Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.11.2001, Az.: L 6 U 120/99
Einstufung von Ingenieurbüros mit wenig Außendiensttätigkeit in Gefahrklassen der Unfallversicherungsträger
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen
- Datum
- 15.11.2001
- Aktenzeichen
- L 6 U 120/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 15891
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1115.L6U120.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 10.02.1999 - AZ: S 7a U 70177/97
Rechtsgrundlagen
- § 734 RVO
- § 159 SGB VII
- § 723 Abs. 2 RVO
- 728 RVO
Prozessführer
XXX
Prozessgegner
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, Deelbögenkamp 4, 22297 Hamburg,
hat der 6. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2001
durch
den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts Dr. Wilde,
die Richterin am Landessozialgericht Janz,
die Richterin am Landessozialgericht Klein und
die ehrenamtlichen Richter Roth und Rostalski
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Februar 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Herabsetzung von der Gefahrklasse 2,2 in die Gefahrklasse 1,4 im Rahmen des ab 1. Januar 1995 geltenden Gefahrtarifs der Beklagten.
Der Kläger betreibt ein selbstständiges Ingenieurbüro für CAD-Leiterplattenlayout und Elektronikentwicklung und war bei der Beklagten freiwillig unternehmer-versichert. Gegenstand des Unternehmens sind computergestützte Arbeiten. Im Wesentlichen arbeitet der Kläger allein in seinem ca 16 qm großen Büro, das mit einer Winkel-Kombination für die EDV und einigen Schränken in seinem Privathaus in C. eingerichtet ist (Angaben des Klägers vom 20. November 1996) . Das Büro enthält abgesehen von den EDV-Anlagen keine technischen Einrichtungen. Nur hin und wieder (Angaben des Klägers vom 15. Oktober 1992) bzw zu 5 % seiner Arbeitszeit (Ermittlungen des TAD vom 22. April 1993) verlässt der Kläger sein Büro, um Kunden mit seinem PKW aufzusuchen. Angestellte beschäftigt er nicht. Die Versicherung ist zum 15. Juli 1997 erloschen.
Nach dem ab dem 1. Januar 1990 geltenden Gefahrtarif der Beklagten war das Büro des Klägers in die Gefahrtarifstelle 4,2 (Unternehmensart: Architekten, Ingenieure sowie entsprechende Unternehmen, selbstständige Bauleiter, technische Überwachungsvereine) mit der Gefahrklasse 2,2 veranlagt worden. Im Oktober 1992 beantragte er unter Hinweis auf das bei ihm geringe Risiko beruflicher Unfälle die Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Ziffer 2 des Gefahrtarifes 1990. - Nachdem der technische Aufsichtsbeamte nach Durchführung einer Betriebsbesichtigung die Herabsetzung in die Gefahrklasse 1,4 (entspricht der für Lebensversicherungs-, Unfall- und Krankenversicherungs-unternehmen, Sach-, Tier-, Haftpflicht- , Rück- und sonstige Versicherungsunter-nehmen, Versicherungsvertreter) vorgeschlagen hatte, nahm die Beklagte mit Veranlagungs-Bescheid vom 9. Juni 1993 die Herabsetzung in die Gefahrklasse 1,4 vor.
Nach dem ab dem 1. Januar 1995 geltenden Gefahrtarif der Beklagten wurde das Büro des Klägers mit Veranlagungsbescheid vom 29. September 1995 in die Gefahrtarifstelle 10 (Unternehmensart: Architekturbüro, Ingenieurbüro, technische Überwachung, Prüfung, Gutachter, Sachverständiger/Vermessung/technische Projektplanung) mit der Gefahrklasse 2,2 eingestuft.
