Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.04.2003, Az.: 12 LA 85/03

Hinreichende Bestimmtheit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids bei Erstattung zu Unrecht gewährter Sozialhilfe hinsichtlich der Forderung eines Gesamtbetrags von der Bedarfsgemeinschaft im Tenor des Bescheids; Hinreichende Bestimmtheit eines Rücknahme- und Rückforderungsbescheids bei Aufteilung der Rückforderungssumme zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ; Vollstreckungsgefahr wegen Adressatenstellung; Darlegungsvoraussetzungen hinsichtlich ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils; Gesamtschuldnerische Haftung von Familienangehörigen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.04.2003
Aktenzeichen
12 LA 85/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 15017
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2003:0424.12LA85.03.0A

Fundstellen

  • FEVS 2004, 10-15
  • NDV-RD 2003, 127-130

Amtlicher Leitsatz

Ein Rücknahme- und Rückforderungsbescheid bei Erstattung zu Unrecht gewährter Sozialhilfe ist nicht gemäß § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt, wenn im Tenor des Bescheids ein Gesamtbetrag von der Bedarfsgemeinschaft gefordert wird.

Es reicht auch nicht aus, wenn in der Begründung des Widerspruchsbescheids die Rückforderungssumme zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt wird, ohne dass eindeutig aus dem Bescheid hervorgeht, welcher Betrag von welchem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zurückgefordert wird.

Gründe

1

Der Antrag des Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, mit dem das Verwaltungsgericht den Bescheid der Stadt Göttingen vom 18. Juli 2000 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. Juli 2001 aufgehoben hat, bleibt erfolglos. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, siehe unten 1. ), § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, siehe unten 2. ) und § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, siehe unten 3. ) greifen nicht durch.

2

1.

Für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist für die Darlegung als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist, und die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden.

3

Hiernach ist für die Darlegung hinreichend, dass sich ein Antrag nicht darauf beschränkt, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allgemein oder unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens anzuzweifeln, sondern hinreichend fallbezogenen und substantiiert (insoweit hängen die Darlegungsanforderungen auch von Art und Umfang der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ab) auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den für die Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Tatsachenfragen eingeht, deren Unrichtigkeit mit zumindest vertretbaren, jedenfalls nicht unvertretbaren Erwägungen dartut und sich dazu verhält, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen - aus Sicht des Rechtsmittelführers fehlerhaften - Erwägungen beruht; nicht ausreichend sind Darlegungen zu Zweifeln an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente oder Sachverhaltsfeststellungen, wenn diese nicht zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen (Senat, Beschl. vom 21. 3. 1997 - 12 M 1255/97 - und st. Rspr. ). Rechts- oder Tatsachenfragen, die in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung keine Rolle gespielt haben oder nicht zweifelhaft waren, brauchen dabei im Rahmen des Antrages auf Rechtsmittelzulassung nicht erörtert zu werden, um eine Entscheidungserheblichkeit darzulegen (BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 15. 8. 1994 - 2 BvR 719/94 -, NVwZ-Beil. 1994, 65 (66) (zu § 78 Abs. 4 AsylVfG)), soweit sich ihre Entscheidungserheblichkeit nicht aufdrängte. Für das - gesondert zu prüfende - Darlegungserfordernis reicht es auch bei einer - objektiv im Ergebnis (eindeutig) unrichtigen - Entscheidung jedenfalls nicht aus, dass die Unrichtigkeit lediglich allgemein behauptet wird, sich diese aber nicht aus dem Antrag selbst, sondern erst nach einer Durchsicht der Akten erschließt. Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels (mindestens) ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Senat, Beschl. v. 18. 1. 1999 - 12 L 5431/98 -, NdsVBl. 1999, 93; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2001, RdNrn. 395g, h zu § 80; Kopp/Schenke, aaO, RdNr. 7 zu § 124; Happ: in Eyermann, VwGO, 10. Aufl. 1998, RdNr. 20 zu § 124). Die Annahme, der Erfolg des Rechtsmittels müsse wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (VGH Bad. -Württ. , Beschl. v. 12. 5. 1997 - A 12 S 580/97 -, DVBl. 1997, 1327; Hess. VGH, Beschl. v. 4. 4. 1997 - 12 TZ 1079/97 -, NVwZ 1998, 195 [OVG Thüringen 17.06.1997 - 3 ZKO 217/97]; Nds. OVG, Beschl. v. 31. 7. 1998 - 1 L 2696/98 -, NdsRpfl. 1999, 87; Meyer-Ladewig in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO, RdNr. 26d zu § 124 m. w. Nachw. ; Bader; NJW 1998, 409) trifft nicht zu, sie vernachlässigt die Zweistufigkeit des Verfahrens, ist auch aus Gründen der System- und Funktionsgerechtigkeit - Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfahrensbeschleunigung - nicht geboten und verweigert in einer Vielzahl von Verfahren den Zugang zu den Berufungsverfahren, obwohl das Rechtsmittel Erfolg haben wird. Eine solche Auslegung wird dem Anliegen des Gesetzgebers (BT-Drs. 13/3993) weniger gerecht, grob ungerechte Entscheidungen zu verhindern, und schränkt damit den Zugang zu den Berufungsverfahren auf eine aus Sachgründen nicht gebotene Weise unzumutbar ein. Es reicht aus, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschl. v. 23. 6. 2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458 (1459) = NdsVBl. 2000, 244 (245) = NVwZ 2000, 1163).

