, am M. 2017 ausgestelltes Ersatzreisedokument vor.

Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – am 13. Juli 2017 gab er an, er habe bis zu seiner Ausreise am 7. Juni 2017 in N. gelebt. Im Südsudan lebten noch eine Schwester, ein Bruder, seine Ehefrau und neun Kinder, von denen drei von seinem verstorbenen Bruder seien, die er als seine eigenen Kinder betrachte. Er habe Studienabschlüsse in Wirtschaft und Verwaltung der Universität O., in Management und Handel der Universität P. in Q. und der Universität R. in S.. Seit 2010 sei er für die T. Abgeordneter des südsudanesischen Parlaments gewesen. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab er im Wesentlichen an, für die Regierung gearbeitet zu haben. Eines Tages sei ein mit ihm befreundeter Anwalt, U., getötet worden. Daraufhin habe ihn ein Sicherheitsbeamter nach einem Sicherheitsmeeting der Regierung angesprochen und ihm Fragen gestellt. Am Abend des 1. oder 2. Juni 2017 sei ein weiterer Sicherheitsbeamter erschienen und habe ihm mitgeteilt, dass er auf einer schwarzen Liste stehe. Damit sei ihm das Vertrauen entzogen worden und man habe ihm vorgeworfen, für die Opposition zu arbeiten. Er sei daraufhin am 7. Juni 2017 ausgereist. Bei einer Rückkehr fürchte er, von der Regierung als Oppositioneller betrachtet zu werden. Auf Vorhalt gab er an, das Reisedokument vom V. 2017 sei aus Uganda. Juba habe er mit seinem Reisepass verlassen. Es handele sich dabei um einen speziellen Diplomatenausweis. Das Notreisedokument habe er in Uganda bekommen, weil anlässlich der Ausstellung seines Visums sein Reisepass dort habe bleiben müssen. Die schwarze Liste sei in der Botschaft nicht angekommen. Er habe den Südsudan nicht als Rebell verlassen, sondern für einen normalen offiziellen Besuch, sodass ihm am V. 2017 noch ein Ersatzreisedokument von der Botschaft ausgestellt worden sei. Er habe der Person vertraut, die ihm gesagt habe, dass er auf der schwarzen Liste stehe. Man sollte im Südsudan nicht auf eine zweite Warnung warten. Nachdem er ausgereist sei, würden die ganz sicher denken, dass er zu einer der Oppositionsgruppen gehöre.

Mit Bescheid vom W. 2018 hat die Beklagte den Kläger als Asylberechtigten anerkannt und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Am X. 2021 erhielt die Beklagte einen Hinweis darauf, dass der Vater der Klägerin auf Einladung einer deutschen Firma sowie auf Kosten des südsudanesischen Staates eingereist sei. Er habe sich unter anderem Y. in Z. mit südsudanesischen Regierungsvertretern, insbesondere mit dem Präsidenten und dem ersten Vizepräsidenten, getroffen. Die Beklagte ermittelte unter anderem durch schriftliche Befragung des Vorstandes der J. AG.

Das Bundesamt hörte den Kläger mit Schreiben vom 14. Juli 2021 zur beabsichtigten Rücknahme seines Asylbescheides an. Im Rücknahmeverfahren trug er vor, bereits in seiner Anhörung im Asylverfahren habe er angegeben, Südsudan nicht fluchtartig, sondern Im Wege eines normalen offiziellen Besuchs verlassen zu haben. Ein Kontakt mit dem Präsidenten des Südsudan reiche nicht aus, um anzunehmen, dass er das Bundesamt über die Hintergründe seiner Ausreise getäuscht habe. Er werde als Angehöriger des Stammes der I. verfolgt. Er spreche seit 2013 die Menschenrechtsverletzungen und Ungerechtigkeiten gegenüber seinem Stamm öffentlich an. Im Jahr 2013 seien der Chef seines Stammes, AA., durch die Nuer, sowie sein Freund und Rechtsanwalt AB., durch „unknown gunmen“ ermordet worden. Insbesondere für die Minderheit der I. gelte, dass es den Präsidenten nicht interessiere, wenn unter den ermordeten Personen Politiker seien. Morde würden nicht aufgeklärt. Die Regierung habe auch kein Interesse an präventiven Maßnahmen. Durch seine Aktivitäten seien er und seine Familie in großer Gefahr. Zudem begründe allein die Situation im Südsudan den subsidiären Schutz nach § 4 AsylG. Anfang Juni 2017 sei er von der J. AG angesprochen worden, die für das World Food Programme in die Produktion von Gemüse und Getreide investiere. Ein Großteil des benötigten Bodens stelle der Stamm der I. zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund sollte er nach Deutschland reisen und das Projekt vorbereiten. Die Regierung habe dies unterstützt, da es sich um eine Maßnahme im Rahmen des World Food Programme handele. Auch die Nuer hätten auf diese Weise von dem Projekt erfahren, welches nicht in ihrem Interesse sein könne. Seine Ausreise habe wohl vermieden werden sollen, um das Projekt zu verhindern. Er habe sich wirklich sofort auf den Weg gemacht, als er erfahren habe, dass er auf der schwarzen Liste stehe. Der beste Beweis hierfür sei, dass er bei seiner Ankunft in Frankfurt nur 80 USD und keine sonstigen Wertsachen bei sich gehabt habe. Die Einreise mit Visa sei im Rahmen seines Asylantrages offengelegt worden. Von einer Täuschung könne daher nicht die Rede sein. Er sei seinem Volk fest verbunden. So habe er die Chance, die deutsche Firma als Stammesangehöriger zu beraten, genutzt. Im AC. 2019 sei er gemeinsam mit dem Geschäftsführer der deutschen Firma nach Z. gereist, um dort den Präsidenten der Republik Südsudan zu treffen, der sich zusammen mit anderen führenden Politikern einige Tage lang zu Besuch im Vatikanstaat aufgehalten habe. Um das Landwirtschaftsprojekt zu besprechen, hätten sie den Präsidenten, den Vizepräsidenten und einige andere Regierungsmitglieder getroffen. Die bestehende Gefahr sei er im Interesse seines Stammes eingegangen. Die Gefahr für ihn und seine Familie gehe auch nicht von der Zentralregierung aus, sondern von örtlichen Kräften. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der I. schütze die Regierung ihn und seine Familie nicht. Die Regierung riskiere es umgekehrt aber aus politischen Gründen auch nicht, internationale Hilfsprogramme auf ihrem Stammesgebiet zu verhindern. Er unterstütze seinen Stamm aus dem Exil nach Kräften. Bei einer Rückkehr würde er gerade deshalb verfolgt werden, vor allem aus dem Stamm der Nuer heraus.

