Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 10.08.2011, Az.: L 15 AS 1036/09
Der Partner eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen muss sich dessen Verschulden i.R. der fälschlichen Beantragung von ALG II nicht zurechnen lassen; Voraussetzungen für eineVerschuldenszurechnung unter Partnern einer Bedarfsgemeinschaft bzgl. der Rückforderung von zu Unrecht beantragten Hilfen zum Lebensunterhalt
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 10.08.2011
- Aktenzeichen
- L 15 AS 1036/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 23675
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2011:0810.L15AS1036.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 31.07.2009 - AZ: S3 K 1082/08
Rechtsgrundlagen
- § 38 SGB II
- § 33 Abs. 1 SGB X
- § 41 SGB X
- § 45 Abs. 2 S. 1 SGB X
Redaktioneller Leitsatz
Eine gesetzliche Vorschrift, wonach sich der Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dessen Verschulden zurechnen lassen muss, ist nicht ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht aus § 38 SGB II. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden nur: "Beklagter") für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 (Rückforderungsbetrag: 6.049,62 EURO).
Die 1956 geborene Klägerin und ihr 1958 geborener Lebensgefährte J. bezogen in dem streitbefangenen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Klägerin war in diesem Zeitraum als ordentliche Studentin an der Universität K. im Fach Sozialpädagogik immatrikuliert. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bezog sie nicht. Neben ihrem Studium ging sie einer selbstständigen Tätigkeit als Yoga-Lehrerin nach; das hieraus erzielte Einkommen wurde auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet. Das Studium der Klägerin war dem Beklagten zunächst nicht bekannt. Bei der Erstantragstellung am 29. Oktober 2004 hatte der Lebensgefährte, der zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosenhilfe bezog, die Frage in dem Antragsformular (Hauptvordruck Seite 2), ob die Klägerin Auszubildende ("auch in Schulausbildung") sei, verneint. Erst im Rahmen eines am 11. Dezember 2006 mit der Klägerin geführten Telefongesprächs erhielt der Beklagte von der Immatrikulation an der Universität K. Kenntnis. Der Beklagte hörte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 8. Januar 2007 zu einer beabsichtigten Rückforderung des gezahlten Arbeitslosengeldes II an. Hierzu äußerte sich die Klägerin dahingehend, dass der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II von ihrem Lebensgefährten gestellt worden sei. Sie sei davon ausgegangen, dass sie in diesem Zusammenhang lediglich ihr Einkommen (aus ihrer selbständigen Tätigkeit als Yoga-Lehrerin) offen zu legen habe, wie dies in den Jahren zuvor für die Anträge ihres Lebensgefährten auf Arbeitslosenhilfe erforderlich gewesen sei. Dass sie über das Konstrukt der "Bedarfsgemeinschaft" selbst zur Bezieherin von Arbeitslosengeld II werde, sei ihr anfänglich nicht klar gewesen. Auch habe sie nicht gewusst, dass ein Studium dem Bezug von Arbeitslosengeld II entgegenstehe. Das "Merkblatt für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" sei ihr nie ausgehändigt worden. Auch sei sie bei den Auskünften, die von ihr erbeten worden seien, niemals danach gefragt worden, ob sie studiere oder nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass "die Entscheidungen vom 16. Dezember 2004, 27. April 2005, 12. August 2005, 4. Januar 2006, 13. April 2006, 28. November 2006" über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Januar 2005 "teilweise in Höhe von 6.054,48 EURO" zurückgenommen würden. Nach § 7 Abs. 5 SGB II seien "Personen mit grundsätzlichem BAföG-Anspruch" vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin in ihrem Antrag vom 29. Oktober 2004 zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X). In der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 sei Arbeitslosengeld II (Regelleistung) in Höhe von 2.797,92 EURO zu Unrecht gezahlt worden. Darüber hinaus seien die in diesem Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 3.256,56 EURO von der Klägerin zu erstatten. Es ergebe sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 6.054,48 EURO.
Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin über ihre Ausführungen im Anhörungsverfahren hinaus geltend, dass ihr Lebensgefährte in seinem ALG II-Erstantrag in Bezug auf ihre Person zwar die Frage "Auszubildender (auch in Schulausbildung)" verneint habe. Der Begriff der Ausbildung werde aber im Merkblatt für Arbeitsuchende nicht näher erläutert. Im umgangssprachlichen Verständnis sei es üblich, Ausbildung mit einem Lehrberuf oder einer schulischen Berufsausbildung gleichzusetzen. Ein Studium falle hierunter nicht. In diesem Sinne habe ihr Lebensgefährte die Frage verstanden und sie daraufhin verneint. Sie selbst habe auf die Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung vertraut, da sie als 50jährige keinen BAföG-Anspruch mehr gehabt habe. Im Übrigen sei ihr unklar, wie der Beklagte auf die Rückforderungssumme komme. Sie bitte daher um detaillierte Auflistung aller Monate. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz nicht berufen könne. Die Überzahlung von Arbeitslosengeld II hätte vermieden werden können, wenn die Klägerin ihn - den Beklagten - frühzeitig über ihr Studium informiert hätte. Ausführungen zur Höhe der Rückforderungssumme seien entbehrlich, da "diese im Widerspruchsverfahren nicht gerügt" worden sei. Mithin habe die Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.054,48 EURO zu erstatten.
Hiergegen richtet sich die am 8. April 2008 bei dem Verwaltungsgericht (VG) Bremen erhobene Klage, mit der die Klägerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt hat. Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2008 hat der Beklagte eine Aufstellung über die in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 überzahlten Leistungen übersandt und den Rückforderungsbetrag auf 6.049,62 EURO reduziert.
Das VG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2009 den Lebensgefährten der Klägerin als Zeugen vernommen und mit Urteil vom selben Tag die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat das VG ausgeführt, dass der Beklagte aus Gründen des Vertrauensschutzes an einer Aufhebung seiner rechtswidrigen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 gehindert sei. Die Klägerin habe zweifellos auf den Bestand der Bewilligungsbescheide für den fraglichen Zeitraum vertraut und nicht in Erwägung gezogen, dass ihr nebenberuflich betriebenes Studium ein Ausschlussgrund für den Bezug von Arbeitslosengeld II sein könnte, zumal ihre Immatrikulation keinen positiven Einfluss auf ihre finanziellen Verhältnisse gehabt habe und sie ihrer Tätigkeit als Yoga-Lehrerin weiterhin nachgegangen sei. Auf dieses Vertrauen könne sich die Klägerin auch berufen. Insbesondere beruhten die Bewilligungsbescheide nicht auf Angaben, die die Klägerin bzw. ihr Lebensgefährte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hätten (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Zwar hätte der Lebensgefährte in dem Erstantrag vom 29. Oktober 2004 auf den Studentenstatus der Klägerin hinweisen müssen. Diese falsche Angabe sei aber weder vorsätzlich noch grob fahrlässig erfolgt. Der Lebensgefährte der Klägerin sei unwiderlegt davon ausgegangen, dass das von der Klägerin nebenberuflich betriebene Studium keine Ausbildung im Sinne des Antragsformulars darstelle, sondern dass hierunter nur Lehrberufe bzw. schulische Berufsausbildungen fielen. Es habe sich ihm auch nicht ohne weiteres aufdrängen müssen, dass er das Universitätsstudium seiner berufstätigen Partnerin angeben müsse, da unter "Auszubildender - auch in Schulausbildung" nicht zwingend ein Hochschulstudium zu subsumieren sei. Vielmehr werde im üblichen Sprachgebrauch gerade zwischen Auszubildenden und Studierenden unterschieden. Hinzu komme, dass nach dem früheren Arbeitslosenhilferecht ein Studium dem Leistungsbezug nicht entgegengestanden habe. Schließlich seien die Antragsvordrucke in der hier maßgeblichen Rubrik zwischenzeitlich verändert worden. Nunmehr werde explizit nach einem Studentenstatus gefragt. Das lege den Schluss nahe, dass auch die Bundesagentur für Arbeit die Frage "Auszubildender - auch in Schulausbildung" als unpräzise und missverständlich erkannt habe. Da dem Lebensgefährten der Klägerin weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne, könne offen bleiben, ob bzw. inwieweit der Klägerin ein mögliches Verschulden des Lebensgefährten zugerechnet werden könnte. Schließlich habe die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide auch weder gekannt noch in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Es hätte sich ihr nicht aufdrängen müssen, dass sie wegen ihres Studiums keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe.
