Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.2001, Az.: L 3 KA 45/01

Umfassender Gestaltungsspielraum eines Bewertungsausschusses; Eingriffe in das Verhältnis der Bewertung unterschiedlicher ärztlicher Leistungen ; Berichtigung der Abrechnung einer Gebührenordnungs-Nr.

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
21.11.2001
Aktenzeichen
L 3 KA 45/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 15916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1121.L3KA45.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 25.04.2001 - AZ: S 24 KA 679/97

Prozessführer

1. Dr. A...,
2. Dr. B...,

Prozessgegner

Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, E...,

Sonstige Beteiligte

Kassenärztliche Bundesvereinigung, F...,

Zusammenfassung

Das Gericht hatte sich zunächst damit auseinanderzusetzen, ob der Bewertungsausschuss von seinem Gestaltungsermessen in rechtswidriger, namentlich willkürlicher, Weise Gebrauch gemacht hat. Die Kläger sind als Fachärzte für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie wendeten sich gegen die sachlich-rechnerische Berichtigung ihrer Abrechnung der Gebührenordnungs-Nr.384 (GO-Nr.) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für die Quartale III/96 und IV/96. Die Kläger beanstandeten, dass der Bewertungsausschuss für sonografische Untersuchungen von Säuglingshüften eine nur unzureichende Honorierung vorgesehen habe. Dies sowohl in zeitlicher Hinsicht (Alter des Patienten) als auch in der Höhe der Punktberechnung sowie der Häufigkeit der Anwendung. Das Gericht stellte fest, dass der Bewertungsausschuss einen umfassenden Gestaltungsspielraum hat. Im Ergebnis habe der Bewertungsausschuss in rechtmäßiger Weise von seinem Gestaltungsermessen gebrauch gemacht. Weiter beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, ob die falsche Wiedergabe des Wortlauts im Ärzteblatt den Klägern einen Anspruch gewährt, was im Ergebnis abgelehnt wurde.

hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

am 21. November 2001

durch

die Richterin am Landessozialgericht G. als Vorsitzende,

den Richter am Landessozialgericht H. und

den Richter am Landessozialgericht I.

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Kläger sind als Fachärzte für Orthopädie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie wenden sich gegen die sachlich-rechnerische Berichtigung ihrer Abrechnung der Gebührenordnungs-Nr. 384 (GO-Nr.) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für die Quartale III/96 und IV/96.

2

Im Quartal III/96 rechneten die Kläger insgesamt 631 mal die Geb.-Ziff. 384 des EBM ("sonografische Untersuchung von Organen oder Organteilen (die nicht Bestandteil der Leistungen nach den Nrn. 375, 376, 377, 378, 381 oder 389 sind) mittels Real-Time-Verfahren (B-Mode), einschließlich Bild­doku­mentation, je Sitzung") ab, wobei in 312 Fällen diese Gebührenziffer zwei Mal für jeweils eine Sitzung abgerechnet wurde. Des weiteren rechneten die Kläger 63 Mal die Geb.-Ziff. 152 des EBM ("sonografische Screening-Untersuchung der Säuglingshüften innerhalb des durch die Früherkennungs­untersuchung U 3 (Nr. 143) vorgegebenen Zeitraumes (4. bis 6. Lebenswoche) einschließlich Dokumentation (gemäß Anlage 3 der Kinder-Richtlinien)") ab. Mit drei Bescheiden vom 19. Februar 1997, alle in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997, kürzte die Beklagte in den 312 Fällen, in denen die Geb.-Ziff. 384 jeweils zweimal je Sitzung abgerechnet worden war, jeweils einmal den Ansatz der Geb.-Ziff. 384. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass ausweislich der Vorgaben des EBM diese Gebührenziffer nur einmal je Sitzung abgerechnet werden könne.

3

Im vierten Quartal 1996 rechneten die Kläger 76 Mal die Geb.-Ziff. 152 EBM und 564 Mal die Geb.-Ziff. 384 EBM ab. Dabei hatten sie die Geb.-Ziff. 384 bei insgesamt 279 Sitzungen jeweils zweimal abgerechnet. Dementsprechend kürzte die Beklagte mit Bescheid vom 29. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997 den Ansatz der Geb.-Ziff. 384 um 279 Positionen.

