Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.12.2009, Az.: L 9 AS 477/08
Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines Bewilligungsbescheides über die Gewährung unterhaltssichernder Leistungen aufgrund des bewussten Verschweigens einer Einstehensgemeinschaft; Erforderlichkeit der genauen Aufschlüsselung der Zusammensetzung eines in einem Bescheid zurückgeforderten Betrags zur Einhaltung des Bestimmtheitsgebots für Verwaltungsakte; Pflicht einer Behörde insbesondere im Falle einer Bedarfsgemeinschaft zur Benennung sämtlicher von einer Rücknahme betroffener Bewilligungsbescheide
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 16.12.2009
- Aktenzeichen
- L 9 AS 477/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 33329
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:1216.L9AS477.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 31.07.2008 - AZ: S 31 AS 745/07
Rechtsgrundlagen
- § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II
- § 335 SGB III
- § 33 SGB X
- § 35 Abs. 1 S. 1, 2 SGB X
- § 45 Abs. 1 SGB X
- § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X
- § 50 Abs. 1 SGB X
- § 50 Abs. 2 SGB X
Fundstellen
- ZfF 2012, 177-180
- info also 2012, 237-238
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Berufungskläger hat der Berufungsbeklagten deren außergerichtliche Kosten auch der Berufungsinstanz zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Berufungskläger mit seinem angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 vorausgegangene Bewilligungsbescheide über die Gewährung unterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II rechtmäßig zurückgenommen und für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2007 unter Einschluss von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen einen Betrag von 17.934,45 Euro von der Berufungsbeklagten rechtswirksam zurückgefordert hat.
Die Berufungsbeklagte stand seit dem 01. Januar 2005 bei dem Berufungskläger im laufenden Bezug unterhaltssichernder Leistungen, deren Höhe dieser mit mehreren Bescheiden wie folgt festsetzte:
- 1)
Bescheid vom 24.11.2004 (Bl. 21 der Beiakten) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 - 5 Monate - über 527,27 Euro monatlich (bewilligtes Volumen bis Mai 2005 = 2.636,35 Euro)
- 2)
Änderungsbescheid vom 15.03.2005 (Bl. 40 der Beiakten) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 - 5 Monate - über 770,67 Euro monatlich (bewilligtes Volumen bis Mai 2005 statt 2.636,35 nun = 3.853,35 Euro)
- 3)
Bescheid vom 31.05.2005 (Bl. 47 der Beiakten) für die Zeit vom 01.06.2005 bis 30.11.2005 über
- a)
770,67 Euro monatlich für Juni bis August 2005 - 3 Monate -
- b)
693,34 Euro monatlich für September 2005 - 1 Monat -
- c)
690,67 Euro monatlich für Oktober und November 2005 - 2 Monate - (bewilligtes Volumen von Juni bis November 2005 = 4.386,69 Euro, insgesamt 8.240,04 Euro
- 4)
Bescheid vom 06.12.2005 (Bl. 86 der Beiakten) für die Zeit vom 01.12.2005 bis 31.05.2006 - 6 Monate - über 584,81 Euro monatlich (bewilligtes Volumen von Dezember 2005 bis Mai 2006 = 3.508,86 Euro, insgesamt 11.748,90 Euro).
- 5)
Bescheid vom 22.05.2006 (Bl. 94 der Beiakten) für die Zeit vom 01.06.2006 bis 30.11.2006 - 6 Monate - über 584,81 Euro monatlich (bewilligtes Volumen von Juni bis November 2006 danach 3.508,86 Euro, insgesamt 15.257,76 Euro).
- 6)
Bescheid vom 13.12.2006 (Bl. 258 der Beiakten) für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 über a) 584,81 Euro monatlich für Oktober und November 2006 - unverändert - b) 256,85 Euro monatlich für Dezember 2006 bis März 2007 - 4 Monate - (zusätzlich bewilligtes Volumen von Dezember 2006 bis Januar 2007 danach - anteilig - 513,70 Euro, insgesamt 15.771,46 Euro).
Nachdem er die Berufungsbeklagte zuvor wegen des Bestehens einer Einstehensgemeinschaft mit dem unter gleicher Anschrift wohnhaften Herrn D. sowie zu einer hieraus abzuleitenden Anrechnung von dessen Einkommen und Vermögen angehört hatte, teilte der Berufungskläger der Berufungsbeklagten mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 19. Februar 2007 unter Bezugnahme auf Bescheide vom 25.11.2004, 31.05.2005, 06.12.2005 und 23.05.2006 mit:
"Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II wird für die Zeit vom 01.01.05 bis zum 31.01.07 ganz zurückgenommen und zwar in Höhe von 15.186,65 Euro."