Mit Bescheid vom H. 2021 nahm das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Klägers vom W. 2018 zurück. Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Beklagte bezieht sich dabei auf § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylG. Der Kläger habe das Bundesamt getäuscht, um eine asylrechtliche Begünstigung zu erlangen, auf deren Basis er seine gesamte Familie habe nachholen können. Während er in seinem Asylverfahren seine Flucht noch als spontanen Akt geschildert habe, sei es in Wahrheit eine von langer Hand geplante Möglichkeit eines nicht Verfolgten gewesen, sich durch eine Geschäftsreise Zugang nach Europa und eine asylrechtliche Begünstigung in Deutschland zu verschaffen. Er habe verschwiegen, dass er die seit langem geplante Geschäftsreise auf Basis einer Beziehung zu der deutschen Firma genutzt habe. Auch das Verschweigen wichtiger Umstände und Tatsachen rechtfertige eine Rücknahme der asylrechtlichen Begünstigung. Zudem zeuge das Treffen mit dem südsudanesischen Staatspräsidenten im AD. klar davon, dass ihm zu keinem Zeitpunkt Regierungsvertreter nach dem Leben getrachtet hätten. Genau dies habe er aber im Anerkennungsverfahren behauptet. Es sei lebensfremd, das Treffen losgelöst von der eigenen Gefährdungssituation betrachten zu wollen. Die Regierung habe ihm gewisse Vorteile und die Förderung ihres Landes im World Food Programme zu verdanken. Dass sich bei diesem Treffen seine angebliche Verfolgungssituation also nicht hätte bereinigen lassen, erschließe sich nicht. Er trage nunmehr ganz andere Verfolgungsgründe als 2017 vor. So habe er damals nicht von einer latenten Gefährdung über Jahre, sondern von Hinweisen eines Sicherheitsbeamten im Jahr 2017 gesprochen. Auch die Umstände um die Petition seien neu und entsprächen eher den Angaben seines Mitreisenden AE., der nach erfolglosem Asylverfahren unverfolgt in den Südsudan zurückgekehrt sei. Nach all den offenbar aus taktischen Gründen nachgeschobenen Behauptungen erscheine das Treffen in Z. nochmals unverständlicher. Er und seine Familie seien im Südsudan in hohem Maße privilegiert. Er sei Abgeordneter des südsudanesischen Parlaments, seine Kinder besuchten teure Privatschulen bzw. Internate in AF.. Nach Angaben der Kinder hätten sie die meiste Zeit über mit der Familie in AF. gelebt und verfügten also dort über einen verfestigten Aufenthaltsstatus. Eine Bedrohungslage habe für die Familie zu keinem Zeitpunkt bestanden. Zudem sei davon auszugehen, dass er auf der Gehaltsliste seiner Regierung stehe. Er müsse sich fragen lassen, wie er trotz Sozialleistungsbezug in Deutschland nur pro bono gearbeitet und gleichzeitig noch über mehrere Jahre die Privatschulen seiner Kinder finanziert haben wolle. Zusammenfassend sei er als privilegierter Politiker und Geschäftsmann zu keinem Zeitpunkt einer Verfolgung ausgesetzt oder hiervon bedroht gewesen. Seine Asylanerkennung und die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes basierten auf einer Täuschung der deutschen Behörden. Angesichts seiner privilegierten Lage würden sich bei einer Rückkehr auch keine besonderen Risiken im Rahmen des § 4 AsylG verwirklichen. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Er sei wohlhabend und könne sich eine private Krankenversicherung oder eine medizinische Behandlung im Ausland leisten.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 11. Oktober 2021 Klage erhoben. Er habe die Beklagte nicht getäuscht. Er habe sämtliche Angaben einschließlich seiner Parlamentsangehörigkeit gemacht, sowie seinen Pass und sein Notfallreisedokument vorgelegt. Auch von der Einreise mit einem Visum habe er berichtet. Er behauptet, die Tatsache des Geschäftstermins mit der J. AG sei von Anfang an bekannt gewesen. Es sei insoweit an der Beklagten gewesen, ihm Fragen zur Visaerteilung zu stellen. Bei einer geplanten Ausreise hätte er bei seiner Ankunft in Deutschland nicht nur 80 USD und keine weiteren Wertsachen bei sich gehabt. Privilegierung schütze vor Verfolgung nicht. Er gehöre einer kleinen Minderheit an und setze sich nachhaltig für deren Wohl ein. Er habe sich 2019 mit dem Präsidenten des Südsudan in Z. getroffen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte dazu komme anzunehmen, der Kläger habe sich nicht pro bono für sein Volk eingesetzt. Herr AE. sei nicht in den Südsudan, sondern nach AF. ausgereist. Zudem habe der Kläger eine weitaus exponiertere Stellung als Herr AE., sodass diese Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Der Frieden im Südsuan sei fragil. Die Beklagte habe die aktuelle Situation im Südsudan nicht beleuchtet. Es sei erforderlich, die ethnische Zugehörigkeit der Personen und die Verhältnisse in der jeweiligen Provinz zu prüfen. Wäre, wie die Beklagte meine, Frieden im Südsudan, bedürfte es der UNMISS nicht. Der Deutsche Bundestag habe nicht ohne Grund die deutsche Beteiligung an UNMISS nochmals verlängert. Er mache nunmehr im Wesentlichen geltend, dass er durch die besonderen Rivalitäten und sein starkes öffentliches Eintreten für die I. verfolgt werde. Die Regierung habe dabei kein Interesse, ihm ausreichen Schutz zu gewähren, weil er einer nur sehr kleinen Volksgruppe angehöre. Die Corona-Pandemie breite sich in einem nicht abschätzbaren Umfang im Südsudan aus. Eine hinreichend sichere Rückkehrprognose sei mangels Datengrundlage insoweit nicht möglich. Er sei ein hochrangiger Politiker. Seine Familienangehörigen hätten sich, wenn überhaupt, nur sehr wenig politisch interessiert gezeigt und seien nicht öffentlich politisch in Erscheinung getreten und hätten auch keine hohen politischen Ämter innegehabt. Seine Tochter, die sich bei der südsudanesischen Tochterfirma der J. AG beworben habe, halte sich in Australien auf, und habe so auch eine räumliche Trennung vom politischen Vater.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom H. 2021 aufzuheben,