4

Nach diesem Maßstab erweckt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.

5

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Bescheid der Stadt Göttingen vom 18. Juli 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2. Juli 2001 rechtswidrig sei, weil Tenor und Begründung in einem unlösbaren Widerspruch zueinander stünden, der angefochtene Bescheid mithin unbestimmt sei. Im Tenor des Bescheides vom 18. Juli 2000, der durch den Widerspruchsbescheid nicht geändert worden sei, würden von den Klägern 7. 075, 38 DM zurückgefordert, während in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2001 ausgeführt werde, nur auf die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 3) würden bestimmte Rückforderungsbeträge entfallen, während der Kläger zu 2) nichts zurückzuzahlen habe. Mithin müsse der Kläger zu 2) mit einer Vollstreckung (sogar des Gesamtbetrages) rechnen, obwohl er persönlich dem Beklagten nach dessen Auffassung nichts schulde.

6

In der Begründung des Zulassungsantrags wird dazu ausgeführt, dem Verwaltungsgericht sei zwar zuzustimmen, dass der Kläger zu 2) dem Beklagten nach seinen eigenen Angaben nichts schulde und der Bescheid allein an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 3) hätte gerichtet werden können. Der Bescheid sei jedoch an den Kläger zu 2) primär als gesetzlicher Vertreter des Klägers zu 3) zu richten gewesen. Lediglich sekundär habe die Stadt Göttingen eine deklaratorische Regelung getroffen, dass der Kläger zu 2) materiell nichts schulde. Wenn aus dem Adressatenfeld des Bescheides unklar bleibe, in welcher Funktion der jeweilige Kläger des Rücknahmebescheides in Anspruch genommen werden solle, könne auf die Begründung des Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Aufteilung der Forderungssummen zurückgegriffen werden. Aus der Begründung des Widerspruchbescheids vom 2. Juli 2001 und der darin vorgenommenen Aufteilung der Rückforderungssumme ergebe sich eindeutig, dass gegenüber allen Klägern eine Regelung hinsichtlich der Rückforderung getroffen worden sei, die gesamte Bedarfsgemeinschaft somit Adressat des Rückforderungsbescheides geworden sei, allerdings nur die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 3) den auf sie entfallenden Leistungsbetrag hätten zurückzahlen sollen. Eine objektive Betrachtung des Rückforderungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheides führe vorliegend zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Gesamtsumme von 7. 045, 38 DM bruchteilsweise von der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 3) zurückgefordert worden sei und keinesfalls eine Gesamtschuld aller drei Kläger vorliege. Der Kläger zu 2) sei daher trotz Adressatenstellung zu keiner Zeit der Vollstreckungsgefahr durch den Beklagten ausgesetzt. Im Übrigen sei der Bestimmtheitsmangel im gerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 2 SGB X mit Schriftsatz vom 15. Februar 2002 geheilt worden, wonach der Rückforderungsbetrag in der Begründung des Widerspruchsbescheides zwischen den Klägern als Einzelschuld aufgeteilt worden sei. Fehl gehe deshalb auch der rechtliche Hinweis des Verwaltungsgerichts, es hätte dem Widerspruch des Klägers stattgegeben und die Widersprüche der übrigen Kläger hätten mit der Maßgabe zurückgewiesen werden müssen, dass ihnen gegenüber konkrete Rückforderungsbeträge festgesetzt worden seien. Jedenfalls hätte das Verwaltungsgericht die Bescheide hinsichtlich der Kläger zu 1) und 3) bestätigen müssen.

