Sozialgericht Stade
Urt. v. 11.05.2010, Az.: S 18 AS 197/09
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 11.05.2010
- Aktenzeichen
- S 18 AS 197/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 47866
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger machen die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Dezember 2008 geltend.
Die Kläger zu 1. und zu 2. bilden mit ihren Kindern, den Klägern zu 3. und zu 4. eine Bedarfsgemeinschaft und stehen seit Frühjahr 2008 mit Unterbrechungen im Leistungsbezug bei der Beklagten. Mit Schreiben vom 23. April 2008 wies die Beklagte die Kläger schriftlich darauf hin, dass die tatsächlichen Unterkunftskosten nicht den anerkennungsfähigen Maximalbeträgen entsprechen und diese Beträge deutlich überschritten würden. In diesem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass als angemessen angesehen werden könnten Kosten der Unterkunft in Höhe von 470,00 EUR zuzüglich Heizkosten. Den Klägern wurde zudem mitgeteilt, dass die Übernahme der tatsächlichen Kosten nicht länger als bis zum 31. August 2008 in Betracht komme. Weiterhin wurden sie aufgefordert, sich unverzüglich um eine Senkung der Unterkunftskosten auf ein angemessenes Niveau zu bemühen. Ausdrücklich wurde als Möglichkeit der Kostensenkung in diesem Schreiben genannt die Verhandlung mit dem Kreditinstitut über eine Zinssenkung.
Mit Bewilligungsbescheid vom 6. Januar 2009 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1.206,00 EUR, wobei Kosten der Unterkunft zuzüglich Heizkosten in Höhe von 555,00 EUR berücksichtigt wurden. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft seien höher. Mit Änderungsbescheid vom 13. Februar 2009 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Dezember 2008 Leistungen in Höhe von insgesamt 1.221,02 EUR. Zugrunde gelegt wurden bei der Berechnung nunmehr Kosten der Unterkunft in Höhe von 470,00 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 100,02 EUR (tatsächliche Heizkosten in Höhe von 119,00 EUR abzüglich Warmwasserkosten in Höhe von 18,98 EUR). Mit Widerspruchsbescheid vom 6. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger im Übrigen zurück und führte aus, die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft komme nicht in Betracht. Leistungen für Unterkunft und Heizung seien nach § 22 Abs 1 SGB II nur in angemessener Höhe zu übernehmen. Nach den Ermittlungen der Beklagten sei bei 4 Personen eine 85 qm große Wohnung (bzw ein entsprechendes Haus) sowie Kosten der Unterkunft inkl Nebenkosten in Höhe von bis zu 470,00 EUR als angemessene Kosten zugrunde zu legen. Die Ermittlungen hätten darüber hinaus gezeigt, dass ein ausreichendes Angebot in I. für entsprechend große Wohnungen zu diesen Bedingungen vorhanden sei. Dies werde aus der angefügten tabellarischen Übersicht deutlich. Die Kläger seien schriftlich zur Senkung ihrer Kosten der Unterkunft aufgefordert worden, da diese nicht angemessen seien und daher nicht auf Dauer übernommen werden könnten. Die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch über einen Sechsmonatszeitraum hinaus sei nicht möglich. Ein Sachverhalt, der die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für einen längeren Zeitraum als sechs Monate begründen würde, liege nicht vor. Die Kläger hätten keinerlei Bemühungen dahingehend unternommen, ihre Unterkunftskosten zu senken.
