Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.04.2003, Az.: 1 KN 3206/01
Unwirksamkeit eines Bebauungsplans mit der Festsetzung eines Sondergebiets für Einzelhandelsbetriebe; Voraussetzungen einer Verletzung des Abwägungsgebotes; Festsetzung einer "Riegelbebauung" zum Schutz einer benachbarten Wohnbebauung ; Berücksichtigung eines Einzelhandelsgutachtens
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.04.2003
- Aktenzeichen
- 1 KN 3206/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 22566
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2003:0407.1KN3206.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 3 BauGB
- § 1 Abs. 6 BauGB
- § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB
- § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB
Fundstellen
- BauR 2003, 1443 (Kurzinformation)
- ZfBR 2003, 701-703 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Gemeinde, die bei der Planung eines Sondergebiets "Einzelhandel" ein Gutachten zur Situation und Entwicklung des Einzelhandels einholt, darf kritische Aussagen des Gutachtens nicht "vom Tisch wischen", sondern muss sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzen.
Eine "Riegelbebauung", die zum Schutz einer benachbarten Wohnbebauung vor den Auswirkungen einer großen Stellplatzfläche festgesetzt wird, findet mit dem intendierten zeitlichen Vorrang der Errichtung der Riegelbebauung vor der Stellplatznutzung keine Rechtsgrundlage in § 9 BauGB.
Gründe
I.
Der Antragsteller, der Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks F. kamp 19 (Flurstücke 29/10 und 29/36) in G. ist, wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 72 "D. Weg - E. Straße", mit dem die Antragsgegnerin auf dem südlich benachbarten Grundstück jenseits des D. Weges ein Sondergebiet "großflächige Einzelhandelsbetriebe" festgesetzt hat.
Das Grundstück des Antragstellers liegt als Eckgrundstück nördlich des D. Weges und östlich der Straße F. kamp und ist im Bebauungsplan Nr. 4 "F. kamp" als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 72, das im Norden durch den D. Weg, im Osten durch den F. weg, im Süden durch die E. Straße, die L 53, und im Westen durch die H. Straße und den F. kamp eingerahmt wird, war mit mehreren Lagergebäuden bebaut und wurde früher von einem Landhandelsunternehmen genutzt. Nördlich des Planbereichs liegt eine Wohnsiedlung, die der Bebauungsplan Nr. 4 als WA festsetzt. Östlich des F. weges liegt an der E. Straße eine Diskothek, dann folgen ein Baustoffhandel und ein Sägewerk. Südlich der E. Straße liegt ein Autohaus und eine Waschstraße. Westlich der Straße F. kamp liegt nördlich der H. Straße ein ungenutztes Grundstück, dann folgt ein Wohnhaus und eine Druckerei. Diese Flächen liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 11 "Gewerbegebiet".
Das Plangebiet liegt am südwestlichen Ortsrand von G. , einer Kleinstadt mit ca. 8. 700 Einwohnern, die über Verkaufsflächen für den Einzelhandel von über 51. 000 m² verfügt, von denen ca. 23. 000 m² auf Möbel und Einrichtungsgegenstände entfallen. Ca. 300 m westlich vom Plangebiet liegen in einem Gewerbegebiet, das über die H. Straße erschlossen wird, ein Möbel- und Einrichtungshaus, das sich gegenwärtig im Insolvenzverfahren befindet, ein Baumarkt und ein Verbrauchermarkt. In der Ortsmitte, ca. 700 m östlich des Plangebietes gibt es weitere Einzelhandelsstandorte.
Der Rat der Samtgemeinde hat am 10. März 1999 die Aufstellung der 71. Änderung des Flächennutzungsplanes und ihre öffentliche Auslegung beschlossen. Nach Prüfung der Anregungen hat der Samtgemeinderat die 71. Änderung des Flächennutzungsplanes mit Erläuterungsbericht am 12. Dezember 2000 beschlossen. Die 71. Änderung ist von der Bezirksregierung am 12. Februar 2001 genehmigt und die Genehmigung am 28. Februar 2001 im Amtsblatt bekannt gemacht worden. Die 71. Änderung des Flächennutzungsplans stellt das Plangebiet als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Einzelhandel dar. Der Erläuterungsbericht begründet die Änderung des bisher als gemischte Baufläche dargestellten Plangebietes damit, dass für einen Verbrauchermarkt mit ca. 1. 700 m² Verkaufsfläche in Verbindung mit verschiedenen Fachmärkten ein Bedarf bestehe, weil der primäre Versorgungsbereich etwa 23. 450 Einwohner umfasse.