hilfsweise, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom H. 2021 zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den Rücknahmebescheid. Der Konflikt zwischen Nuer und I. wurzele im 19. Jahrhundert. Im Jahr 2017 hätten mehr als 80 Politiker der I. -Community in AG. eine Petition aufgesetzt, mit der sie sich direkt an Präsident Kiir gewandt hätten, um den Zusammenschluss von AG. und AH. zu einem neuen Bundesstaat „AI.“ zu erreichen. Zur Begründung sei aufgeführt worden, dass die I. nicht ausreichend repräsentiert und bisher ignoriert worden seien. Da bisher kein „AI. -State“ bekannt geworden sei, könne vermutet werden, dass die Petition gescheitert sei. Daneben sei seit 2019 eine Online-Petition mit 261 Unterschriften zu finden, die ein selbständiges Land der I. als Zusammenschluss aus AG., AH. und AJ. (AK.) fordere. Im Jahr 2013 hätten sich Vertreter der I. in einem Brief an die Regionalregierung von AL. State und an den Präsidenten gewandt, um eine immer schlechter werdende Sicherheitslage sowie ein Vorgehen von Angehörigen der Nuer gegen Angehörige der I. zu bemängeln. Es sei jedoch nicht bekannt, dass sich das gewaltsame Vorgehen auf Mitglieder ethnischer Minderheiten konzentriere, nur weil sie dieser angehörten. Angehörige der Nuer und anderer ethnischer Gruppen kämpften nicht nur gegen die I.. Vieh, Land und Rache seien die im Vordergrund stehenden Motive. Eine Verfolgungsgefahr allein aufgrund der Zugehörigkeit zu den I. sei aktuell nicht bekannt. Die Beklagte macht detaillierte Ausführungen zu einzelnen Generälen und ihren Gruppierungen, die der Kläger als für sich gefahrerhöhend aufgezählt hatte. Auf diese Ausführungen im Schriftsatz vom 18. Januar 2022 wird verwiesen. Die vom Klägervertreter genannten Gruppierungen seien in unterschiedlichen Teilen des Südsudan aktiv. Eine landesweite Aktivität dieser Gruppen sei nicht bekannt. Bezüglich der Regionen, in denen diese Gruppen aktiv seien, lägen keine Informationen darüber vor, dass staatliche Sicherheitskräfte dort ausreichenden Schutz bieten könnten, wenn eine exponierte, bekannte Einzelperson von den besagten Gruppen bedroht wäre oder eine Bedrohung fürchte. Dass sich darüber hinaus der Kläger mehrfach öffentlich zu Menschenrechtsfragen geäußert haben wolle, habe trotz intensiver Suche durch keine Quelle des Informationssystems bestätigt werden können. Die Beklagte legte eine weitere Stellungnahme des Zeugen AM., Vorstand der J. AG, vor, auf die hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung eines Zeugen. Hinsichtlich des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klage richtet sich im Hauptantrag als Anfechtungsklage gegen die zurücknehmenden Nr. 1 und 2 des Bescheides der Beklagten vom H. 2021. Im Hilfsantrag begehrt der Kläger unter Aufhebung der Nr. 3 des Bescheides vom H. 2021 die Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Hinsichtlich der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), ist der Bescheid vom H. 2021 in Bestandskraft erwachsen, weil der Klageantrag der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage eindeutig auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes beschränkt ist (BVerwG, Urteil vom 15.4.1997 - 9 C 19/96 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 07.11.2017 - 15 ZB 17.31475 -, juris Rn. 18).

Die Rücknahme der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (1.). Der Kläger hat allerdings einen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG (2.).

1. Die Anfechtungsklage gegen die Nr. 1 und 2 des Bescheides der Beklagten vom H. 2021 ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Asylanerkennung und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 73 Abs. 2 Satz 1 bzw. 2 AsylG. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylG ist die Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge des Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 AsylG ist Satz 1 ist auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entsprechend anzuwenden.

a) Hier liegen Rücknahmegründe vor, weil der Kläger jedenfalls wesentliche Tatsachen verschwiegen hat.

