Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.1997, Az.: I 499/95
Zum Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels; Gewerbesteuermeßbetrag; Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.09.1997
- Aktenzeichen
- I 499/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 11156
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0902.I499.95.0A
Rechtsgrundlage
- § 15 Abs. 2 EStG
Fundstelle
- DStRE 1998, 391-392 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei Stpfl., die beruflich den Bau- und Grundstücksgeschäften nahestehen, ist grds. eher ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen als bei anderen Stpfl.
- 2.
Trotz Überschreitung der 5-Jahres-Frist, kann ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen sein, wenn weitere für die Gewerblichkeit sprechende Umstände hinzukommen.
- 3.
Bei einem Bauunternehmer, der innerhalb eines Zeitraums von 7 1/2 Jahren sieben Grundstücke bzw. Eigentumswohnungen erwirbt und weiterveräußert, ist im Regelfall von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt.
Der Kläger ist Bauunternehmer. In der Zeit bis 1994 tätigte er folgende Immobiliengeschäfte:
1.
Am 21. Juni 1988 erwarb er die Eigentumswohnung A für 145.000,00 DM und veräußerte sie - nach zwischenzeitlicher Vermietung - am 16. November 1990 für 220.000,00 DM.
2.
Am 21. August 1989 erwarb der Kläger das Einfamilienhaus O für 42.500,00 DM und veräußerte es - nach zwischenzeitlicher Vermietung - am 31. Juli 1992 für 79.000,00 DM.
3.
In den Jahren 1984 und 1985 errichtete eine BGB-Gesellschaft (GbR), die aus dem Kläger und den Gesellschaftern B und T bestand, auf einem ihr gehörenden Grundstück in W ein Gebäude mit 16 Eigentumswohnungen. Zweck der GbR war lt. Gesellschaftsvertrag die gewinnbringende Veräußerung, Verwaltung und Vermietung des Gebäudes. Die GbR veräußerte zwei Wohnungen; die übrigen wurden fünf Jahre lang an einen Zwischenvermieter vermietet, und zwar an den Gesellschafter A T. Zum 30.06.1987 schied der Kläger aus der GbR aus. Im Rahmen der Auseinandersetzung erhielt er das Eigentum an fünf der Eigentumswohnungen; es handelte sich um die Wohnungen Nr. 11 bis 15. Die Übertragung der Wohnungen erfolgte als Ausgleich für die Abgabe der Gesellschafterrechte des Klägers. Auch diese Wohnungen waren an den Gesellschafter T als Zwischenvermieter vermietet worden. Herr T hatte diese Wohnungen weiter vermietet. Diese Mietverhältnisse begannen sämtlich am 1. bzw. 15. April 1985 und sind mit gesetzlicher Kündigungsfrist auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. In der Folgezeit verkaufte der Kläger die fünf Wohnungen, und zwar zwei im Jahre 1992, eine 1993 und die beiden restlichen 1994.
Ursprünglich hatte der Kläger die fünf Eigentumswohnungen im Jahre 1987 mit den Schulden zu Buchwerten in die Bilanz seines Bauunternehmens überführt. Im Jahre 1990 behandelte der Beklagte (Finanzamt, FA) die Wohnungen nach einer Außenprüfung als notwendiges Privatvermögen. Nach einer weiteren Außenprüfung, die u.a. die Gewerbesteuer 1990 bis 1993 betraf und vom 18. 7. bis 01.08.1994 dauerte, sah das FA die erwähnten Grundstücksgeschäfte als gewerblichen Grundstückshandel des Klägers an und ermittelte entsprechende Gewinne sowie die darauf beruhenden Gewerbesteuermeßbeträge. Wegen der zahlenmäßigen Ermittlungen der Veräußerungsgewinne wird auf den Bp-Bericht vom 4. August 1994 (Bl. 5 - 6 Bp-Akte) Bezug genommen.
Die Klage richtet sich - nach erfolglosem Vorverfahren - gegen die Gewerbesteuermeßbeträge 1990, 1992 und 1993. Der Kläger trägt vor, er habe allenfalls die vorstehend unter Ziff. 1 und 2 angegebenen Wohnungen in bedingter Verkaufsabsicht erworben. Dagegen habe er die fünf Eigentumswohnungen in dem Objekt W nicht mit dem Ziel oder auch nur der latenten Bereitschaft erworben, sie wieder zu verkaufen. Bereits die GbR habe ihre ursprüngliche Verkaufsabsicht frühzeitig wieder aufgegeben. Im Jahr 1987 sei der Kläger aus Gründen, die er nicht zu vertreten hatte, aus der GbR ausgeschieden. Das habe hauptsächlich daran gelegen, daß seine Partner finanzielle Probleme gehabt hätten. Er habe die 5 Wohnungen langfristig vermieten und als Renditeobjekte nutzen wollen. Dann hätten sich jedoch die Umfeldbedingungen verändert. Auf einem Nachbargrundstück sei durch 10 der führenden Geschäftsleute in W ein Hotel mit Kegelbahn errichtet worden. Dieser Bau habe zu ganz erheblichen Nachteilen für die Wohnungen des Klägers geführt, u.a. zu Bauschäden als Folge von Wasserabsenkungen. Mit Rücksicht auf sein Baugeschäft habe der Kläger die Geschäftsleute nicht verklagen können. Nur aus dieser Zwangslage heraus habe er sich zum Verkauf entschlossen und die Wohnungen deutlich unter Wert verkauft. Zusammengefaßt handele es sich bei seinen Grundstücksgeschäften somit nicht um gewerbliche Tätigkeit, sondern um private Vermögensverwaltung. Im übrigen sei auch die zahlenmäßige Ermittlung des "Veräußerungsgewinns" durch das FA unrichtig.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag 1990, 1992 und 1993 vom 13. Januar 1995 und den Einspruchsbescheid vom 14. November 1995 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es meint, es sei zu Recht von einem gewerblichen Grundstückshandel des Klägers ausgegangen. Der Kläger habe alle Grundstücke zumindest in bedingter Veräußerungsabsicht erworben. Insgesamt habe er sieben Objekte innerhalb eines gewerblichen Grundstückshandels veräußert, denn man müsse auch das Jahr 1994 einbeziehen. Es habe auch die Gewinne nicht überhöht errechnet.
Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat zutreffend einen gewerblichen Grundstückshandel des Klägers festgestellt und die angefochtenen Gewerbesteuermeßbeträge festgesetzt.
Gem. § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) liegt ein Gewerbebetrieb vor, wenn eine selbständige nachhaltige Betätigung gegeben ist, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt; jedoch darf die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch eines freien Berufes und auch nicht als eine andere selbständige Arbeit anzusehen sein. Dabei reicht es aus, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Nicht als Gewerbebetrieb anzusehen ist die private Vermögensverwaltung. Für die Abgrenzung privater Vermögensverwaltung vom gewerblichen Grundstückshandel ist entscheidend, ob nach dem Gesamtbild der Umstände des Einzelfalles und der Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz (Vermögensverwaltung) oder die Ausnutzung von Wertänderungen bei der Vermögenssubstanz durch Umschichtung im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BStBl II 1982, 700). Bei der Entscheidung der Frage, ob eine Vermögensnutzung vorliegt oder eine substantielle Wertausnutzung, kommt der Anzahl der veräußerten Objekte und dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Grundstückserwerb und Grundstücksveräußerung eine besondere Bedeutung zu. Dabei ist bei Steuerpflichtigen, die beruflich den Bau- und Grundstücksgeschäften nahe stehen, eher ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen als bei anderen Steuerpflichtigen. Der Grund dafür besteht darin, daß neben der Zahl der veräußerten Grundstücke und dem zeitlichen Zusammenhang zwischen Anschaffung und Veräußerung auch der Umfang der ergriffenen Verwertungsmaßnahmen bei der Gesamtbildbetrachtung zu berücksichtigen ist und daß Steuerpflichtige, die beruflich den Bau- und Grundstücksgeschäften nahe stehen, solche Verwertungsmaßnahmen wegen ihrer Kenntnisse und Beziehungen auf dem Bau- und Grundstücksmarkt häufig nicht ergreifen müssen. So hat der BFH entschieden, daß ein gewerblicher Grundstückshandel regelmäßig anzunehmen ist, wenn ein Steuerpflichtiger, der aufgrund seiner sonstigen Erwerbstätigkeit über Kenntnisse und Beziehungen auf dem Bau- und Grundstücksmarkt verfügt, innerhalb von 5 1/2 Jahren oder weniger vier Grundstücke veräußert, die ihm jeweils nur bis zu drei Jahren gehört haben (BFH, Urteil vom 10.02.1987 VIII R 167/85, BFH/NV 1987, 440). Dabei ist davon auszugehen, daß Objekte, die nach Ablauf des Zeitraumes von 5 1/2 Jahren veräußert werden, nicht generell außer Betracht zu lassen sind. Bei einer Fristüberschreitung verringert sich lediglich die vom zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung hinsichtlich des Vorliegens einer bedingten Veräußerungsabsicht. Das bedeutet, daß trotz Überschreitung der Frist ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist, wenn weitere für die Gewerblichkeit sprechende Umstände hinzukommen (vgl. Söffing, DStZ 1996 S. 353 ff.). Die Motive, weshalb die Objekte veräußert werden - z. B. Bauschäden, Belästigungen, Ärger mit Mietern pp. - sind grundsätzlich unbeachtlich (vgl. Spindler, DStZ 1997, S. 10 ff.).
Im Streitfall liegt ein Gewerbebetrieb "Grundstückshandel" des Klägers ab 1987 vor. Denn zum 30.06.1987 hat der Kläger das Eigentum an den fünf Wohnungen in W erhalten. Zwei dieser Wohnungen hatte er bis Ende 1992, d.h. innerhalb eines Zeitraumes von 5 1/2 Jahren veräußert. Innerhalb dieser Zeit hat er auch zwei weitere Objekte, nämlich die Eigentumswohnung in A und das Einfamilienhaus in O, veräußert. In der Folgezeit, nämlich 1993 und 1994, hat er die drei restlichen Eigentumswohnungen in W verkauft. Berücksichtigt man weiter, daß lt. Gesellschaftsvertrag zum Gesellschaftszweck der GbR die gewinnbringende Veräußerung der Wohnungen gehörte und daß der Kläger nach dem 30.06.1987 diese Aussicht nicht erkennbar aufgegeben hat - die Zwischenvermietung an den BGB-Gesellschafter A T auf fünf Jahre hatte offensichtlich umsatzsteuerliche Gründe und die Weitervermietung von diesem an die Mieter war nicht langfristig, sondern mit gesetzlicher Kündigungsfrist angelegt - , so ist nach dem Gesamtbild der Umstände nicht feststellbar, daß für den Kläger die Nutzung seines Grundbesitzes durch Fruchtziehung aus der zu erhaltenden Substanz im Vordergrund stand. Vielmehr ist bei ihm als Bauunternehmer davon auszugehen, daß die Ausnutzung von Wertänderungen bei der Vermögenssubstanz durch Umschichtung im Vordergrund stand. Damit liegt, wie das FA zutreffend festgestellt hat, ein gewerblicher Grundstückshandel vor.
Bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns hat der Senat zwar Zweifel, ob es richtig war, daß der Prüfer die Anschaffungskosten der Wohnungen teilweise um die Abschreibungen verringert und den sich ergebenden Betrag dem Veräußerungserlös gegenübergestellt hat. Da jedoch, wie dargelegt, von einem Gewerbebetrieb Grundstückshandel des Klägers ab 1987 auszugehen ist, ist die vom FA vorgenommene Schätzung der Höhe des Gewinns im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klage muß somit abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.