4

Zur Begründung ihrer am 14. Oktober 1997 erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, dass in der Beilage zum Deutschen Ärzteblatt vom 28. Juni 1996 der Tatbestand der zum 01. Juli 1996 neu aufgenommenen Geb.-Ziff. 384 insofern falsch wiedergegeben worden sei, als dort in der Leistungslegende der Zusatz "je Sitzung" gefehlt habe. Erst am 12. August 1996 hätten sie von der Beklagten die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) herausgegebene so genannte Dienstauflage der zum 01. Juli 1996 in Kraft getretenen Neufassung des EBM erhalten, in der die Leistungslegende der Geb.-Ziff. 384 richtig wiedergegeben worden sei. Allerdings hätten sie weiterhin auf die Richtigkeit der Angaben in der Beilage zum Deutschen Ärzteblatt vom 28. Juni 1996 vertraut und dementsprechend davon abgesehen, im Einzelnen zu vergleichen, ob die Fassung der Dienstauflage in allen Details mit dieser Beilage übereingestimmt habe.

5

In der Sache sei aus ihrer Sicht in erster Linie zu beanstanden, dass der EBM für sonografische Untersuchungen von Säuglingshüften eine nur unzureichende Honorierung vorsehe. Lediglich im Zeitraum von der vierten bis zur sechsten Lebenswoche könne für eine sonografische Screening-Untersuchung beider Säuglingshüften nach dem speziellen Gebühren­tatbestand der Ziff. 152 EBM 450 Punkte abgerechnet werden. Für erst in der Folgezeit durchgeführte sonografische Untersuchungen beider Säuglingshüften könnten demgegenüber unter Zugrundelegung der Rechts­auffassung der Beklagten nach der dann nur einmal anzuwendenden Geb.-Ziff. 384 EBM lediglich 200 Punkte abgerechnet werden. Dies mache weniger als die Hälfte derjenigen Punktzahl aus, die während der vierten bis sechsten Lebenswoche nach Geb.-Ziff. 152 EBM zum Ansatz gelange, obwohl der medizinische Aufwand nicht vom Zeitpunkt der Untersuchung abhänge. Um der aus ihrer Sicht unzureichenden Vergütung von sonografischen Untersuchungen der Säuglingshüften nach der sechsten Lebenswoche entgegenzuwirken, sei es sachgerecht, bei einer Untersuchung beider Säuglingshüften auch dann den Gebührentat­bestand der Ziff. 384 EBM zweimal zu berücksichtigen, wenn beide Hüften in der gleichen Sitzung untersucht würden.

6

Ein Vergleichsangebot der Beklagten, wonach der Rechtsstreit durch eine Halbierung des für das Quartal III/1996 vorgesehenen Kürzungsumfanges im Hinblick auf die fehlerhafte Wiedergabe des Gebührentatbestandes der Ziff. 384 EBM in der Beilage zum Deutschen Ärzteblatt einvernehmlich beendet werden sollte, ist von Seiten der Kläger nicht angenommen worden.

7

Mit Urteil vom 25. April 2001, an die Kläger mit eingeschriebenem Brief am 16. Mai 2001 abgesandt, hat das Sozialgericht Hannover die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Nach der für die Beklagte und deren Mitglieder bindenden Regelung der GO-Nr. 384 EBM sei diese Ziffer nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut bei einer Sitzung nur einmal ansatzfähig. Dies gelte auch dann, wenn die Sonografie nacheinander an mehreren Körperstellen durchgeführt werde.

8

Zur Begründung ihrer am 30. Mai/ 12. Juni 2001 eingelegten Berufung machen die Kläger geltend, dass sie für etwa 120.000,00 DM ein Spezial­gerät zur sonografischen Untersuchung von Säuglingshüften gekauft hätten. Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung hätten sie darauf vertraut, dass eine solche Untersuchung mit 400 Punkten bewertet werde. Eine solche Bemessung sei auch in jeder Hinsicht angemessen. Soweit die Geb.-Ziff. 384 EBM nur eine Bewertung mit 200 Punkten vorsehe, handele es sich um ein willkürliche Regelung, die das Gleichheitsgebot und die Eigentums­garantie missachte. Dies gelte umso mehr, als in der Praxis häufig gar nicht möglich sei, den in den Kinder-Richtlinien vorgesehenen und in den Tatbestand der Geb.-Ziff. 152 EBM aufgenommenen Zeitraum von der vierten bis zur sechsten Lebenswoche einzuhalten. Häufig würden die Eltern erst gegen Ende dieses Zeitraumes den Kinderarzt aufsuchen, so dass die erst auf dessen Überweisung aufgesuchten Orthopäden gar nicht mehr die Möglichkeit hätten, diese Frist einzuhalten.