7

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts vermögen diese Ausführungen im Zulassungsantrag nicht zu begründen. Der angefochtene Rückforderungsbescheid der Stadt Göttingen in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten ist rechtswidrig, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X fehlt. Ein Verwaltungsakt ist im Sinne der Vorschrift des § 33 Abs. 1 SGB X, die insoweit der Regelung des § 37 Abs. 1 VwVfG nachgebildet ist, inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der in ihm zum Ausdruck gekommene Wille der Behörde für die Beteiligten des Verfahrens, in dem der Verwaltungsakt ergeht, unzweideutig erkennbar und nicht einer unterschiedlichen subjektiven Bemessung zugänglich ist (vgl. auch OVG NW, Urt. v. 22. 1. 1998 - 8 A 940/96 - , FEVS 49, 6 = DÖV 98, 741 = ZFSH/SGB 2001, 416).

8

Dies ist hier nicht der Fall. Der Tenor des angefochtenen Bescheides der Stadt Göttingen vom 18. Juli 2000, wonach von den Klägern 7. 045, 38 DM zurückgefordert wird, und der begründende Teil des diesen Bescheid gestaltenden Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2. Juli 2001 lassen nicht hinreichend den von der Behörde beabsichtigten Regelungsgehalt erkennen. Mit den angefochtenen Bescheiden wollte der Beklagte die den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligenden Bescheide gem. § 45 SGB X aufheben und nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X von den Klägern die Erstattung bereits erbrachter Leistungen verlangen. Ob die Voraussetzungen der §§ 45, 50 SGB X vorliegen, kann dahinstehen, denn die angefochtenen Bescheide lassen nicht eindeutig erkennen, welcher Betrag von welchem Kläger zurückgefordert werden sollte.

9

Sowohl der Tenor des Ausgangsbescheids als auch der Tenor des Widerspruchsbescheids sind an die Kläger zu 1) und zu 2), zugleich als gesetzliche Vertreter des Klägers zu 3), gerichtet. In dem Ausgangsbescheid vom 18. Juli 2000 heißt es auf S. 1, unten:

"Gemäß § 50 SGB X fordere ich den Betrag von 7. 045, 38 DM von Ihnen zurück. "

10

Nach dieser Formulierung mussten die Kläger davon ausgehen, dass sie gesamtschuldnerisch für den Rückforderungsbetrag in Höhe von 7. 045, 38 DM haften würden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2001. Dort heißt es auf Seite 3, 3. Absatz:

11

"Ich fordere Sie gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Rückzahlung der Sozialhilfe (einschl. dem pauschalierten Wohngeld) in Höhe von 7. 045, 38 DM auf. "