Der Rat der Antragsgegnerin hat am 17. März 1999 die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Am 4. April 2000 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die frühzeitige Bürgerbeteiligung und die Auslegung des Planentwurfs. Die Industrie- und Handelskammer äußerte mit Schreiben vom 9. Mai 2000 Bedenken gegen die Festsetzung eines Sondergebiets Einzelhandel, weil dies die Funktion des Ortskerns in Mitleidenschaft ziehen werde. Die Ansiedlung eines Einkaufszentrums an einer Einfallstraße von G. werte das bereits vorhandene Einkaufszentrum im Bereich H. Straße auf und gefährde das städtebauliche attraktive Ortszentrum. Der Unternehmerverband Einzelhandel I. J. e. V. hält die Planung für unverträglich mit der raumordnerischen Funktion G. s als Grundzentrum. Bei einem Bedarf von 2. 700 m² Verkaufsfläche für den Bereich Lebensmittel für das Grundzentrum gefährde die Ansiedlung eines weiteren Verbrauchermarktes die wohnortnahe Versorgung in den benachbarten Orten, weil bereits vier Discounter ansässig seien mit einer insgesamt höheren Verkaufsfläche. Der Landkreis J. regte zur Vermeidung von negativen Auswirkungen auf bestehende Versorgungsstrukturen im Ortskern von G. und in benachbarten zentralen Orten die Einholung eines Gutachtens zu Bedarf und Umfang der Verkaufsflächen an. Die Nachbargemeinde K. regte eine Untersuchung der Frage an, ob die Ansiedlung eines weiteren Verbrauchermarktes den Einzugsbereich der Gemeinde nicht wesentlich überschreite. In der Zeit vom 8. Mai bis 8. Juni 2000 lag der Entwurf des Bebauungsplanes öffentlich aus.
Am 27. Juni 2000 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Einholung eines Einzelhandelsgutachtens. Am 21. November 2000 beschloss der Rat über die vorgetragenen Anregungen und den Bebauungsplan als Satzung. Das Gutachten des Instituts für Stadt-, Standort-, Handelsforschung und -beratung, L. + Partner GmbH, M. , das kurz vor der Ratssitzung eingegangen war, warnt vor der Ansiedlung weiterer Verkaufsflächen in der peripheren Lage des Plangebietes, weil dies die Funktion der Ortsmitte gefährde. Die Gemeinde habe bereits eine extrem hohe Verkaufsflächenausstattung pro Einwohner und weise für ein Grundzentrum eine hohe lokale Kaufkraftbindung auf, bei Nahrungs- und Genussmitteln und artverwandten Gütern des kurzfristigen Bedarfs 95 %. Das Absatzgebiet der Gemeinde überschreite mit ca. 24. 000 Einwohnern bereits das zentrenverträgliche Einzugsgebiet, so dass die weitere Ansiedlung von Einzelhandelgroßprojekten Geschäftsaufgaben bzw. Leerstand und Verödung der Ortsmitte erwarten ließen. Der Rat ging bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan davon aus, dass die besondere Situation der Gemeinde im Gutachten nicht richtig beurteilt werde. G. habe als "Einkaufszentrum des N. " seit je her eine hohe Kaufkraftbindung von 130 bis 150 %, die es zu sichern gelte. Der Einzugsbereich für den Einzelhandel gehe weit über den Ort und die Samtgemeinde hinaus. Das Gutachten berücksichtige auch die Flächen des G. -Centers. Der derzeitige Centerbetreiber habe aber keinen Lebensmittelmarkt vorgesehen, sondern wolle einen Freizeitbereich aufbauen. Auch der festgestellte Einzelhandel im Industriegebiet könne nicht mit einbezogen werden. Es sei der Wille der Gemeinde, im Planbereich ein Sondergebiet für den Einzelhandel auszuweisen. Es sei nicht Aufgabe der Gemeinde Konkurrenzschutz zu betreiben.
