Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2003, Az.: 1 LB 343/02

Erlass; Gebührenerlass

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.04.2003
Aktenzeichen
1 LB 343/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48053
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 29.11.2001 - AZ: 12 A 3014/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Erlass nach § 2 Abs. 2 NVwKostG kommt nur in Betracht, wenn am Erlass der Gebühr ein öffentliches Interesse besteht, nicht aber wenn ein öffentliches Interesse an der gebührenpflichtigen Amtshandlung besteht.

Ein Erlass der Gebühr für eine Baugenehmigung für eine Schule aus Billigkeitsgründen nach § 11 Abs. 2 S. 2 NVwKostG ist nicht geboten, wenn die Schule nicht zu einer Entlastung der Gemeinde führt.

Tatbestand:

1

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover, mit dem ihr Bescheid über die Ablehnung einer Befreiung von der Erhebung der Baugenehmigungsgebühren für einen Schulneubau des Klägers aufgehoben wurde.

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Im April 1988 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Bauantrag für den Neubau von vier Schulgebäuden auf einem Grundstück in Hildesheim. Der Kläger betreibt in den auf dem Grundstück bereits vorher vorhandenen Schulgebäuden eine „Waldorf-Schule“. Das Grundstück und die vorhandenen Schulgebäude wurden dem Kläger von der Beklagten auf der Grundlage eines notariellen Vertrags zwischen dem Kläger und der Beklagten über den Tausch von Schulgebäuden überlassen. Unter dem 30. Juni 1988 erteilte die Beklagte dem Kläger die beantragte Baugenehmigung und machte gleichzeitig Baugebühren in Höhe von insgesamt 6.741,-- DM geltend. Davon entfielen 3.784,-- DM auf die Baugenehmigung, 166,-- DM auf eine beantragte und gewährte Befreiung, 2.786,-- DM auf die Prüfung der Statik durch einen Diplomingenieur und 5,-- DM auf sonstige Auslagen. Die Höhe dieser Kosten ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Kläger hat die Gebühren bezahlt.

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Mit Schreiben vom 8. Juli 1988 beantragte der Kläger Gebührenbefreiung, mit Bescheid vom 5. September 1988 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung B. mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1988 zurück. Im Rahmen des daraufhin von dem Kläger eingeleiteten Klageverfahrens hob die Beklagte 1992 auf Anregung des Gerichts ihren Bescheid auf, und der Kläger nahm seine Klage zurück.

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Mit Schreiben vom 10. November 1993 und 2. März 1994 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Neubescheidung über den Antrag auf Gebührenbefreiung an. Der Kläger äußerte sich zu diesen Schreiben nicht mehr. Mit Bescheid vom 21. April 1994 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gebührenbefreiung erneut ab. Den von dem Kläger nicht begründeten Widerspruch gegen diesen Bescheid wies die Bezirksregierung B. mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1995 zurück.

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Am 17. Juli 1995 hat der Kläger Klage erhoben, die er im Wesentlichen damit begründet hat, bereits aus seinen im ersten Klageverfahren vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass ein öffentliches Interesse an den von ihm durchgeführten Baumaßnahmen und deren Genehmigung bestehe und dementsprechend die Voraussetzungen für eine Befreiung vorlägen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 21. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Hannover vom 14. Juni 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Gebührenbefreiung nach § 2 Abs. 2 NVwKostG,

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hilfsweise Erlass nach § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG zu gewähren,

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weiter hilfsweise, ihn auf den Antrag vom 8. Juli 1988 auf Gebührenbefreiung neu zu bescheiden.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sie auf ein erhebliches Haushaltsdefizit in ihrem Fachbereich 63 verwiesen, das ein öffentliches Interesse an der Erhebung der Gebühr begründe und ein entgegenstehendes Interesse am Absehen der Gebühr überwiege.

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Mit Urteil vom 29. November 2001 hat das Verwaltungsgericht der Klage auf den zweiten Hilfsantrag hin stattgegeben, den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 8. Juli 1988 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Mit Ergänzungsurteil vom 13. Dezember 2001 hat das Verwaltungsgericht das Urteil vom 29. November 2001 mit einer Kostenentscheidung versehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Entscheidungen Bezug genommen.

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Zur Begründung der mit Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2002 – 1 LA 107/02 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor: Das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil nicht berücksichtigt, dass sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung Ermessenserwägungen nachgeschoben habe hinsichtlich der Frage, wie weit der Betrieb der Schulen durch den Kläger zu einer spürbaren Entlastung der Beklagten bei der Aufgabe der Schulversorgung führe. Wie sie schon in ihrem Zulassungsantrag zum Ausdruck gebracht habe, könne im Stadtgebiet der Beklagten keine Rede davon sein, dass sie der Kläger in großem Umfang entlaste, eine Erfüllung der Aufgabe durch die Stadt selbst dagegen nur unter großen Schwierigkeiten möglich sei. Im Übrigen sehe der zwischen den Beteiligten geschlossene notarielle Vertrag über die Nutzung der Schulgebäude eine ausgewogene Kostenverteilung und mache eine Gebührenpflicht des Klägers keineswegs unzulässig.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover – 12. Kammer – vom 29. November 2001, ergänzt durch Urteil vom 13. Dezember 2001, zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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  die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor: Der Vertrag aus dem Jahr 1991 habe sich nur auf einen speziellen Schultausch bezogen und könne nicht verallgemeinernd auf das Verhältnis der Beteiligten angewendet werden. Die Schule sei von der Beklagten auch in den öffentlichen Schulentwicklungsplan aufgenommen worden. Dies zeige, dass es sich auch um eine Entlastung des Schulträgers handele. Auch die Bauplanungsphase, zu der die Baugenehmigungsgebühren zu rechnen seien, gehöre zu den Kosten des Betriebs einer Schule. Von diesen Kosten werde mithin der Schulträger jeweils auch entlastet. Folglich bestehe daran ein öffentliches Interesse.

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Wegen der Einzelheiten im Übringen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden.

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Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen sowohl bei der Entscheidung über ein Absehen von der Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 NVwKostG (1) als auch bei der Entscheidung über den Erlass der Gebühr gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG (2) in einer dem Gesetz entsprechenden Weise ausgeübt bzw. in der mündlichen Verhandlung Ermessenserwägungen ergänzt, die gemäß § 114 Satz 2 VwGO berücksichtigt werden können.

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(1) Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Gebührenbefreiung vom 8. Juli 1988, weil die Beklagte über die sachliche Gebührenfreiheit bzw. –ermäßigung nach § 2 Abs. 2 NVwKostG ermessensfehlerfrei entschieden hat. Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. Januar 1978 (OVGE 33, 479) ist entgegen der Ansicht von Loeser (NVwKostG, Kommentar, § 2 Anm. 3) davon auszugehen, dass § 2 Abs. 2 NVwKostG die Ermächtigung zu einer einheitlichen Ermessensentscheidung, die sich an dem unbestimmten Rechtsbegriffs des öffentlichen Interesses auszurichten hat, enthält. Diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 1978 steht im Einklang mit der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschl. v. 19.10.1971, BVerwGE 39, 355, 364 ff.) zu § 131 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung. In seiner Entscheidung kommt der Gemeinsame Senat zu dem Ergebnis, dass eine unlösbare Verbindung zwischen dem Tatbestandsmerkmal „unbillig“ und der Rechtsfolge „können“ bestehe, dementsprechend sei eine einheitliche Ermessensentscheidung zu treffen, wie sie auch in anderen Gesetzen durch den Begriff des billigen Ermessens zum Ausdruck komme. Eine Differenzierung zwischen dem Vorliegen der Billigkeit auf der einen Seite und der Ausübung des Ermessens auf den anderen Seite lasse sich nicht herstellen. Allerdings müsse das Vorliegen dieser besonderen Voraussetzungen in jedem Einzelfall nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre Entstehungsgeschichte für sich geklärt werden. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg von 1978 kommt zu dem Ergebnis, dass diese Voraussetzungen ebenso auch für § 2 Abs. 2 NVwKostG gelten, weil auch im Rahmen dieser Vorschrift eine Trennung zwischen dem Vorliegen vom öffentlichen Interesse und der dann folgenden Ermessensentscheidung nicht durchführbar sei. Vielmehr könne die zu treffende Ermessensentscheidung nur einheitlich, das heißt unter Ausrichtung an dem unbestimmten Begriff des öffentlichen Interesses, getroffen werden. Zwar verweist Loeser (a. a. O.) darauf, dass auch das Bundesverwaltungsgericht sich in mehreren Fällen von der Entscheidung des Gemeinsamen Senats distanziert und bekräftigt habe, dass dem Beschluss des Gemeinsamen Senats über den Einzelfall hinaus keine grundsätzliche Bedeutung für die Abgrenzung des Ermessens von unbestimmten Rechtsbegriffen beizumessen sei. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die Fälle, in denen das Bundesverwaltungsgericht sich von der Entscheidung des Gemeinsamen Senats distanziert, mit dem 1971 entschiedenen Fall nicht vergleichbar waren (Nachweise der Entscheidungen bei Loeser, a.a.O.). Dagegen ist der Fall des § 2 Abs. 2 NVwKostG durchaus mit dem seinerzeit vom Gemeinsamen Senat zu § 131 RAO entschiedenen Fall vergleichbar. Wie dort, ist auch bei der Entscheidung nach § 2 Abs. 2 NVwKostG eine Ermessensentscheidung, die sich völlig von dem vorher festgestellten Vorliegen eines öffentlichen Interesses an dem Absehen von der Gebühr lösen kann, nicht möglich. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss zwangsläufig das öffentliche Interesse am Absehen von der Gebühr berücksichtigt und die Ermessenserwägung darauf bezogen werden, so dass eine Trennung von beiden Entscheidungselementen unmöglich ist.