12

Der Kläger zu 2), dessen Einkommen in Form von Arbeitslosenhilfe bei der Hilfe zum Lebensunterhalt für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 3) berücksichtigt worden ist und dessen Hilfebedürftigkeit durch die Arbeitslosenhilfe - für sich betrachtet - ausgeschlossen war, haftet aber für einen Rückforderungsbetrag nicht gesamtschuldnerisch mit der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 3). Denn ein Erstattungsverhältnis setzt das Bestehen eines sozialrechtlichen Leistungsverhältnisses voraus, aus dem der zur Erstattung Herangezogene unmittelbar von dem Sozialhilfeträger etwas erhalten hat (BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1992 - BVerwG 5 C 65. 88 - , FEVS 43, 268 = NJW 93, 2884 = NDV 93, 239). Als sozialhilfeberechtigt ist dabei nicht eine "Bedarfsgemeinschaft" mehrerer sozialhilfebedürftiger Personen anzusehen. Nach § 11 Abs. 1 BSHG hat vielmehr jeder einzelne Hilfesuchende einen eigenen Anspruch auf Hilfe. Daran ändert sich auch nichts, wenn eine Familie hilfebedürftig ist. In dem Zusammenschluss von miteinander in einem Haushalt zusammenlebenden Familienangehörigen zeigt sich als Erfahrung des täglichen Lebens, dass die eng miteinander Lebenden "aus einem Topf wirtschaften". Deshalb ist es zwar geboten, auch in gewissem Umfang die Mittel zusammenzufassen, die den einzelnen Mitgliedern der Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft zufließen (BVerwG, Urt. v. 17. 5. 1972 - BVerwG 5 C 43. 72 - , Buchholz 436. 0, § 90 BSHG Nr. 6, S. 9). Eine solche "Zusammenfassung" lässt indessen die rechtliche Selbstständigkeit des individuellen Hilfeanspruchs eines jeden Familienangehörigen und die ihr entsprechende Selbstständigkeit der jeweiligen Leistungsbeziehung unberührt. Eine Haftungsgemeinschaft lässt sich hier nicht aus der in § 11 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BSHG angeordneten gesamtschuldnerischen Haftung herleiten. Nach dieser Vorschrift haften mehrere dem Träger der Sozialhilfe zum Ersatz seiner Aufwendungen Verpflichtete aus dem Personenkreis des § 11 Abs. 1 BSHG als Gesamtschuldner. Der vorliegende Sachverhalt fällt jedoch nicht unter den sachlichen Geltungsbereich dieser Vorschrift. Eine entsprechende Anwendung auf die Rückerstattung zu Unrecht empfangener Sozialleistungen verbietet sich wegen des Ausnahmecharakters dieser Regelung (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. 10. 1992, a. a. O. ). Zwischen dem Kläger zu 2) und dem Beklagten bzw. der Stadt Göttingen bestand kein sozialhilferechtliches Leistungs- (und demgemäß Erstattungs-) verhältnis. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger zu 2) während des gesamten Bewilligungszeitraums in bezug auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nicht hilfebedürftig war, weil sein Einkommen ausreichte, um seinen Bedarf zu decken. Wie sich aus den Berechnungen der Einzelansprüche für den Kläger zu 2) vom 13. Juni 2001 betreffend den hier streitigen Zeitraum vom Januar 1997 bis März 2000 ergibt (Bl. 275 bis Bl. 283 der Beiakte A), hatte der Kläger zu 2) keinen Einzelanspruch auf Sozialhilfe gegenüber der Stadt Göttingen. Der Kläger zu 2) ist demnach weder Schuldner eines Rückforderungsanspruchs noch haftet er gesamtschuldnerisch. Der Einwand des Beklagten, die gesamte Bedarfsgemeinschaft sei Adressat des Rückforderungsbescheids geworden, führt nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags, sondern musste bei den Klägern gerade den Eindruck einer gesamtschuldnerischen Haftung erwecken.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Ausgangsbescheid der Stadt Göttingen vom 18. Juli 2000 nicht durch den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 2. Juli 2001 geheilt worden. Denn der Widerspruchsbescheid, dessen Tenor ebenfalls an die Kläger zu 1) und zu 2) gerichtet ist, berichtigt den Tenor des Ausgangsbescheides nicht. Zwar wird in dem Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2001 der Rückforderungsbetrag "auf die Personen der Bedarfsgemeinschaft" aufgeteilt, und zwar auf den Kläger zu 2) mit 0, -- DM, die Klägerin 1) mit 4. 126, 09 DM und den Kläger zu 3) mit 2. 919, 29 DM. Diese "Aufteilung" des Rückforderungsbetrags erklärt jedoch lediglich, für welche Personen der Bedarfsgemeinschaft - nämlich nur für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 3) - die zurückgeforderten Beträge gezahlt worden sind, nicht jedoch, von wem welche Beträge zurückverlangt werden. Nach dem objektiven Erklärungsinhalt bleibt demnach unklar, welche Regelung gegenüber den Klägern getroffen worden ist, insbesondere, in welcher Höhe sie für den Rückforderungsbetrag zu welchen Bruchteilen einstehen sollen bzw. inwieweit der Kläger zu 2) für den Kläger zu 3) in Anspruch genommen werden soll (so auch in einem ähnlich gelagerten Fall: OVG NW, Urt. v. 22. 1. 1998, a. a. O. ).