Der Bebauungsplan setzt für den gesamten Geltungsbereich ein Sondergebiet "großflächige Handelsbetriebe" fest. Nach den textlichen Festsetzungen dient das Sondergebiet Einzelhandel der Unterbringung von Einkaufszentren und großflächigen Handelsbetrieben (Nr. 1. 1). In dem im östlichen Bereich gelegenen Teilgebiet SO I ist ein Verbrauchermarkt des Lebensmitteleinzelhandels mit einer Verkaufsfläche von bis zu 1. 800 m² zulässig, wobei der maximale Verkaufsflächenanteil im Haushaltswaren- und Non-Food-Bereich ein Drittel der Verkaufsfläche des Verbrauchermarktes betragen darf (Nr. 1. 2). Zusätzlich sind Einzelhandelsbetriebe sowie Läden und ladenmäßig betriebene Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe mit maximal 700 m² Verkaufsfläche je Betrieb und insgesamt maximal 1. 000 m² Verkaufsfläche zulässig (Nr. 1. 2). Einzelhandel mit den Handelssortimenten Textilien, Schuhe und Nahrungsmittel sind nach Maßgabe der Festsetzung Nr. 1. 4 zulässig (Nr. 1. 2). Im SO II, das im westlichen Teil des Plangebietes liegt, sind Fachmärkte, Einzelhandelsbetriebe, Läden und ladenmäßig betriebene Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe bis zu einer Verkaufsfläche von insgesamt 1. 200 m² zulässig, wobei Einzelhandelsbetriebe mit Handelssortimenten Textilien, Schuhe und Nahrungsmittel auch hier nach Maßgabe der Festsetzung Nr. 1. 4 zulässig sind (Nr. 1. 3). Nr. 1. 4 lässt Einzelhandelsbetriebe mit den Handelssortimenten Textilien und Schuhe mit einer Verkaufsfläche von maximal 700 m² und mit dem Handelssortiment Nahrungsmittel mit maximal 500 m² zu. Die zweigeschossig bebaubare Fläche konzentriert sich auf die östliche Hälfte des Planbereichs und zieht sich im Norden des Planbereichs in einer Tiefe von 22 m bis 35 m nach Westen. Als Schallschutzmaßnahme setzt der Bebauungsplan unter Nr. 1. 9. 1 eine durchgehend geschlossene Riegelbebauung entlang des D. Weges zum Schutz des nördlich angrenzenden allgemeinen Wohngebiets mit einer Mindestgebäudehöhe von 4, 5 m fest, die einmalig mit einer maximalen Breite von 7 m für eine fußläufige Verbindung unterbrochen werden darf.
Der am 1. Dezember 2000 ausgefertigte Bebauungsplan ist am 28. Februar 2001 im Amtsblatt für den Landkreis J. bekannt gemacht worden.
Der Landkreis J. hat am 7. Juni 2001 der Beigeladenen die Baugenehmigung für den 1. und 2. Bauabschnitt einer Ladenzeile - entsprechend dem SO I des Bebauungsplanes - mit 185 Stellplätzen erteilt. Die Baugenehmigung ist inzwischen ausgenutzt.
Der Antragsteller hat am 28. September 2001 das Normenkontrollverfahren eingeleitet und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Nachdem die Beigeladene zugesichert hatte, dass keine weiteren Bauanträge gestellt würden, haben Antragsteller und Antragsgegnerin das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für erledigt erklärt. Zur Begründung des Normenkontrollantrages trägt der Antragsteller vor, die Antragsgegnerin habe bei der Abwägung über den Bebauungsplan die Belange des benachbarten Wohngebiets außer Acht gelassen. Dies begründe seine Antragsbefugnis. Das von der Antragsgegnerin eingeholte Einzelhandels-Gutachten habe den zuständigen Gremien der Gemeinde nicht vorgelegen, sondern sei lediglich vom Gemeindedirektor im Rat erwähnt worden. Dem Plan fehle es an der Planrechtfertigung. Der Bebauungsplan stelle eine Gefälligkeitsplanung zugunsten des Grundstückseigentümers O. dar, der nur sein privates Interesse an der Errichtung von Einzelhandelsflächen auf dem städtebaulich exponiert gelegenen Grundstück am westlichen Eingangstor der Gemeinde sichere. Es habe keinen Bedarf für Einzelhandelsflächen gegeben, die wegen der unmittelbaren Nachbarschaft des Wohngebietes F. kamp zu einer Gemengelage unverträglicher Nutzungen führe. Das Wohngebiet werde durch eine 160 m lange geschlossene 7 m hohe Bebauung eingemauert, die für das Wohngebiet erdrückend wirke. Die Antragsgegnerin habe sich bei der Abwägung aber auch nicht mit dem Gutachten auseinander gesetzt, das deutlich vor der Ansiedlung weiterer Einzelhandelsflächen warne. Schon jetzt stehe das G. -Zentrum in der Ortsmitte weitgehend leer.
Der Antragsteller beantragt,
den am 21. November 2000 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 72 "D. Weg - E. Straße" für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Verwaltungsgericht Osnabrück habe den Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung für den 1. und 2. Bauabschnitt abgewiesen. Ein Gutachten habe ergeben, dass auch ohne den westlichen Teil des Gebäudes an der Nordseite des Plangebietes die Immissionsrichtwerte eingehalten würden. Die Anordnung der Parkplätze für den Verbrauchermarkt sei daher auch ohne die Fortführung des im Bebauungsplan vorgesehenen "Gebäuderiegels" nicht rücksichtslos gegenüber den Bewohnern des benachbarten allgemeinen Wohngebietes.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
II.
Der zulässige Normenkontrollantrag ist im Wesentlichen begründet. Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks, das nur getrennt durch den D. Weg unmittelbar nördlich an das Plangebiet angrenzt. Der Antragsteller macht geltend, die Antragsgegnerin habe bei der Planung des Sondergebietes die Nachbarn des allgemeinen Wohngebietes in keiner Weise berücksichtigt. Das Wohngebiet werde nach dem Bebauungsplan durch eine ca. 160 m lange und bis zu 7 m hohe Riegelbebauung "eingemauert". Damit macht der Antragsteller eine Verletzung des drittschützenden Abwägungsgebotes geltend, das die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages begründet, zumal die Antragsgegnerin mit der Festsetzung Nr. 1. 9. 1 ausdrücklich Belange der benachbarten Wohnbebauung in die Abwägung eingestellt hat.
Die Baugenehmigung vom 7. Juni 2001 und deren Ausnutzung für die ersten beiden östlichen Bauabschnitte hat das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen lassen. Der Antragsteller hat die Baugenehmigung angefochten. Für den Antragsteller ist die noch ausstehende Bebauung der westlichen Hälfte des Plangebietes von besonderer Bedeutung, weil sein Grundstück im Nordwesten an das Plangebiet anschließt.
Der Normenkontrollantrag ist begründet, weil die Antragsgegnerin die Aussagen des Einzelhandelsgutachtens bei der Abwägung nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die in Nr. 1. 9 der textlichen Festsetzung vorgeschriebene Riegelbebauung leidet an einem Abwägungsfehler.
Formelle Bedenken gegen den Bebauungsplan bestehen nicht. Der Vortrag des Antragstellers, den zuständigen Gremien der Antragsgegnerin hätten die entscheidenden Unterlagen bei ihren Beschlüssen nicht vorgelegen, wird durch die von der Antragsgegnerin vorgelegten Protokolle bestätigt, soweit damit das Gutachten L. gemeint ist. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bau- und Vergabeausschusses am 7. November 2000 und des Verwaltungsausschusses am 13. November 2000 lag das Gutachten noch nicht vor. Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 21. November lag das Gutachten vor, der Gemeindedirektor trug nach dem Protokoll den wesentlichen Inhalt vor. Dies begründet jedoch keine Zweifel an der Wirksamkeit des Bebauungsplans, denn entscheidend für die Wirksamkeit des Bebauungsplanes ist allein, dass die Mitglieder des Rates den Bebauungsplan, seine Begründung und die dafür erforderlichen Unterlagen kennen. Dies wird in der Regel dadurch sichergestellt, dass der Bebauungsplan mit seiner Begründung den Mitgliedern des Rates als Ratsdrucksache vorliegt. Vorarbeiten für den Bebauungsplan brauchen aber nicht allen Ratsherren zugänglich gemacht zu werden. Es ist Sache der Mitglieder des Rates, die Unterlagen zu verlangen, die sie für ihre Entscheidung für wichtig halten.
Die Angriffe des Antragstellers, die auf eine fehlende Planrechtfertigung zielen, greifen nicht durch. Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist, bestimmt sich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB sind nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren oder ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des BauGB nicht bestimmt sind. Die städtebauliche Steuerungsfunktion der gemeindlichen Bauleitplanung wird aber auch durch die Interessen privater Investoren beeinflusst. Werden für bestimmte Bereiche konkrete Ansiedlungswünsche geäußert, steht es der Gemeinde grundsätzlich frei, aus städtebaulichen Gründen in der von ihr gewollten Weise darauf zu reagieren. So kann sie Ansiedlungswünsche, die mit dem bestehenden Baurecht nicht vereinbar sind, zum Anlass nehmen, durch ihre Bauleitplanung entsprechende Baurechte zu schaffen, wenn dies ihren städtebaulich motivierten Zielvorstellungen entspricht. Umgekehrt kann sie bestimmte Ansiedlungswünsche auch zum Anlass nehmen, aus städtebaulichen Gründen eine von ihr nicht gewollte bauliche Entwicklung in einem bestimmten Bereich durch Schaffung entgegenstehenden Baurechts künftig zu unterbinden, indem sie eine anderweitige, die unerwünschte Entwicklung verhindernde positive planerische Aussage über die zukünftige Funktion der betreffenden Fläche in ihrem städtebaulichen Gesamtkonzept trifft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. 5. 1999 - 4 BN 15/99 -, BRS 62 Nr. 19 = NVwZ 1999, 1338 m. Nachw. ).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Bebauungsplan Nr. 72 nicht zu beanstanden. Die Behauptung des Antragstellers, der Plan diene ausschließlich der Durchsetzung der Interessen des Investors O. , findet in den vorgelegten Planakten keine Stütze. Der in der Begründung des Bebauungsplanes genannte Planungsanlass
"zur Ergänzung der Versorgungsfunktion und zur Stärkung des Ortskerns des Grundzentrums G. bzw. zur Erhöhung der Attraktivität des Standortes G. als Einkaufszentrum des N. sollen die bauleitplanerischen Voraussetzungen für die Ausweitung eines neuen Standortes für großflächige Einzelhandelsbetriebe in G. geschaffen werden, "
lässt ein städtebaulich motiviertes Konzept erkennen. Die vom Antragsteller weiter vorgetragenen Gesichtspunkte der Gemengelage, der erdrückenden Wirkung, der Lärmbeeinträchtigung und der fehlenden Berücksichtigung des Einzelhandelsgutachtens stellen nicht die Planrechtfertigung in Frage, sondern betreffen die Abwägung.