Mit Widerspruch vom 12. Oktober 1995 beantragte der Kläger die Beibehaltung der Herabsetzung/Einstufung in die Gefahrklasse 1,4 unter Hinweis darauf, dass sich seine Arbeitsbedingungen und seine Unternehmensstruktur nicht geändert hätten. Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Neuantrag auf Herabsetzung der Gefahrklasse nach Teil II Ziffer 2 des Gefahrtarifes 1995, den sie mit Bescheid vom 19. November 1996 ablehnte. Nach Teil II Ziffer 1 des Gefahrtarifes seien die im Teil I festgesetzten Gefahrklassen "für Unternehmen mit regelrechten Betriebsverhältnissen, guten Einrichtungen und allen üblichen und durch die Unfallverhütungsvorschriften angeordneten Schutzvorkehrungen" anzuwenden. Deshalb seien an den Nachweis von Herabsetzungsgründen hohe Anforderungen zu stellen. Die auf den Antrag des Klägers durch den TAD durchgeführte Prüfung der Unternehmensverhältnisse habe ergeben, dass regelrechte Betriebsverhält-nisse vorlägen. Das Strukturbild des Unternehmens des Klägers entspräche der Gefahrengemeinschaft.
Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger darauf hin, dass der TAD lediglich einmal 1993 sein Unternehmen überprüft und danach die Herabsetzung der Gefahrklasse befürwortet habe. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1997 zurückgewiesen. Die Ermäßigung der Gefahrklasse erfolge unabhängig von der tatsächlichen Unfallbelastung des einzelnen Unternehmens. Einem geringen Unfallrisiko könne im Beitragszuschlagsverfahren gemäß § 725 Abs. 2 RVO iVm § 26 der Satzung der Beklagten Rechnung getragen werden. Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 1997 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass er nicht nachvollziehen könne, wie die Beklagte ohne Durchführung einer weiteren Betriebsprüfung zu einer anderen Beurteilung seines Unternehmens als im Jahre 1993 kommen könne. Eine fehlende Außendiensttätigkeit sei eine erheblich von der üblichen Betriebsweise abweichende Unternehmensstruktur bei einem Ingenieurbüro. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass sich die bisherige Herabsetzung der Gefahrklassen nur auf den Geltungszeitraum des Gefahrtarifs 1990 bis 31. Dezember 1994 bezogen habe. Mit der Einführung des neuen Gefahrtarifs 1995 habe sich die Sach- und Rechtslage und ihre Rechtsauffassung geändert. Eine Herabsetzung könne nur bei einer außergewöhnlichen Betriebsweise erfolgen, wobei der Wandel in der Technik berücksichtigt werden müsse. Eine fehlende Außendiensttätigkeit sei heute bei einem "Ingenieurbüro" keine erheblich von der üblichen abweichenden Betriebsweise. Es gäbe eine Vielzahl von Ingenieurbüros ohne Außendienstanteil. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat mit Urteil vom 10. Februar 1999 die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 29. September 1995 und 19. November 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1997 aufgehoben, soweit mit ihnen ab dem 1. Januar 1995 die Herabsetzung auf die Gefahrklasse 1,4 zurückgenommen werde. Bei dem Herabsetzungsbescheid vom 9. Juni 1993 handele es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X zurückgenommen werden könne. Mangels Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen lägen dessen Voraussetzungen aber nicht vor. Es sei abwegig, davon auszugehen, dass die in derselben Gefahrtarifstelle genannten Architekten, Vermessungsarbeiter und technischen Überwacher keine Außendiensttätigkeit verrichten würden. Aber selbst wenn der Gefahrtarif eine eigene Rechtsnorm darstelle, der mit seinem Ablauf seine Geltung verliere, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Es sei willkürlich, eine identische Vorschrift ab einem bestimmten Zeitpunkt anders auszulegen.
