Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.02.2000, Az.: 5 K 570/99
Vereinbarkeit der derzeitigen Vorsteuerabzugsbegrenzung mit dem Gemeinschaftsrecht; Unmittelbare Geltendmachung des vollen Vorsteuerabzugs wegen Vorrangs des Gemeinschaftsrechts
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.2000
- Aktenzeichen
- 5 K 570/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21882
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0210.5K570.99.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 30.06.2005 - AZ: V R 29/00
Fundstellen
- DStZ 2000, 315-316 (Kurzinformation)
- UR 2000, 163
Tatbestand
Der Kläger betreibt ein Restaurant. Am 17.06.1999 erwarb er einen PKW BMW 530 für 71.724,14 DM zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Höhe von 11.475,86 DM, insgesamt 83.200,00 DM. Er ordnete diesen PKW seinem Unternehmen zu und nutzt ihn zu 75 % für unternehmerische und zu 25 % für nichtunternehmerische Zwecke.
Der Kläger machte die gesamten Vorsteuern aus dem Kauf des PKW zuletzt in einer berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung für Juni geltend. Der Beklagte erkannte gemäß § 15 Abs. 1 b UStG 99 nur 50 % der Vorsteuern an und setzte die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 15. September 1999 entsprechend fest. Hiergegen richtet sich die Sprungklage. Der Beklagte hat der Sprungklage zugestimmt.
Der Kläger macht geltend, § 15 Abs. 1 b UStG 99 verstoße gegen Artikel 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie. Danach dürften die Mitgliedsstaaten nur die Vorsteuerausschlüsse beibehalten, die bei Erlass der EG-Richtlinie bestanden hätten. Weitergehende Vorsteuerausschlüsse könnten nach Art. 17 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nur durch einstimmigen Beschluss des EG-Rates zugelassen werden. Ein solcher Beschluss liege nicht vor und dürfte auch rückwirkend nicht möglich sein.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juni 1999 auf minus ... DM festzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, die Bundesregierung habe mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 und einem Ergänzungsschreiben vom 23. August 1999 einen Antrag nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie gestellt, eine von Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 der 6. EG-Richtlinie abweichende Maßnahme (Einschränkung des Vorsteuerabzugs) einführen zu dürfen. Es sei davon auszugehen, dass der Rat eine rückwirkende Genehmigung erteilen werde. Deshalb sei die Sache zu vertagen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Finanzgerichtsakte verwiesen. Dem Gericht hat die Umsatzsteuerakte zu St-Nr. ... vorgelegen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Gesetzgeber hat in Artikel 7 Nr. 11 Buchst. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402) mit der Einführung des § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 99 das Recht zum Vorsteuerabzug neu gefasst und begrenzt. Danach sind Vorsteuerbeträge"nur zu 50 vom Hundert abziehbar..., die auf die Anschaffung oder Herstellung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Miete oder den Betrieb von Fahrzeugen im Sinne des § 1 b Abs. 2 entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden." Gemäß § 27 Abs. 3 UStG gilt die Regelung für alle dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeuge, die nach dem 31.03.1999 angeschafft oder hergestellt, eingeführt, innergemeinschaftlich erworben oder gemietet und anschließend teilweise privat genutzt werden.
Da der Kläger sein Fahrzeug am 17. Juni 1999 für sein Unternehmen erworben hat und es zu 25 % privat nutzt, wäre der Vorsteuerabzug nach der genannten Neuregelung auf 50 % begrenzt.
Dem Kläger steht der volle Vorsteuerabzug jedoch abweichend von der deutschen gesetzlichen Neuregelung in § 15 Abs. 1 b UStG 99 nach Artikel 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (6. EG-Richtlinie) zu. Nach dieser Vorschrift ist der Steuerpflichtige befugt, alle Vorsteuern aus Kosten von der von ihm geschuldeten Umsatzsteuer abzuziehen, die Eingang in seine steuerpflichtigen Umsätze gefunden haben. Die Berechtigung zum uneingeschränkten und sofortigen Abzug der beim Erwerb der Gegenstände geschuldeten Vorsteuer besteht unabhängig davon, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag (vgl. EuGH vom 11.07.1991 Rs C-97/90, EuGHE 1991, 3834 (3843) - Lennartz -). Denn der Unternehmer soll durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten und entrichteten Umsatzsteuer entlastet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Februar 1985, Rs 268/83, - Rompelmann - , EuGHE 1985, 660 (664)). Dies hat zur Folge, dass eine dem Gemeinschaftsrecht entgegenstehende nationale Regelung insoweit nicht anwendbar ist, wie dieses für den Steuerpflichtigen günstiger ist. Denn das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht hat nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH vom 15.07.1964 Rs 6/64, EuGHE 1964, 1251 (1270) - Costa) Vorrang vor jeder innerstaatlichen Rechtsvorschrift. Diese Rechtsansicht wird von der deutschen Rechtsprechung (vgl. BVerfG vom 09.06.1971, BVerfGE 31, 145 (174) - Umsatzsteuerausgleich auf Milchpulver; BFH vom 20.04.1988 I R 219/82, BStBl II 1990, 701 (702)) und Literatur (vgl. Everling, DVBl 1985, 1201 ff. m.w.N.; Probst DStJG 13 (1990), 137 (140, 141); Schlienkamp, UR 1991, 337 (340)) anerkannt. Der Vorrang gilt auch dann, wenn die innerstaatliche Regelung - wie hier - nach Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie erlassen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 21.09.1988, Rs 50/87, EuGHE 1988, 4819f; Urteil vom 09.03.1978 Rs 106/77, EuGHE 1978, 629 (630) - Simmenthal II (Gebühren); Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch Bd. I, Einf. Rz. 342).
Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber späterem wie früherem nationalen Gesetzesrecht ist verfassungskonform. Er beruht auf einer ungeschriebenen Norm des primären Gemeinschaftsrechts, der durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen i.V.m. Art. 24 Abs. 1 GG (a.F.) der innerstaatliche Rechtsanwendungsbefehl erteilt worden ist (vgl. BVerfG vom 08.04.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 - Bindungswirkungen von Vorabentscheidungen des EuGH; BVerfG vom 04.11.1987, 2 BvR 763/85, UR 1988, 25; Scheuner, Der Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft und Verfassungsrechtsprechung, AöR 100 (1975) S. 30, 40 f.). Artikel 24 Abs. 1 GG (a.F.) enthält die verfassungsrechtliche Ermächtigung für die Billigung dieser Vorrangregel durch den Gesetzgeber und ihre Anwendung durch die rechtsprechende Gewalt im Einzelfall (BVerfG vom 22.10.1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 374f). Das Gemeinschaftsrecht geht dem nationalen Recht mit dem durch die Auslegung des EuGH ermittelten Inhalt vor (vgl. Birkenfeld, a.a.O. Rdz. 344 f). Einer ausdrücklichen Feststellung des Anwendungsvorrangs durch den EuGH bedarf es nicht (EuGH vom 22.06.1989 Rs 103/88, EuGHE 1989, 1861 (1870 f)). Das nationale zur Sachentscheidung berufene Gericht darf entscheiden, ob ein solcher Konflikt besteht und ob der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eingreift (vgl. EuGH vom 12.07.1984 Rs 107/83, EuGHE 1984, 2971 (2988); BVerfGE vom 09.06.1971, S. 174 f.; BFH vom 20.04.1988, a.a.O. S. 702 f.). Denn das nationale staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung beantragen oder abwarten müsste (vgl. EuGH vom 11.07.1989 Rs 170/88, EuGHE 1989, 2307 (2308)- Ford Espana SA; EuGH vom 09.03.1978, a.a.O.).
Anwendungsvorrang bedeutet, dass im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehendes nationales Recht auf die durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Rechtsbeziehungen nicht angewendet wird. Abweichendes nationales Recht ist somit nicht nichtig, sondern nur nicht anwendbar (vgl. Zuleeg, Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 24 Rdn. 43 ff; Groß JuS 1991, 522 (523); Jarass, NJW 1990, 2420 (2421)).
Da § 15 Abs. 1 Buchstabe b UStG 99 dem Gemeinschaftsrecht entgegen steht, soweit durch diese Regelung der Vorsteuerabzug entgegen Artikel 17 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie auf 50 % begrenzt wird, hat dies zur Folge, dass die nationale Regelung insofern nicht anwendbar ist.
Der einzelne Marktbürger kann sich vor den nationalen Behörden und Gerichten auf die unmittelbare Anwendbarkeit von - ihm günstigen - primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht berufen. Dies folgt aus dem vom EuGH sogenannten Prinzip der "Mindestgarantie" (vgl. EuGH vom 27.06.1989 Rs 50/88, EuGHE 1989, 1948 - Eigenverbrauch -; EuGH vom 19.01.1982 Rs 8/81, EuGHE 1982, 53 - Kreditvermittlung -; EuGH vom 26.02.1991 Rs C 120/89, 119/89, 159/89, UR 1991, 164 -Restmehrwertsteuer -). Der Sinn der Möglichkeit des Sich-Berufen-Könnens liegt darin, die durch die Richtlinie begründete Verpflichtung des Mitgliedstaates wirkungsvoll und in rechtsstaatlicher Weise zu sanktionieren (vgl. BVerfG vom 08.04.1987 a.a.O. S. 358).