Der Bebauungsplan Nr. 72 verstößt gegen das Abwägungsgebot, weil die Antragsgegnerin sich mit den Bedenken, die das von ihr in Auftrag gegebene Einzelhandelsgutachten gegen die Ansiedlung eines weiteren Verbrauchermarktes am peripheren Standort E. Straße/D. Weg formuliert, nicht ausreichend auseinander gesetzt hat. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105. 66 -, BVerwGE 34, 301/309 ff. ). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
Die Industrie- und Handelskammer hat im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange mit Schreiben vom 9. Mai 2000 Bedenken gegen die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes und weiterer Fachmärkte an dem peripheren Standort an der E. Straße erhoben, weil damit das städtebaulich attraktive Ortszentrum gefährdet werde und ein langfristiger Leerstand von Einzelhandelsflächen im Zentrum zu befürchten sei. Der Unternehmerverband Einzelhandel I. -J. hat den Planentwurf im Schreiben vom 6. Juni 2000 abgelehnt, weil ein weiterer Verbrauchermarkt bei vier bereits ansässigen Discountern zu einer Überversorgung führe, die wegen der Anlockwirkung einer solchen Konzentration von Anbietern und Verkaufsflächen eine Bedrohung der wohnortnahen Versorgung in den benachbarten Orten darstelle. Die Antragsgegnerin hat auf Anregung des Landkreises J. ein Gutachten eingeholt, das kurz vor dem Beschluss über den Bebauungsplan am 21. November 2000 eingegangen ist. Das umfangreiche Gutachten kommt auf der Grundlage von Erhebungen über die Verkaufsflächen und den Branchenmix in G. zu dem Ergebnis, dass die Verkaufsflächenausstattung pro 1. 000 Einwohner erheblich über dem Durchschnitt vergleichbarer Gemeinden liege. Gerade bei Nahrungs- und Genussmitteln erreiche G. einen sehr hohen Ausstattungsgrad. Für Branchengruppen des kurzfristigen Bedarfs stünden in G. insgesamt 11. 820 m² Verkaufsfläche zur Verfügung. Aufgrund dominanter Ausrichtung beim Versorgungsverhalten in den Gemeinden des Umlands erreiche G. ein Kaufkraftpotential von ca. 190 Millionen DM. Das Gutachten geht im Hinblick auf eine Erhöhung der Bevölkerungszahlen und eine Steigerung der Ausgaben des privaten Verbrauchs von einem Zuwachs der erzielbaren Einzelhandelsumsätze von 6, 6 % aus. Wegen der zahlreichen untergenutzten bzw. ungenutzten Grundstücke in der Ortsmitte (G. -Center, P. straße, Q. straße) betont das Gutachten die Notwendigkeit, die Ortsmitte als Einzelhandelsstandort zu festigen. Für einen weiteren Verbrauchermarkt an der E. Straße/D. Weg sei schlechthin kein Bedarf gegeben.
Die Antragsgegnerin hat sich über die Aussagen des Einzelhandelsgutachtens hinweggesetzt, weil nach ihrer Auffassung das Gutachten die besondere Situation bzw. Ausgangslage der Gemeinde nicht richtig beurteile bzw. berücksichtige. Die Gemeinde habe als "Einkaufszentrum des N. " seit je her eine hohe Kaufkraftbindung von etwa 130 bis 150 %, die es zu erhalten und auszubauen gelte. Der Einzugsbereich für den Einzelhandel gehe weit über den Ort G. und die Samtgemeinde hinaus. Das Gutachten berücksichtige auch die Flächen des G. -Centers, obgleich der derzeitige Betreiber keinen Lebensmittelmarkt vorsehe, sondern den Freizeitbereich ausbauen wolle. Der Einzelhandel im Industriegebiet könne nicht angerechnet werden. Da es nicht Aufgabe der Bauleitplanung sei, Konkurrenzschutz zu betreiben, sehe die Gemeinde nach wie vor den Bedarf für weitere Einzelhandelsflächen.