Gegen das ihr am 22. März 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. März 1999 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, eine Herabsetzung der Gefahrklasse für einen abgelaufenen Gefahrtarifzeitraum entfalte Bindungswirkung nur für diesen, nicht aber auch für nachfolgende Gefahrtarifzeiträume. Ein Anwendungsfall von § 48 SGB X sei daher nicht gegeben. Für die Herabsetzung der Gefahrklassen nach Teil II Ziffer 2 des Gefahrtarifes müssten 4 Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: das Vorliegen eines Einzelfalles, eine von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise, geringere Gefahren im Vergleich zur Gefahrengemeinschaft und der kausale Zusammenhang zwischen der spezifischen Betriebsweise und der geringeren Gefährdung. Maßgeblich sei der Vergleich mit der gleichen Unternehmensart, nicht aber mit anderen Unternehmensarten derselben Gefahrtarifstelle. Sie sei ausschließlich zuständig für Ingenieurbüros, die büromäßig betrieben werden, die übrigen Ingenieurbüros unterlägen nicht ihr, sondern der entsprechenden Fach-BG. 1994 sei die Struktur der Ingenieurbüros ermittelt worden. Der Außendienstanteil schwanke zwischen 0 und 60 % der Arbeitszeit, in der Hälfte der Büros betrage der Anteil höchstens 10 %.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Oldenburg vom 10. Februar 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 10. Februar 1999 zurückzuweisen.
Die erhebliche Abweichung seines Unternehmens von denen anderer Ingenieurbüros habe die Beklagte im Jahre 1993 selbst festgestellt.
Die Beklagte hat die Erhebungsbögen zu den Beitragsherabsetzungsanträgen der in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Ingenieurbüros von 1984 - 1998 vorgelegt.
Der Senat hat aus einem Parallelverfahren (L 9 U 273/01) die Plausibilitätsstudie zum Gefahrtarif der Ingenieure in der VBG von Dr.-Ing. Preißing vom 31. Januar 2001, die Auskunft des Verbandes beratender Ingenieure vom 11. April 2001 sowie Aufsätze von Dipl.-Ing. Matysik in DIng-Blatt 1998, S. 43 ff und Krutzki, DIng-Blatt 1997, S. 38 ff beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Insbesondere ist die Berufung statthaft, da auch Beiträge als Leistungen iS des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG in der seit 1. März 1993 geltenden Fassung gelten (BSG Beschluss vom 28. Januar 1999 - B 12 Kr 51/98 B - ; Peters/Sautter/Wolff SGG § 144 Rz 63; Zeihe SGG § 144 Rz 7b; Kummer NZS 1993, S. 285 ff; Krasney/ Udsching Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens 2. Auflage 1997, S. 272 Rnr 10) und hier die Höhe der Beiträge von mehr als einem Jahr und damit wiederkehrende Leistungen (vgl. Peters/Sautter/Wolff, a.a.O Rnr 104; Zeihe a.a.O. Rz 17 a) betroffen sind. Die Berufung ist auch begründet.
Das SG hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Die Beklagte war nach Einführung des Gefahrtarifs 1995 berechtigt, den Antrag des Klägers auf Herabsetzung der Gefahrklasse abzulehnen.
Entgegen der Auffassung des SG Oldenburg entfaltet der auf dem Gefahrtarif 1990 beruhende Veranlagungsbescheid vom 9. Juni 1993 Wirkung auch nur für den Geltungszeitraum dieses Gefahrtarifs und damit nur bis zum 31. Dezember 1994. Nach § 734 RVO (sowie der nachfolgenden Bestimmung des § 159 SGB VII) erfolgt die Veranlagung eines Unternehmens nur für den Geltungszeitraum des jeweiligen Gefahrtarifs (BSG Urteil vom 12. Dezember 1985, 2 RU 45/84 in SozR 2200 § 734 Nr. 4). Ein Fall des § 48 SGB X liegt hier deshalb nicht vor, so dass es nicht darauf ankommt, dass sich die Betriebsverhältnisse des Klägers nicht geändert haben. Die Beklagte war demgemäß nach Einführung des Gefahrtarifes 1995 berechtigt, die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Beiträge des Klägers nach Teil II Ziffer 2 des Gefahrtarifes neu zu überprüfen und ist dabei an eine zuvor vertretene Rechtsauffassung nicht gebunden. Zutreffend hat sie diese Herabsetzung der Beiträge des Klägers abgelehnt, denn die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen nicht vor.