Gegen das ihm am 13. August 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. August 2009 Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass sich die Klägerin auf Vertrauensschutz nicht berufen kann. Ihr Lebensgefährte habe zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem er die Immatrikulation bei der Erstantragsstellung nicht angegeben habe. Aufgrund der Formulierung in dem Antragsvordruck "Auszubildender - auch in Schulausbildung" hätte zumindest eine Nachfrage erfolgen müssen, ob die Immatrikulation anzugeben sei, da es sich bei einem Studium immerhin um eine Hochschulausbildung handele. Der Umstand, dass der Lebengefährte die entsprechende Frage für den 22 jährigen Sohn, der die Hochschule für Technik besucht habe, mit "Ja" beantwortet habe, spreche dafür, dass er die Frage sehr wohl richtig verstanden habe. Bei dem Bildungsstand des Lebensgefährten der Klägerin könne diesem damit zumindest grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden. Das Verhalten des Lebensgefährten müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Sie habe bei Antragsstellung Einkommensunterlagen eingereicht. Ihr dürfte damit bekannt gewesen sein, dass Grundsicherungsleistungen beantragt worden seien. Zwar sei die Antragsstellung allein durch den Lebensgefährten erfolgt, dies dürfte aber wohl vorab zwischen den beiden besprochen worden sein.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 31. Juli 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das VG hat mit seinem von ihm angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2008 rechtswidrig und deshalb vom Gericht aufzuheben gewesen ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen die Voraussetzungen für die rückwirkende (Teil-)Aufhebung der für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 erteilten Bewilligungsbescheide nicht vor. Als Rechtsgrundlage kommt insoweit allein § 45 SGB X in Betracht, da sämtliche Bewilligungsbescheide bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig waren. Der Klägerin hätten Leistungen nach dem SGB II nicht bewilligt werden dürfen, da sie sich in einer Ausbildung befand, die nach dem BAföG dem Grunde nach förderungsfähig war, und sie damit unter den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II fiel. Hinsichtlich der danach rechtwidrigen Leistungsbewilligungen ist der Klägerin indes Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 S. 1 und 2 SGB X zuzubilligen. Der Senat kann letztlich offen lassen, ob der Lebensgefährte der Klägerin im Rahmen der Erstantragsstellung am 29. Oktober 2004 hinsichtlich des Auszubildendenstatus der Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Hierfür könnte - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - immerhin sprechen, dass der Lebensgefährte die Frage "Auszubildender - auch in Schulausbildung" für seinen Sohn, der die Hochschule für Technik in K. besuchte, in dem Antragsvordruck (Seite 3) bejahte und damit - entgegen der jetzigen Einlassung - offenbar davon ausging, dass auch eine Hochschulausbildung den Status als Auszubildender im Sinne der Fragestellung zu begründen vermochte.
Diese gegebenenfalls unzutreffenden Angaben wären der Klägerin aber jedenfalls nicht zuzurechnen. Eine gesetzliche Vorschrift, wonach sich der Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen dessen Verschulden zurechnen lassen muss, ist nicht ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht aus § 38 SGB II. Nach dieser Vorschrift wird, soweit Anhaltspunkte nicht entgegenstehen, vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Leben - wie hier - mehrere erwerbsfähige Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft, gilt diese Vermutung zugunsten desjenigen, der die Leistungen beantragt. Danach galt vorliegend zugunsten des Lebensgefährten der Klägerin, der den Erstantrag und die Folgeanträge gestellt hatte, die Vermutung, dass er bevollmächtigt war, Leistungen auch für die Klägerin zu beantragen und entgegenzunehmen. Es handelt sich hierbei um keinen Fall einer gesetzlichen Vertretung, sondern lediglich um die Vermutung des Vorhandenseins einer Bevollmächtigung durch den Vertretenen (vgl. A. Loose in GK-SGB II, § 38 Rdnr. 5). Von dieser Vermutungsregelung werden nur die Antragstellung und die Entgegennahme von Leistungen erfasst, weitergehende Wirkungen der vermuteten Stellvertretung, etwa eine Verschuldenszurechnung, werden demgegenüber gerade nicht normiert. Vor diesem Hintergrund muss das im Rahmen des § 38 SGB II vertretene Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein etwaiges Verschulden des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht gegen sich gelten lassen (so zutreffend Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 38 Rdnr. 19; Eicher aaO., § 40 Rdnr. 40; Udsching/Link, Aufhebung von Bescheiden im SGB II, SGb 2007, 513, 516 ff.; A. Loose, aaO. Rdnr. 32; Schoch in LPK-SGB II, § 38 Rdnr. 15; a. A. Burkaiczak in BeckOK SGB II, § 38 Rdnr. 3 c). Für den Leistungsträger besteht in diesen Fällen aber die Möglichkeit, gegen den vermuteten Vertreter einen Ersatzanspruch nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II geltend zu machen.
Eine Verschuldenszurechnung kommt danach nur in den Fällen einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht (§ 13 SGB X) oder einer gesetzlichen Vertretung (z.B. bei minderjährigen Kindern nach § 1629 BGB) nach allgemeinen Regeln (§§ 166, 278 BGB) in Betracht. Ein derartiger Fall liegt hier indes nicht vor, insbesondere ist für eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht nichts ersichtlich. Eine Vollmachtsurkunde befindet sich nicht in der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten. Auch eine konkludente Bevollmächtigung im Sinne einer Duldungsvollmacht (vgl. hierzu Udschink/Link aaO.; Link in Eicher/Spellbrink, § 38 Rdnr. 19; A. Loose, aaO. Rdnr. 31; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der zivilrechtlich entwickelten Grundsätze der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht im Sozialrecht vgl. BSGE 52, 245, 247) hat nicht vorgelegen. Eine Duldungsvollmacht ist gegeben, wenn der Vertretene es willentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, und der Geschäftspartner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde zu den vorgenommenen Erklärungen bevollmächtigt ist (vgl. z.B. Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Mai 2001 - VIII ZR 289/09 - Rdnr. 15 m. w. N.). Es ist nicht nachgewiesen, dass die Klägerin es willentlich hat geschehen lassen, dass ihr Lebensgefährte für sie bei der Beantragung von SGB II-Leistungen wie ein Vertreter auftritt. Dies ist insbesondere nicht aus der Einkommenserklärung der Klägerin vom 29. Oktober 2004 (Bl. 5 VA) zu folgern. Die Klägerin hat sich dahingehend eingelassen, dass sie die Einkommensangaben wie in den Jahren zuvor bei der Beantragung von Arbeitslosenhilfe durch ihren Lebensgefährten ausschließlich für die Bearbeitung des nunmehr für die Zeit ab Januar 2005 zu stellenden Antrags auf SGB II-Leistungen ihres Lebensgefährten gemacht habe und es ihr zu dem damaligen Zeitpunkt nicht klar gewesen sei, dass sie über das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft selbst zur Bezieherin von Arbeitslosengeld II werde. Dieses Vorbringen erscheint dem Senat plausibel, zumal die Klägerin ihren Lebensunterhalt in den vorangegangenen Jahren allein aus ihrem Erwerbseinkommen bestritten und staatliche Transferleistungen nicht bezogen hatte. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die in Rede stehenden, gegebenenfalls unrichtigen Angaben des Lebensgefährten getätigt wurden (29. Oktober 2004), eine konkludente Bevollmächtigung seitens der Klägerin vorlag.
Zu einem späteren Zeitpunkt im Laufe des hier streitbefangenen Zeitraums sind unzutreffende Angaben seitens des Lebensgefährten nicht gemacht worden. Insbesondere war die Angabe in den Folgeanträgen, es seien keine Änderungen eingetreten, nicht unrichtig, da die Klägerin schon zu Beginn des Leistungsbezugs am 1. Januar 2005 Auszubildende war. Es war danach insoweit im Laufe des Leistungsbezugs keine Änderung eingetreten, die anzuzeigen bzw. im Rahmen eines Folgeantrags anzugeben gewesen wäre. Die Klägerin selbst hat unstreitig keine unrichtigen Angaben gemacht.
Der Vertrauensschutz der Klägerin ist auch nicht nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ausgeschlossen. Das VG hat den vorliegenden Sachverhalt zutreffend dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der nunmehr aufgehobenen Verwaltungsakte weder kannte noch in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Denn es musste sich für die Klägerin keineswegs aufdrängen, dass sie als Studierende keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen hatte, obwohl sie Leistungen der Ausbildungsförderung nicht bezog und mangels Anspruchsberechtigung auch nicht beziehen konnte. Insofern bestand auch ein Unterschied zu den Verhältnissen bei ihrem Sohn, der BAföG-Leistungen bezog und daneben - wie die Klägerin wusste - SGB II-Leistungen nicht beanspruchen konnte.
Darüber hinaus ist der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2008 auch deswegen rechtswidrig, weil er nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 SGB X ist. Da Gegenstand einer Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X oder einer Aufhebung nach § 48 Abs. 1 SGB X stets nur "Verwaltungsakte" sein können, kann ein Träger, der in der Vergangenheit gewährte unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II zurückfordern und hierzu die aus seiner Sicht anfänglich oder nachträglich rechtswidrige Bewilligung dieser Leistungen beseitigen will, den Zeitraum und das Ausmaß der Rücknahme oder Aufhebung nicht bloß durch Benennung eines nach Anfang und Ende bezeichneten Zeitraumes und eines insgesamt zu Unrecht gewährten Geldbetrages rechtmäßig bestimmen, sondern hat hierzu die jeweils betroffenen Bewilligungsbescheide mit ihren nachfolgenden Änderungen nach ihrem Datum zu bezeichnen und weiterhin anzugeben, für welchen (Teil-)Zeitraum diese Bewilligungs-Verwaltungsakte in jeweils welcher Höhe zurückgenommen oder aufgehoben werden (so Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.2010 - L 3 AS 138/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.12.2009 - L 9 AS 477/08; Senatsurteil vom 24.11.2010 - L 15 AS 1039/09; so auch BSG, 7. Senat, Urt. v. 15.08.2002 - B 7 AL 66/01 R - sowie Urt. v. 02.06.2004 - B 7 AL 58/03 R). Diesen Anforderungen genügt der hier zur rechtlichen Überprüfung gestellte Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 6. Februar 2007 auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 13. März 2008 gefunden hat, nicht. Abgesehen von dem Umstand, dass der Bewilligungsbescheid vom 30. Oktober 2006, der für den von der Aufhebung teilweise erfassten Bewilligungszeitraum vom 1. November 2006 bis 30. April 2007 maßgeblich ist, nicht aufgehoben worden ist (der aufgehobene Änderungsbescheid vom 28. November 2006 betrifft nur die hier nicht streitbefangenen Monate Januar bis April 2007), ergibt sich weder aus dem Ausgangs- noch aus dem Widerspruchsbescheid, für welche Leistungszeiträume und in welcher Höhe die jeweiligen Bewilligungsbescheide, mit denen Leistungen in unterschiedlicher Höhe zuerkannt worden waren, aufgehoben worden sind. Da hier die Leistungsbewilligungen entsprechend den Regelungen in § 41 Abs. 1 SGB II monatsweise erfolgt waren, hätte aus dem Aufhebungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides hervorgehen müssen, in welchem Umfang die Bewilligungen für die einzelnen Monate nach erfolgter Teilaufhebung der Bewilligungsbescheide noch Bestand haben sollten. Der Umfang der Teilaufhebung wird indes weder im Verfügungssatz geregelt noch an anderer Stelle erläutert, obwohl die Klägerin die fehlende Nachvollziehbarkeit der Rückforderungssumme - entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid - ausdrücklich gerügt hatte. Es handelt sich um eine pauschale Teilaufhebung aller Bescheide für den gesamten streitigen Zeitraum in Höhe eines Gesamtbetrages. Ein derartiger Aufhebungsbescheid genügt den Bestimmtheitserfordernissen nicht (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 15.08.2002 - B 7 AL 66/01 R -, Rn. 15).
Den Mangel der hinreichenden Bestimmtheit des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides kann der Beklagte auch nicht gem. § 41 SGB X bis zur letzten Tatsacheninstanz des sozialgerichtlichen Verfahrens heilen, da es sich nicht lediglich um einen bloßen Verfahrens- oder Formfehler, sondern um einen Fall der materiellen Rechtswidrigkeit handelt (BSG, Urteil v. 13. Juli 2006 - B 7 a AL 24/05 R-, Rdnr. 18). Ob der Behörde vor diesem Hintergrund lediglich die Möglichkeit verbleibt, einen - nunmehr hinreichend bestimmten - neuen Bescheid gleichen Inhalts zu erlassen, oder ob eine Ergänzung des vorhandenen Bescheides - wie hier - durch Übersendung einer Aufstellung über die Berechnung des Erstattungsbetrages ausreicht, kann der Senat offen lassen (vgl. zur Ergänzung eines nicht hinreichend bestimmten Bescheides: BVerwG 87, 241 Rn. 26). Jedenfalls müsste in beiden Fällen die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt werden, die vorliegend zum Zeitpunkt der Übersendung des Schriftsatzes des Beklagten vom 21. Mai 2008 bereits lange abgelaufen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).