Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.04.2003, Az.: 7 ME 23/03

Aufenthaltserlaubnis; Härte; Kindeswohl

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.04.2003
Aktenzeichen
7 ME 23/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 47992
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 04.02.2003 - AZ: 7 B 683/02

Gründe

1

Mit dem im Tenor bezeichneten Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Antragsteller vor Unanfechtbarkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 16. September 2002 in seinen Heimatstaat Guinea abzuschieben.

2

Mit dem dies androhenden Bescheid ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt und der Antragsteller zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebiets aufgefordert worden. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Antragsgegnerin zu Recht eine vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers annehme, weil er nach Erlöschen der seinerzeitigen Aufenthaltsgenehmigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr ein Aufenthaltsrecht in Deutschland beanspruchen könne. Insbesondere erwachse ein solches nicht aus den Beziehungen zu seinem am 1. Dezember 1999 geborenen, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Sohn, für den nach der Scheidung die Mutter das Sorgerecht habe. Diese lehne Kontakte zum Antragsteller ab. Dessen gelegentlicher Umgang mit seinem Sohn finde nicht im Rahmen einer familiären Gemeinschaft statt. Kontakte dieser Intensität könne der Antragsteller auch von seinem Heimatstaat aus aufrechterhalten.

3

Mit seiner fristgerecht erhobenen und begründeten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, den notwendigen Umgang mit seinem Sohn, der ihm durch das Scheidungsurteil zugestanden worden sei, nur in Deutschland pflegen zu können und dies trotz des Widerstands der Mutter auch tun zu wollen. Das verleihe ihm nach § 19 AuslG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht.

4

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

II.

5

Die vom Antragsteller dargelegten Gründe vermögen zu keiner Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu führen, § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO.

6

Nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG ist die Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat; sie kann nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 AuslG auch dem nicht-sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. Endet die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen, kann - worauf die Beschwerde einzig abhebt - eine Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 19 AuslG erfolgen, auf dessen entsprechende Anwendung § 23 Abs. 3 AuslG verweist.

7

Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AuslG wird die Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nach S. 2 der Vorschrift liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht; zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes.

8

Die Beschwerde beanstandet im Ergebnis zu Unrecht, dass die Vorinstanz eine derartige Beeinträchtigung seiner Belange nicht deshalb als gegeben angesehen hat, weil er nach einer Ausreise die Kontakte mit seinem Sohn nicht mehr in der bisherigen Weise pflegen kann.

9

Der Antragsteller weist zwar zu Recht darauf hin, dass das Verwaltungsgericht mit der Zugrundelegung des Begriffs "außergewöhnliche Härte" nicht die seit dem 1. Juni 2000 gültige und hier anzuwendende Gesetzesfassung berücksichtigt hat, die von "besonderer Härte" spricht und in diesem Zusammenhang auch das Kindeswohl ausdrücklich anspricht (vgl. BT-Ds. 14/2368 [4]). Auch die Zugrundelegung der korrekten Gesetzesfassung führt indessen nicht dazu, dass deren Voraussetzungen hier erfüllt sind. Denn das Wohl seines am 1. Dezember 1999 geborenen Sohnes erfordert nach Lage der Dinge keinen dauernden persönlichen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet, so dass der Verzicht auf zeitlich kürzer gestaffelte persönliche Begegnungen mit seinem Kind (auch) keine "besondere Härte" im Sinne des Gesetzes darstellt.

10

Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass eine besonders schutzwürdige Gemeinschaft zwischen Ehegatten (Elternteil) und Kind in diesem Sinne regelmäßig dann vorliegt, wenn eine dauerhafte Beistandsgemeinschaft besteht, in welcher der Betreffende Betreuungs- und Erziehungsaufgaben (mit) wahrnimmt. Denn dann ist zu vermuten, dass das Kind sich darauf eingestellt hat und sein Wohl den Fortbestand dieser Erziehungsleistungen erfordert. Das ist zwar auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der nicht-sorgeberechtigte ausländische Ehegatte von dem sorgeberechtigten deutschen Elternteil - wie hier - getrennt lebt. Es bedarf in einem solchen Fall aber besonderer Anhaltspunkte, welche die Annahme einer Kindeswohlgefährdung ohne regelmäßige Begegnungen mit dem auswärts wohnenden Elternteil rechtfertigen, wenn das Kind überwiegend ohne dessen Anwesenheit erzogen wird. Solche Anhaltspunkte bestehen nicht.

11

Die Kontakte des Antragstellers zu seinem Kind bestehen in gelegentlichen Zusammenkünften, die nach der amtsgerichtlichen Umgangsregelung jeweils freitags zwischen 15.00 und 17.00 Uhr auf einem Spielplatz in Braunschweig stattfinden sollen. Selbst dieses Umgangsrecht nimmt der Antragsteller offenbar nur unregelmäßig wahr. Nach Darstellung der sorgeberechtigten Mutter finden die Treffen gegen ihren Willen und in einer gespannten, dem Wohl des Kindes nicht zuträglichen Atmosphäre statt. Von dem Bild einer dem Kindeswohl förderlichen "familiären Lebensgemeinschaft", deren Störung das Gesetz abwenden will, weicht dieser Zustand so weit ab, dass ihm ausländerrechtlich kein nennenswertes aufenthaltserhaltendes Gewicht zukommt. Das gilt auch dann, wenn das eine oder andere Fehlverhalten, das die geschiedene Ehefrau dem Antragsteller vorwirft, nicht oder nicht in der geschilderten zugespitzten Weise stattgefunden hat. Es gilt schließlich auch - worauf die Beschwerde besonders hinweist - im Lichte der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen, wie sie sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ergeben. Zwar trifft es zu, dass sich bei der aufenthaltsrechtlichen Bewertung der familiären Beziehung eine schematische Einordnung als schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft einerseits und nicht schutzwürdige bloße Begegnungsgemeinschaft andererseits verbietet (BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 30. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, DVBl. 2002, 693). Das bedeutet aber nicht, dass allein verbale Bekundungen oder bloße Vorstellungen des getrennt lebenden nicht-sorgeberechtigten Elternteils ausreichen, um aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen zu erzeugen. Behörden und Gerichte haben vielmehr die familiären Bindungen nach der jeweiligen tatsächlichen Situation im Einzelfall zu würdigen und danach angemessen zu berücksichtigen. Ist das Kind auf die dauernde Anwesenheit des nicht sorgeberechtigten Elternteils in seiner unmittelbaren Nähe erkennbar nicht angewiesen, kann die Versagung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis durchaus rechtmäßig sein, wenn der ausländische Elternteil keinen spezifischen Erziehungsbeitrag leistet und auch andere auf der Eltern-Kind-Beziehung beruhende emotionale Einflüsse, die für die Entwicklung des Kindes wichtig sein können, nicht feststellbar sind (a.a.O., 694, 695 m.w.N.). So liegt es, wie dargelegt, hier.