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Die Beklagte hat hier auch die dementsprechend notwendigen Ermessenserwägungen angestellt und teilweise in der mündlichen Verhandlung ergänzt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein aus der Bezugnahme auf Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg aus dem Jahr 1972, die noch zur alten Rechtslage ergangen waren, herzuleiten ist, die Beklagte habe die Möglichkeit der Ermessensentscheidung verkannt. Die Beklagte hat sich auf diese Entscheidungen bezogen, um ihre Erwägungen zum öffentlichen Interesse am Absehen von der Gebühr in dem konkreten Fall zu erläutern und deutlich zu machen. Nicht dagegen ist aus diesen Ausführungen zu entnehmen, dass die Beklagte gerade in Anlehnung an diese Entscheidungen von einem Fehlen des Ermessensspielraums ausging.

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Die Beklagte hat vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Rechtsprechung begründet, wann ein öffentliches Interesse am Absehen von Gebühren besteht. Dabei hat sie sich von dem Gedanken leiten lassen, dass ein öffentliches Interesse an der Einhaltung des Kostendeckungsprinzips als Grundsatz nur in Ausnahmesituationen von einem entgegenstehenden öffentlichen Interesse am Absehen von einer Gebühr verdrängt werden kann. Dies rechtfertigt die Beklagte mit dem erheblichen Defizit des Haushalts für den Abschnitt Bauordnung. Nach den Ausführungen der Beklagten würde eine nicht hinnehmbare Verschiebung zu Lasten des Kostendeckungsprinzips im Bereich der Bauordnung entstehen, wenn im Rahmen von Baugenehmigungen im Hinblick auf den Zweck der zu genehmigenden Maßnahme und dem an dieser bestehenden öffentlichen Interesse von der Erhebung der Gebühr abgesehen würde. Damit hat die Beklagte Ermessenserwägungen dahin angestellt, ob ein öffentliches Interesse am Absehen von der Gebühr besteht.

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Das Verwaltungsgericht kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, die Beklagte habe das anzunehmende öffentliche Interesse im Sinne des § 2 Abs. 2 NVwKostG falsch verstanden und angewendet, wenn sie Fälle nicht berücksichtige, in denen die Amtshandlung selbst im überwiegenden öffentlichen Interesse erfolge. Das Verwaltungsgericht verweist hier darauf, dass der Kläger mit der von ihm betriebenen Schule die Beklagte als Schulträger entlaste. Das Verwaltungsgericht bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden (vom 9.6.2000 –NWVBl. 2000, 438) zu einer Billigkeitsentscheidung nach § 135 BauGB. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass der in § 135 Abs. 5 BauGB verwendete Begriff des öffentlichen Interesses mit dem des § 2 Abs. 2 NVwKostG vergleichbar wenn nicht identisch ist. Ein Beitragserlass liegt im öffentlichen Interesse im Sinne des § 135 Abs. 5 Satz 1 BauGB, „wenn und soweit der Beitragserlass zur Verfolgung des jeweiligen Interesses „geboten“ ist“ (BVerwG, Urt. v. 22.5.1992 - 8 C 50.90 -, BVerwGE 90, 202, 204). Der Beitragserlass muss also geeignet sein, ein erwünschtes sonst von der Gemeinde wahrzunehmendes Verhalten zu fördern, um geboten in diesem Sinne zu sein (Driehaus, Berliner Kommentar, 3. Aufl., § 135 RdNr. 29). Das öffentliche Interesse im Sinne dieser Vorschrift liegt danach vor, wenn Interessen gerade der Gemeinde erfüllt werden und zusätzlich der Erlass der Beitragsforderung insbesondere die Erfüllung dieser Interessen im Sinne eines Anreizes bewirkt (Driehaus, Berliner Kommentar, a.a.O.; Quaas in Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 35 RdNr. 16). Dies wird zum Beispiel bei der Förderung eines Schulneubaus angenommen (Driehaus, a.a.O., RdNrn. 31). Diese Erwägungen gelten für den hier zu entscheidenden Fall indes nicht.

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Die Beklagte hat sich demgegenüber zu Recht den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in den Entscheidungen vom 23. November 1972 (– I OVG A 152/71 – und - I OVG A 153/71 – V. n. b.; vgl. auch Urt. vom 23.11.1972 – I OVG A 129/71 -, KStZ 1973, 93, 94) angeschlossen, nach denen für die Erhebung einer Gebühr nicht auf die die Amtshandlung auslösende Maßnahme abgestellt werden dürfe, sondern auf die Amtshandlung selbst. Diese Ansicht entspricht dem Zweck der Gesetzesänderung mit der § 2 Abs. 2 in der hier anzuwendenden Fassung eingeführt wurde. Der Gesetzgeber wollte an die restriktive Interpretation der Vorgängervorschrift durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg anknüpfen und die Befreiung von der Gebühr allein vom öffentlichen Interesse an der Gebühr bzw. an ihrer Nichterhebung anknüpfen unabhängig von der Amtshandlung, durch die diese ausgelöst wurde (vgl. Beratungen des NVwKostG Nds. Landtag, 7. Wahlperiode, 58. Sitzung, S. 5987). Dieser Zweck der Befreiungsvorschrift des § 2 Abs. 2 NVwKostG führt auch nicht zu im Einzelfall unbilligen Ergebnissen. Ein etwa gegebenes öffentliches Interesse an der die Gebührenpflicht letztlich auslösenden Tätigkeit oder Maßnahme kann nämlich im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 11 Abs. 2 NVwKostG berücksichtigt werden. Diese stellt auf die Besonderheiten in der Person des Gebührenpflichtigen ab und kann damit auch auf die Gründe eingehen, die dem die Gebührenpflicht auslösenden Bereich zuzuordnen sind. Kommt es deshalb im Rahmen des § 2 Abs. 2 NVwKostG nur auf die Amtshandlung selbst – hier also die Erteilung der Baugenehmigung – an, hat die Beklagte in fehlerfreier Weise festgestellt, dass ein öffentliches Interesse am Absehen von der Gebühr nicht bestehe.

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Hat nach alledem die Beklagte ausreichende Erwägungen in Bezug auf eine in ihrem Ermessen stehende Gebührenbefreiung gemäß § 2 Abs. 2 NVwKostG angestellt und ist im Hinblick auf eine vollständige Einbeziehung der dabei zu berücksichtigenden Umstände kein Defizit zu erkennen, kann ihre Entscheidung im Ergebnis nicht beanstandet werden.

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(2) Die Berufung der Beklagten hat auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Aufhebung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich einer Befreiung von den Gebühren gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG richtet. Auch bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Die Beklagte hat das ihr insoweit zustehende Ermessen auch hier in ausreichender Weise ausgeübt bzw. in der mündlichen Verhandlung ihre Ermessenserwägungen in zulässiger Weise ergänzt.

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Die Beklagte hat zu Recht eine Befreiung von den Kosten im Hinblick auf die erste Alternative des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG abgelehnt, weil mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners eine Befreiung nicht geboten sei. Hiergegen hat sich der Kläger auch nicht gewendet.

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In dem Bescheid der Beklagten ist die Frage, ob von der Erhebung der Kosten „sonst aus Billigkeitsgründen“ abgesehen werden soll, nicht ausdrücklich angesprochen. Die Bezirksregierung B. hat jedoch in ihrem Widerspruchsbescheid ihre Ausführungen zu der Frage eines Billigkeitserlasses ohne im Einzelnen zwischen den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG zu differenzieren, auf den Erlass der Gebühr schlechthin bezogen, wenn es dort heißt: „Die Entscheidung der C., keine Billigkeitsmaßnahmen im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG anzuwenden, ist von mir ebenfalls nicht zu beanstanden.“ Die daran anschließenden Erwägungen der Bezirksregierung reichen zwar allein nicht aus, um die Entscheidung zu rechtfertigen. Sie stellen aber eine „Grundlage“ dar, auf der die Beklagte ihre in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Überlegungen zu einem Absehen von der Gebühr im Hinblick auf eine mögliche Entlastungsfunktion der Waldorfschule für die Beklagte im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO aufbauen und damit ergänzen konnte.