In der Begründung seiner Entscheidung wiederholte er, die im Betreff genannten Bescheide seien nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2007 in Höhe von 15.186,65 Euro zurückzunehmen, da die Berufungsbeklagte pflichtwidrig verschwiegen habe, dass sie mit Herrn D. eine Einstehensgemeinschaft bilde. Der überzahlte Betrag sei nach§ 50 SGB X zu erstatten. Zu erstatten seien darüber hinaus nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 335 Abs. 1 SGB III auch die im fraglichen Zeitraum geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.450,76 Euro bzw. 297,04 Euro, so dass sich eine Gesamtforderung von 17.934,45 Euro ergebe.
Den hiergegen am 22. Februar 2007 erhobenen Widerspruch wies der Berufungskläger mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 unter Vertiefung seiner Sachargumente für das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft als unbegründet zurück.
Am 12. April 2007 ist Klage erhoben worden, der das Sozialgericht Hannover durch Urteil vom 31. Juli 2008 stattgegeben hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid des Berufungsklägers vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 SGB X sei. Er lasse nicht erkennen, welcher Bewilligungsbescheid in welchem Umfang aufgehoben werde und benenne die ergangenen Bewilligungsbescheide auch in seinem Betreff nicht vollständig. Die im Verfügungssatz vorgenommene Benennung eines Zeitraums, für den die zugrunde liegende Bewilligung von Leistungen aufgehoben werde, genüge nicht.
Mit seiner 26. August 2008 eingelegten Berufung begehrt der Berufungskläger die Abweisung der Klage. Er macht geltend, dass die Benennung eines Zeitraums, für den die ergangenen Bewilligungsbescheide insgesamt vollständig zurückgenommen würden, keine Unklarheiten entstehen lasse, und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 31. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Hannover für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Leistungsakten der Berufungsbeklagten Bezug genommen, die beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat mit seinem Urteil vom 31. Juli 2008 zu Recht entschieden, dass der Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Berufungsklägers vom 19. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 rechtswidrig ist und die Berufungsbeklagte in ihren Rechten verletzt.
Bei seiner Entscheidung lässt der Senat dahingestellt, ob und in welcher Höhe der Berufungsbeklagten für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2007 ein materiellrechtlicher Leistungsanspruch auf unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II gegen den Berufungskläger zugestanden hat und inwieweit dieser durch die etwa erforderliche Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Herrn Bernd Peters beeinflusst worden ist. Hierauf kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an.
Der angegriffene Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist in der maßgeblichen, nach § 95 SGG gestaltgebenden Fassung des Widerspruchsbescheides bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil er dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X nicht genügt. Dabei ist zwischen der im vorliegenden Fall auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützten Entscheidung über die Rücknahme vorausgegangener Leistungsbewilligungen einerseits und der Rückforderung der danach überzahlten Leistungen auf der Grundlage von § 50 SGB X - bzw. § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 335 SGB III - zu differenzieren.
Soweit der Berufungskläger der Berufungsbeklagten innerhalb der Begründung seines Bescheides vom 19. Februar 2007 hinsichtlich einer Überzahlung bewilligten Arbeitslosengeldes II in Höhe von 15.186,65 Euro sowie hinsichtlich zu erstattender Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2.747,80 Euro mitgeteilt hat, dass diese Beträge von ihr zu zahlen seien und sich so eine Gesamtforderung von 17.934,45 Euro ergebe, bestehen gegen die Bestimmtheit dieser Regelung keine durchgreifenden Bedenken. Der Senat folgt insoweit einer in der Literatur vertretenen Meinung, dass es bei Erstattungsforderungen nicht zu den essentiellen Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten gehört, den zurückgeforderten Betrag aufzuschlüsseln, sich eine plausible Herleitung vielmehr insoweit lediglich als wesentliches Kriterium für die Erfüllung des Begründungserfordernisses gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X darstellt (so Krasney in Kasseler Kommentar, § 33 SGB X Rdnr. 7 u.H.a. BSG, Beschluss vom 22.07.1999 - Az B 11 AL 91/99 B; a.A. im Ansatz wohl Stelkens - Bonk - Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008 § 37 Rdnr. 30 allgemein zu Geldleistungsbescheiden). Unschädlich ist insoweit auch, dass der Berufungskläger seine Erstattungsforderung in den Gründen seines Bescheides vom 19. Februar 2007 und nicht in dessen vorangestelltem Verfügungssatz positioniert hat; denn bei der Bestimmung des Regelungsgehalts von Verwaltungsakten sind neben dem Verfügungssatz - insbesondere etwa bei dessen vollständigem Fehlen - die Gründe ohne weiteres mit heranzuziehen.
Nicht den Anforderungen des § 33 SGB X an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten genügt indessen die auf § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gestützte Entscheidung des Berufungsklägers über die Rücknahme seiner früheren Bewilligungsbescheide. Ihre damit nach§ 41 SGB X von der Möglichkeit einer Heilung ausgenommene Rechtswidrigkeit (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 10 m.w.N.) führt nicht bloß zu ihrer eigenen Aufhebung durch den Senat, sondern entzieht auf diesem Wege zugleich der Erstattungsforderung die Grundlage, da die aufgehobenen Bewilligungsbescheide nach der gerichtlichen Kassation der Rücknahmeentscheidung weiterhin wirksam bleiben und damit die Voraussetzung der Rechtsgrundlosigkeit der erbrachten Leistungen in den Tatbeständen von § 50 Abs. 1 und 2 SGB X sowie § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 335 SGB III nicht mehr erfüllt wird.
Welche Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes zu stellen sind, richtet sich grundsätzlich nach dem materiellen Recht, auf welchem sein Erlass beruht (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 3 u.H.a. BVerwGE 123, 261; Krasney in Kasseler Kommentar, 62. Ergänzung 2009, § 33 SGB X Rdnr. 5). Beispielhaft wird insoweit bei Krasney zutreffend auf die Feststellung der Sozialversicherungspflicht Bezug genommen, deren auf materiellem Recht beruhender Gegenstand die Zugehörigkeit einer bestimmten Person zum Kreis der Versicherten ist (§ 2 Abs. 1 SGB IV), so dass eine nach § 33 SGB X wirksame Feststellung der Versicherungspflicht trotz ihrer Auslösung durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung (vgl. insoweit § 7 a Abs. 6 SGB IV) stets personenbezogen zu ergehen hat, so dass eine auf das Beschäftigungsverhältnis bezogene Feststellung nicht hinreichend bestimmt ist (Krasney, a.a.O.).
Gegenstand (Objekt) einer Rücknahmeentscheidung auf der Grundlage von § 45 Abs. 1 und 2 SGB X ist demgegenüber notwendigerweise ein bestimmter Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die Rücknahme dient nach § 39 Abs. 2 SGB X der Durchbrechung seiner individuellen, mit der Bekanntgabe (§ 39 Abs. 1 SGB X) eingetretenen Wirksamkeit, wobei diese nach ausdrücklicher Bestimmung des § 39 Abs. 2 SGB X ("soweit") durch Rücknahme, Widerruf oder Aufhebung entweder vollständig oder auch nur teilweise beseitigt werden kann. § 45 Abs. 1 SGB X differenziert dabei als mögliche Rechtsfolge der Rücknahme zudem zwischen einer solchen für die Zukunft oder die Vergangenheit. Als gesetzlich vorgesehener Regelungsgegenstand jeder Rücknahmeentscheidung muss hiernach der Verwaltungsakt, auf den sich diese beziehen soll, eindeutig individualisiert werden; sodann muss die Rücknahme erkennen lassen, von welcher der ihr nach §§ 39 Abs.1, 45 Abs. 1 SGB X zu Gebote stehenden Handlungsalternativen (Rücknahme ganz oder teilweise, für die Zukunft oder die Vergangenheit) die Behörde im konkreten Einzelfall Gebrauch macht und in welcher Weise sie bei einer den Verwaltungsakt nicht vollständig und für seine gesamte Geltungsdauer erfassenden Aufhebung diese beschränken will.
Bei Rücknahmeentscheidungen, welche die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II betreffen, ist - als deren Umkehrung - weiterhin auf den notwendigen Regelungsgehalt von Bewilligungsentscheidungen im Recht der Unterhaltssicherung für Arbeitslose Rücksicht zu nehmen. Die Rücknahme darf nämlich nicht dazu führen, dass als Ergebnis einer nur anteiligen Beseitigung eine Teilbewilligung verbleibt, deren eigene Übereinstimmung mit den formalen Anforderungen des Leistungsrechts unter Verstoß gegen § 33 SGB X auf Dauer unklar bleibt. Die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden über laufende unterhaltssichernde Leistungen muss insoweit darauf Rücksicht nehmen, dass § 7 Abs. 1 und 2 SGB II jedem Hilfebedürftigen einen eigenen Anspruch auf Leistung vermittelt, welcher nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II und § 11 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 SGB II sowie §§ 2 Abs. 2 bis 4, 3 Abs. 4 der ALG II - VO eine regelhaft monatsbezogene Bedarfsbestimmung erfordert, die nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II grundsätzlich auch in eine auf Leistungsmonate bezogene Bewilligungsentscheidung mündet, bei im Monatsverlauf eintretender oder wegfallender Anspruchsberechtigung (vgl. etwa § 37 Abs. 2 SGB II) jedoch nach § 41 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB II statt dessen taggenau zu erfolgen hat.
Die Rücknahme von Bewilligungen über unterhaltssichernde Leistungen nach dem SGB II erfordert es danach zunächst, den jeweils aufzuhebenden Bewilligungsbescheid und seine bereits erfolgten Änderungen unverwechselbar zu bezeichnen, was in der Regel neben der Benennung seines Datums auch die Kennzeichnung seines Regelungsgegenstandes nach dem bewilligtem Betrag, den begünstigten Personen und dem Bewilligungszeitraum erfordert. Zudem muss die Aufhebung erkennbar machen, ob die Aufhebung alle von dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und seinen Änderungen geregelten Bezugsmonate betrifft oder sich auf einzelne Teilzeiträume beschränkt, die dann zu benennen sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich einer betragsmäßig vollständigen oder lediglich anteiligen Rücknahme. Die handelnde Behörde wird zudem zu beachten haben, dass ein Bewilligungsbescheid, der die einer Bedarfsgemeinschaft zustehenden Leistungen regelt, aus mehreren Verwaltungsakten besteht, die sich an jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft richten und für deren Bekanntgabe der formale Adressat, soweit es nicht um die ihm selbst zustehenden Leistungen geht, gem. § 38 Satz 1 SGB II lediglich als Vertreter in Erscheinung tritt. Zwar kann auch die Rücknahme eines Bewilligungsbescheides an ihn gerichtet werden; dieser Umstand enthebt die Behörde jedoch nicht der Notwendigkeit, den Verwaltungsakt, d.h. die Regelung zustehender Leistungen für einen bestimmten Leistungsempfänger in bestimmter Höhe für einen bestimmten Zeitraum, zu bezeichnen, die im Einzelfall zurückgenommen werden soll. Dies begründet neben den vorgenannten die weitere Anforderung, in dem eine Bedarfsgemeinschaft betreffenden Rücknahmebescheid eindeutig zu regeln, wessen Leistungen - in welcher Höhe und für welchen Leistungszeitraum - betroffen sind.
Die vom Berufungskläger im Verfügungssatz seines Bescheides vom 19. Februar 2006 ausgesprochene Rücknahmeentscheidung entspricht diesen Anforderungen im Ergebnis nicht. Sie begegnet bereits deshalb durchgreifenden Bedenken, weil sie die von der Rücknahme betroffenen Bewilligungsbescheide nicht namhaft macht. Lediglich aus der zeitlichen Begrenzung des Rücknahme- und Erstattungszeitraums in seiner Gesamtheit könnte indirekt auf die Zahl und die Identität der von der Rücknahme erfassten Verwaltungsakte geschlossen werden. Die erforderliche Klarheit der Regelung ergäbe sich hierbei jedoch allenfalls aufgrund einer ergänzenden Heranziehung der Leistungsakten oder eines ggf. auf Adressatenseite geführten Vorgangs, während es das Bestimmtheitsgebot grundsätzlich erfordert, dass die von einem Verwaltungsakt ausgehende Regelungswirkung diesem bei verständiger Auslegung ohne weitere Hilfsmittel zu entnehmen ist. Gerade bei einem Rücknahme- oder Aufhebungsbescheid, mit welchem frühere begünstigende Leistungsgewährungen beseitigt werden, ist an diesem Erfordernis festzuhalten, weil nur durch seine Einhaltung ein übereinstimmendes Verständnis der Regelung durch die erlassende Behörde und den Adressaten sichergestellt und eine wirksame gerichtliche Kontrolle ermöglicht wird. Wäre es nämlich zulässig, die von einer Rücknahmeentscheidung betroffenen Bewilligungsbescheide durch die bloße Benennung eines Rücknahmezeitraums wirksam und damit per se vollständig und richtig zu erfassen, dann wäre die erlassende Behörde ihrerseits jeder Notwendigkeit enthoben, sich vor Erlass des Rücknahmebescheides überhaupt Gewissheit über Zahl und Inhalt der von ihr getroffenen Regelungen zu verschaffen, während es dem Adressaten und den ggf. von ihm angerufenen Gerichten zufiele, sich Kenntnis über die Aufeinenderfolge der ergangenen Bewilligungsbescheide zu verschaffen und auf dieser Grundlage zu unterstellen, dass die Behörde das danach Zutreffende gewollt und geregelt habe. Dass hiervon tatsächlich nicht ausgegangen