Diese Ausführungen werden den vom Gutachten formulierten Bedenken nicht gerecht. Das Gutachten (Seite 22) berücksichtigt einen über G. (ca. 8. 000 Einwohner) und die Samtgemeinde (ca. 19. 000 Einwohner) weit hinausgehenden Einzugsbereich von ca. 23. 500 Einwohnern. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzugsbereich G. s noch größer zu bemessen ist, sind nicht erkennbar (vgl. Abbildung 3 und 4). Die Tatsache, dass im G. -Center ein Einzelhandelsbetrieb mit 700 m² Verkaufsfläche im Jahr 2000 hat schließen müssen, und dies nicht der einzige Leerstand in der Ortsmitte ist, lässt aber deutlich erkennen, dass die Befürchtung des Gutachtens, dass die Ansiedlung von großflächigem Einzelhandel an peripheren Standorten zur Verödung der Ortsmitte führe, nicht von der Hand zu weisen ist. Das in der entscheidenden Ratssitzung am 21. November 2000 verlesene Fax des Centerbetreibers enthält nur die Aussage, dass vorrangig der Ausbau eines Kinos forciert werde. Das vom Centerbetreiber mitgeteilte Ziel, den weiteren Ausbau und die Reaktivierung des Einkaufscenters G. nachhaltig und "mit einer höheren Schlagzahl" fortzusetzen, enthält aber - entgegen der Annahme des Protokolls - keine Aussage, dass kein Lebensmittelmarkt vorgesehen sei. Warum die Einzelhandelsflächen im Industriegebiet nicht anrechenbar sein sollen, wird nicht erläutert und erschließt sich auch aus den vorgelegten Vorgängen nicht. Schließlich geht es dem Gutachten nicht um Konkurrenzschutz vorhandener Betriebe. Die Gutachter machen vielmehr deutlich, dass verkehrlich gut erreichbare Standorte an der Peripherie dem Ortszentrum den Rang ablaufen können und sehen in G. angesichts ungenutzter oder untergenutzter Grundstücke in der Ortsmitte nicht nur die Gefahr, sondern bereits unmittelbar die städtebaulichen Folgewirkungen einer Verödung des Ortskerns. Der Argumentation des Gutachtens, dass das Kaufkraftpotential eines Grundzentrums nicht beliebig vermehrbar ist und deshalb neue Verkaufsflächen für den Einzelhandel an den verkehrlich stark frequentierten Ausfallstraßen eines Ortes jedenfalls dann den vorhandenen Einzelhandelsbetrieben der Ortsmitte die Existenzgrundlage entziehen, wenn die vorhandenen Verkaufsflächen mit weniger als dem vorhandenen Kaufkraftpotential nicht rentabel betrieben werden können, lässt sich nicht mit dem Argument begegnen, man wolle keinen Konkurrenzschutz betreiben. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Antragsgegnerin über die Ergebnisse des von ihr in Auftrag gegebenen Gutachtens ohne eingehende Auseinandersetzung hinwegsetzt. Die Beratung gipfelt in der Aussage, "dass es nach wie vor Wille der Gemeinde G. ist, in diesem Bereich ein entsprechendes Sondergebiet für den Einzelhandel auszuweisen, da diese Flächen dafür geeignet sind". Das ist keine rationale Abwägung, sondern eine "rein politische Entscheidung". Wie weit die unzureichende Auseinandersetzung daran lag, dass das Gutachten erst ganz kurz vor der entscheidenden Ratssitzung einging, kann offen bleiben, denn notfalls hätte die Beschlussfassung über den Bebauungsplan verschoben werden müssen. Im Übrigen geht auch der Erläuterungsbericht der 71. Änderung des Flächennutzungsplanes auf die kritischen Aussagen des Gutachtens nicht ein, sondern zitiert das Gutachten nur insoweit, wie seine Aussagen nicht gegen die Ansiedlung des Sondergebiets Einzelhandel sprechen.
