Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2000, Az.: 7 K 592/96
Begriff der Wohnung; Abgeschlossenheit einer Wohnung im Verhältnis zu übrigen Bestandteilen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.02.2000
- Aktenzeichen
- 7 K 592/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 21872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2000:0208.7K592.96.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 14.01.2004 - AZ: IX R 82/00
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute. Sie werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. In 1992 bauten die Kläger das Dachgeschoss ihres Einfamilienhauses um. Auf das bisherige Flachdach wurde durch Aufstockung eine zweite Wohneinheit gesetzt. Der neu geschaffene Wohnbereich hat eine Eingangstür, die vom oberen Treppenhaus abgeht. Der durch diese Tür abgeschlossene Bereich umfasst Wohnzimmer, Küche, Hauswirtschaftsraum, Bad und Schlafraum. Außerhalb dieses Bereichs befinden sich zugänglich vom Treppenhaus zwei weitere Räume. Vom unteren Bereich des Treppenhauses zugänglich sind die bereits zuvor von den Klägern genutzten Räume. Die Erdgeschosswohnung der Kläger verfügt über einen separaten Zugang. Die Schaffung der neuen Wohnräume verursachte in 1992 Aufwendungen in Höhe von 77.050,00 DM. Die neu geschaffene Wohnung wurde vom Sohn der Kläger und dessen Ehefrau ab Januar 1993 auf Grund eines Mietverhältnisses genutzt.
Die Kläger machten für 1992 für die neu geschaffene Wohnung eine Sonderabschreibung nach § 7c EStG in Höhe von 20 v.H. des Höchstbetrages von 60.000,00 DM geltend. Für den übersteigenden Restbetrag von 17.050,00 DM beantragten sie die Abschreibung nach § 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die neu geschaffene Wohnung nicht von der bisherigen Wohnung klar und eindeutig abgeschlossen sei. Deshalb sei keine abgeschlossene Wohnung im bewertungsrechtlichen Sinne geschaffen worden. Der Zugang zur Dachgeschosswohnung führe durch einen anderen Wohnbereich. Die Sonderabschreibung nach § 7c EStG sei deshalb nicht zu gewähren.
Entsprechend dem Ergebnis der Außenprüfung kürzte der Beklagte die Sonderabschreibungen nach § 7c EStG für die Streitjahre und gewährte andererseits eine entsprechend höhere Abschreibung nach § 7 Abs. 4 EStG.
Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide erheben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründen: Die obere Wohnung sei abgeschlossen. Sie verfüge über einen eigenen Zugang. Dieser führe nicht durch den Wohnbereich der Unterwohnung, sondern durch das Treppenhaus. Die vom Treppenhaus im Übrigen zu erreichenden Räume seien sämtlich abschließbar. Es handele sich damit im bewertungsrechtlichen Sinne um verschließbare Nebenräume außerhalb der Kernbereiche beider Wohnungen. Dies sei unschädlich. Der Zweck des § 7c EStG liege darin, Anreize für den Um- bzw. Ausbau vorhandener Gebäude zu schaffen. Derartiges sei nur unter den Beschränkungen der vorhandenen Bausubstanz durchführbar. Daher dürfe die Vorschrift des§ 7c EStG nicht restriktiv ausgelegt werden. Ansonsten würde es nur zur Begünstigung von Neubauten kommen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar seien zwei vollständige Wohnungen im Gebäude enthalten. Beide Wohnungen seien voneinander aber nicht derartig getrennt, dass von zwei in sich abgeschlossenen Wohneinheiten gesprochen werden könne. Der Zugang zur oberen Wohnung führe über das neu geschaffene Treppenhaus. Über das Treppenhaus seien aber auch Räumlichkeiten der unteren Wohnung und Räume im Dachgeschoss erreichbar. Wegen der Größe dieser Räume könne nicht von Nebenräumen gesprochen werden.
