Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.04.2003, Az.: 13 LB 1450/01
Automatenaufsteller; Berufsbild; Berufsfreiheit; Eingriff; Gaststätte; Geldspielgerät; Spielautomatensteuer; Steuerbelastung; Vergnügungssteuer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.04.2003
- Aktenzeichen
- 13 LB 1450/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48568
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.09.2000 - AZ: 1 A 2/98
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens bedeutet die Festsetzung einer monatlichen Vergnügungssteuer von 250,- DM für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten für den Betrieb des Klägers im Satzungsgebiet der Beklagten einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit; denn die Steuer macht es dem Kläger unmöglich, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage seiner Lebensführung zu machen.
Bei der Bestimmung des Berufsbildes ist eine generalisierende Betrachtungsweise geboten. Automatenaufsteller, die ganz überwiegend Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten aufstellen, betätigen sich nicht in marktunüblicher Weise. Das entsprechende Berufsbild ist daher anzuerkennen.
Tatbestand:
Der Kläger ist gewerblicher Automatenaufsteller. Im Bereich der Beklagten hatte er 1995 an 27 Aufstellungsplätzen in Gaststätten hauptsächlich Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit und in geringem Umfang auch Unterhaltungsgeräte ohne Gewinnmöglichkeit aufgestellt. Nachdem der Rat der Beklagten durch Satzungsbeschluss vom 14. Juli 1994 die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten mit Wirkung vom 1. Januar 1995 von 90,- DM auf 250,- DM monatlich erhöht hatte, veranlagte ihn die Beklagte durch 27 Bescheide für das Jahr 1995 zu Vergnügungssteuern von insgesamt 120.000,- DM für die Geldspielautomaten und von 6.060,- DM für die Unterhaltungsgeräte.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und machte geltend, die Vergnügungssteuer habe den Charakter einer Umsatzsteuer und verstoße damit gegen Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG, die umsatzsteuergleiche oder ihrem Charakter entsprechende Abgaben ausschließe. Die Vergnügungssteuer in der von der Beklagten festgesetzten Höhe erfasse im Übrigen mehr oder weniger den gesamten Gewinn und führe zu einer mit Art. 105 und 106 GG nicht zu vereinbarenden Überführung des Steuereinkommens vom Bund bzw. dem Land auf die Gemeinde. Die mit der Erhebung der Vergnügungssteuer verbundene Belastung stelle einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar. Die Vergnügungssteuer für den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten habe eine Höhe erreicht, die es ihm, dem Kläger, unmöglich mache, damit einen noch nennenswerten Gewinn zu erzielen. Die Steuer habe erdrosselnde Wirkung.
Mit Bescheid vom 5. September 1996 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück. Die Erhebung der Vergnügungssteuer verstoße weder gegen höherrangiges Recht noch könne davon ausgegangen werden, dass ihre Höhe eine erdrosselnde Wirkung habe.
Am 24. September 1996 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren vertieft und ergänzt hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten vom 16. Januar 1995 und ihren Widerspruchsbescheid vom 5. September 1996 aufzuheben.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gemäß Beschluss vom 10. Februar 1998 hat das Verwaltungsgericht darüber Beweis erhoben, ob in B. in Anbetracht der Höhe der Vergnügungssteuer von 250,- DM monatlich für Geräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten und entsprechenden Einrichtungen die Aufstellung von Spielgeräten an diesen Orten noch rentierlich betrieben werden könne. Auf das Gutachten des Dipl.-Kfm. C., D., vom 17. Dezember 1999 und seine gutachterliche Stellungnahme vom 12. Juli 2000 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26. September 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Gemäß § 3 Abs. 1 und 2 NKAG könnten die Gemeinden Vergnügungssteuern erheben. Von dieser Möglichkeit habe die Beklagte durch Erlass ihrer Vergnügungssteuersatzung vom 12. Dezember 1985 Gebrauch gemacht. Nach § 1 Nr. 5 Vergnügungssteuersatzung gehöre zu den steuerpflichtigen Vergnügungen auch der Betrieb von Unterhaltungsapparaten sowie Automaten zur Ausspielung von Geld in Gaststätten. Gemäß § 9 Nr. 1 und 4 Vergnügungssteuersatzung in der ab 1. April 1993 bzw. 1. Januar 1995 geltenden Fassung betrage die Steuer für Geräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten und in Einrichtungen ähnlicher Art 250,- DM und für sonstige Geräte ohne Gewinnmöglichkeit 40,- DM monatlich. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen habe die Beklagte die Vergnügungssteuer für das Jahr 1995 für die vom Kläger in B. aufgestellten Geräte zutreffend festgesetzt. Dies werde auch nicht infragegestellt. Aber auch im Übrigen erweise sich die Festsetzung als rechtmäßig.