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Der Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, der Bescheid sei primär an den Kläger zu 2) als gesetzlichen Vertreter des Klägers zu 3) gerichtet gewesen, lediglich sekundär habe die Behörde eine deklaratorische Regelung getroffen, dass er materiell nichts schulde. Unter der Überschrift des Bescheides vom 18. Juli 2000 heißt es lediglich: " - gilt als gesetzlicher Vertreter gegebenenfalls auch für unten aufgeführte Kinder - ". Dass sich der Bescheid an den Kläger zu 2) primär als gesetzlicher Vertreter des Klägers zu 3) und an die Klägerin zu 1) als "eigentliche" Adressatin richten sollte, lässt sich dieser Formulierung nicht entnehmen, ebenso wenig wie der Formulierung im Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2001: "zugleich als ges. Vertreter für Herrn C. ". Darüber, ob und in welcher Höhe auch die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 3) etwa in Anspruch genommen werden sollte, enthält der Bescheid ebenfalls keine Aussage, auch nicht über die Höhe des Betrags, für den der Kläger zu 2) als gesetzlicher Vertreter des Klägers zu 3) etwa in Anspruch genommen werden sollte.

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Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das von dem Beklagten zitierte Urteil des OVG Hamburg vom 26. 2. 1993 (- Bf IV 22/92 - , FEVS 44, 429). Die von dem Beklagten in der Begründung seines Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2001 vorgenommene Aufteilung der Rückforderungssumme individuell auf die Kläger genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht, weil sich - wie bereits ausgeführt - den angefochtenen Bescheiden nicht entnehmen lässt, welcher Adressat der angefochtenen Bescheide in welcher Höhe in Anspruch genommen werden soll.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 15. Februar 2002 im erstinstanzlichen Verfahren, dass der Rückforderungsbetrag zwischen den Klägern als "Einzelschuldnern" aufgeteilt worden sei und die Aufstellung aus dem Vermerk vom 13. Juni 2001 (Bl. 304, 305 Beiakte A) gem. § 41 Abs. 2 SGB X zum Gegenstand des streitbefangenen Bescheids gemacht werde. Unabhängig von der Frage, ob die fehlende Bestimmtheit eines Bescheides nach § 41 SGB X geheilt werden kann (verneinend: OVG NW, Urt. v. 22. 1. 1998, a. a. O. ; Schroeder-Printzen/ Engelmann/ Schmalz/ Wiesner/ von Wulffen, SGB X, 3. Aufl. 1996, § 33 Rn. 6), macht dieses "Nachschieben" die angefochtenen Bescheide nicht hinreichend bestimmt, weil sich auch aus der Aufstellung vom 13. Juni 2001 nur ergibt, welche Beträge an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 3) gezahlt worden sind, nicht hingegen welcher Betrag von dem einzelnen Kläger zurückgefordert wird. Der Schriftsatz vom 15. Februar 2002 berücksichtigt zudem nicht, dass der Kläger zu 2) persönlich weder Einzel- noch Gesamtschuldner des Beklagten ist.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt hier eine teilweise Aufrechterhaltung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Klägerin zu 1) und es Klägers zu 3) nicht in Betracht, weil nach dem oben Gesagten auch hinsichtlich dieser Kläger der objektive Erklärungsinhalt der angefochtenen Beschiede unklar bleibt.