Die Höhe der Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung richten sich vorbehaltlich des § 723 Abs. 2 RVO und des § 728 RVO nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen und nach dem Grade der Unfallgefahr in den Unternehmen. Dabei hat die Beklagte nach § 730 RVO zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden. Entsprechend diesem Auftrag hat die Beklagte in dem Teil I ihres Gefahrtarifes 1995 die Gewerbezweige entsprechend ihrer Unfallgefährdung den verschiedenen Gefahrklassen zugeteilt. Für den Fall, dass ein Unternehmen ein von dem gewöhnlichen Unfallrisiko der Gefahrtarifstelle abweichendes geringeres Unfallrisiko aufweist, hat die Beklagte in dem Teil II Ziffer 2 ihres Gefahrtarifs die Herabsetzung der Gefahrklassen bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen vorgesehen.
Gemäß Teil II Ziffer 2 Satz 1 des Gefahrtarifs der Beklagten kann diese die Gefahrklassen um 10 bis 50 vom Hundert herabsetzen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise das Unternehmen geringeren Gefahren unterliegt. Die Beklagte ist zur Ausübung des Ermessens bei der Entscheidung über die Herabsetzung erst dann berechtigt, wenn die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen auch vorliegen. Bei der Formulierung, ob in einem Einzelfall wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise ein Unternehmen geringeren oder höheren Gefahren unterliegt als die, für die die Gefahrklasse berechnet ist, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen Überprüfung durch die Gerichte unterliegt.
Die Voraussetzungen der Herabsetzung sind nicht erfüllt. Denn das Ingenieurbüro des Klägers stellt keinen Einzelfall iS des Teil II Ziffer 2 Satz 1 des Gefahrtarifs dar und weicht überdies nicht erheblich von der üblichen Betriebsweise anderer Ingenieurbüros ab. Nach der historischen Entwicklung dieser Bestimmung ist hiernach Voraussetzung, dass "im Einzelfall" für einen Betrieb gegenüber Unternehmen derselben Gefahrklasse erheblich größere oder geringere Gefahren vorliegen. Es muss danach bei einem einzelnen Unternehmen eine Betriebsweise vorhanden sein, die von der bei dem betreffenden Gewerbezweig üblichen nicht unerheblich abweicht und zu einer gegenüber dem Durchschnitt nicht unwesentlich geminderten - oder erhöhten - Gefahrenlage führt (BSG Urteil vom 14. Dezember 1967 - 2 RU 60/65 - BSGE 27, 237 (241 f mwNw). Die von dem Kläger geltend gemachte nur gelegentliche bis gar keine Außendiensttätigkeit ist für die bei der Beklagten versicherten Ingenieurbüros nicht außergewöhnlich, sondern trifft auf eine Vielzahl anderer Ingenieurbüros zu. Die Betriebsweise des Ingenieurbüros des Klägers ist dabei nur mit der Betriebsweise gleichartiger Unternehmen, dh hier der anderer Ingenieurbüros zu vergleichen (vgl. BSG Urteil vom 14. Dezember 1967, a.a.O.).