werden kann, belegt nicht zuletzt der Umstand, dass der Berufungskläger im Betreff seines Rücknahmebescheides vom 19. Februar 2007 auf Bewilligungsbescheide Bezug genommen hat, von denen der zuerst genannte Bescheid vom 24. bzw. 25. November 2004 zum Zeitpunkt der Rücknahme wegen seiner vollständigen Ersetzung durch den Änderungsbescheid vom 15. März 2005 bereits unwirksam und damit nicht mehr Grundlage der für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 gewährten Leistungen gewesen ist, während der als letzter genannte Bewilligungsbescheid vom 22. bzw. 23. Mai 2006 lediglich die Leistungsgewährung bis zum 30. November 2006 geregelt hat, so dass es zur Bewirkung der Rechtsgrundlosigkeit aller bis zum 31. Januar 2007 gewährten Zahlungen zusätzlich einer zeitanteiligen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2006 bedurft hat, mit welchem Leistungen für die Zeit vom 01. Oktober 2006 bis 31. März 2007 zugesprochen worden sind. Insoweit bleibt die Aufzählung im Betreff des Rücknahmebescheides teilweise falsch und teilweise unvollständig. Eine Korrektur ist mit dem Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 nur hinsichtlich des Bescheides vom 15. März 2005 erfolgt.
Zudem erweist sich die im Verfügungssatz des Rücknahmebescheides getroffene Regelung gerade nach Kenntnis der Leistungsakten als widersprüchlich. Anhand der bei den Akten des Berufungsklägers abgelegten Vorschautexte lässt sich nämlich nachvollziehen, dass der Berufungskläger der Berufungsbeklagten für die von der Rücknahme betroffene Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Januar 2007 unterhaltssichernde Leistungen in Gesamthöhe von 15.771,46 Euro bewilligt hat. Derjenige Teil des Verfügungssatzes, nach welchem die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2007 "ganz" zurückgenommen werde, ist hiernach mit der nachfolgenden Parentese, dass dies "in Höhe von 15.186,65 Euro" geschehe, nicht vereinbar. Von dem genannten Betrag ausgehend handelt es sich vielmehr um eine der Höhe nach lediglich anteilige, wenn auch weitgehende Rücknahme der ergangenen Bewilligungsbescheide.
Diese lässt schließlich unter Verstoß gegen das durch Rückgriff auf §§ 39 Abs.1, 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X sowie § 41 Abs. 1 SGB II auszufüllende Bestimmtheitsgebot dahingestellt, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe die Wirksamkeit jedes einzelnen der insgesamt fünf Verwaltungsakte hat beseitigt werden sollen, die zum Zeitpunkt der Rücknahme für die Leistungshöhe in dem streitbefangenen Zeitraum noch bestimmend gewesen sind (vgl. hinsichtlich der Erforderlichkeit einer tagesgenauen Rücknahme von Bewilligungsbescheiden über ALG I jedenfalls bei betragsmäßig nicht vollständiger Beseitigung im Ergebnis auch BSG, Urt. vom 2. Juni 2004, Az. B 7 AL 58/03 R, BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr. 1 und Urt. v. 15. August 2002, Az. B 7 AL 66/01 R, SozR 3-1500, § 128 Nr. 15).
Soweit schließlich bei der Auslegung von Rücknahmeentscheidungen - wie bei allen Verwaltungsakten - Unklarheiten des Verfügungssatzes durch die Heranziehung der Gründe beseitigt werden können, bieten diese vorliegend auch in der maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 keine weitergehenden Anhaltspunkte für die Bestimmung des Regelungsgehalts der getroffenen Rücknahmeentscheidung. Die Begründungen des Ausgangsbescheides und des Widerspruchsbescheides wiederholen nämlich ihrerseits lediglich die Absicht des Berufungsklägers, die Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 01. Januar 2005 und dem 31. Januar 2007 in Höhe von 15.168,65 Euro zurückzunehmen.
Die Rücknahmeentscheidung des Berufungsklägers und - in der Folge - seine Erstattungsforderung sind deshalb rechtswidrig und vom Sozialgericht zu Recht aufgehoben worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.