9

Darüber hinaus zeige sich die Willkür des Bewertungsausschusses auch daran, dass dieser sonografische Untersuchungen mittels Real-Time-Verfahren in der bis zum 30. Juni 1996 geltenden Fassung des EBM in Geb.-Ziff. 378 einheitlich mit 450 Punkten (bis zur Erreichung einer Abstaffelungsgrenze von 255 kurativ-ambulanten Leistungen pro Quartal) bewertet habe. Nach diesem Gebührentatbestand hätten bis zum 30. Juni 1996 auch sonografische Untersuchungen der Säuglingshüften nach Ablauf der sechsten Lebenswoche abgerechnet werden können. Erst mit Wirkung zum 01. Juli 1996 sei die Vergütung einer solchen Leistung auf 200 Punkte abgesenkt worden. Der Bewertungsausschuss habe seine Bewertungs­kompetenz missbräuchlich und gleichheitswidrig wahr­genommen, zumal der "Gewinn gemäß Nr. 152" im Jahr 2001 nur noch 1,51 betrage.

10

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. April 2001, die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997 und den Bescheid der Beklagten vom 29. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1997 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

12

Die Beklagte verweist auf den breiten Gestaltungsspielraum des Bewertungs­ausschusses bei der Neufassung des Bewertungsmaßstabes, der ihn namentlich dazu berechtige, das wechselseitige Wertverhältnis mehrerer Gebührentatbestände zu ändern. Soweit sich der Berufungskläger auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes berufe, sei nicht nachvollziehbar, worin ein solches schützenswertes Vertrauen begründet sein solle. Die gültige Fassung der zum 01. Juli 1996 in Kraft getretene Neufassung des EBM sei den Vertragsärzten mit zutreffendem Wortlaut bereits Mitte August 1996 ausgeliefert worden, so dass diese sie bei ihren Abrechnungen für die Quartale III/96 und IV/96 hätten zugrunde legen können.

13

Die beigeladene KBV hebt hervor, dass die Geb.-Ziff. 152 EBM mit Wirkung zum 01. Januar 1996 eingeführt worden sei, nachdem die Kinder-Richtlinien um die diesem Gebührentatbestand zugrunde liegende Anlage 3 ergänzt worden sei. Diese Anlage 3 regele detailliert die Durchführung der sonografischen Untersuchung der Säuglingshüfte zur Früherkennung der Hüftgelenkdysplasie und -luxation. Ebenfalls zum 01. Januar 1996 sei die Berechnungsweise für sonografische Untersuchungen im EBM geändert worden. Diese Neuregelung habe allerdings zum 01. Juli 1996 erneut geändert werden müssen, da sich in der Erprobungsphase herausgestellt habe, dass das zunächst gewählte Abrechnungsverfahren den Verhältnissen nicht hinreichend gerecht geworden sei.

14

Vor der Einführung der Leistungsziffer 152 EBM habe der Bewertungs­ausschuss zahlreiche Experten angehört. Diese seien übereinstimmend zu der Einschätzung gelangt, dass der optimale Zeitpunkt zur sonografischen Überprüfung des Verdachtes des Vorliegens einer Hüftgelenksdysplasie oder Hüftgelenksluxation in der vierten bis fünften Lebenswoche liege. Eine frühzeitige Feststellung solcher Hüftgelenkserkrankungen sei schon aus dem Grund sehr wichtig, weil jede spätere Feststellung die Erfolgsaussichten einer therapeutischen Behandlung erheblich verschlechtere.

15

Beim Vergleich der Bewertungen einerseits der Geb.-Ziff. 152 und anderer­seits der Geb.-Ziff. 384 EBM sei zu berücksichtigen, dass sich letztere nicht speziell auf die Hüftsonografie, sondern allgemein auf die sonografische Untersuchung aller nicht von Spezialtatbeständen erfassten Organe beziehe. Der Gebührentatbestand der Ziff. 384 EBM erfasste damit auch relativ einfach durchzuführende sonografische Untersuchungen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass eine Abrechnung der Geb.-Ziff. 152 EBM eine Zusatzgenehmigung durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) voraussetze. Zudem seien der Umfang der präventiven Hüft-Sonografie und der bei ihr durchzuführenden Begleitleistungen in der Anlage 3 der Kinder-Richtlinien im Einzelnen vorgegeben.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

17

II.

Über die vorliegende Berufung entscheidet der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet.

18

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die angegriffenen sachlich-rechnerischen Berichtigungen sind nicht zu beanstanden.

