Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.1997, Az.: I 81/97

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.09.1997
Aktenzeichen
I 81/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 27892
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:0902.I81.97.0A

Fundstellen

  • DStRE 1998, 392-393
  • DStRE 1998, 392-393 (Volltext mit amtl. LS)

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1988

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 2. September 1997, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtliche Richterin . Friseurmeisterin

ehrenamtlicher Richter . Anästhesist

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 27.01.1997 wird der Einkommensteuerbescheid vom 14.07.1997 teilweise aufgehoben. Der Beklagte hat die Einkommensteuer 1988 ohne die in dem angefochtenen Bescheid angesetzten sonstigen Einkünfte in Höhe von 2.529. 464 DM festzusetzen.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an den Kläger zu erstattenden Kosten abwenden, sofern dieser nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Umstritten ist, ob ein Spekulationsgewinn im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 b Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegt.

2

Der Kläger (Kl.) ist Molkereimeister. Am 18. und 19. Mai 1988 erwarb er für jeweils 10 Mio. DM Australische Dollar (AUD). Die AUD legte er für jeweils drei Monate (19.05. bis 19.08.1988 bzw. 20.05. bis 22.08.1988) bei der . Bank in Luxemburg festverzinslich an (Zinssatz 10,875 v.H.). Nach Ablauf der drei Monate legte der Kl. die um die Zinserträge aufgestockten Beträge erneut an, und zwar unverändert in AUD. Diese Anlage erfolgte ebenfalls für drei Monate, jeweils bis zum 21.11.1988, bei der . Bank in London, festverzinslich zu 11,5 v.H. Nach Ablauf der zweiten Anlagezeit tauschte der Kl. die AUD am 21.11.1988 zurück in DM und verwendete das Geld anderweitig.

3

Die Zinserträge erklärte der Kl. in seiner Einkommensteuererklärung 1988 als Einkünfte aus Kapitalvermögen; der Beklagte (Finanzamt, FA) besteuerte sie entsprechend. Insoweit besteht kein Streit. Zusätzlich zu, diesen Zinserträgen erzielte der Kl. jedoch durch Kursschwankungen des AUD gegenüber der DM in der Zeit vom 15. Mai bis 21. November 1988 einen Kursgewinn in Höhe von ca. 2,5 Mio. DM. Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, der Kl. habe jeweils zwei voneinander unabhängige Festgeldanlagen in australischer Währung vorgenommen. Denn er habe nach Ablauf der ersten drei Monate das angelegte Geld zurückerhalten und erneut darüber verfügt. Es handele sich um Spekulationsgeschäfte, aus denen sich aufgrund der unterschiedlichen Wechselkurse Veräußerungsgewinne und -verluste ergeben hätten. Auf den tatsächlichen Umtausch der AUD in DM komme es nicht an. Insgesamt habe der Kl. einen Spekulationsgewinn in Höhe von 2.529. 464 DM erzielt, vgl. Bl. 79 ESt-Akte.

4

Diesen "Spekulationsgewinn" unterwarf das FA als "sonstige Einkünfte" der Einkommenbesteuerung. Hiergegen richtet sich -; nach erfolglosem Vorverfahren -; die Klage.

5

Der Kl. trägt vor:

6

Ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 23 Abs. 1 EStG könne nur vorliegen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als sechs Monate betrage. Er habe die AUD am 18. bzw. 19.05.1988 erworben und am 21.11.1988 veräußert; der dazwischen liegende Zeitraum sei länger als sechs Monate. Zwischendurch habe lediglich ein Ortswechsel desselben Wirtschaftsgutes, nämlich der AUD, von Luxemburg nach London stattgefunden. Ein solcher Ortswechsel könne keine Veräußerung im Sinne von § 23 EStG sein.

7

Der Kl. beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1988 in der Fassung vom 14. Juli 1997 die Einkommensteuer ohne sonstige Einkünfte (Spekulationsgewinn) von 2.529. 464 DM festzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Es trägt vor:

10

Der Kl. habe nach Ablauf der Erstanlage seines Geldes die AUD von der . Bank Luxemburg zur . Bank London transferiert. Damit habe er seine Forderungen gegen die Bank Luxemburg eingezogen, dies sei als Veräußerungsgeschäft zu beurteilen. Die nachfolgende Anlage bei der . Bank London sei als erneutes Geschäft zu werten. Somit Lägen zwischen Erwerb und Veräußerung der Gelder jeweils nur ca. drei Monate. Damit handele es sich um Spekulationsgeschäfte im Sinne von § 23 EStG.

11

Im übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

12

Die Klage ist begründet.

13

Der streitige Kursgewinn, den der Kl. im Jahre 1988 erzielt hat, unterliegt nicht der Einkommensteuer. Denn es liegt kein Spekulationsgeschäft vor.

14

Gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 b sind Spekulationsgeschäfte solche Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die keine Grundstücke und ähnlichen Rechte sind (insbesondere von Wertpapieren), nicht mehr als sechs Monate beträgt. Diese Zeitspanne ist im Streitfall überschritten. Denn der Kl. hat die Wirtschaftsgüter, die für ein Spekulationsgeschäft infrage kommen, nämlich die AUD, am 18./19. Mai 1988 erworben und am 21.11.1988 nach Ablauf von mehr als sechs Monaten veräußert. Die Auffassung des FA, es sei bereits nach Ablauf von ca. drei Monaten zu Veräußerungsgeschäften gekommen, trifft nicht zu.

15

Ein Spekulationsgeschäft im Sinne von § 23 EStG kann nur vorliegen, wenn "Nämlichkeit" besteht, d. h. Identität zwischen den angeschafften und den veräußerten Wirtschaftsgütern. Im Streitfall ist unstreitig, daß es sich bei den maßgeblichen Wirtschaftsgütern um die AUD des Kl. handelt. Eine Besonderheit des Falles besteht darin, daß der Kl. seine AUD nicht körperlich erhalten hat und daß er auch keinen Anspruch auf einen Anteil an einem Sammeldepot hatte, wie es z. B. bei Wertpapieren vorkommt. Er hatte vielmehr, wie es bei Bankgeschäften typisch ist, eine Bankforderung in der Valuta "AUD". Wirtschaftlich gesehen ist dies so, als sei er Eigentümer der AUD geworden. Er war damit Kapitalinhaber. Dieses Kapital hat er zunächst der . Bank Luxemburg für drei Monate als Darlehen zur Verfügung gestellt und sodann der . Bank London für erneut drei Monate. Damit hat er beiden Banken jeweils einen Kredit gewährt und als Gegenleistung die vereinbarten Zinsen erhalten.

16

Zwischenzeitliche Veräußerungsgeschäfte liegen nicht vor. Solche könnten allenfalls darin bestehen, daß der Kl. die AUD, die er im Mai 1988 erworben hatte, nach ca. 3 Monaten von der . Bank Luxemburg zurückbekam und sie an einen anderen Schuldner, die . Bank London, verlieh. Sowohl nach den Vorstellungen der Beteiligten als auch nach wirtschaftlichen Gehalt und der rechtlichen Konstruktion dieser Geschäfte handelte es sich jedoch um typische Geldanlagen in Form von Darlehnsgewährungen. Bei solchen zeitlich aufeinanderfolgenden Darlehn werden, zumindest wenn es sich stets um dieselbe Währung -; hier: AUD -; handelt, keine Forderungen eingezogen mit der Folge, daß selbständige Veräußerungsgeschäfte vorlägen.

17

Der von dem Kl. erzielte Kursgewinn ist somit nicht steuerbar, denn er fällt unter keine Einkunftsart des EStG. Die Einkommensteuer 1988 ist ohne die streitigen 2.529. 464 DM festzusetzen. Der Senat hat die Berechnung der Einkommensteuer 1988 gem. § 100 Abs. [xxxxx] Satz 2 FGO dem FA übertragen.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

19

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.