Rücknahmegründe sind allein unrichtige Angaben und das Verschweigen wesentlicher Tatsachen (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylG). Unrichtige Angaben im Sinne von § 72 Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Angaben, die mit den objektiven Gegebenheiten nicht übereinstimmen. Neben der positiven Falschangabe ist auch das gänzliche Verschweigen wesentlicher Tatsachen tatbestandsmäßig. Wesentlich sind solche Tatsachen, die für die Anerkennungsentscheidung maßgeblich sind. Dem Ausländer müssen die Tatsachen positiv bekannt sein. Das Verschweigen erfordert ein bewusstes Nichtsagen oder Verheimlichen (VG Gelsenkirchen Urteil vom 19.8.2021 – 5a K 3484/18.A –, juris). Die Rücknahme setzt nicht voraus, dass der Ausländer selbst unrichtige Angaben gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat; eine subjektive Täuschungs- oder Unterdrückungsabsicht ist ebenso wenig erforderlich wie Arglist oder ein Verschulden. Es genügt vielmehr, dass dem Ausländer die unrichtigen Angaben oder das Verschweigen wesentlicher Tatsachen, die zu einer objektiv fehlerhaften tatsächlichen Grundlage für die Anerkennungsentscheidung geführt haben, zuzurechnen waren (BVerwGE 148, 254 Rn. 17 = NVwZ 2014, 664 Rn. 17; VG Hamburg BeckRS 2021, 9314 Rn. 25; VG Gelsenkirchen Urteil vom 19.8.2021 – 5a K 3484/18.A –, juris; Fleuß, in: BeckOK AuslR, 32. Ed. 1.1.2022, § 73 AsylG Rn. 30 ff.). Der Ausländer ist als Asylberechtigter „auf Grund“ unrichtiger Angaben oder „infolge“ Verschweigens wesentlicher Tatsachen anerkannt worden, wenn diese Angaben oder dieses Verschweigen kausal für die Anerkennung waren. Die falsche Tatsachengrundlage muss aus Rechtsgründen entscheidungserheblich gewesen sein. Dass eine falsche Tatsachengrundlage entscheidungserheblich gewesen ist, muss feststehen; bloße Zweifel genügen insoweit nicht. Die Darlegungs- und Feststellunglast trägt das Bundesamt (VG Berlin 10.11.2004 – 36 X 42998 – juris Rn. 31; VG Würzburg BeckRS 2020, 26878 Rn. 14; Fleuß, in: BeckOK AuslR, 32. Ed. 1.1.2022, § 73 AsylG Rn. 30 ff.)

Hier war es kausal für die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, dass der Kläger verschwiegen hat, dass er auf Einladung der J. AG und im Rahmen einer Geschäftsreise in das Bundesgebiet eingereist ist, um gemeinsame Projekte im Südsudan zu fördern und Kontakte in südsudanesische Regierungskreise zu vermitteln. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 13. Juli 2017 im Wesentlichen geltend gemacht, dass er von einem Sicherheitsmann darüber informiert worden sei, dass er auf einer schwarzen Liste stehe. Wenige Tage später sei er ausgereist. Bei einer Rückkehr fürchte er, von der Regierung als Oppositioneller betrachtet zu werden. Diese Angaben machte er vor dem Hintergrund, dass er Parlamentsabgeordneter sei. Hätte das Bundesamt Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger auf Einladung der J. AG und zur Förderung gemeinsamer Projekte im Südsudan in das Bundesgebiet eingereist ist und es gerade seine Aufgabe gewesen ist, Kontakte in südsudanesische Regierungskreise zu vermitteln, wäre die Anerkennung als Asylberechtigter bzw. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht erfolgt. Es ist auch offensichtlich, dass diese Angaben im Rahmen eines Asylbegehrens von großer Relevanz sind, sodass der Kläger die Verantwortung dafür, sich hierzu nicht geäußert zu haben, auch nicht darauf abwälzen kann, die Beklagte habe insoweit nicht hinreichend nachgefragt.

Auch die Versäumung der Prüfungsfrist des § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylG führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Rücknahme (BVerwG, Urteil vom 5.6.2012, ZAR 2013, 36 [BVerwG 05.06.2012 - BVerwG 10 C 4.11], beck-online; Hocks/Leuschner, in: Hormann, AuslR, 2. Aufl., § 73 AsylVfG Rn. 38). Denn ein Betroffener, bei dem die Erstüberprüfung versäumt wurde, kann insoweit nicht besser stehen als ein Betroffener, bei dem sie zu keinem Widerruf geführt hat (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 73 AsylG Rn. 29).

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus anderen Gründen (§ 72 Abs. 2 Satz 1 a.E. AsylG).

Rechtsgrundlage für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 S. 1 AufenthG. Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Verfolgt ist dabei nur, wer persönlich Ziel der Verfolgungsmaßnahe war, bzw. im Falle seiner Rückkehr sein wird. Die fragliche Maßnahme muss dem Betroffenen gezielt Rechtsverletzungen zufügen. Daran fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 -, BVerfGE 80, 315-353 = juris Rn. 43; Thiedemann, Flüchtlingsrecht, S. 38 Rn. 52).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der Kläger konnte eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft vortragen.

Maßgebend ist insoweit der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32). Dabei greift zugunsten eines Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 19; (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 19; Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337, S. 9) - QRL -). Es ist Sache des Ausländers, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen, wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist, als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (Nds OVG, Urteil vom 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 32; BVerwG, Beschluss vom 29.11.1996 - 9 B 293.96 - juris Rn. 2). An der Glaubhaftmachung fehlt es regelmäßig, wenn der Schutz vor Verfolgung Suchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn die Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert (Nds. OVG, Urteil vom 7.7.2008 - 9 LB 52/06 -, juris, m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen ist das Gericht von der Wahrheit des vom Kläger behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals nicht überzeugt. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 AsylG vorliegen, kann deshalb dahinstehen.

