Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.02.2000, Az.: 3 K 209/97
Abziehbarkeit eines behaupteten Erstattungsanspruchs des überlebenden Ehegatten gegen den verstorbenen anderen Ehegatten wegen gezahlter Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit nur bei Nachweis einer nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestehenden Erblasserschuld
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.02.2000
- Aktenzeichen
- 3 K 209/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 35730
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0223.3K209.97.0A
Rechtsgrundlagen
- ErbStG § 10 Abs. 5 Nr. 1
- ErbStG § 10 Abs. 3
Fundstellen
- DStRE 2001, 1241-1242 (Volltext mit amtl. LS)
- ErbBstg 2002, 33-34
- ZEV 2002, 83-84
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Als Nachlassverbindlichkeit ist eine Verpflichtung des Erblassers nur dann abzugsfähig, wenn die entsprechende Schuld nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestanden hat.
- 2.
Darüber hinaus muss die entsprechende Schuld auch den Erben wirtschaftlich belasten.
- 3.
Ein behaupteter Erstattungsanspruch des überlebenden Ehegatten gegen den verstorbenen anderen Ehegatten wegen gezahlter Einkommensteuer ist als Nachlassverbindlichkeit nur dann zu berücksichtigen, wenn eine Erblasserschuld nachgewiesen wird, die nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen besteht.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten diejenigen anteiligen Steuerschulden beim überlebenden Ehegatten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die der überlebende Ehegatte und Erbe des verstorbenen Ehegatten für diesen gezahlt hat.
Der Kläger ist der Ehemann und testamentarische Erbe seiner am 11. August 1987 verstorbenen Ehefrau ... im Folgenden: Erblasserin -. Der Kläger hatte mit der Erblasserin durch Ehevertr ag vom 19. Juni 1958 Gütertrennung vereinbart. Die Erblasserin hatte bis zu ihrem Tode u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Rechtsanwältin erzielt. Der Kläger und die Erblasserin waren jeweils zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Mit Abgabe der Erbschaftsteuererklärung vom 20. Dezember 1988 beantragte der Kläger, von ihm geleistete Steuerzahlungen für die Erblasserin in Höhe von ... DM vom Nachlass abzuziehen. Zur Begründung verwies er darauf, dass er in den Jahren 1978 bis 1986 die gesamte Einkommen- und Kirchensteuer für sich und die Erblasserin gezahlt habe. Da die Erblasserin durchschnittlich ein Einkommen von 40 v.H. seines eigenen Einkommens gehabt habe, habe ihm ein Erstattungsanspruch gegen die Erblasserin in Höhe von 40 v.H. der geleisteten Steuerzahlungen zugestanden. Mit den ersparten Steuern habe die Erblasserin Vermögen angesammelt, welches in der Erbschaftsteuererklärung erfasst sei und der Steuerpflicht unterliege.
Das beklagte Finanzamt FA setzte die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 24. November 1992 auf ... DM fest und ließ die vom Kläger bzgl. der von ihm gezahlten Steuer geltend gemachten Nachlassverbindlichkeiten unberücksichtigt. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ermittelte der Kläger die von ihm veranlagten Steuern auf der Grundlage einer Berechnung des FA für die Jahre 1980 bis 1986, für die Jahre 1978 bis 1986 mit insgesamt ... DM. Durch gemäß § 172 AO geänderten Erbschaftsteuerbescheid vom 17. April 1997 ermäßigte das FA die Erbschaftsteuer auf ... DM. Den Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 6. Mai 1997 als unbegründet zurück. Zur Begründung war ausgeführt, dass es bzgl. des hier behaupteten Rückzahlungsanspruchs des Klägers an einer nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen wirksam begründeten Verbindlichkeit fehle. Der Kläger und die Erblasserin hätten, obgleich sie beide als Rechtsanwälte in juristischen Angelegenheiten erfahren gewesen seien, auf eine schriftliche Niederlegung ihrer Ausgleichsansprüche verzichtet. Eine hier lediglich mündlich vereinbarte zinslose Darlehensgewährung auf unbestimmte Zeit erfülle nicht die zur steuerlichen Anerkennung notwendigen Anforderungen. Auch sei nicht erkennbar, inwieweit die Erblasserin selbst Leistungen zu Gunsten des Klägers erbracht habe, die ihrerseits zu anrechenbaren Ausgleichsansprüchen hätten führen können.
Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung der Kläger vorträgt: Er habe die hier fraglichen anteiligen Steuerschulden der Erblasserin aus eigenem Vermögen gezahlt. Insoweit habe seinerseits keine Schenkungsabsicht bestanden; vielmehr sei die Rückforderung dieser Beträge ausdrücklich offen geblieben. Nach unter Juristen selbstverständlicher Auslegung habe für ihn ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegenüber der Erblasserin bestanden, den er allerdings zu deren Lebzeiten nicht geltend gemacht habe. Zumindest sei im Streitfall die Anwendung des § 27 ErbStG veranlasst.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 6. Mai 1997 den Erbschaftsteuerbescheid vom 27. November 1992 in der Fassung vom 17. April 1997 in der Weise zu ändern, dass die Erbschaftsteuer auf ... DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es tritt dem Klagevorbringen entgegen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und auf die beim FA geführte Erbschaftsteuerakte (St.-Nr. ...) Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Ist ein Erbe Gläubiger einer Forderung gegenüber dem Erblasser, so gilt gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG das infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit erloschene Rechtsverhältnis als nicht erloschen. Als Nachlassverbindlichkeit ist eine Verpflichtung des Erblassers nur dann abzugsfähig, wenn die entsprechende Schuld nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestanden hat (B FH-Urteil vom 25. Oktober 1995 II R 45/92 BStBl II 1996 S. 11). Darüber hinaus muss die entsprechende Schuld auch den Erben wirtschaftlich belasten (B FH-Urteil vom 24. März 1999 II R 34/97 BFH/NV 1999 S. 1339 [BFH 24.03.1999 - II R 34/97]). Im Streitfall sind die vorstehenden Voraussetzungen für einen Abzug des hier behaupteten Zahlungsanspruchs des Klägers gegen die Erblasserin als Nachlassverbindlichkeit nicht erfüllt.
Der Kläger hat keine nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen bestehende Schuld der Erblasserin ihm gegenüber nachgewiesen. Grundsätzlich kann bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer wie hier eine ehegatteninterne Ausgleichspflicht daraus resultieren, dass ein Ehegatte im Außenverhältnis zu den Finanzbehörden einen höheren als den von ihm im Innenverhältnis zu seinem Ehegatten entfallenden Teil der Steuerschuld begleicht (vgl. Kaufmann, Inf. 1994 S. 449 m.w.N.). Ein solcher zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch verlangt jedoch zwingend einen entsprechenden Nachweises über die daraus resultierende Zahlungspflicht des Ehegatten, z.B. durch Abschluss eines entsprechenden Vertrags zwischen den Ehegatten. Dieses Nachweises bedarf es insbesondere deshalb, weil die Steuerzahlung des Ehemanns für seine Ehefrau grundsätzlich den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. ErbStG erfüllt (Kapp/Ebeling, Kommentar zum ErbStG , Loseblatt, Stand: November 1999, § 7 Rz. 419; Petzoldt, Kommentar zum ErbStG , 2. Aufl. 1978 § 7 Rz. 23). Die Zuwendung erfolgt nur dann nicht objektiv unentgeltlich, wenn sie rechtlich von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers abhängig ist. Da die Ehe als solche keinen eigenständigen Leistungsanspruch auf Zuwendungen unter Ehegatten begründet, bedürfen demgemäß den objektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ausschließende Ansprüche eines Ehegatten auf eine Zuwendung einer besonderen vertraglichen Grundlage (B FH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92 , BStBl II 1994 S. 366). Diese Grundsätze müssen auch umgekehrt für einen behaupteten Rückzahlungsanspruch eines Ehegatten in Bezug auf die von ihm für den anderen Ehegatten geleisteten Steuerzahlungen geltend.
In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist der vom Kläger als Nachlassverbindlichkeit geltend gemachte Ausgleichsanspruch nicht abzugsfähig, weil dessen Bestehen nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nicht nachgewiesen ist. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass er entsprechende Nachweise über eine Rückzahlungspflicht der Erblasserin nicht vorlegen könne. Auch lässt sich dem gesamten Vorbringen des Klägers nichts für eine bürgerlich-rechtlich wirksame Vereinbarung eines Zahlungsanspruchs gegen die Erblasserin entnehmen. Im Schriftsatz vom 12. Mai 1993 hatte der Kläger vorgetragen, dass ein Vermögensausgleich zwischen ihm und seiner Ehefrau zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden sollte. Dieser Angabe ist nicht zu entnehmen, dass dem Kläger tatsächlich ein Zahlungsanspruch gegen die Erblasserin in Höhe des von ihm nunmehr mit ... DM bezifferten Betrags zustehen sollte. Gegen einen entsprechenden Zahlungsanspruch spricht ferner, dass der Kläger die von ihm behaupteten Ansprüche gegen die Erblasserin aus nicht näher bezeichneten Gründen auf die Kalenderjahre 1978 1986 beschränkt hat. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gesichtspunkte und des Umstands, dass sich nach den Angaben im Schriftsatz vom 12. Mai 1993 beide Eheleute für die gegenseitigen Ausgleichsansprüche verpflichtet gefühlt hätten, kann weder auf das Bestehen einer bürgerlich-rechtlichen Schuld der Erblasserin noch darauf geschlossen werden, dass der Kläger bzgl. des hier geltend gemachten Betrags ernsthaft wirtschaftlich belastet war.
Die Anwendung des § 27 ErbStG scheidet im Streitfall aus. Denn § 27 Abs. 1 ErbStG verlangt, dass für den ersten Steuerfall eine Steuer zu erheben war, d.h. eine Steuer festgesetzt worden ist (B FH-Urteil vom 8. Februar 1961 II 288/58 U BStBl III 1961 S. 135 ; Moench, Kommentar zum ErbStG , Stand: Dezember 1999 § 27 Rz. 11). Eine solche Steuerfestsetzung ist in Bezug auf die hier fraglichen Steuerzahlungen des Klägers für die Erblasserin nicht erfolgt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .