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  • ab 09.08.1972 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 3 DfTubkVO - III.
Nachuntersuchung und Beurteilung tuberkulin-zweifelhaft reagierender Rinder

Bibliographie

Titel
Durchführung der Tuberkulose-Verordnung
Redaktionelle Abkürzung
DfTubkVO,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
78510000033001

Bei erstmaligem Auftreten von zweifelhaften Tuberkulinreaktionen - in der Regel vor Wiederholungsuntersuchungen in amtlich als tuberkulosefrei anerkannten Beständen - hat der beamtete Tierarzt zu entscheiden, ob auf Grund einer derartigen Reaktion bis zu dem Zeitpunkt, an dem die erste Nachuntersuchung möglich ist, nur das reagierende Einzeltier zu maßregeln ist (§ 4 Satz 2) oder ob bereits ein Verdacht auf Tuberkulose vorliegt, dem bestimmte Maßnahmen für den ganzen Bestand folgen müssen (§ 6 Abs. 2).

Bis zur Abklärung der Reaktionsursachen ist es zweckmäßig, nur von "Tuberkulinreaktionen" und "Tuberkulinreagenten" zu sprechen. Die Diagnose "bovine Tuberkuloseinfektion" bzw. "Verdacht auf bovine Tuberkuloseinfektion" kann in der Regel bei alleiniger Anwendung von Rindertuberkulin nicht gestellt werden. Im Einzelfall können besondere epidemiologische Zusammenhänge das Vorliegen eines Verdachtes auf bovine Infektion rechtfertigen; im allgemeinen wird jedoch erst auf Grund einer Nach- oder Ergänzungsuntersuchung eine genauere Beurteilung möglich sein. Hierbei ist folgendes zu beachten:

1.
Rinder mit zweifelhaften Tuberkulinreaktionen sind mit Rinder- und Geflügeltuberkulin (vergleichende Tuberkulinprobe) nachzuuntersuchen, soweit nach Lage des Falles erforderlich, ist die klinische, ggf. auch die bakteriologische Untersuchung heranzuziehen. Über die Untersuchungen sind von den beamteten oder amtlich beauftragten Tierärzten Aufzeichnungen zu fertigen, aus denen Art und Ergebnis der Untersuchung sowie die abgegebene Beurteilung ersichtlich sind; ggf. beteiligte Veterinäruntersuchungsämter haben ebenfalls entsprechende Aufzeichnungen zu machen.

Für die vergleichende Tuberkulinprobe ist ein staatlich geprüftes Rindertuberkulin zu verwenden. Als Geflügeltuberkulin können die z. Z. angebotenen, nicht staatlich geprüften Tuberkuline verwendet werden, jedoch nur so lange, bis ein standardisiertes und staatlich geprüftes Geflügeltuberkulin zur Verfügung steht.

2.
Die vergleichende Tuberkulinprobe ist wie folgt durchzuführen:

An der rechten oder linken Schulter des Rindes werden vor der Schulterblattgräte die Haare an einer Stelle, die keine Verdickung oder sonstige Veränderung aufweist, in einem Bereich von etwa 8 bis 10 cm Länge und etwa 2 bis 3 cm Breite abgeschoren. In der Mitte der oberen Hälfte und in der Mitte der unteren Hälfte des geschorenen Feldes wird die Hautfaltendicke gemessen und das Ergebnis beider Messungen notiert. Danach werden mit einer selbstdosierenden oder auf die erforderliche Dosis einstellbaren Tuberkulinspritze in die obere Meßstelle 0,1 ml (= 5.000 IE) Rindertuberkulin und in die untere Meßstelle 0,1 ml Geflügeltuberkulin intrakutan injiziert. Dabei ist darauf zu achten, daß die Tuberkuline nur intrakutan und nicht subkutan injiziert werden oder zum Teil wieder aus der jeweiligen Injektionsstelle nach außen abfließen. Zur Kontrolle der intrakutanen Injektionen sind daher die Injektionsstellen mit einer Fingerkuppe auf das Vorhandensein etwa linsengroßer Quaddeln, die den richtigen Sitz der Injektionen anzeigen, zu prüfen. Das Rinder- und Geflügeltuberkulin kann auch auf getrennten Körperseiten an korrespondierenden Stellen injiziert werden, um ggf. klinische Symptome an den Injektionsstellen (insbesondere Mitentzündung der regionalen Lymphknoten und Lymphgefäße) deutlicher abgrenzen und bei der Beurteilung der vergleichenden Tuberkulinprobe berücksichtigen zu können.

Bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere bei Weidetieren, kann vom Scheren der Haare abgesehen werden; die Injektionsstellen sind in diesen Fällen jedoch ausreichend in anderer Form kenntlich zu machen. Das Ergebnis der Tuberkulinproben darf nicht früher als 72 Stunden und nicht später als 96 Stunden nach der Injektion des Tuberkulins abgelesen und beurteilt werden. Bei der Ablesung ist besonderer Wert auf sorgfältige Messung der an den Injektionsstellen vorhandenen Hautdicken zu legen.