19

Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen, die die Beklagte bei den Klägern für die streitigen Quartale III und IV/96 vorgenommen hat, war für den Primärkassen(PK)bereich § 45 Abs. 1 und 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und für den Ersatzkassen(EK)bereich § 34 Abs. 4 Ärzte-Ersatzkassen-Vertrag (EKV-Ä). In diesen Vorschriften ist übereinstimmend geregelt, dass die KV die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungs­mäßig prüft und nötigenfalls richtig stellt. Die auf dieser Grundlage vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen bei der Geb.-Ziff. 384 EBM sind rechtmäßig.

20

Nach dem klaren Wortlaut der Geb.-Ziff. 384 in ihrer zum 01. Juli 1996 in Kraft getretenen Fassung ist dieser Gebührentatbestand nur einmal je Sitzung abrechnungsfähig. Unstreitig haben die Kläger diese Gebührenziffer in den beanstandeten Fällen (312 Mal im dritten Quartal 1996 und 279 Mal im vierten Quartal 1996) jedoch jeweils zweimal je Sitzung abgerechnet, woraufhin die Beklagte diese Abrechnungen dahingehend korrigiert hat, dass dieser Gebührentatbestand nur einmal je Sitzung berücksichtigt worden ist.

21

Die wortlautgerechte Anwendung der Ziff. 384 EBM durch die Beklagte auf die Honorarabrechnungen der Kläger im maßgeblichen Zeitraum steht in Einklang mit der Sach- und Rechtslage. Für die Auslegung der vertrags­ärztlichen Gebührenordnungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in erster Linie der Wortlaut der Leistungs­legenden maßgeblich, da das vertragliche Regelungswerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen dient und es in erster Linie Aufgabe des Bewertungsausschusses selbst ist, Unklarheiten zu beseitigen (vgl. dazu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 16. Mai 2001 - B 6 KA 20/00 R - m. w. N.). Ergänzend kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebühren­regelungen zur Klarstellung des Wortlautes der Leistungslegende erfolgen. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen kommt nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmung diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Leistungsbeschreibungen dürfen weder ausgedehnt noch analog angewandt werden.

22

Das vom Bewertungsausschuss erarbeitete System autonomer Leistungs­bewertung kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grund­sätzlich unterbleiben, so dass die gerichtliche Überprüfung von Regelungen des EBM im Wesentlichen auf die Prüfung beschränkt ist, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten hat. Dieses ist nicht schon immer dann der Fall, wenn sich bei nachträglicher Überprüfung einer Gebühren-Regelung im Rahmen der Ex-Post-Betrachtung deren Unzulänglichkeit erweist, sondern nur dann, wenn der Ausschuss seine Bewertungskompetenz zweifelsfrei "missbräuchlich", d. h. nicht durch sachgerechte Erwägungen gedeckt, sondern von sachfremden Erwägungen getragen, ausgeübt hat (vgl. ebenfalls BSG, a.a.O., dort auch zu dem - im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägigen - Sonderfall, dass der Bewertungsausschuss seine Bewertungskompetenz dadurch gleichheitswidrig nutzt, dass er nur einer Arztgruppe Vergütungsansprüche zugesteht, obgleich die Leistung auch von anderen Arztgruppen erbracht werden kann).

23

Die Regelungen des EBM sind letztlich nur Ausprägung des im Laufe der Zeit mehr und mehr öffentlich-rechtlich ausgestalteten und in Gesetzesrecht umgesetzten, ursprünglich im Wesentlichen aber (gesamt-)vertraglich geregelten Konzepts einer Kooperation von Ärzteschaft und Krankenkassen. Die Gestaltungsbefugnisse der in diesem Bereich zuständigen Institutionen dürfen von außen nicht funktionswidrig eingeengt werden; denn nicht nur dem Gesetzgeber, sondern auch anderen Normgebern steht bei der ihnen überantworteten Rechtsetzung (§ 87 Abs. 1 SGB V) generell eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Diese ist grundsätzlich auch von der Rechtsprechung zu respektieren und darf von dieser nur in Ausnahme­fällen korrigiert werden. Der Gestaltungsspielraum eines Normgebers ist umso mehr zu beachten, wenn - wie mittelbar auch im vorliegenden Zusammenhang - Regelungen über die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme im Streit sind oder wenn es um die Bewältigung komplexer Sachverhalte geht, wie sie vielfach im Krankenversicherungs- und Vertragsarztrecht anzutreffen sind (vgl. ebenfalls BSG, a.a.O.).