Die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Gutachten L. stellt einen nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB offensichtlichen Abwägungsfehler dar, der auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. Nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB sind Abwägungsfehler nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Die Offensichtlichkeit betrifft die Erkennbarkeit des Abwägungsfehlers (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 8. 1981 - 4 C 57. 80 -, DVBl. 1982, 354). Die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Gutachten L. ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplanes, der das Gutachten nicht mit einer Silbe erwähnt, und aus dem bereits erwähnten Protokoll der Ratssitzung vom 21. November 2000, in der der Bebauungsplan beschlossen worden ist. Der Mangel im Abwägungsvorgang ist auch auf das Ergebnis von Einfluss gewesen. § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB verlangt nicht den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Abwägungsmangel und dem Ergebnis, vielmehr genügt die konkrete Möglichkeit, dass das Ergebnis der Abwägung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urt. v. 21. 8. 1981, a. a. O. ). Eine solche konkrete Möglichkeit besteht hier deshalb, weil die Gemeinde bei dem Auftrag für das Gutachten zu Recht von der Erheblichkeit der Einzelhandelssituation im Grundzentrum G. ausgegangen ist und eine vertiefte Beschäftigung mit dem Gutachten die Gefahren für die Ortsmitte durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 72 ins Bewusstsein gerückt hätte.
Die in Nr. 1. 9. 1 der textlichen Festsetzungen festgesetzte "Riegelbebauung" mit einer Mindesthöhe von 4, 5 m entlang des D. Weges "zum Schutz des dahinter liegenden allgemeinen Wohngebietes" begegnet ebenfalls Bedenken. Mit dieser Festsetzung soll nach Nr. 5. 4 der Begründung zum Bebauungsplan die Wohnbebauung vor den Immissionen des Plangebietes, d. h. dem Parkplatzlärm und dem Anlieferverkehr geschützt werden. Diese Festsetzung ist mit dem intendierten zeitlichen Vorrang der Errichtung der "Riegelbebauung" vor der Stellplatznutzung jedoch unzulässig, weil § 9 BauGB und die BauNVO keine Ermächtigung dafür enthalten, die zeitliche Reihenfolge der Verwirklichung plangemäßer Nutzungen festzulegen (vgl. Urt. d. Sen. v. 8. 2. 2000 - 1 K 5513/98 -, DVBl. 2000, 1365). Davon geht auch die sogenannte Gaentzsch-Kommission aus, die in ihrem Bericht zur Novellierung des BauGB diese Fallgestaltung in Rdn. 186 erwähnt und in Rdn. 197 ff. eine Ergänzung der Festsetzungsmöglichkeiten nach § 9 BauGB vorschlägt (Novellierung des Baugesetzbuches, Bericht der unabhängigen Expertenkommission, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin, August 2002). Die "Riegelbebauung" zum Schutz des dahinter liegenden WA nach Nr. 1. 9. 1 der textlichen Festsetzungen kann nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützt werden (vgl. dazu Urt. d. 6. Sen. v. 9. 6. 1997 - 6 K 4543/96 -, n. v. ).
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen bauliche oder sonstige technische Verkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen festgesetzt werden. Mit der mit § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB aufgezeigten Möglichkeit überschreitet der Gesetzgeber "die herkömmliche Bedeutung des Bebauungsplanes als eines bloßen Angebots bzw. eines Rahmens, der die Nutzung der Grundstücke lediglich vorbereiten und leiten soll" und schafft ein Mittel der Durchführungsplanung, weil die festgesetzte Schutzvorkehrung zu errichten ist, wenn die emittierende Anlage errichtet wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. 9. 1988 - 4 N 1. 87 -, DVBl. 1988, 1167/9). Dazu muss gewährleistet sein, dass die Vorkehrungen tatsächlich verwirklicht sind, wenn mit der immissionsträchtigen Nutzung begonnen wird. Der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (a. a. O. ) hat seinerzeit erwogen, ob die Konfliktbewältigung dadurch bewerkstelligt werden kann, dass die Bauaufsichtsbehörde die hinzutretende Nutzung, die den Konflikt zu Tage treten lässt, nach § 15 BauNVO ablehnt, solange nicht die vom Bebauungsplan vorausgesetzte zeitliche Reihenfolge der baulichen oder sonstigen Nutzungen eingehalten wird. Auch eine derartige Festsetzung müsste aber eine Stütze in § 9 BauGB finden. Eine umfängliche Bebauung mit anderem Nutzungszweck, die sozusagen nebenbei auch der Abschirmung von Lärm dient, kann nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 gestützt werden. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wäre es nämlich kaum möglich, dem Grundstückseigentümer die Errichtung eines umfänglichen Baukörpers aufzugeben, für den der Grundstückseigentümer möglicherweise (noch) keine Verwendung hat, nur um den Schallschutz zu verwirklichen. Das Bundesverwaltungsgericht ist bei seinem Beschluss vom 7. September 1988 (a. a. O. ) wohl auch davon ausgegangen, dass die Gemeinde die Lärmschutzvorkehrungen durchsetzen kann. Das ergibt sich jedenfalls aus dem Beschluss vom 2. November 1988 (- 4 B 157/88 -, BRS 48 Nr. 13), der einen Anspruch des Planbetroffenen gegen die Gemeinde auf Herstellung von Lärmschutzvorkehrungen bejaht.