Die Kläger haben am 23. März 2009 Klage erhoben und tragen vor, sie halten die Befristung der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten auf sechs Monate für nicht angemessen, da dies dem Einzelfall nicht gerecht und dadurch eine unzumutbare Härte für die Bedarfsgemeinschaft eintreten würde. Die monatliche Differenz zwischen den von der Beklagten zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft und den tatsächlichen Kosten sei bisher aus dem erzielten Einkommen (Freibetrag), aus Ersparnissen und aus dem „Dispo“ beglichen worden. Eine Reduzierung der monatlichen Belastung sei bisher nicht angestrebt worden, dies soll nunmehr durch entsprechende Gespräche ggf erfolgen. Bemühungen, die Kosten der Unterkunft zu senken, seien nicht unternommen worden. Insbesondere seien keine Bemühungen unternommen worden, das Haus zu verkaufen oder umzuziehen. Es sei beabsichtigt, in dem Eigenheim wohnen zu bleiben. Die Kinder würden sich unter diesen Umständen sehr gut entwickeln, auch die Nähe zum Kindergarten und zum Strand trage dazu bei. Ein Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II folge ihrer Auffassung nach aus Art 6 Grundgesetz (GG), dem Schutz der Familie. Ihnen gehe es um die Schaffung einer familienfreundlichen Atmosphäre, dies sei nur dann gewährleistet, wenn sie weiterhin in ihrem Eigenheim verbleiben könnten.
Die Kläger beantragen,
1. den Bescheid der Beklagten vom 6. Januar 2009 und den Änderungsbescheid vom 13. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 abzuändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, den Klägern für den Monat Dezember 2008 weitere 321,19 EUR Kosten der Unterkunft bzw Heizung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Gewährung weitergehender Leistungen nach dem SGB II.
Nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach Satz 3 dieser Regelung sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft solange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise über die Regelhöchstfrist von sechs Monaten hinaus die tatsächlichen Kosten der Unterkunft von der Beklagten zu übernehmen sein könnten. Die Möglichkeit, binnen überschaubarer Frist die Kosten durch einen Umzug in eine Kosten angemessene, zumutbare Unterkunft zu senken, ist bei zutreffender Bestimmung der Angemessenheitsgrenze stets gegeben. Die gesetzliche sechsmonatige „Übergangsfrist“ ist eine Regelhöchstfrist, die vom Leistungsträger in atypischen Fällen durchaus auch abgekürzt werden kann. Die Frist enthebt die Betroffenen nicht von der Obliegenheit zu umgehenden Kostensenkungsbemühungen ab Erkennbarkeit der Kostensenkungsnotwendigkeit. Die Betroffenen haben sich intensiv unter Zuhilfenahme aller ihnen zumutbarer erreichbarer Hilfen und Hilfsmittel um eine kostenangemessene Unterkunft zu bemühen und jede ihnen erreichbare, zumutbare, bedarfsgerechte, kostenangemessene Unterkunft anzumieten. Suchbereich ist grundsätzlich der gesamte örtliche Zuständigkeitsbereich des Leistungsträgers, soweit nicht nach den Besonderheiten des Einfalls eine Unterkunftsnahme in bestimmten Teilbereichen wegen einer schutzwürdigen Bindung an das soziale Umfeld notwendig oder ausgeschlossen ist. Die Hilfeempfänger müssen hinreichende Kostensenkungsbemühungen substantiiert darlegen, wenn sie geltend machen wollen, dass binnen der zugebilligten Übergangsfrist eine bedarfsgerechte kostenangemessene Unterkunft nicht anzumieten, eine Kostensenkung durch Umzug mithin unmöglich gewesen sei (Berlit in: LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rdnr 69).
Die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft auch für den Monat Dezmeber 2008 kommt schon deshalb nicht in Betracht, da die Kläger offensichtlich nicht alles unternommen haben, die Kosten der Unterkunft zu senken. In der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass Gespräche mit den Kreditgebern offenbar bisher nicht geführt wurden mit dem Ziel, die monatliche Belastung zu senken. Dies soll erst jetzt angegangen werden. Letztlich kann allerdings offen bleiben, ob und wie viel Spielraum im Rahmen von Verhandlungen mit den Kreditgebern zur Senkung der monatlichen Belastung tatsächlich bestanden hätte. Denn unabhängig von dieser Frage steht den Klägern kein höherer Anspruch auf Leistungen zu.