Ursprünglich hatte der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt nach § 25 AsylG im Wesentlichen vorgetragen, er sei ausgereist, weil er auf der schwarzen Liste stehe und deshalb sein Leben in Gefahr sei. Dieses Vorbringen ist unglaubhaft, weil es oberflächlich bleibt und im Laufe des Verfahrens gesteigert und hinsichtlich des Verfolgungsakteurs auch gewechselt worden und zudem durch das Treffen in Rom und die glaubhafte Aussage des Zeugen widerlegt ist. Vor dem Bundesamt gab der Kläger noch an, wenn man auf der schwarzen Liste stehe, dann heiße das, dass die Regierung einem nicht mehr vertraue. Es werde einem vorgeworfen, dass man für die Opposition arbeite (Seite 5 des Anhörungsprotokolls). Im Rücknahmeverfahren trug er vor, die direkte Gefahr gehe nicht von der Zentralregierung und dem Präsidenten aus, sondern von den „Personen und Personengruppen,“ „die vor Ort agierten“ (Bl. 67 der Verwaltungsakte im Rücknahmeverfahren). Die Regierung unterlasse es vielmehr, ihn oder seine Familie zu schützen, weil er dem Stamm der Anyuak angehöre. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 10. März 2022 und am 22. März 2022 ordnete er die schwarze Liste wiederum erneut der Regierung zu. Dieses Vorbringen ist in sich gesteigert und widersprüchlich. Im Widerspruch zu der behaupteten Verfolgung durch die südsudanesische Regierung steht zudem in tatsächlicher Hinsicht, dass nach seiner Ausreise aus Südsudan noch ein Ersatzreisedokument durch die südsudanesische Botschaft in Kampala ausgestellt worden ist. Zudem ist seiner Tochter, die erst im Jahr 2020 in das Bundesgebiet eingereist ist, noch nach seiner Ausreise aus dem Südsudan ein Reisepass durch die südsudanesische Botschaft in Kenia ausgestellt worden. Darüber hinaus spricht gegen eine Verfolgung durch die südsudanesische Regierung das Treffen des Klägers mit dem südsudanesischen Präsidenten und dem ersten Vizepräsidenten in Z. im Jahr 2019. Würde er tatsächlich durch die südsudanesische Regierung verfolgt, so widerspräche es der allgemeinen Lebenserfahrung, durch ein solches Treffen seinen Aufenthaltsort und seine Geschäftspartner offen zu legen. Gegen eine Verfolgung durch die südsudanesische Regierung spricht darüber hinaus die glaubhafte Aussage des Zeugen AM.. Dieser hat angemessen detailliert, sachlich und in zeitlich und örtlich nachvollziehbaren Zusammenhängen ausgesagt, dass der Kläger an dem Zustandekommen des Treffens in Z. mitgewirkt hat. Er habe ihm in Z. den Chef des Inlandsgeheimdienstes vorgestellt. Die Atmosphäre des Treffens habe er als konstruktiv und sie willkommen heißend empfunden. Der Kläger habe für das gemeinsame Projekt in AH. seine gute Vernetzung sowohl auf Landes- als auch auf nationaler Ebene beigetragen. Nach alledem ist eine Verfolgung des Klägers durch die südsudanesische Regierung nicht beachtlich wahrscheinlich. Letztlich trug der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 10. März 2022 auch vor, dass man hinsichtlich seiner Verfolgung und der schwarzen Liste den ehemaligen Gouverneur von AG. in AN. aus dem Jahr 2017 befragen könne. Dies zeigt abschließend, dass er selbst nicht davon ausgeht, dass die aktuelle Regierung seinen Namen auf einer schwarzen Liste führt.

Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass er als Angehöriger der I. und wegen seines Engagements für diese verfolgt werde, vor allem aus dem Stamm der Nuer heraus. Auch dies ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Auch insoweit ist sein Vorbringen nicht glaubhaft. Er gibt an, die I. würden in ihrem eigenen Land als Bürger zweiter Klasse behandelt und Ämter würden nicht in hinreichender Zahl an die I. vergeben. Es handelt sich hierbei um Ausführungen allgemeiner Natur, die keine zielgerichtete Verfolgung des Klägers als Person durch die Nuer oder andere Stämme oder die Regierung erkennen lassen.