Dem Gericht sind Grundrisse über die einzelnen Etagen vorgelegt worden. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 8, 9 der Gerichtsakte verwiesen. Das Gericht hat die beim Beklagten für das betreffende Grundstück geführte Einheitswertakte beigezogen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Den Klägern steht im Ergebnis die begehrte erhöhte Absetzung für Baumaßnahmen an Gebäuden zur Schaffung neuer Mietwohnungen zu. § 7c Abs. 2 EStG begünstigt Wohnungen, für die der Bauantrag innerhalb bestimmter Zeiten gestellt worden ist, die vor dem 1. Januar 1996 fertiggestellt worden sind und für die keine Mittel aus öffentlichen Haushalten unmittelbar oder mittelbar gewährt werden. Begünstigt sind damit Wohnungen, wobei das Gesetz selbst nicht den Begriff der Wohnung definiert. Deshalb ist der Rückgriff auf den bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BStBl II 1985, 151) setzt der Begriff einer Wohnung voraus, dass eine Zusammenfassung mehrerer Räume von einer Mindestgröße die Führung eines selbständigen abgeschlossenen Haushalts ermöglicht. Dabei müssen die Räume derart zusammengefasst sein, dass sie von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennt und in sich abgeschlossen eine Wohneinheit bilden. Hierfür muss ein eigener Zugang bestehen. Die Räume müssen als Mindeststandard einen Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette umfassen.
Die genannten Kriterien erfüllt die im Obergeschoss neu geschaffene Wohneinheit. Denn diese Wohneinheit ist in sich abgeschlossen und von den übrigen Räumen durch die abschließbare Eingangstür zum Treppenhaus hin getrennt. Ist aber die neu geschaffene Wohneinheit als Wohnung anzusehen, so ist sie eigenständiges Objekt der Förderung nach § 7c EStG. Dies gilt unabhängig davon, ob die übrigen Räume des Hauses, in dem diese neue Wohneinheit geschaffen wurde, ihrerseits den Wohnungsbegriff erfüllen oder nicht. Deshalb kommt es nach Auffassung des erkennenden Senates nicht darauf an, ob auch die im Erdgeschoss befindlichen Wohnräume in sich abgeschlossen sind. Für die Frage der Förderung nach § 7c EStG ist nicht erforderlich, dass etwa aus einem Einfamilienhaus bewertungsrechtlich ein Zweifamilienhaus entsteht.
Der Beklagte verkennt, dass die Funktion eines Treppenhauses, wie es im Hause der Kläger vorhanden ist, allein darin besteht den Zugang zu Räumlichkeiten zu gewährleisten. Das Treppenhaus selbst wird aber nicht dadurch Wohnbereich, dass von ihm Räume abgehen, die bewohnbar sind.
Die im Obergeschoss neu geschaffene Wohneinheit umfasst lediglich die Räumlichkeiten, die hinter der Eingangstür liegen. Die ebenfalls im Obergeschoss neu geschaffenen Räume, die unmittelbar vom Treppenhaus abgehen, sind deshalb nicht über § 7c EStG förderbar. Im Umfang machen diese Räume aber weniger als 20 v.H. der gesamten neu geschaffenen Wohnfläche aus. Bei den Gesamtaufwendungen von 77.050,00 DM ergibt sich somit, dass auf die neu geschaffene Wohnung ein Betrag von mehr als 60.000,00 DM entfällt. Deshalb steht den Klägern für die Streitjahre die begehrte Höchstförderung von jeweils 12.000,00 DM an Absetzung nach § 7c EStG zu.
Demgemäß vermindern sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in 1992 um DM, in 1993 um DM und in 1994 um DM. Unter Berücksichtigung des für 1992 in Betracht kommenden ermäßigten Steuersatzes ergibt sich für die Streitjahre, dass die Einkommensteuer antragsgemäß herabzusetzen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus§§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708, Nr. 10, 711 ZPO.