Lässt sich ein Vorrang der Riegelbebauung vor der Nutzung der Stellplätze nicht festsetzen, leidet diese Festsetzung an Abwägungsmängeln, weil der Schutz der Anlieger nicht gewährleistet ist. Allerdings dürfte dieser Mangel nur zur Teilunwirksamkeit der textlichen Festsetzungen 1. 9. 1 führen und im Übrigen keinen Einfluss auf den Bebauungsplan haben. Wie sich aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Lärmgutachten ergibt, führt das Fehlen der Riegelbebauung im nordwestlichen Bereich des Plangebietes nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen der Anwohner im nördlich angrenzenden allgemeinen Wohngebiet. Das Wohnhaus des Antragstellers wird bei einem Immissionsrichtwert von 55 dB(A) - beispielsweise Immissionen mit einem Beurteilungspegel von 48 dB(A) ausgesetzt (vgl. Schalltechnische Stellungnahme Nr. LL0435. 1/02 der Ingenieurgesellschaft Zech vom 19. November 2001, Tabelle 1). Unter diesen Umständen hätte der Rat der Antragsgegnerin wohl auf die Festsetzung der "Riegelbebauung" verzichtet, wenn er gewusst hätte, dass eine Ermächtigungsgrundlage für diese Festsetzung fehlt (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Die Nachbarschaft des Sondergebietes Einzelhandel zu dem allgemeinen Wohngebiet führt nicht zu besonderen Konflikten, die die Wirksamkeit des Bebauungsplanes in Frage stellen. Von der Anlieferzone abgesehen können sich Konflikte nur durch die Häufung von Stellplätzen ergeben. Diese sind aber so weit vom Grundstück des Antragstellers entfernt, dass auf dem Grundstück des Antragstellers sogar der Richtwert von 50 dB(A) für ein reines Wohngebiet eingehalten wird (vgl. die Berechnung des Lärmgutachtens, Tabelle 1). Eine An- bzw. Zulieferung mit Lastkraftwagen zum Plangebiet ist von Norden über den D. Weg nach Nr. 1. 9. 2 der textlichen Festsetzung des Bebauungsplanes nicht zulässig, so dass Konflikte zwischen dem WA und dem Sondergebiet ausgeschlossen sein dürften.
Die Befürchtung des Antragstellers, er werde durch die vom Bebauungsplan zugelassene Bebauung von 160 m Länge und 7 m Höhe gleichsam "eingemauert", stellt die Wirksamkeit des Bebauungsplanes nicht in Frage. Zwar erlaubt Nr. 1. 7. der textlichen Festsetzungen eine Traufhöhe von 7 m, neben den Festsetzungen des Bebauungsplanes ist jedoch auch die NBauO zu beachten. Das bedeutet, dass Gebäude im Plangebiet einen Grenzabstand einhalten müssen, der ihrer Höhe H entspricht. Auch wenn die halbe Breite des D. Weges auf den Grenzabstand angerechnet werden darf (§ 9 NBauO), hält die Bebauung im Planbereich mit einer zulässigen Höhe von 7 m (textliche Festsetzung Nr. 1. 7) doch immerhin einen Abstand von 12 m vom Grundstück des Antragstellers. Damit ist die Bebauung im Plangebiet von einer "erdrückenden Wirkung" doch deutlich entfernt. So hat der Senat im Urteil vom 11. April 1997 - 1 L 7286/95 - (BRS 59, Nr. 164) eine erdrückende Wirkung einer 5, 50 m hohen gewerblichen Bebauung, die an zwei Seiten ein Wohngrundstück auf mehr als 100 m Länge in einem Abstand von 5, 50 m umschloss, nach Ortsbesichtigung verneint (vgl. auch Urt. v. 2. 7. 1999 - 1 K 4234/97 -). Auch wenn der landesrechtliche Grenzabstand nicht "das Maß aller Dinge" ist, und die Einhaltung des landesrechtlichen Abstandsrechts einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht ausschließt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11. 1. 1999 - 4 B 128/98 -, DVBl. 1999, 786), hält die nach dem Bebauungsplan zulässige Bebauung im Plangebiet doch einen solchen Abstand vom Grundstück des Antragstellers, dass eine erdrückende Wirkung ausgeschlossen ist.
Die einleuchtenden Ausführungen des Gutachtens L. legen es nicht nahe, dass eine erneute sorgfältige Abwägung zur Festsetzung eines Sondergebiets Einzelhandel führen kann. Der Senat ist allerdings mit den Gegebenheiten G. s nicht so vertraut, dass er dies ausschließen kann. Deshalb ist der Bebauungsplan nach § 215 a Abs. 1 BauGB für nicht wirksam zu erklären.