24

Gemessen an den vorstehend erläuterten Grundsätzen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass der Bewertungsausschuss von seinem Gestaltungsermessen in rechtswidriger, namentlich willkürlicher, Weise Gebrauch gemacht hat. Insbesondere war der Bewertungsausschuss dazu berechtigt, den präventiven Gebührentatbestand der Ziffer 152 EBM auf den Zeitraum der vierten bis sechsten Lebenswoche zu beschränken, da nach der Einschätzung der von ihm gehörten Sachverständigen eine Einhaltung dieser Frist die Erfolgsaussichten einer Heilbehandlung nachhaltig erhöhen würde. Dementsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass der Bewertungsausschuss den mit einem Gebührenvorteil verbundenen speziellen Gebührentatbestand der Ziff. 152 EBM an die Einhaltung dieser Frist geknüpft hat. Damit hat er für die betroffenen Ärzte einen Anreiz geschaffen, im Interesse der Gesundheit der zu untersuchenden Säuglinge diese Frist strikt einzuhalten. Da es sich um eine typisierende Regelung handelt, ist es unerheblich, dass die betroffenen Ärzte in einzelnen Fällen die in diesem Gebührentatbestand vorgesehenen Fristen aus von ihnen nicht zu beeinflussenden Gründen nicht einhalten können.

25

Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Bewertungsausschuss sonografische Untersuchungen von Organen oder Organteilen, die nicht Bestandteil der speziellen Tatbestände nach den Ziffern 375, 376, 377, 378, 381 oder 389 (oder 152) sind, nach Ziff. 384 EBM vom 01. Juli 1996 an pauschal mit 200 Punkten vergütet hat. In Anbetracht der Komplexität des ärztlichen Leistungsgeschehens kommt der Bewertungsausschuss gar nicht umhin, pauschalierende Bewertungsregelungen zu erlassen, dementsprechend war er namentlich nicht verpflichtet, auch für den Zeitraum nach Ablauf der sechsten Lebenswoche noch einen speziellen Gebührentatbestand für eine sonografische Untersuchung beider Säuglingshüften vorzusehen. Auch eine willkürlich nur unzureichend vorgenommene Bewertung der Leistung nach Geb.-Ziff. 384 ist nicht ersichtlich, zumal diese vielfältige sonografische Untersuchungen erfasst und auch in besonderen Tatbeständen geregelte spezielle sonografische Untersuchungen (vgl. etwa Ziffern 375 f., 389 EBM) nur mit etwa 200 Punkten bewertet worden sind.

26

Der umfassende Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses schließt selbstverständlich auf die Befugnis ein, Eingriffe in das Verhältnis der Bewertung unterschiedlicher ärztlicher Leistungen vorzunehmen. Dementsprechend hilft es den Klägern auch nicht weiter, dass die von ihnen vorgenommenen sonografischen Untersuchungen von Säuglingshüften nach der sechsten Lebenswoche in der Zeit bis zum 30. Juni 1996 großzügiger bewertet worden sind als nach Inkrafttreten der in den streitigen Quartalen zu berücksichtigenden Neufassung des EBM. Da die Kläger mit der Möglichkeit künftiger Bewertungsänderungen rechnen mussten, ist es rechtlich unerheblich, von welchen Vergütungsprognosen sie sich bei der Anschaffung einzelner Geräte haben leiten lassen.

27

Darüber hinaus war dem Bewertungsausschuss noch ein besonders großer Gestaltungsspielraum unter dem Gesichtspunkt zuzubilligen, dass es sich in den streitbefangenen Quartalen bei der beanstandeten Regelung der Geb.-Ziff. 384 um eine Erprobungs­regelung handelte. Die Kläger selbst haben erstinstanzlich hervorgehoben, dass die Vergütung sonografischer Leistungen vielfältigen Änderungen unterlegen hat. Der Bewertungsausschuss hatte bereits zum 01. Januar 1996 eine Neubewertung dieser Leistungen im EBM vorgesehen, jedoch auch diese Neuregelung bereits wenige Monate später mit Wirkung zum 01. Juli 1996 wieder abgeändert, nachdem die ersten Abrechnungs­ergebnisse aus seiner Sicht ihre Unzulänglichkeit ergeben hatten. Da im vorliegenden Verfahren allein die klägerischen Honoraransprüche aus den letzten beiden Quartalen des Jahres 1996 zu überprüfen sind, muss nicht näher darauf werden, ab welchem Zeitpunkt eine Überprüfung der zum 01. Juli 1996 in Kraft getretenen Neuregelung gegebenenfalls angezeigt gewesen sein könnte.