3.
Die Beurteilung der Tuberkulinreaktion erfolgt durch Vergleich der Reaktionen, die mit Rinder- und Geflügeltuberkulin erzielt wurden. Sie ist unter Beachtung der an den Injektionsstellen auftretenden klinischen Symptome, wie Schmerz, teigige Konsistenz, Exsudation, Nekrose, insbesondere aber auf Grund der jeweiligen, durch exakte Messung ermittelten Hautdickenzunahme durchzuführen; eine nur auf Grund von Adspektion oder Palpation vorgenommene Beurteilung ist keinesfalls ausreichend.

Als Maßstab für die Beurteilung ist folgender Schlüssel anzuwenden:

BerechnungDifferenz in mmHinweis auf bovine TuberkuloseinfektionKein Anhalt für bovine Tbc-Infektion
I. S-A (Pluswert)+ 3,0 und mehr+-
+ 1,6 bis 2,9??
+ 0,1 bis 1,5-+
II. S-A (Minuswert)  0,0-+
- 0,1 und mehr-+
Zeichenerklärung:

S = Säugertuberkulin (Rindertuberkulin)

A = Aviäres Tuberkulin (Geflügeltuberkulin)

Sofern bei einem auch nur geringen Überhang auf Rindertuberkulin ein oder mehrere deutliche klinische Symptome vorhanden sind, muß mit dem Vorliegen einer bovinen Tbc-Infektion gerechnet werden.

4.
Im Rahmen der Rindertuberkulosebekämpfung ist primär nur die "bovine Tuberkulose" als spezielle Ursache abzuklären. Nach dem vorstehenden Schlüssel wird daher nur beurteilt, ob ein "Hinweis auf bovine Tuberkuloseinfektion" oder "kein Anhalt für eine bovine Tuberkuloseinfektion" vorliegt. Die Beurteilung der Einzelreaktion hat stets unter Beachtung der Reaktionslage des Gesamtbestandes zu erfolgen. Bei vermehrtem Auftreten von Tuberkulinreaktionen in einem Bestand sollte bei der Nachuntersuchung erneut - sofern das ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist - eine Bestandsuntersuchung, zumindest aber eine Untersuchung aller Tiere durchgeführt werden, die bei der vorangegangenen Untersuchung eine Hautdickenzunahme von mehr als 1 mm aufgewiesen haben. In jedem Falle sind Ermittlungen über die Ursachen der auftretenden Reaktionen anzustellen und die Beseitigung der Ursachen anzustreben. Dabei ist vor allem die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß Tuberkulinreaktionen als sog. "Gruppenreaktion" oder "Mitreaktion" durch andere Mykobakterien (M. tuberculosis, M. avium, M. paratuberculosis, atypische Mykobakterien) bedingt sein können oder daß haltungs- und milieubedingte Einflüsse eine Rolle spielen. Es ist aber weder zweckmäßig noch notwendig, bei der Beurteilung von Tuberkulinreaktionen in der Ergänzungsuntersuchung offiziell zwischen "spezifischen" Reaktionen - im Sinne einer Infektion mit bovinen oder anderen Mykobakterien - und sog. "unspezifischen" Reaktionen, die auf andere, besonders parasitäre, hormonelle und pyogene Einflüsse zurückgeführt werden - zu unterscheiden.

5.
Der Abstand zwischen der ersten Nachuntersuchung und der vorhergehenden Tuberkulinisierung muß mindestens sechs Wochen betragen. Die Entscheidung über Umfang, Abstand und Dauer weiterer ggf. notwendiger Nachuntersuchungen muß dem beamteten Tierarzt überlassen bleiben. Der Zeitraum von 6 Wochen darf jedoch nicht überschritten werden.

6.
Treten in einem Bestand vermehrt Tuberkulinreaktionen auf, die mit der vergleichenden Tuberkulinprobe nicht abgeklärt werden können, so ist auch von Probeschlachtungen unter Beachtung der für eine Tötung zu diagnostischen Zwecken geltenden Bestimmungen oder von der Einsendung z.B. von Milchproben an das zuständige Veterinäruntersuchungsamt Gebrauch zu machen.

7.
In allen Fällen, in denen Rinder im Rahmen der Bekämpfung der Tuberkulose auf behördliche Anordnung getötet werden, ist eine amtstierärztliche Zerlegung sowie die Einsendung von geeignetem Untersuchungsmaterial - insbesondere von verdächtigen Veränderungen, bei makroskopisch negativem Befund die Lungen- und Darmlymphknoten - zur bakteriologischen Untersuchung auf Mykobakterien und Typendifferenzierung an das zuständige Veterinäruntersuchungsamt sicherzustellen. Ist in einem Rinderbestand bereits bei einer amtstierärztlichen Zerlegung oder bei der ergänzenden Untersuchung auf Mykobakterien das Vorliegen von Tuberkulose bestätigt worden, so kann bei der behördlich angeordneten Tötung weiterer Tuberkulinreagenten des Bestandes auf die amtstierärztliche Zerlegung und ergänzende Untersuchungen verzichtet werden.