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2.

Der Rechtsstreit wirft auch keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

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Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Meyer-Ladewig, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/ Pietzner, aaO, RdNr. 30 zu § 124; Kopp/Schenke, aaO, RdNr. 10 zu § 124). Für die Darlegung reicht es aus, dass die aufgeworfene Grundsatzfrage rechtlich derart aufbereitet wird, wie dies nach Maßgabe der Begründung in der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts erforderlich ist; Rechtsfragen, die in der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung keine Rolle gespielt haben, brauchen im Rahmen des Antrages auf Rechtsmittelzulassung nicht erörtert zu werden, um eine Entscheidungserheblichkeit darzulegen (BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschl. v. 15. 8. 1994 - 2 BvR 719/93 -, NVwZ-Beil. 1994, 65 (66)). Diese Voraussetzungen sind dann nicht gegeben, wenn sich die Frage so, wie sie mit dem Antrag aufgeworfen worden ist, im Rechtsmittelverfahren nicht stellt, ferner dann nicht, wenn sich die Frage nach dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres eindeutig beantworten lässt (BVerwG, Beschl. v. 8. 12. 1985 - BVerwG 1 B 136. 85 -, Buchholz 130 § 22 RuStAG, S. 2) oder sie in der Rechtsprechung - namentlich des Bundesverwaltungsgericht oder des erkennenden Senats - geklärt ist.

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Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag, der die Rechtsfrage aufwirft, "ob es den Bestimmtheitsanforderungen genügt, wenn der Tenor eines Rückforderungsbescheides gegenüber einer Bedarfsgemeinschaft lediglich eine Gesamtsumme ausweist, während die Aufteilung nach Bruchteilen aber erst in dessen Begründung vorgenommen wird", nicht. Zum einen werden die Bestimmtheitsanforderungen an Rückforderungsbescheide in den von den Beteiligten genannten Entscheidungen des OVG NW (Urt. v. 22. 1. 1998, a. a. O. ) und des OVG Hamburg (Urt. v. 26. 2. 1993, a. a. O. ) hinreichend erörtert. Zum anderen stellt sich die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage für den vorliegenden Fall nicht, in dem der Kläger zu 2) nach dem Tenor des Rückforderungsbescheids für eine Summe haften soll, für die er auch nach Bruchteilen nicht einzustehen hätte. Zudem fehlt es in den angefochtenen Bescheiden an einer "Aufteilung nach Bruchteilen". Zwar hat der Beklagte die Rückforderungssumme in der Begründung seines Widerspruchsbescheids aufgeteilt, eine eindeutige Aussage, welcher Adressat des Verwaltungsaktes für welche Teile in Anspruch genommen werden soll, enthalten die angefochtenen Bescheide aber nicht.

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3.

Schließlich dringt der Zulassungsantrag auch nicht mit der Rüge eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO durch.

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Ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist nur dann gemäß § 124a Abs. 1 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Die Rüge, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruches geeignet gewesen wäre (Senat, st. Rspr. unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19. 8. 1997 - BVerwG 7 B 261. 97 -, NJW 1997, 3328).

23

Der Beklagte begründet seinen Zulassungsantrag damit, dass das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung den gemäß § 41 Abs. 2 SGB X zulässigen, klarstellenden Vortrag zur Begründung des streitbefangenen Bescheides im Schriftsatz vom 15. Februar 2002, dass die Kläger als Einzelschuldner in Anspruch genommen werden sollen, unberücksichtigt gelassen habe, Das Verwaltungsgericht hat sich jedoch mit dem Schriftsatz des Beklagten vom 15. Februar 2002 auseinander gesetzt (S. 8 UA). Der Beklagte verkennt zudem, dass das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide deshalb für rechtswidrig gehalten hat, weil Tenor und Begründung in Widerspruch zueinander stünden und der Kläger zu 2) nach dem Tenor des Rückforderungsbescheids in Gestalt des Widerspruchsbescheids mit einer Vollstreckung rechnen müsse, obwohl er persönlich dem Beklagten nichts schulde (S. 8 UA).