Voraussetzung um sich gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften auf eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie berufen zu können ist, dass die Bestimmung einer Richtlinie hinreichend klar und genau und nicht an Bedingungen geknüpft ist (std. Rspr. des EuGH, vgl. EuGH 19.01.1982 a.a.O.; vom 20.10.1993 C-10/92, EuGHE 1993, I - 5105 Rdn 34 - Balocchi-, vom 27.06.1989, a.a.O.; Birkenfeld, a.a.O. Einf. Rz. 360; Schlienkamp, UR 1991, 337, 340; BVerfG vom 08.04.1987, a.a.O. S. 355) Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie vor (EuGH vom 23.01.1986 Rs 283/84 EuGHE 1986, 238 (243). Die Richtlinie gibt dem Steuerpflichtigen einen Anspruch gegenüber dem Mitgliedstaat. Sie ist inhaltlich unbedingt und somit geeignet, zweifelsfreie Wirkung zu erzeugen. Denn dem Mitgliedstaat steht insofern kein Ermessen zu, mit welchem Inhalt er die Bestimmung in nationales Recht umsetzt. (vgl. EuGH vom 06.07.1995 Rs C 62/93, EuGHE 1995, 1907 (1918) - BP Soupergaz -).
Unabhängig davon, sind Vorsteuerabzugsbeschränkungen in Abweichung von den Vorgaben in Art. 17 Abs. 1 bis 5 der 6. EG-Richtlinie durch die einzelnen Mitgliedstaaten nur insoweit zulässig, als sie bereits vor Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie vorgesehen waren, Art. 17 Abs. 6 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie. Nachträgliche Einschränkungen, wie im Falle der Einführung des § 15 Abs. 1 Buchst. b UStG 99 durch Artikel 7 Nr. 11 Buchst. c des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002, sind unzulässig. Denn das in Art. 17 ff der 6. EG-Richlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug ist integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden (EuGH vom 06.07.1995, a.a.O.). Es fehlt insofern jede Vorschrift, die den Mitgliedsstaaten Einschränkungen gestatten würde (EuGH vom 21.09.1988, a.a.O.). Sie wären nur unter den Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie zulässig.
Der Berufung des Klägers auf die für ihn günstigere 6. EG-Richtlinie steht daher auch nicht entgegen, dass die Bundesregierung mit Schreiben vom 11. Dezember 1998 und einem Ergänzungsschreiben vom 23. August 1999 inzwischen einen Antrag an die Kommission nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie gestellt hat, wonach der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig den antragstellenden Mitgliedstaat ermächtigen kann, abweichende Bestimmungen zu den Regelungen der Richtlinie einzuführen. Denn bisher liegt eine solche Ermächtigung seitens der Kommission nicht vor. Der von dem Beklagten gegebene Hinweis, der Rat der Europäischen Union habe sich am 14. Dezember 1999"auf Arbeitsebene auf Vorschlag der Kommission im Rahmen der Sitzung der Ratsarbeitsgruppe +82Finanzfragen\[00ef\] geeinigt, Deutschland mit Wirkung vom 01.04.1999 bis zum 31.12.2002" eine Ermächtigung zu erteilen, wonach "abweichend von Artikel 17 Abs. 2 und Artikel 6 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie ... der Vorsteuerabzug auf die Gesamtausgaben für Fahrzeuge, die nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt werden, auf 50 % beschränkt und auf die Besteuerung der Nutzung eines zum Unternehmens gehörenden Fahrzeugs für private Zwecke verzichtet werden" kann, vermag den nach Art. 27 der 6. EG-Richtlinie erforderlichen förmlichen Beschluss der EG nicht zu ersetzen (vgl. EuGH, Urteil vom 13.02.1985 Rs 5/84, EuGHE 1985, 644 - Direct Cosmetics -; vgl. auch die dazu gestellten Schlussanträge des Generalanwalts Verloren van Themaat vom 04.12.1984, EuGHE , 618 (626 ff). Dass eine Einigung des Rates"auf Arbeitsebene" Außenwirkung hat, die der erkennende Senat bei seiner Entscheidung hätte beachten müssen, ist nicht ersichtlich. Deshalb war auch keine Vertagung geboten.