Die Satzung verstoße nicht gegen Art. 33 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach seien die Mitgliedsstaaten lediglich gehindert, solche Steuern beizubehalten oder einzuführen, die den Charakter von Umsatzsteuern hätten. Die hier in Rede stehende Automatensteuer habe nicht den Charakter einer Umsatzsteuer, weil sie letztlich vom Verbraucher getragen werde (BVerwG, Urt. vom 22.12.1999, NVwZ 2000, 933 [BVerwG 22.12.1999 - BVerwG 11 CN 3.99] u. 936 [BVerwG 22.12.1999 - BVerwG 11 CN 1.99]).
Der Erhebung der Vergnügungssteuer stehe auch höherrangiges nationales Recht nicht entgegen. Die Spielautomatensteuer als Vergnügungssteuer entspreche den Vorgaben des Art. 105 Abs. 2a GG; sie stelle eine örtliche Verbrauchs- bzw. Aufwandsteuer dar, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sei (BVerfG, Beschl. v. 21.3.1997, Buchholz 401.68, Vergnügungssteuer Nr. 30). Auch verstoße die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten nicht gegen Art. 106 und 107 GG. Dass das Aufkommen der örtlichen Verbrauchs- und Aufwandssteuern im Rahmen des horizontalen Finanzausgleichs unter den Ländern nicht Berücksichtigung finde, könne allenfalls die Verfassungsmäßigkeit der Regeln über den Finanzausgleich, nicht aber die Vergnügungssteuersatzung der Beklagten berühren (vgl. BVerwG, aaO).
Schließlich greife die Beklagte mit der Erhebung der Spielautomatensteuer auch nicht unzulässigerweise in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein, indem sie mit der Erhöhung der Steuersätze für Geräte mit Gewinnmöglichkeit einen ordnungspolitischen Nebenzweck verfolge, nämlich der Verbreitung der Geldspielgeräte und der Spielsucht entgegenzuwirken. Eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkung in einem nicht-steuerlichen Kompetenzbereich entfalte, setze eine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz nicht voraus. Das Grundgesetz trenne die Steuer- und die Sachkompetenz als jeweils eigenständige Regelungsbereiche und verweise auch die Lenkungssteuer wegen ihres verbleibenden Finanzierungszweckes und der ausschließlichen Verbindlichkeit ihrer Steuerrechtsfolgen in die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers. Der Steuergesetzgeber sei deshalb für die Regelung der Lenkungssteuern zuständig, möge die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, aaO).
Allerdings finde die Ausgestaltung der Lenkungssteuer ihre Grenze dort, wo sie unzulässigerweise in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingreife. Da die Erhebung der Vergnügungssteuer als mittelbare Regelung der Berufsausübung durch wichtige Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt sei, sei dies erst dann der Fall, wenn die Besteuerung es unmöglich werden lasse, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen, weil sie sich auf diese Weise erdrosselnd auswirke. Davon könne hier bezüglich der Vergnügungssteuer für Automaten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten in Höhe von je 250,- DM monatlich jedoch nicht ausgegangen werden.
Zwar habe der Sachverständige E. in seinem Gutachten vom 17. Dezember 1999 die Auffassung vertreten, dass in B. in Anbetracht der Vergnügungssteuer Automaten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten nicht mehr rentierlich betrieben werden könnten. Dem Sachverständigen könne jedoch in seiner Ansicht nicht gefolgt werden, dass das bei den Gemeinkosten zu berücksichtigende kalkulatorische Unternehmergehalt mit jährlich 114.000,- DM anzusetzen sei. Zwar sei dem Sachverständigen darin zuzustimmen, dass dem im Betrieb mitarbeitenden Unternehmer mehr verbleiben müsse als einem Sozialhilfeempfänger. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleiste aber nicht Erträge, die durchschnittlich einem Geschäftsführer von Betrieben mit vergleichbarem Umsatz verblieben. Die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit habe sich auch in B. "gerechnet" und nicht zu Defiziten geführt, deshalb werde - nach den Berechnungen des VG - für das Jahr 1995 ein kalkulatorisches Unternehmergehalt von 8.421,14 DM, im Jahr 1996 von 64.339,78 DM, im Jahr 1997 von 83.103,18 DM und im Jahr 1998 von 73.328,62 DM berücksichtigt. Nach Auffassung des VG lagen die kalkulatorischen Unternehmergehälter in den Jahren 1996 bis 1998 damit "nicht unerheblich über der Grenze, ab der gesagt werden müsste, es könne einem Automatenaufsteller nicht mehr zugemutet werden, seine berufliche Betätigung zur wirtschaftlichen Grundlage seiner Lebensführung zu machen". Dass allein im Jahr 1995 diese Grenze deutlich unterschritten worden sei, rechtfertige noch nicht die Annahme, die Vergnügungssteuer habe allgemein erdrosselnde Wirkung. Anschließend hat das VG die folgende Anmerkung in das Urteil aufgenommen (Klammerzusatz Bl. 5): "Dabei ist das Gericht bei seinen Berechnungen - irrtümlicherweise - davon ausgegangen, das von dem Sachverständigen angesetzte kalkulatorische Unternehmergehalt von jährlich 114.000,- DM beziehe sich allein auf den Betrieb von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit mit der Folge, dass die für den Betrieb dieser Geräte in B. errechneten Defizite in erheblich höherem Umfang auf den Ansatz der kalkulatorischen Unternehmensgehälter zurückzuführen sind, während der Sachverständige das Gehalt von jährlich 114.000,- DM für den Betrieb des Klägers insgesamt angenommen und die auf den Betrieb der Geldspielgeräte entfallenden kalkulatorischen Unternehmergehälter mit 80.677,80 DM für 1995, 71.706,- DM für 1996, 71.136,- DM für 1997 und 68.856,- DM für 1998 ermittelt hat, was die Schlussfolgerungen des Gerichts, die Vergnügungssteuer für die Aufstellung der Geldspielgeräte in B. habe keine erdrosselnde Wirkung, möglicherweise in Frage stellen kann". Das Urteil ist dem Kläger am 5. Oktober 2000 zugestellt worden.
Am 6. November 2000 (Montag) hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Dem hat der Senat mit Beschluss vom 18. April 2001 - 13 L 3895/00 - entsprochen. Der Beschluss ist dem Kläger am 25. April 2001 zugestellt worden. Mit dem am 21. Mai 2001 eingegangenen Schriftsatz vom 18. Mai 2001 hat der Kläger seine Berufung begründet: Die von der Beklagten vorgenommene Erhöhung der Vergnügungssteuer habe für ihn erdrosselnde Wirkung, weil die Steuer in einem bestimmten Gebiet das Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten für einen durchschnittlichen Betreiber in aller Regel unwirtschaftlich mache. Weder finde eine angemessene Kapitalverzinsung statt, noch werde ein Unternehmerlohn abgeworfen. Aufgrund des im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachtens des Dipl.-Kfm. C. vom 17. Dezember 1999 stehe fest, dass die erdrosselnde Wirkung der Steuer zu bejahen sei. Wegen der jeweils negativen Betriebsergebnisse (S. 63 des Gutachtens) komme es auf die Frage einer etwaigen angemessenen Kapitalverzinsung schon nicht mehr an. Das Verwaltungsgericht habe - das Urteil räume dies ausdrücklich ein - irrtümlicherweise einen von dem Gutachter angesetzten kalkulatorischen Unternehmergewinn von 114.000,- DM p. a. allein für den Betriebszweig "Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in B." angenommen, während dieser Betrag in Wahrheit für den Gesamtbetrieb (alle Gerätearten auch unter Einschluss der Aufstellungsplätze außerhalb B.) angesetzt worden sei. Selbst bei Zugrundelegung des unzutreffenden Ausgangspunktes seien die auf Seite 5 des Urteils genannten kalkulatorischen Unternehmergehälter im Jahr 1995 bis 1998 nicht nachvollziehbar.
Zutreffenderweise beliefen sich die auf den Betrieb der Geldspielgeräte in B. entfallenden kalkulatorischen Unternehmergehälter für 1995 lediglich auf 26.785,03 DM, für 1996 auf 23.447,86 DM, für 1997 auf 17.428,32 DM und für 1998 auf 18.522,26 DM (3. Spalte der Tabellen auf den S. 53-56 des Gutachtens). Selbst bei Nichtberücksichtigung von kalkulatorischen Unternehmergehältern für Geldspielgeräte in B. wären lediglich marginal positive Ergebnisse vor Abzug der Ertragssteuern erzielt worden. Für das Jahr 1995 habe sich sogar ein negatives Ergebnis in Höhe von minus 8.267,15 DM ergeben.
Der Kläger beantragt,
die Vergnügungssteuerbescheide der Beklagten vom 16. Januar 1995 und ihren Widerspruchsbescheid vom 5. September 1996 aufzuheben, soweit durch die angegriffenen Bescheide der Beklagten höhere Vergnügungssteuern als monatlich 90,- DM für Unterhaltungsgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten festgesetzt worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert: Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung liege eine sich auf die Berufswahl auswirkende Steuer mit erdrosselnder Wirkung erst dann vor, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage seien, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage ihrer Lebensführung oder zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen. Die Annahme einer erdrosselnden Wirkung sei nur unter strengen Voraussetzungen gerechtfertigt. Diese lägen bei der angegriffenen Vergnügungssteuer der Beklagten für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten nicht vor. Es komme nicht darauf an, ob die Aufstellung von Spielgeräten der Firma A. in der Stadt B. in Anbetracht der Höhe der Vergnügungssteuer nicht mehr rentierlich betrieben werden könne. Entscheidend sei, ob die Berufsausübung als solche, also in der Regel und nicht nur im Ausnahmefall, für die gesamte Gruppe der Berufsangehörigen praktisch unmöglich gemacht werde. Das eingeholte Gutachten stelle zu speziell auf den Einzelfall des Klägers ab. Grundrechtlich sei nicht garantiert, dass das Aufstellen von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten zur alleinigen Grundlage der Lebensführung ausreichen müsse. Bezugspunkt der Beurteilung sei der Beruf des Automatenaufstellers, nicht aber ein Beruf eines Aufstellers von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten. Bezüglich des Berufes des Automatenaufstellers insgesamt habe die Steuer der Beklagten keine erdrosselnde Wirkung. In Zusammenhang mit der erhöhten Besteuerung sog. "Killerautomaten" habe das Bundesverwaltungsgericht die Annahme des Berufsbildes des "Aufstellers von Killerautomaten" abgelehnt (BVerwG, Beschl. v. 17.7.1989 - 8 NB 2/89 - ZKF 1990, 15, 16). Selbst wenn eine durch den Lenkungszweck der Steuer gerechtfertigte erhöhte Besteuerung zur Unwirtschaftlichkeit der Aufstellung der davon betroffenen Automaten (Killerautomaten) führe, stellten die steuerlichen Vorschriften eine einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende Regelung nicht dar, solange sie die Aufstellung von Spielautomaten nicht insgesamt wirtschaftlich unmöglich machten. Es sei von einer Gesamtbetrachtung aller Geräte eines Aufstellers auszugehen (BVerwG, Beschl. v. 22.3.1994 - 8 NB 3/93 -, NVwZ 1994, 902, 903). Entscheidend sei also, wieweit der Beruf nach allgemeiner Lebens- und Verkehrsauffassung zu umschreiben sei. Die Berufsgruppe sog. "Aufsteller von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit" sei lediglich eine Untergruppe des Berufs der Automatenaufsteller bzw. der Untergruppe der Spielautomatenaufsteller. Dies zeige auch die gesamte Tätigkeit des Klägers, die sich nicht nur auf die Aufstellung von Geldautomaten mit Gewinnmöglichkeit beschränke. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom 6. Dezember 2000 - II R 36/98 -, auf die sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung bezogen habe, sei als zu weitgehend zu bezeichnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung hat Erfolg. Der Senat hält sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich, er gibt ihr deshalb durch Beschluss statt (§ 130 a Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Die Veranlagung des Klägers zu Vergnügungssteuern für Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit für das Jahr 1995 durch 27 Veranlagungsbescheide und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit jeweils höhere Vergnügungssteuern als monatlich 90,- DM je Gerät festgesetzt worden sind (Antrag des Klägers im Berufungsverfahren).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss v. 1.3.1997 – 2 BvR 1599/89 u.a. -, NVwZ 1997, 573 ff) schließt die Begrenzung der kommunalen Besteuerungsgewalt auf die herkömmlichen kommunalen Steuern mit örtlich begrenztem Wirkungskreis und begrenzter Belastungsintensität nicht aus, dass der kommunale Satzungsgeber innerhalb dieses Rahmens die Ausgestaltung der Spielautomatensteuer verändert und fortentwickelt. Nach diesen Vorgaben darf der Satzungsgeber insbesondere den Lenkungszweck der Steuer deutlicher in den Vordergrund rücken und den Finanzierungszweck zurücktreten lassen (BVerfG, aaO, S. 575). Im Fall der Beklagten dient die nach ihrer Satzung vom 14. Juli 1994 erhobene Spielautomatensteuer (auch) der Einnahmeerzielung. Auswahl der Steuerpflichtigen und Gestaltung der Steuersätze knüpfen objektiv an die in Verbrauch und Aufwand zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen an. Weiter ist anerkannt (BVerfG, aaO, S. 575), dass der Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Besteuerungsgegenstandes auch weitere Ziele verfolgen darf (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO). So spielen insbesondere gesundheitspolitische Lenkungsziele z.B. bei der Tabak- und Alkoholsteuer eine Rolle. Ebenso ist die Auswahl des Steuergegenstandes für die Spielautomatensteuer durch das Ziel gerechtfertigt, der Verbreitung der Spielsucht entgegenzuwirken. Das Lenkungsziel besteht dabei nicht im Schutz des Einzelnen vor sich selbst, sondern in dem Bemühen, ein Verhalten, das Folgekosten für die Gemeinschaft verursachen kann, unattraktiver zu machen (BVerfG, aaO). Im vorliegenden Verfahren ist der vom örtlichen Satzungsgeber verfolgte Lenkungszweck zwar im Hintergrund geblieben. Es liegt jedoch auf der Hand, dass auch der Rat der Stadt B. mit der 1994 vorgenommenen Erhöhung der Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit auf nahezu 300 % des vorher geltenden Steuersatzes die weitere Ausbreitung des Angebots an Spielmöglichkeiten begrenzen wollte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts steht nach dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Dipl.-Kaufmanns C., indessen fest, dass dem mit der Satzungsänderung festgesetzten Steuersatz von 250,- DM monatlich je Gerät mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten im Erhebungszeitraum (1995), aber auch in den hier nicht streitbefangenen Folgejahren 1996 bis 1998, die der Gutachter in seine Betrachtung einbezogen hat, auf Dauer eine übermäßig belastende Wirkung beizumessen ist, weshalb die im Rahmen der übertragenen Steuerkompetenzen erhobene Spielautomatensteuer die nach Art. 12 Abs. 1 GG zulässige Grenze eines Eingriffs in die Berufsfreiheit überschritten hat. Diese Beurteilung trifft der Senat auf der Grundlage allgemeiner Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge in Verbindung mit seiner langjährigen Befassung mit Verfahren auf dem Rechtsgebiet der Vergnügungssteuer, insbesondere auch der Spielautomatensteuer. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, die im Übrigen in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, ist demgegenüber nicht erforderlich, weil das vorliegende Gutachten die entscheidungserheblichen Fragen umfassend beantwortet. Der diesbezügliche Antrag der Beklagten im Schriftsatz vom 27. September 2001 wird daher abgelehnt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl bzw. der Berufsausübungsfreiheit durch Besteuerung nur dann anzunehmen, wenn diese es unmöglich macht, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen (BVerfG, aaO, S. 575 u. H. auf BVerfGE 31, 8, 29; 38, 61, 85 f.). Eine solche Wirkung erzielt die angegriffene Abgabe aber hier nach den Feststellungen des genannten Sachverständigengutachtens. Die Einwendungen der Beklagten gegen die vom Verwaltungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme greifen im Ergebnis nicht durch.
Zunächst ist richtigerweise auf das Satzungsgebiet der Beklagten abgestellt worden. Ob eine Steuer erdrosselnd wirkt, lässt sich allein für den Geltungsbereich der Steuererhebung, den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde, beantworten. Es kommt also insbesondere nicht darauf an, wie die Steuersätze in anderen Gemeinden festgesetzt sind. Insoweit weist der Kläger auf die geringere Rentabilität von Spielautomaten in der Stadt B., verglichen mit Aufstellungsplätzen in Großstädten wie etwa Hamburg, hin. Indessen muss er seinen Beruf auch in B. ausüben können. Ferner ist nicht zu beanstanden, dass Grundlage der Untersuchung des Sachverständigen ausschließlich der Betrieb des Klägers war. Die Betriebsergebnisse anderer Automatenaufsteller im Satzungsgebiet unterfallen dem Betriebs- und Steuergeheimnis und stehen einer wirtschaftlichen Untersuchung mithin nicht zur Verfügung. Die Beklagte wäre - bei entsprechender Genehmigung durch den jeweiligen Betriebsinhaber - nicht gehindert gewesen, auf andere Betriebe, deren Gewinnsituation ihre Auffassung belegt hätte, hinzuweisen. Dies hat sie nicht getan. Da es andererseits für die Frage einer übermäßigen Steuerbelastung auf die objektive Ertragssituation aller Automatenaufsteller im Satzungsgebiet ankommen muss, und eine mangelhafte Ertragslage des Betriebes des Klägers auch auf andere Ursachen - etwa fehlendes unternehmerisches Geschick - zurückzuführen sein könnte, ist der Betrieb des Klägers auf solche steuerfremden Kriterien hin zu untersuchen. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 24. April 2003 auf eine stark rückläufige Zahl der Unterhaltungsgeräte im Betrieb des Klägers im Jahr 1995 hingewiesen. Dabei übersieht sie indessen, dass die Spielautomatensteuer an die tatsächlich aufgestellten Geräte anknüpft. Zwar kann bei zurückgehender Gerätezahl das Betriebsergebnis durch gleichbleibende Gemeinkosten (Wartung, Personal, Verwaltung) überproportional geschmälert sein. Im Falle des Klägers ist indessen nicht ersichtlich, und auch von der Beklagten anhand der vorliegenden Betriebsdaten im Einzelnen nicht dargelegt worden, dass der Kläger auf die zurückgehende Zahl der betriebenen Geldspielgeräte nicht durch eine entsprechende Anpassung der anfallenden Gemeinkosten reagiert hätte.
Nach dem Sachverständigengutachten hat der Kläger in dem streitbefangenen Steuerjahr 1995 ein negatives Betriebsergebnis von rund (minus) 35.000,- DM erzielt. Dieser Trend hat sich in den Jahren 1996 bis 1998 zwar deutlich abgeschwächt, bei negativen Betriebsergebnissen ist es aber geblieben. Ursächlich dafür ist nach der Aufstellung des Sachverständigen (S. 61 f.) auch allein die Erhöhung der Vergnügungssteuer. Der Sachverständige hat das tatsächlich erzielte Betriebsergebnis bei erhöhter Vergnügungssteuer rechnerisch einem Betriebsergebnis bei dem alten Steuersatz von 90,- DM je Gerät gegenübergestellt. Danach ergibt sich, dass der Kläger im Jahr 1995 bei Fortgeltung der alten Steuersätze ein positives Betriebsergebnis von immerhin knapp 4.000,- DM erzielt hätte, während er unter den neuen Steuersätzen den erwähnten Verlust von rund 35.000,- DM hinnehmen musste. In den Jahren 1996 bis 1998 hätte er beim alten Steuersatz sogar Gewinne von knapp 20.000,- DM, rund 17.000,- DM und rund 12.000,- DM erzielt. Das vom Gutachter zusammengestellte Zahlenmaterial, das die Beklagte substantiiert nicht angegriffen hat, belegt die erdrosselnde Wirkung der erhöhten Vergnügungssteuer ab dem Jahre 1995 deutlich.
Die Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Beurteilung des Sachverständigen beruht – wie das VG ausweislich des Klammerzusatzes auf S. 5 des Urteils offenbar erst bei dessen Abfassung erkannt hat – auf einem Irrtum hinsichtlich des vom Sachverständigen für den Betrieb der Geldspielgeräte in B. angesetzten kalkulatorischen Unternehmergehalts für den im Betrieb selbst mitarbeitenden Unternehmer. Der Betrag von jährlich 114.000,- DM bezieht sich auf den Gesamtbetrieb des Klägers, also sämtliche Geräte einschließlich aller Aufstellungsplätze auch außerhalb B.. In dem streitbefangenen Jahr 1995 hat der Gutachter indessen lediglich ein kalkulatorisches Unternehmergehalt von 26.785,03 DM angesetzt (S. 53 des Gutachtens). Für die drei Folgejahre ergeben sich Gehälter von 23.447,86 DM, 17.428,32 DM und 18.522,26 DM (S. 54 – 56 d. G.). Unter Ansatz dieser der Höhe nach nicht zu beanstandende Beträge - vgl. auch die überzeugenden Ausführungen des Gutachters in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. Juli 2000 -, ergeben sich die von dem Gutachter festgestellten negativen Betriebsergebnisse des B. Betriebsteils.
In dem hier streitbefangenen Jahr 1995, aber auch in den drei Folgejahren, hat der Kläger unter Geltung des neuen Steuersatzes mithin weder ein sog. kalkulatorisches Unternehmergehalt, noch eine angemessene Kapitalverzinsung erreicht. Der von der Beklagten für Geldspielgeräte in Gaststätten erhobene Steuersatz in Höhe von 250,- DM ab dem Jahr 1995 stellt sich mithin als unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit - Art. 12 Abs. 1 GG - dar.
Ohne Erfolg macht die Beklagte schließlich geltend, einer solchen Feststellung stünde das der Betrachtung zugrundezulegende Berufsbild des Automatenaufstellers entgegen. Richtig ist zwar, dass bei der Bestimmung des Berufsbildes eine generalisierende Betrachtungsweise geboten ist. Der hier interessierende Beruf des Automatenaufstellers darf insbesondere nicht auf eine Tätigkeit, die allein im Aufstellen bestimmter Gerätetypen besteht, beschränkt werden. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entschieden worden, dass es den Beruf des Aufstellers von "Killerautomaten" nicht gibt (BVerwG, Beschl. v. 22.3.1994 - 8 NB 3/93 - NVwZ 1994, 902, 903). Entscheidend kommt es vielmehr auf eine Gesamtbetrachtung aller Geräte eines Aufstellers an (BVerwG, aaO, m.w.N.). Danach muss also einerseits das Berufsbild in die Betrachtung einbezogen werden, wie es sich am Markt etabliert hat, andererseits kommt es jedoch auch auf den konkreten Betrieb des betreffenden Aufstellers an. Das erste Kriterium scheidet Betriebe aus, die sich in marktuntypischer Weise spezialisiert haben - etwa lediglich "Killerautomaten" aufstellen -, der zweite Gesichtspunkt lässt jedoch die konkrete betriebliche Situation eines Unternehmers, der die Aufstellungsmöglichkeiten in seinem Tätigkeitsfeld nutzt, in die wirtschaftliche Betrachtung einfließen. Vorliegend betätigt sich der Kläger nicht in für einen Automatenaufsteller atypischer, besonders spezialisierter Weise. Offenbar ganz überwiegend oder sogar ausschließlich stellt er seine Geräte nicht in Spielhallen, sondern in Gaststätten auf. Dabei ist er darauf angewiesen, mit dem jeweiligen Gastwirt eine vertragliche Regelung über die aufzustellenden Geräte zu treffen. Die Beklagte kann den Kläger daher nicht darauf verweisen, statt der von den Gastwirten gewünschten Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit bloße Unterhaltungsautomaten ohne Gewinnmöglichkeit aufzustellen. Dafür würde der Kläger ausreichende Aufstellungsplätze wohl nicht finden. Ferner fällt es in seine unternehmerische Freiheit, sich statt in Spielhallen in Gaststätten zu betätigen. Auch insoweit ist es der Beklagten verwehrt, den Kläger auf die Möglichkeit der Aufstellung seiner Geräte in Spielhallen zu verweisen. Demzufolge liegt es aber auf der Hand, dass Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit für einen Betrieb wie den des Klägers das entscheidende wirtschaftliche Standbein darstellen. Mit diesen Geräten erwirtschaftet er den Großteil seines Umsatzes. Diese Geräte werden von den Gastwirten, die am Umsatz beteiligt werden, und letztlich von den Gaststättenbesuchern, auf die die Vergnügungssteuer als eigentliche Besteuerungssubjekte abgewälzt wird, gewünscht. Zwar ist dies auch bei den sogenannten "Killerautomaten" der Fall, die von den Automatenaufstellern wegen ihrer Anziehung auf die Kundschaft, die dann aber auch sonstige Geräte nutzen, trotz beträchtlich höherer Vergnügungssteuern betrieben werden. Allerdings geht die Rechtsprechung zu den "Killerautomaten" ausdrücklich davon aus, dass die dort erhöhte Besteuerung gleichwohl die Aufstellung solcher Spielgeräte praktisch nicht unmöglich macht (BVerwG, aaO). Schon dies ist im Fall des Klägers angesichts der festgestellten negativen Betriebsergebnisse bei seinen Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nicht mehr der Fall. Außerdem stellen die Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit für den Betrieb des Klägers - anders als das relativ kleine Segment der "Killerautomaten" in anderen Betrieben - das wesentliche Tätigkeitsfeld seines Betriebes dar. Seine unternehmerische Entscheidung spiegelt eine für das Berufsbild des Automatenaufstellers atypische Spezialisierung nicht wider. Das Aufstellen von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit in Gaststätten ist im Gegenteil als typische Betätigung eines Automatenaufstellers im Allgemeinen anzusehen. Die wesentlich erhöhte Besteuerung der betreffenden Geräte führt auch bei einer Gesamtbetrachtung aller Geräte des Klägers im Bereich der Beklagten zu einer insgesamt überhöhten und damit unzulässigen Belastung seines Betriebes.