Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.11.2001, Az.: L 3 B 314/01 KA
Kostenentscheidung nach billigem Ermessen im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); Unvollständige Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen aus der Abwicklung einer früheren zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 20.11.2001
- Aktenzeichen
- L 3 B 314/01 KA
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 15912
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1120.L3B314.01KA.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 24.09.2001 - AZ: S 21 KA 117/99
Rechtsgrundlage
- § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen, D...,
hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
am 20. November 2001
durch
die Richterin am Landessozialgericht G. als Vorsitzende,
den Richter am Landessozialgericht H. und
den Richter am Landessozialgericht I.
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 24. September 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der beiden Beigeladenen im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Kläger und die Beigeladenen zu 1) und 2) sind zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Bis zum 30. September 1998 bildeten sie eine Gemeinschaftspraxis. Am 16. August 1998 unterzeichneten der Kläger und die Beigeladene zu 1) eine Erklärung, der der Beigeladene zu 2) in der Folgezeit beigetreten ist. Die Erklärung lautet wie folgt:
"Der Vertrag über die Gemeinschaftspraxis wird hiermit zum 30.09.1998 einvernehmlich aufgelöst. Dr. J. (d.h. der Kläger) führt die Praxis weiter. Es bestehen keine gegenseitigen Forderungen zwischen Herrn Dr. J. und Frau K. (d.h. die Beigeladene zu 1) aus dem o. a. Vertrag mehr.
Ausnahmen:
Die Einlage von Frau K. in die Praxis DM 10.360,00 wird bis zum 15.10.1998 zurückgezahlt. Der noch nicht abgerechnete Honoraranteil Frau L. für das dritte Quartal 1998 wird zum 01.11.1998 abzüglich der Abschlagszahlungen ausgezahlt."
Für das dritte Quartal 1998 sprach die Beklagte den Mitgliedern der damaligen Gemeinschaftspraxis ein Honorar in Höhe von 167.802,20 DM mit Honorarbescheid vom 23. Dezember 1998 zu.
Mit Anwaltsschreiben vom 26. Oktober 1998 wandte sich die Beigeladene zu 1) an die Beklagte und trug vor, dass der Kläger die sich aus der Abwicklung der früheren Gemeinschaftspraxis ergebenden Zahlungsverpflichtungen nur unvollständig erfüllt habe. Sie bitte daher vorsorglich darum, die Quartalsauszahlung für das dritte Quartal 1998 nicht auf das frühere Gemeinschaftskonto zu überweisen, da über dieses der Kläger inzwischen die alleinige Verfügungsgewalt habe. Vielmehr bitte sie darum, diesen Betrag zunächst einzubehalten, bis von ihrer Seite eine Freigabeerklärung abgegeben werde. Daraufhin teilte die Beklagte den Mitgliedern der früheren Gemeinschaftspraxis mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 mit, dass sie von der Restzahlung für das Quartal III/1998 über insgesamt 167.802,20 DM auf Veranlassung der Beigeladenen zu 1) einen Betrag von 30.000,00 DM einbehalten habe. Sie bitte um interne Klärung, auf welches Konto dieser Betrag zu überweisen sei. Sofern es vorläufig zu keiner entsprechenden Einigung unter den Mitgliedern der früheren Gemeinschaftspraxis komme, müsse sie den Betrag beim Amtsgericht hinterlegen.
Daraufhin hat der Kläger am 12. Februar 1999 Klage auf Auszahlung des Betrages in Höhe von 30.000,00 DM nebst 4 % Zinsen an seine Person erhoben.
Zur Begründung hat er insbesondere vorgetragen, dass er Geschäftsführer der aufgelösten Gesellschaft war und sei. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegungen seien nicht gegeben; im Übrigen habe die Beklagte den Betrag von 30.000,00 DM auch nicht hinterlegt.
Nachdem zivilrechtliche Verhandlung zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu einer Einigung geführt hatten, gab die Beigeladene zu 1) mit Schreiben vom 06. Juni 2000 den zunächst einbehaltenen Betrag in Höhe von 30.000,00 DM frei, der daraufhin in der Folgezeit von der Beklagten auf das Konto des Klägers überwiesen wurde. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 12. Juli 2001 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Nachdem der Kläger eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreites begehrt hatte, hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 24. September 2001 beschlossen, dass der Kläger der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Beklagte habe die streitigen 30.000,00 DM zunächst zu Recht zurückbehalten. Zutreffend habe die Beklagte das Honorar erst nach Beibringung der von ihr geforderten Zustimmungserklärung der Beigeladenen zu 1) auf das Konto des Klägers überwiesen. Mit der Auflösung der früheren Gemeinschaftspraxis sei auch die Geschäftsführungsbefugnis des Klägers erloschen; eine entgegenstehende Vereinbarung sei nicht dargetan worden.