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Ein Absehen von der Gebühr aus Billigkeitsgründen ist ausdrücklich unterschieden von dem Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse, die eine Gebührenermäßigung geboten erscheinen lassen können. Dabei handelt es sich nicht um soziale Härtegründe, die in der Person des Kostenschuldners liegen. Dazu können auch die Fälle zählen, in denen die gebührenpflichtige Amtshandlung mittelbar sozialen Zwecken dient (Loeser, a.a.O., § 11 Anm. 4 b; § 2 Anm. 3 e, 2 c). Ein Einbeziehen der Gründe, die im Rahmen des § 2 Abs. 2 NVwKostG nicht zu berücksichtigen sind, in die Entscheidung, wann Billigkeitsgründe im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG vorliegen, rechtfertigt sich aus dem Gedanken, dass die Billigkeitsregelung des § 11 Abs. 2 NVwKostG eine Ergänzung der Erlassregelung in § 2 NVwKostG darstellt (so auch OVG Lüneburg, Urt. v. 23.11.1972

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– 1 OVG A 129/71 -, KSTZ 1973, 93). Dies führt dazu, einen Billigkeitsgrund zum Erlass der Gebühr etwa auch dann anzunehmen, wenn der von der Gebühr Betroffene die Gemeinde von einer Aufgabe entlastet, die für sie zu finanziellen Belastungen führen würde und ihr dadurch spürbare finanzielle Vorteile verschafft (BVerwG, Urt. v. 22.5.1992, a.a.O., S. 207; VG Minden, Urt. v. 9.6.2000 – 5 K 3825/98 -, NWVBl. 2000, 438; a.A. OVG Münster, Urt. v. 28.3.2000 – 15 A 3494/96 -, NVwZ-RR 2001, 267, zu § 227 Abgabenordnung). Wenn die Vorschrift eine Ergänzung zu der Regelung in § 2 Abs. 2 NVwKostG darstellt, kann die Behörde an dieser Stelle prüfen, in welchem Umfang die gebührenpflichtige Maßnahme zu einer Entlastung der die Gebühren einziehenden Verwaltung führt, und berücksichtigen, ob es für den Gebührenpflichtigen zu einer ihn persönlich treffenden unbilligen Härte führen würde, wenn er in dem Fall einer – spürbaren - Entlastung der Verwaltung seinerseits mit den Gebühren belastet bliebe. Derartige Erwägungen hat die Beklagte hier zwar in ihrem Bescheid nicht angestellt, aber in der mündlichen Verhandlung in ausreichendem Maße nachgeschoben.

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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt, dass die Waldorfschule sie nur in einem so geringen Umfang entlaste, dass dies nicht zu einer spürbaren insbesondere finanziellen Entlastung im Bereich des Schulwesens führe. Insoweit liegt der Fall hier anders als in der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden. Dort bedeutete die Errichtung der Waldorfschule für die betroffene Stadt schon deshalb eine spürbare Erleichterung, weil diese die von der Waldorfschule übernommenen Schüler nicht ohne enormen finanziellen Aufwand in ihren eigenen Schulen hätte unterbringen können. Dagegen führt die Beklagte hier an, - und belegt dies mit der Schülerstatistik aus den Jahren 1988 bis 2001 -, dass die von der Waldorfschule übernommenen Schüler zahlenmäßig ohne jeden Aufwand auf die im Bereich der Beklagten vorhandenen Schulen hätten verteilt werden können, so dass insoweit für die Beklagte kein finanzieller Aufwand entstanden wäre und damit korrespondierend die Waldorfschule auch keine finanzielle Entlastung darstelle.

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Schließlich gebietet auch das öffentliche Interesse an einem vielfältigen Schulangebot nicht den Erlass oder die Ermäßigung der Baugenehmigungsgebühren, weil diese Förderung jedenfalls auch Gegenstand des Vertrages vom 28. Oktober 1991 über die Überlassung von Grundstücken und Baumaßnahmen für die Waldorfschule ist.