Weiterhin sind bei diesem Vergleich auch nur die bei der Beklagten versicherten Ingenieurbüros zu berücksichtigen. Hiernach ergibt sich auch nach Auswertung der aus dem Parallelverfahren beigezogenen Unterlagen, dass diese bei der Beklagten versicherten Ingenieur-Büros zum überwiegenden Anteil büromäßig betrieben werden und der Außendienst nicht zu den prägenden Betriebstätigkeiten zählt. Es gibt bundesweit eine Vielzahl von Ingenieurbüros aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen (zB Baustatik, Bauwesen, Elektrotechnik, Energietechnik, Erschließungsplanung, Fernmeldetechnik, Haustechnik, Heizungs- und Lüftungs-technik, Maschinenbau, Wasserwirtschaft usw). Ingenieurbüros bestimmter Sparten - zB die im Bauwesen - sind mit Anreisen zu und von Baustellen und Aufenthalten auf denselben verbunden, und diese Tätigkeiten beinhalten höhere Unfallrisiken als die bloße Schreibtischarbeit in einem Büro. Aber diese Ingenieurbüros, die einzelnen Fachrichtungen zugeordnet werden können, sind auch bei den jeweils fachlich zuständigen Berufsgenossenschaften versichert. Demgegenüber ist die Beklagte nur für die Ingenieurbüros zuständig, die - wie das Ingenieurbüro des Klägers - überwiegend büromäßig betrieben werden. Diese Unternehmen zeichnen sich generell durch einen hohen, jedenfalls aber überwiegenden Anteil an Büro- und nur einem geringen Anteil an Außendienst-tätigkeiten aus. Nach der aus dem Parallelverfahren beigezogenen Plausibilitätsstudie des Dr.-Ing. Preißing ergibt sich, dass das durchschnittliche Ingenieurbüro zu 81 % reine Büroarbeiten verrichtet. 6,8 % der restlichen Arbeitszeit entfallen auf Fahrtätigkeiten und 12,2 % auf den Einsatz vor Ort beim Kunden, zB auf Baustellen o.ä. Daraus ergibt sich, dass für den Großteil der bei der Beklagten 1995 insgesamt 16.667 versicherten Ingenieur-Büros die Außen-diensttätigkeit ohnehin nur von untergeordneter Bedeutung ist. Damit aber stellt der Kläger mit seiner allenfalls nur geringen Außendiensttätigkeit keinen Einzelfall dar und seine Betriebsweise unterscheidet sich nicht erheblich von der anderer bei der Beklagten versicherten Ingenieurbüros.
Für die Tatsache, dass die bei der Beklagten versicherten Ingenieurbüros im allgemeinen mit keinem großen Unfallrisiko verbunden sind, spricht auch der Umstand, dass die Beklagte in dem ab 1. Januar 1998 geltenden Gefahrtarifvertrag, in dem sie alle Unternehmensbereiche der bisherigen Gefahrtarifstelle 10 einzeln veranlagt hat, die Ingenieurbüros nunmehr in die Gefahrtarifstelle 4 mit der - im Vergleich zu anderen Unternehmen geringen - Gefahrklasse 0,67 eingruppiert hat.
Dabei kann den von der Beklagten vorgelegten Erhebungsbögen zu den insgesamt 261 Herabsetzungsanträgen, nach denen sich ab 1984 insgesamt 140, ab 1995 insgesamt 88 Unternehmen auf keinen oder einen nur geringen - bis zu 5 % - Außendienstanteil berufen haben, nicht der Schluss gezogen werden, dass der restliche Anteil der Ingenieurbüros, die keinen Herabsetzungsantrag gestellt haben, über einen Außendienst in erheblich höherem Umfang verfügt. Abgesehen davon, dass nicht alle Ingenieurbüros ohne bzw mit nur geringem Außendienst einen Antrag auf Herabsetzung der Beiträge bei der Beklagten gestellt haben müssen, ist auch nicht davon auszugehen, dass bei den anderen Ingenieurbüros mit Außendienstanteil dieser einen erheblichen Anteil an der Gesamtarbeitszeit einnimmt.
Auch die Tatsache, dass der Kläger sein Büro in seinem Wohnhaus betreibt und damit Fahrten zur Arbeitsstätte entfallen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sich sein Betrieb erheblich von der Betriebsweise anderer Unternehmen unterscheidet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Auswahl und Unterhaltung des Ortes der Betriebsräume überhaupt um eine Betriebsweise eines Unternehmens im Sinne des Teil II Ziffer 2 des jeweiligen Gefahrtarifes der Beklagten handelt. Denn jedenfalls stellt dieser Bürobetrieb im eigenen Wohnhaus keinen Einzelfall dar, sondern kommt vor allem auch aus Gründen der Kostenersparnis bei einer Vielzahl von selbstständigen Unternehmen vor, die der Natur der Sache nach überwiegend büromäßig und mit relativ wenig Personal betrieben werden. Hierzu zählen neben Architekten auch Ingenieure.
Nach alledem war die Berufung begründet und das Urteil des SG Oldenburg aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.