Auch das Engagement für die I., welches sich etwa in der Unterzeichnung der Petition an den Staatspräsidenten für die Gründung eines eigenen Staates der I. zeigt, führt nicht zu einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer gezielten Verfolgung des Klägers. Neben ihm haben weitere elf Personen die Unterschriftenliste unterzeichnet. Drei weitere Personen sind ohne Unterschrift als Unterzeichnende genannt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die Personen, die sich in dieser Art und Weise für die I. engagiert haben, nicht alle ins Ausland geflohen sind. Viele seien noch vor Ort. Der König der I. lebe in den USA. Er sei nach längerem Aufenthalt dort für eine Woche nach Südsudan gereist, um sich mit dem Präsidenten zu treffen. Da dieser ein Treffen abgelehnt habe, sei er in die USA zurückgekehrt. Mithin ist der König der I. nach Angaben des Klägers trotz seiner zweifelsfrei noch weiter herausgehobenen Stellung im Engagement für die I. unbehelligt wieder aus dem Südsudan ausgereist. Es erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht, dass sich aus dem gemeinsamen Engagement für die I. konkret für den Kläger eine gezielte individuelle Verfolgung ergibt. Gegen eine Verfolgung wegen des Engagements für die I. spricht auch die Rückkehr des Mitreisenden des Klägers, des Herrn AE., nach Südsudan. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen AM. und ausweislich der Homepage des Unternehmens AO., ist Herr AE. Managing Director des Unternehmens im Südsudan. Der Zeuge berichtete, dass Herr AE. zunächst in Kenia bei seiner Familie gewesen und dann wiederholt zwischen Kenia und Südsudan hin- und hergereist ist. Er lebe in N. in seinem eigenen Haus und könne seinen Lebensunterhalt dort selbst bestreiten. Mithin ist auch Herr AE., der mit dem Kläger auf dieselbe Einladung hin ausgereist ist, hier ein Asylverfahren durchlaufen hat und dann zurückgekehrt ist, nicht wegen seines Engagements für die I. gezielt verfolgt worden. Der Kläger konnte nicht glaubhaft darlegen, warum er - im Unterschied zu dem König der I., den weiteren Unterzeichnern der Petition oder Herrn AE. - aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den I. oder seinem Engagement für selbige bei einer Rückkehr gezielt verfolgt werden würde.

Soweit er noch von einer Rivalität im eigenen Stamm berichtet, so bleibt der diesbezügliche Vortrag unsubstantiiert. Soweit er Ausführungen zur allgemeinen politischen Lage im Land macht, so ergeben sich hieraus keine Anhaltspunkte für ein individuelles Verfolgungsschicksal.

Nach alledem liegen auch die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter gemäß § 16a Abs. 1 GG nicht vor.

2. Die Verpflichtungsklage ist begründet. Denn der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.

Gemäß § 4 AsylG ist subsidiär Schutzberechtigter, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz S. Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Eine solche Bedrohung kann gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten.

Hier liegen stichhaltige Gründe für die Annahme vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach AP., AN., wo er nach seinen Angaben zuletzt gelebt und gearbeitet hat, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sein würde.

Zur Feststellung, ob eine „ernsthafte individuelle Bedrohung“ im Sinne dieser Vorschrift gegeben ist, ist eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der die Situation des Herkunftslands des Klägers kennzeichnenden Umstände, erforderlich (EuGH, Urteil vom 21.6.2021, - C 901/19, juris).

Aus dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes ergibt sich, dass Angehörige der Nuer, Schilluk und anderer Ethnien im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Zustände seit Mitte Dezember 2013 mit Verfolgung und Gewalt in den von der Regierung gehaltenen Gebieten rechnen müssen. Einheiten der Rebellen, also der sog. „SPLM in Opposition“ (oder auch „Anti-Government Forces“/ SPLM-IO) verübten ihrerseits Gewalttaten, auch gegen Zivilisten, dies vor allem in den Gliedstaaten Upper Nile, Unity, Jonglei und den Äquatorias. Die Mehrzahl von Verbrechen und schwersten Menschrechtsverletzungen werde aber den Regierungskräften zugeschrieben. Ein effektiver Schutz durch staatliche Organe bestehe nicht. Vielfach seien neben der Armee auch Angehörige von Polizei sowie von Zoll und Wildschutz an Gewalttaten beteiligt. Insgesamt sei der Konflikt durch einen Zerfall der Gruppen mit wechselnden Zielen und auch Loyalitäten gekennzeichnet. (Lagebericht vom 25.3.2021, S. 7). Bewaffnete Gewalt sei 2020 vor allem in den Bundesstaaten Jonglei und Warrap feststellbar gewesen (Lagebericht vom 25.3.2021, S. 5). Die Nuer-Rebellen, auch „SPLM in Opposition (SPLM-IO)“ oder „Anti-Government Forces“ genannt, kontrollierten nur noch kleine Teile der vor allem von der Nuer besiedelten Gliedstaaten Jonglei, Upper Nile, Unity und Gebiete in den Equatoria-Bundesstaaten. Die lokale Verwaltung sei dort weitgehend zu ihnen übergelaufen und funktioniere partiell auf sehr niedrigem Niveau weiter. Eine Vielzahl von Milizen und Banden übe beschränkt lokale Macht aus. Auch die Bildung einer Übergangsregierung habe an der weiteren Existenz verschiedener Armeen unter der Kontrolle verschiedener Gruppen nicht viel geändert. Im Rahmen des Friedensprozesses sollten vereinigte Streitkräfte (Armee, Polizei, Wildschutz, NSS u.a.) geschaffen werden. Dazu würden seit Ende 2019 Kantonierungslager und Ausbildungslager eingerichtet. In diesen befänden sich aber nur Teile der bisherigen Oppositions- und Regierungskräfte. Eine Graduierung dieser Kräfte bzw. Dislozierung habe bisher nicht stattgefunden. Es sei davon auszugehen, dass alle Seiten ihre Elitekräfte bisher nicht dem Vereinigungsprozess zugeführt hätten. Dies gelte insbesondere für die Regierungseinheiten Tiger Division und die bewaffneten Kräfte des Geheimdienstes NSS. In den Equatoria-Bundesstaaten komme es regelmäßig zu Auseinandersetzungen unter Beteiligung von SPLM-IG und SPLM-IO, teilweise auch mit Truppen der NAS, einem Nichtunterzeichner des Friedensabkommens (Lagebericht vom 25.3.2021, S. 14). Unabhängig von den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der in immer mehr einzelne Gruppen zerfallenden bewaffneten Opposition komme es immer wieder zu gewalttätigen innerethnischen Auseinandersetzungen zwischen den Angehörigen der Dinka, Nuer und Murle. Auch innerhalb der Ethnien würden Konflikte um Vieh, Frauen und Land sehr häufig gewaltsam ausgefochten (Lagebericht vom 25.3.2021, S. 5).

Accord berichtet, dass im 3. Quartal 2021 in Jonglei im Rahmen von 25 Vorfällen von 28 Todesopfern berichtet worden sei (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 3. Quartal 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065651/2021q3SouthSudan_de.pdf). Im 2. Quartal 2021 sei im Rahmen von 29 Vorfällen von 211 Todesopfern berichtet worden (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 2. Quartal 2021,https://www.ecoi.net/en/file/local/2065269/2021q2SouthSudan_de.pdf). Im 1. Quartal 2021 sei im Rahmen von 19 Vorfällen von 21 Todesopfern berichtet worden (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 2. Quartal 2021,https://www.ecoi.net/en/file/local/2055023/2021q1SouthSudan_de.pdf). AP. ist von Accord jeweils als einer der Tatorte erfasst worden (a.a.O.).

UNMISS berichtet, dass Zivilisten trotz des Umstandes, dass es im Jahr 2021 im Vergleich zum Jahr 2020 landesweit etwa 42 Prozent weniger zivile Opfer gegeben habe, weiterhin Gefahr liefen, Opfer von Gewalt zu werden. Es seien Zivilpersonen, die weiterhin den Großteil der Last trügen, die die bewaffneten Konflikte im Südsudan auslösten (UNMISS, annual brief on violence affecting civilians vom 17.2.2022, S. 1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068186/unmiss_hrd_annual_brief_2021.pdf).

UNHCR berichtet, dass Jonglei und die Greater Pibor Administrative Area – GPAA – 2020 mit 33 % am meisten von Gewalt gegen Zivilisten betroffen gewesen seien. Seit der Bildung des „Revitalized Government“ seien Jonglei und GPAA von Wellen der Gewalt erschüttert worden. Es sei dabei absichtlich zivile Infrastruktur zerstört worden. Wohnhäuser seien verbrannt, Bohrlöcher und Wasseraufbereitungsanlagen zerstört, Einrichtungen von lokalen und internationalen Hilfsorganisationen seien geplündert und zerstört worden (UNHCR, Position on Returns to South Sudan – Update III, Oktober 2021, S. 4, https://www.refworld.org/country,,,,SSD,,617676f04,0.html).

Das World Food Programme sieht in Jonglei State derzeit trotz eigener gegenteiliger Bemühungen die Gewalt auf dem Vormarsch. Am 23. Januar 2022 seien in Bor South bei einem Angriff 32 Menschen zu Tode gekommen. Dem seien weitere kleinere Angriffe unter anderem in AH., gefolgt (WFP, Sout Sudan, Situation Report # 298 vom 10.2.2022, S. 1, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/WFP%20South%20Sudan%20Situation%20Report%20%23298%20-%20%2010%20February%202022.pdf).

Nach alledem liegen stichhaltige Gründe für die Annahme vor, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach AP., AN., einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt sein würde.

Der Kläger ist auch nicht auf Juba als innerstaatliche Schutzalternative zu verweisen, weil er auch dort der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) und nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG).

Gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keiner tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt ist oder Zugang zu Schutz vor der Gefahr eines ernsthaften Schadens nach § 3d AsylG hat (Nr. 1) und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (Nr. 2).

Bei der Prüfung der Frage, ob Juba die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 QRL zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen (§ 3e Abs. 2 AsylG).

Zu den persönlichen Umständen, die zu berücksichtigen sind, gehören gemäß Art. 4 Abs. 3 c) QRL Faktoren wie der familiäre und soziale Hintergrund sowie Geschlecht und Alter, um bewerten zu können, ob in Anbetracht der persönlichen Umstände die Handlungen, denen die Person ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind. Der Kläger ist 65 Jahre alt und gehört dem Stamm der I. an. Er hat Studienabschlüsse in Wirtschaft und Verwaltung von der Universität O., in Management und Handel von der Universität AQ. und von der Universität AR.. Er ist Mitglied der AS. und war seit AT. Abgeordneter des südsudanesischen Parlaments. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen AM. ist er in südsudanesischen Regierungskreisen sowohl auf nationaler als auch auf Landesebene gut vernetzt. So hat er dem Zeugen etwa in Z. den Chef des Inlandsgeheimdienstes des Südsudan vorgestellt. Die Angaben des Zeugen werden insoweit von dem tatsächlichen Umstand des Treffens in Z. im AC. 2019 gestützt. Hier hat der Kläger den südsudanesischen Präsidenten und den ersten Vizepräsidenten getroffen, um das gemeinsame Projekt mit dem Zeugen AM. zu besprechen. Wären die Beziehungen des Klägers zu den Entscheidungsträgern seines Herkunftsstaates zerrüttet, wäre es zu einem solchen Treffen nicht gekommen. All diese Umstände sprechen für Juba als innerstaatliche Schutzalternative, weil der Kläger sich durch seine Ausbildung und seine besondere Vernetzung sehr stark von einem durchschnittlichen Rückkehrenden abhebt.

Gegen Juba als innerstaatliche Schutzalternative sprechen aber die allgemeinen Gegebenheiten vor Ort. Gemäß § 3e Abs. 2 AsylG sind die aktuellen Informationen des UNHCR und von EASO für die Prüfung der allgemeinen Gegebenheiten vor Ort von besonderer Relevanz. Nach diesen Informationen ist der Kläger auch in Juba der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt und ist ihm Juba als innerstaatliche Schutzalternative auch nicht zumutbar.

UNHCR appelliert an alle Staaten, keine Abschiebungen nach Südsudan vorzunehmen. Die Situation im Südsudan ist nach Auffassung von UNHCR im Hinblick auf Sicherheit, Recht und Ordnung sowie Menschenrechte nicht vereinbar mit einer sicheren und würdevollen Rückkehr von Geflüchteten. Dies gelte unabhängig davon, ob ihnen internationaler Schutz zustehe oder nicht (UNHCR, Position on Returns to South Sudan – Update II, April 2019, S. 4, https://www.refworld.org/country,,,,SSD,,5cb4607c4,0.html). Dem Auswärtigen Amt liegen auch keine Erfahrungswerte über Abschiebewege nach Südsudan vor (Lagebericht vom 25.3.21, S.18). UNHCR vertritt darüber hinaus jüngst die Auffassung, dass Menschen, die aus Südsudan geflohen sind, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Konventionsflüchtlinge seien (UNHCR, Position on Returns to South Sudan – Update III, Oktober 2021, S. 11, https://www.refworld.org/country,,,,SSD,,617676f04,0.html). Letzteres ist hier zwar wie zuvor dargestellt nicht der Fall. Die Einschätzung von UNHCR, dass eine Abschiebung in den Südsudan nicht sicher und würdevoll möglich sei, der sich die Einzelrichterin grundsätzlich anschließt, wirkt sich aber im Rahmen der Beurteilung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Schutzalternative aus, weil der Zumutbarkeitsmaßstab über die Beachtlichkeit einer existenziellen Notlage hinausgeht (Nds. OVG, Urteil vom 19.9.2016 - 9 LB 100/15 -, juris Rn. 75; BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 35). Wenn eine Abschiebung grundsätzlich ausscheidet, weil mangels Sicherheit, Recht und Ordnung sowie mangels Menschenrechten eine erzwungene Rückkehr nicht sicher und würdevoll möglich ist, so ist derselbe Ort als innerstaatliche Schutzalternative grundsätzlich auch nicht zumutbar.

Accord berichtet in Bezug auf (ganz) Central Equatoria, dass dort im 3. Quartal 2021 im Rahmen von 30 Vorfällen von 36 Todesopfern berichtet worden sei (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 3. Quartal 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2065651/2021q3SouthSudan_de.pdf). Im 2. Quartal 2021 sei im Rahmen von 47 Vorfällen von 44 Todesopfern berichtet worden (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 2. Quartal 2021,https://www.ecoi.net/en/file/local/2065269/2021q2SouthSudan_de.pdf). Im 1. Quartal 2021 sei im Rahmen von 41 Vorfällen von 63 Todesopfern berichtet worden (Accord, Kurzübersicht Südsudan, 2. Quartal 2021,https://www.ecoi.net/en/file/local/2055023/2021q1SouthSudan_de.pdf). Dabei stellt Accord Juba jeweils als einen der Tatorte fest (a.a.O.).

EASO bezieht sich wie Accord auf die Zahlen von ACLED und listet beispielhaft einen Vorfall am 3. Juni 2020, bei dem nationale “Sicherheitskräfte“ in Juba im Zuge von Streitigkeiten um Land, in deren Folge Proteste entstanden waren, mindestens fünf Zivilisten getötet haben. Auch am 20. und 21. August 2020 sei es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen NAS und SSPDF in der Hauptstadt gekommen (EASO, Anfragebeantwortung zu Südsudan, Sicherheitslage zwischen 1.1.2020 und 31.1.2021, vom 26.2.2021, S. 20 f. https://www.ecoi.net/en/file/local/2046429/2021_02_Q1_COI_South_Sudan_Security_Situation.pdf).

Nach Informationen des Auswärtigen Amtes müssen Angehörige der Nuer, Schilluk und anderer Ethnien in den von der Regierung gehaltenen gebieten, wozu Juba gehört, mit Verfolgung und Gewalt rechnen (Lagebericht vom 25.3.21, S. 7).

In der Gesamtschau ist zu berücksichtigen, dass die Privilegierung des Klägers ihn naturgemäß nicht vor willkürlichen Übergriffen schützt. Der Kläger, der dem Stamm der I. angehört, muss nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes in Juba damit rechnen, Opfer von Gewalt zu werden. Seine Privilegierung wird ihn in Anbetracht der insgesamt dynamischen und komplexen Situation vor Ort auch nicht vor (ungezielten) Übergriffen durch regierungsnahe Gruppen schützen. Nicht nur wird die Mehrzahl von Verbrechen und schwersten Menschrechtsverletzungen den Regierungskräften selbst zugeschrieben. Daneben besteht auch ein effektiver Schutz durch staatliche Organe nicht (Lagebericht vom 25.3.21, S. 7). Die Rückkehr von Herrn AE. und die Rückkehrbereitschaft der australischen Tochter des Klägers fallen in der Gesamtschau aufgrund ihrer Freiwilligkeit nicht schwer ins Gewicht. Zum einen würde die maßgebliche Orientierung an der Rückkehr bzw. Rückkehrbereitschaft anderer Personen die mutmaßlich vielschichtige persönliche Einschätzung dieser Einzelpersonen hinsichtlich der Lage vor Ort an die Stelle der Einschätzung des Gerichts setzen. Zum anderen assistiert auch der UNHCR trotz seines Appells gegen Abschiebungen in den Südsudan bei freiwilliger Rückkehr und unterscheidet hier zutreffend zwischen diesen beiden Rückkehrvarianten, da sie sich in Bezug auf die Verantwortung der beteiligten Akteure maßgeblich voneinander unterscheiden (UNHCR, Position on Returns to South Sudan – Update III, Oktober 2021, S. 11, https://www.refworld.org/country,,,,SSD,,617676f04,0.html).

Nach alledem ist der Kläger nicht auf Juba als innerstaatliche Schutzalternative zu verweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.