Gegen diesen ihm am 26. September 2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 26. Oktober 2001 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass er das Recht zur fortlaufenden Geschäftsführungsbefugnis gehabt habe, da eine Liquidationsgesellschaft nicht vorgelegen habe. Insbesondere sei in der Liquidation eine gemeinschaftliche Geschäftsführung von Seiten der Praxisgemeinschaft nicht "gelebt" worden.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass es im vorliegendem Fall billigem Ermessen im Sinne des § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz entspricht, dem Kläger aufzuerlegen, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) zu tragen.
Im Rahmen der bei der vorliegenden Kostenentscheidung allein möglichen summarischen Beurteilung der Sach- und Rechtslage geht der Senat mit dem Sozialgericht davon aus, dass die Klage bis zur Beibringung der Zustimmungserklärung der Beigeladenen zu 1), aufgrund derer die Beklagte die begehrte Zahlung erbracht hat, unbegründet war. Dies ergab sich bereits daraus, dass der Kläger Zahlung an seine Person begehrt hat, obwohl es sich bei der streitigen Honorarforderung nicht um eine persönliche Forderung des Klägers, sondern um eine den Gesellschaftern der bis zum 30. September 1998 bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts, d. h. dem Kläger, der Beigeladenen zu 1) und dem Beigeladenen zu 2), gemeinsam zur gesamten Hand zustehende Forderung (§§ 718 Abs. 1, 719 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) handelte. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass die frühere BGB-Gesellschaft diese Forderung an den Kläger persönlich abgetreten hätte oder dass die ausscheidenden Gesellschafter ihre Anteile an dem Gesellschaftsvermögen an den Kläger übertragen haben. Auch die Erklärung vom 16. August 1998 ergab entsprechende Übertragungen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit. Bezeichnenderweise beruft sich der Kläger gerade auf seine Befugnis zur Führung der Geschäfte der Gesellschaft.
Dementsprechend hätte der Kläger nicht die Erbringung der Zahlung an seine Person, sondern an die (drei) Gesellschafter der früheren BGB-Gesellschaft begehren müssen. In diesem Zusammenhang sind die von dem Kläger problematisierten Fragen der Geschäftsführungsbefugnis nicht relevant, da sie lediglich die Frage der Prozessführungsbefugnis, nicht jedoch Fragen der materiellen Gläubigerstellung betreffen. Für eine Klage auf Zahlung an die Gesellschafter der BGB-Gesellschaft hätte es jedoch an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, da das Bestehen der streitigen Forderung als Gesamthandforderung aller drei Gesellschafter von der Beklagten mit Honorarbescheid vom 23. Dezember 1998 gerade anerkannt worden ist.
Die Beklagte hat auch zutreffend den Weg der vorläufigen Einbehaltung des streitigen Honoraranteiles gewählt. Bei Gemeinschaftspraxen - insbesondere nach deren Auflösung - obliegt es allen Gesellschaftern, durch übereinstimmende Erklärungen der Beklagten klar und eindeutig mitzuteilen, auf welche Konten diese die Honorarforderungen zu begleichen hat. Kommen diese dieser Obliegenheit nicht nach und bestehen daher - wie im vorliegenden Fall - auf Seiten der Beklagten begründete Zweifel über die Wahl des richtigen Zahlungsweges, dann ist diese in entsprechender Anwendung des § 372 Satz 2 BGB berechtigt, den umstrittenen Betrag bis zu einer zivilrechtlichen Einigung zwischen den Gesellschaftern einzubehalten. Jedenfalls solange die beteiligten Zahnärzte weiterhin Mitglieder der Beklagten sind, wäre es eine unnötige - und für die betroffenen Zahnärzte mit zusätzlichen Kosten verbundene - Förmelei, die Beklagte als öffentlich-rechtliche Körperschaft auf eine förmliche Hinterlegung beim zuständigen Amtsgericht nach §§ 372 ff. BGB zu verweisen, sofern diese klar und rechtsverbindlich ihre Bereitschaft zur Auszahlung des streitigen Betrages nach einer entsprechenden zivilrechtlichen Einigung zwischen den betroffenen Gesellschaftsmitgliedern erklärt hat.
Dementsprechend hätte der Kläger sachgerechterweise an Stelle der Erhebung der vorliegenden Klage sich sogleich um eine zivilrechtliche Einigung - gegebenenfalls durch Einleitung der erforderlichen Gerichtsverfahren - mit der Beigeladenen zu 1) bemühen müssen. Die Beklagte hat sich ordnungsgemäß verhalten und war an den zivilrechtlichen Differenzen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) nicht beteiligt. Dementsprechend ist es sachgerecht, dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Da der Kläger mit der Erhebung der vorliegenden Klage auch keinen geeigneten Weg gewählt hat, seinen zivilrechtlichen Streit mit der Beigeladenen zu 1) zu beheben, ist es ebenfalls angemessen, dass er die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) zu tragen hat und zwar ohne dass der Senat - was ihm nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch gar nicht möglich wäre - näher auf die zivilrechtliche Berechtigung der von der Beigeladenen zu 1) zunächst geltend gemachten Einwände einzugehen hätte.
Die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).