28

Bei dieser Sachlage muss der Senat auch nicht näher darauf eingehen, dass selbst im Fall einer etwaigen - im vorliegenden Zusammenhang ohnehin nicht festzustellenden - Rechtswidrigkeit der Gebührenregelungen des EBM die Kläger nicht berechtigt wären, nach eigenem Gutdünken entgegen dem klaren Wortlaut des EBM die Geb.-Ziff. 384 zweimal je Behandlungsfall abzurechnen. Selbst in einem solchen Fall hätten sie allenfalls Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung des Bewertungs­ausschusses.

29

Vergeblich berufen sich die Kläger auch darauf, dass in der Beilage zum Ärzteblatt vom 28. Juni 1996 der Wortlaut des Gebührentatbestandes 384 insofern falsch wiedergegeben worden ist, als im Tatbestand der Zusatz "je Sitzung" gefehlt hat. Auch ohne einen ausdrücklichen Zusatz dieses Inhalts brachte der Gebührentatbestand in seiner in der Beilage zum Ärzteblatt fehlerhaft wiedergegebenen Fassung noch hinreichend klar zum Ausdruck, dass bei der sonografischen Untersuchung von zwei Organen (wie hier von zwei Hüftgelenken) in einer Sitzung die Leistungsposition nur einmal abgerechnet werden konnte. Als Objekt der mit insgesamt 200 Punkten zu vergütenden Untersuchung sind "Organe" und "Organteile" im Plural ausgewiesen. Bereits damit war hinreichend deutlich, dass nicht jede Untersuchung eines jeden Organ(teil)s gesondert vergütet werden sollte. Auch wäre bei einem anderen Verständnis nicht nachvollziehbar, weshalb die sonografische Untersuchung sowohl der Nasennebenhöhle als auch anderer Organe der Gesichts- und Halsregion (mit Ausnahme der Schilddrüse) in einer Sitzung nach Ziff. 375 EBM einheitlich nur mit 200 Punkten vergütet werden sollte, wohingegen die Untersuchung zweier Hüftgelenke bei einer Sitzung nach dem Rechtsverständnis der Kläger mit 400 Punkten vergütet worden wäre.

30

Davon abgesehen können sich die Kläger auf die anfänglich fehlerhafte Veröffentlich des Wortlautes der neu eingeführten Leistungsposition Nr. 384 auch deshalb nicht berufen, weil nicht ersichtlich ist, dass dieser Fehler ihr Leistungsverhalten beeinflusst hat. Da mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass in allen abgerechneten Fällen die sonografische Untersuchung der Hüftgelenke medizinisch indiziert war, hätten die Kläger als zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Orthopäden diese Untersuchungen in gleicher Weise auch dann durchführen müssen, wenn ihnen von vornherein die Bewertung der Untersuchung beider Hüftgelenke mit einheitlich 200 Punkten bekannt gewesen wäre.

31

Bei dieser Sachlage ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass sich die von den Klägern angegriffenen Kürzungen im Ergebnis nur geringfügig ausgewirkt haben. Sonografische Untersuchungen nach Abschnitt C VII des EBM unterlagen in den streitigen Quartalen dem Teilbudget nach Ziff. 5.7.2 des Abschnitts A I Allgemeine Bestimmungen des EBM. Die arztgruppen­bezogene Fallpunktzahl für dieses Budget betrug für die Kläger jeweils 30 Punkte, so dass ihnen bei insgesamt im dritten Quartal 1996 behandelten 2.248 Fällen ein Teilbudget in einem Umfang von 67.440 Punkten zustand. Auch nach den von der Beklagten durchgeführten sachlich-rechnerischen Berichtigungen ist der mit 200 Punkten bewertete Gebührentatbestand der Ziff. 384 EBM 319 Mal berücksichtigt worden, was einer Gesamtpunktzahl von 63.800 für diese Gebührenziffer entspricht. Mithin haben die Kläger das ihnen für sonografische Untersuchungen zustehende Teilbudget auch nach den beanstandeten Berichtigungen noch zu knapp 95 % ausgeschöpft. Auch dieser Gesichtspunkt macht deutlich, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte im vorliegenden Zusammenhang nicht berücksichtigt werden können. Im Ergebnis ist der Honoraranspruch der Kläger aufgrund der angefochtenen Berichtigungen um etwas mehr als 1 Promille gekürzt worden.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).