Die Kläger haben eingeräumt, dass sie keinerlei Bemühungen unternommen haben, die Kosten der Unterkunft zu senken. Ein Verkauf des Eigenheims ist ebenso wenig in Betracht gezogen worden wie eine Vermietung oder andere Maßnahmen. Den Klägern war es von Anfang an, dh insbesondere ab dem ergangenen schriftlichen Hinweis der Beklagten über die Befristung der Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft vom 23. April 2008, möglich und auch zumutbar, sich um eine Senkung der Kosten der Unterkunft zu bemühen, insbesondere sich um den Verkauf des Eigenheims zu bemühen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger steht Art 6 GG keinesfalls diesem Ergebnis entgegen. Nach Art 6 Abs 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Der Familienbegriff knüpft wie der Ehebegriff an das bürgerlich-rechtliche Institut der Familie an. Eingriffe sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts alle staatlichen Maßnahmen, die Ehe und Familie schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen (Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 6, 55, 76; 6, 386, 388; 55, 114, 126 f). Die Kammer hält es für ausgeschlossen, dass die grundsätzliche Beschränkung der Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft auf sechs Monate durch das SGB II, in diesem Fall umgesetzt durch die Beklagte, Art 6 Abs 1 GG tangiert oder gar verletzt. Dass die aufgrund dieser Regelung nunmehr erfolgte lediglich teilweise Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft gegen Art 6 Abs 1 GG verstoßen könnte, ist ebenso fernliegend wie die Überlegung, dass die Obliegenheit der Kläger zur Senkung ihrer Unterkunftskosten einen solchen Verstoß gegen das GG darstellen könnte. Einzuräumen ist allenfalls, dass die Rechtsfolge aus dem SGB II, die sich in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten widerspiegelt, die Kläger und damit eine Familie in der Weise „stört“, dass das Weiterleben in dem seit mehreren Jahren bewohnten, aber bei weitem nicht abgezahlten Eigenheim, dadurch „gestört“ wird. Art 6 Abs 1 GG schützt allerdings keineswegs das relativ komfortable dauerhafte Wohnen einer vierköpfigen Familie in einem 110 qm großen Eigenheim in Nordseestrandnähe. Nach alledem ist es den Klägern ohne weiteres zumutbar, sich ernsthaft um eine Senkung der Kosten der Unterkunft zu bemühen, und notfalls - sofern die Aufbringung der laufenden (Mehr-)Kosten der Unterkunft aus eigenen Mitteln nicht mehr möglich ist - das Eigenheim aufzugeben und in eine angemessen große und teure Wohnung umzuziehen. Das Gericht hält es ohne Zweifel für zumutbar, dass die Kläger wie andere Familien, die im SGB II-Leistungsbezug stehen und damit auf Unterstützung aus Steuergeldern angewiesen sind, in einer etwa 85 qm großen Miet- oder Eigentumswohnung leben. Das Leben in einer derartigen Wohnung verstößt keinesfalls gegen das Grundgesetz, insbesondere auch nicht gegen die Menschenwürde. Eine andere Sichtweise wäre im Übrigen aus Sicht der Kammer ein nicht vertretbares Signal gegenüber den vielen anderen Familien, die genau unter diesen oder sogar noch weiter eingeschränkten Umständen leben.
Auch die Tatsache, dass der Kläger zu 1. mit Unterbrechungen immer wieder Erwerbstätigkeiten ausgeübt hat und damit zum Familieneinkommen beigetragen sowie den Bedarf auf Leistungen nach dem SGB II reduziert hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach bisherigem Verlauf der Dinge bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger sich in einer vorübergehenden überschaubaren Notsituation befinden bzw befunden haben, die es zu überbrücken gilt bzw galt. Da die Kläger nunmehr seit weit über zwei Jahren unterschiedliche Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen und derer offensichtlich bedürfen, kann von einer kurzfristigen vorübergehenden Notsituation nicht gesprochen werden.
Die Kläger können auch nicht etwa geltend machen, dass Eigenheimbesitzer unter Berücksichtigung der vermögensrechtlichen Schutzvorschriften im SGB II anders zu behandeln sind als Mieter. Die von der Rechtsprechung, insbesondere vom Bundessozialgericht (BSG), entwickelten Grundsätze zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze der Kosten der Unterkunft sind in erster Linie zu Mietwohnungen entwickelt worden. Diese Grundsätze gelten allerdings auch, soweit Hilfebedürftige ein selbstgenutztes Hausgrundstück von angemessener Größe im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II bewohnen (BSG, Urteil vom 2. Juli 2009 - B 14 AS 33/08 R; Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 34/06 R, BSGE 100, 186). Denn die Angemessenheit des Hausgrundstücks im Sinne des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II indiziert nicht die Angemessenheit der Unterkunftskosten für dieses Haus im Sinne des § 22 SGB II. § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II ist eine rein vermögensrechtliche Schutzvorschrift gegenüber dem Verwertungsbegehren des Grundsicherungsträgers, wirkt sich aber nicht auf die Höhe der nach § 22 SGB II zu übernehmenden Unterkunftskosten aus (BSG, aaO). § 22 Abs 1 SGB II sieht insofern ohne Differenzierung danach, ob der Wohnbedarf durch Eigentum oder Miete gedeckt wird, Leistungen für Unterkunft und Heizung bis zur Grenze der Angemessenheit vor. Ansonsten ergäbe sich im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art 3 Abs 1 GG eine nicht gerechtfertigte Privilegierung von Haus- und Wohnungseigentümern gegenüber Mietern. Der Eigentümer ist ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (BSG, aaO; BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 70/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 8). Dies steht nicht in einem Wertungswiderspruch zum Verwertungsausschluss des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II.
Die Beklagte hat vorliegend zutreffend und in nicht zu beanstandender Weise die Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft für den Wohnort der Kläger, dh für die Stadt Cuxhaven, bestimmt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG hat die Beklagte zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße auf die Werte zurückgegriffen, welche die Länder aufgrund des § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) festgesetzt haben (vgl BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254). Nach § 10 WoFG können die Länder im geförderten Wohnungsbau Grenze für Wohnungsgrößen festlegen bis zu denen eine Förderung in Betracht kommt. Die von der Beklagten als abstrakt angemessene Wohnungsgröße von 85 qm zugrunde gelegte Größe ist daher nicht zu beanstanden. Die Festsetzung der Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft in Cuxhaven für eine vierköpfige Familie bei einer Größe der Wohnung bzw des Hauses von 85 qm auf 470,00 EUR inkl Nebenkosten ist zutreffend ermittelt worden und nicht zu beanstanden. Die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze und die durchgeführten Ermittlungen erfüllen insbesondere die von dem BSG in zahlreichen Entscheidungen aufgestellten und immer wieder konkretisierten Anforderungen, insbesondere hat die Beklagte ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen vorgelegt. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des BSG, zB niedergelegt im Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R:
„a) Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum fest (vgl oben 2.), ist nach der Rechtsprechung des BSG in einem dritten Schritt nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Das heißt, Ziel der Ermittlungen des Grundsicherungsträgers ist es, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können.
Eine pauschale bundeseinheitliche Grenze (Quadratmeterpreis) scheidet hierbei aus, da einerseits auf die konkreten Verhältnisse abzustellen ist, die Kosten für Wohnraum in den einzelnen Vergleichsräumen andererseits sehr unterschiedlich sein können. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze (Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R) auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (vgl BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = FEVS 60, 145, 149; vgl auch BSG, Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 23) . Dabei muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (vgl Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = juris RdNr 7). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein "angemessenes Maß" hinreichend nachvollziehbar ist.
Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.
Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:=
Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
=
es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
=
Angaben über den Beobachtungszeitraum,
=
Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
=
Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
=
Validität der Datenerhebung,
=
Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
=
Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Bislang hat der Gesetz- und Verordnungsgeber davon abgesehen, der Verwaltung normative Vorgaben darüber zu machen, wie sie die Angemessenheitsgrenze ermittelt. Die Verwaltung ist daher bis auf Weiteres nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt. Sie selbst kann auf Grund ihrer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten am besten einschätzen, welche Vorgehensweise sich für eine Erhebung der grundsicherungsrechtlich erheblichen Daten am besten eignen könnte. So kann es je nach Lage der Dinge etwa ausreichend sein, die erforderlichen Daten bei den örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften zu erheben, wenn die für Hilfeempfänger in Betracht kommenden Wohnungen zum größten Teil im Eigentum dieser Genossenschaften steht. Hingegen sind derartige Auskünfte allein nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften über keinen ins Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen und eine Mietpreisabfrage keine valide Datengrundlage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann.
Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen.
Für die Datenerhebung kommen nicht nur die Daten von tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen in Betracht, sondern auch von bereits vermieteten (Urteil des Senats vom 19.2..2009 - B 4 AS 30/08 R = juris RdNr 24) . Im Gegensatz zur Erstellung von Mietspiegeln oder Mietdatenbanken, deren wesentliches Anliegen das dauerhafte Funktionieren des Marktes frei finanzierter Mietwohnungen ist (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S 3), ist im Rahmen der KdU grundsätzlich sämtlicher Wohnraum zu berücksichtigen, der auch tatsächlich zu diesem Zweck vermietet wird; so etwa auch Wohnraum, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, dessen Miete keinen zuverlässigen Aufschluss über die örtlichen Gegebenheiten bringen kann; so etwa Wohnraum in Wohnheimen oder Herbergen und Gefälligkeitsmietverhältnisse (zB Vereinbarung von besonders niedrigen Mieten zwischen Verwandten). Auszunehmen ist auch Wohnraum, der in der Regel nicht länger als ein halbes Jahr und damit nach Auffassung des Senats nur vorübergehend vermietet werden soll (zB Ferienwohnungen, Wohnungen für Montagearbeiter).
Die erhobenen Daten müssen vergleichbar sein, das heißt, ihnen muss derselbe Mietbegriff zu Grunde liegen. Typischerweise ist dies entweder die Netto- oder die Bruttokaltmiete. Wird die Nettokaltmiete als Grundlage gewählt, sind die kalten Nebenkosten (Betriebskosten) von der Bruttokaltmiete abzuziehen. Ist die Bruttokaltmiete Vergleichsbasis, müssen auch Daten zu den vom Mieter gesondert zu zahlenden Betriebskosten erhoben werden. Wird Wohnraum etwa (teil-)möbliert vermietet und lässt sich das für die Nutzung der Möbel zu entrichtende Entgelt bestimmen, ist dieser Betrag, ansonsten ein nach dem räumlichen Vergleichsmaßstab hierfür üblicherweise zu zahlender Betrag herauszurechnen.
Entschließt sich der Grundsicherungsträger zur Erstellung eines grundsicherungsrelevanten.“
Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG Richtlinien zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten entwickelt, die erstmals aufgrund der Datenerhebung zum 1. Oktober 2008 niedergeschrieben wurden. Die Richtlinien werden im halbjährigen Turnus unter Auswertung des aktuellen Datenbestandes fortgeschrieben. Zum Stichtag 1. Oktober 2008 sind die Daten von 9788 Wohnungen ausgewertet worden. Nach der letzten veröffentlichten Statistik des Niedersächsischen Landesamtes wurden für den Landkreis Cuxhaven insgesamt 97752 Wohneinheiten ausgewiesen, so dass 10,01% der Wohnungen berücksichtigt werden konnten. Die Auswertung wurde bis auf die jeweilige Mitgliedsgemeinde heruntergebrochen, um den örtlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. Der Landkreis Cuxhaven besteht aus 53 Mitgliedsgemeinden, 3 Einheitsgemeinden und 2 Städten. Bei der Auswertung wurden zunächst 58 Einzelauswertungen erstellt. Diese Auswertungen wurden dann einer Plausibilitätsbetrachtung unterzogen um eine Gleichwertigkeit der Ergebnisse zu gewährleisten. Als Vergleichsdaten wurden bei der Auswertung die Daten zu den Kosten der Unterkunft aus folgenden Bereichen herangezogen: Bezieher von Leistungen nach dem Wohngeldgesetz (1. Oktober 2008: 12%), Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (1. Oktober 2008: 78%) und Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII (1. Oktober 2008: 10%). Differenziert nach Wohnungsgrößen von 50 qm, 60 qm, 75 qm, 85 qm, 95 qm und 105 qm wurden im Rahmen der Auswertung die durchschnittlichen Kosten der Unterkunft aller drei Leistungsbereiche (Wohngeldgesetz, SGB II, SGB XII) ausgewertet. Darüber hinaus wurde ein Durchschnittswert der Leistungsbezieher aller drei Bereiche gebildet. Diese Form der Auswertung wurde für alle 53 Mitgliedsgemeinden sowie die Einheitsgemeinden und die Städte durchgeführt. Auf diese Weise konnte für jeden örtlichen Teilbereich ein Durchschnittswert aufgeteilt nach der Herkunft der Daten ermittelt werden. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Transparenz wurde im Anschluss daran darauf verzichtet, Angemessenheitswerte für jede einzelne Mitgliedsgemeinde etc festzulegen. Stattdessen erfolgte für den gesamten Landkreis die Festlegung von Mietobergrenzen in einer Höhe, die in der Regel über dem jeweils ermittelten Durchschnittswert liegen. Unter bestimmten engen Voraussetzungen wurden Ausnahmen zugelassen. Auch die konkrete Angemessenheit der abstrakt festgelegten Angemessenheitswerte hat die Beklagte anhand umfangreicher Ermittlungen nachgewiesen. So hat die Beklagte bzw der Landkreis Cuxhaven eine umfangreiche Datenbank anhand aller regionaler Tageszeitungen und kostenloser Printmedien erstellt, so dass dauerhaft für jede Mitgliedsgemeinde etc belegt werden kann, in welchen Zeiträumen wie viele Wohnungen in der jeweiligen Größe im öffentlich zugänglichen Angebot waren und welche Kosten für Unterkunft entstanden wären. Vorliegend zu berücksichtigen ist insoweit die Stadt Cuxhaven. Nach den vorgelegten Ermittlungsergebnissen der Beklagten betrugen zum 1. Oktober 2008 und bei Zugrundelegung von 85 qm Wohnraum die durchschnittlichen Kosten der Unterkunft bei den Beziehern nach dem Wohngeldgesetz 458,26 EUR (35 Wohnungen), bei den Leistungsbeziehern nach dem SGB II 409,25 EUR (257) und bei den Beziehern nach dem SGB XII durchschnittlich 358,56 EUR (14). Die von der Beklagten für diese Vergleichsgruppe festgelegte Angemessenheitsgrenze von 470,00 EUR liegt demzufolge deutlich über den durchschnittlichen Kosten der 306 Vergleichswohnungen. Das Gericht hat überhaupt keine Anhaltspunkte, dass im streitigen Zeitraum angemessen großer Wohnraum für den Betrag von 470,00 EUR incl Nebenkosten in Cuxhaven nicht zu erhalten war. Entsprechendes wurde von den Klägern auch in keiner Weise behauptet oder vorgetragen, zumal die Kläger nach eigener Aussage sich nicht um entsprechenden Wohnraum bemüht haben.
Die Beklagte hat nach alledem zutreffend und rechtmäßig im Monat Dezember 2008 als angemessene Kosten der Unterkunft solche in Höhe von 470,00 EUR zuzüglich Heizkosten zugrunde gelegt, wobei die Beklagte bei Berechnung der Heizkosten Warmwasserkosten iHv 18,98 EUR anstatt der zutreffenden 19,00 EUR in Abzug gebracht hat, so dass ein höherer Bedarf zugunsten der Kläger von 0,02 EUR berücksichtigt wurde. Durch diesen Rechenfehler sind die Kläger jedoch nicht beschwert.
Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache im Hinblick auf die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen der Kosten der Unterkunft grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs 2 Nr 1 SGG.