Ferner kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass eine Ermächtigung des Rates der Kommission für einen entsprechenden Vorsteuerausschluss erteilt werden wird, so dass § 15 Abs. 1 b UStG 99 bereits jetzt richtlinienkonform ist. Denn derzeit liegt die erforderliche Ermächtigung nicht vor. Angesichts des am 19.06.1998 vorgelegten Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission zur Harmonisierung des Vorsteuerabzugs im Binnenmarkt (Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Vorsteuerabzugs vom 17.06.1998 - KOM (1998) 377 endg. - ABI. EG Nr. C 219 vom 17.07.1998 S. 16 ff.; BR-Drucks. 668/98) erscheint es auch fraglich, ob der Bundesrepublik Deutschland eine entsprechende Ermächtigung erteilt werden würde, da zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Meinungsunterschiede über Inhalt und Ausgestaltung der Regelungen bestehen (vgl. Hünnekens, Änderungen des Umsatzsteuerrechts durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, NWB Fach 7 S. 5059 ff. (5069)) und die vom deutschen Gesetzgeber im Vorgriff auf die Richtlinie geschaffene gesetzliche Regelung nicht unerheblich von dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission abweicht (vgl. Nieskens, Aktuelle Entwicklungen im Umsatzsteuerrecht, Steuerberatung 1999, 557 (558)). Ferner ist nicht absehbar, wie die einzelnen Mitgliedstaaten angesichts ihrer gerade in finanzieller Hinsicht heterogenen Interessen entscheiden und votieren werden, zumal einähnlich gelagerter Kommissionsvorschlag bereits über 10 Jahre EU-weit ohne Ergebnis beraten worden und von der Kommission selbst 1996 wieder zurückgezogen worden ist (vgl. die Stellungnahme der Umsatzsteuervereinigung zur Anhörung des Finanzausschusses am 7./08.12.1998, UR 1999, 111).
Der Rat könnte eine Ermächtigung auch nur für die Zukunft erteilen. Zumindest wäre es rechtlich höchst umstritten, wenn der Rat eine Ermächtigung mit Rückwirkung erteilen würde (Nieskens, Stbg 1999, a.a.O. S. 558; in diesem Sinne auch Birkenfeld, Zweifelsfragen bei der Einschränkung des Verlustabzugs durch das StEntIG 1999/2000/ 2002, NWB Fach 7 S. 5091 ff. (5093)). Selbst wenn er dies täte, stellte sich die verfassungsrechtliche Frage des Rückwirkungsverbotes.
Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 18.06.1998 (- Rs. C - 43/96 - Kommission J. Franz. Republik, UR 1998 S. 352) einen Vorsteuerausschluss für teilweise privat genutzte PKW für zulässig erklärt und in seiner Entscheidung vom 05.10.1999 (EuGH, Rs C-305/97 - Royscot, Harrison, Domeq, UR 1999, 456) entschieden hat, dass die Mitgliedstaaten die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie genannten Ausschlüsse vom Recht auf Vorsteuerabzug beibehalten dürfen, obwohl der Rat vor dem Ablauf der in Unterabs. 1 vorgesehenen Frist nicht festgelegt hat, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist, kann daraus ebenfalls kein Recht zum nationalen Alleingang im Bereich der Vorsteuerbegrenzung abgeleitet werden. Denn es handelte sich bei den den Entscheidungen zu Grunde liegenden Regelungen jeweils um nationale Rechtsgrundlagen, die bereits vor Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie bestanden. Demgegenüber soll nach der Intension des EuGH eine weitere Auseinanderentwicklung der zur Zeit bestehenden nationalen Regelungen gerade verhindert werden.
Art. 17 Abs. 6 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie findet ebenfalls keine Anwendung, da diese Regelung nur programmatischen Charakter hat, Personenkraftwagen keine Luxusgegenstände sind und auch nicht von vornherein ein streng geschäftlicher Charakter ausgeschlossen werden kann.
Es liegen auch keine Rechtfertigungsgründe nach Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie vor, da angesichts der Bedeutung des Wirtschaftsfaktors der Automobilindustrie und der vorherrschenden Massenarbeitslosigkeit Konjunkturgründe eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs nicht begründen können.
Da § 15 Abs. 1 b UStG 99 insofern nicht anzuwenden ist, findet auch die Regelung über den Ausschluss der Besteuerung der den sonstigen Leistungen gleichgestellten Leistungen (im folgenden: Eigenverbrauch) nach § 3 Abs. 9 Buchstabe a Satz 2 UStG 99 keine Anwendung. Gemäß § 3 Abs. 9 Buchstabe a Nr. 1 UStG 99 ist daher Eigenverbrauch auf die vorsteuerbelasteten Kosten zu berechnen, die im Streitmonat Juni 1999 unter Berücksichtigung der Abschreibung für den PKW auf 94,00 DM geschätzt werden. Die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Juni 1999 ist danach um ... auf minus ... herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO -.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO - .