Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.09.1997, Az.: VII 497/96
Steuerliche Abzugsfähigkeit von Baumaßnahmen an einem Betriebsgrundstück als Erhaltungsaufwendungen; Herstellungskostenbegriff nach § 255 Abs. 2 S. 1 Handelsgesetzbuch (HGB)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.09.1997
- Aktenzeichen
- VII 497/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 11153
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0916.VII497.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 255 Abs. 2 S. 1 HGB
Fundstelle
- DStRE 1998, 832 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der Herstellungskostenbegriff nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB gilt auch für das Steuerrecht.
- 2.
Eine Erweiterung i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB ist gegeben, wenn nachträgliche Bestandteile in ein Gebäude eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren.
- 3.
Wird ein Gebäude, in dem sich eine Gastwirtschaft und ein kleinerer Lebensmitteleinzelhandel befinden, im Zuge einer einheitlichen Baumaßnahme durch Einbau eines Restaurantraumes und Verlagerung des Ladens mit Schaffung eines neuen Eingangs, Durchbrechung bzw. Zumauerung von Wänden etc. umgestaltet, liegen Herstellungskosten vor.
Tatbestand
Der Kläger (Kl.) führte im Streitjahr an seinem Betriebsgrundstück Baumaßnahmen durch. Die Beteiligten streiten darüber, ob, wie der Kl. meint, die Aufwendungen dafür Erhaltungsaufwendungen sind.
Der Kl. betreibt in M eine Gastwirtschaft und einen kleinen Lebensmitteleinzelhandel. Im Streitjahr führte er Umbaumaßnahmen durch. Dabei wurde der Laden, schaut man von vorne auf das Gebäude, in einen Raum außen links verlagert, der bis dahin als Getränkelager diente. Für den Laden wurde ein neuer Eingang geschaffen. Die rechte Wand des Ladens wurde zum Teil zugemauert, zum Teil durchbrochen.
Im Bereich des bisherigen Ladens wurde ein Restaurantraum eingerichtet. Dazu wurde eine Wand gezogen, so daß der Raum von dem neuen Lager für den Laden und dem Flur abgetrennt ist. Für den Restaurantraum wurde ein neuer Eingang geschaffen. Nach dem Vortrag des Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung handelt es sich um einen "Scheineingang". Die bisherigen Fenster in diesem Bereich wurden umgestaltet. Zur Anschauung verweist der Senat auf die Zeichnungen und Bilder auf den Seiten 77 bis 83 der Gerichtsakte.
Im Rahmen dieser Baumaßnahmen wurde auch die Giebelfassade saniert. Dabei wurde eine Klinkerwand vorgesetzt. Diese Maßnahme sowie die Erneuerung des Hofpflasters wurde durch das Amt für Agrarstruktur öffentlich gefördert. Der Kl. erhielt einen Zuschuß von 11.260,00 DM.
Zum Zwecke der Werbung für den Betrieb wurden Reklameschilder installiert. Die Gesamtaufwendungen für die vorgenannten Maßnahmen ermittelte der Kl. mit rd. 77.000,00 DM. Er behandelte sie insgesamt als Erhaltungsaufwendungen.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung sah der Prüfer 49.931,00 DM als Herstellungsaufwand an, den er zusammen mit dem Gebäude abschrieb. Aufwendungen für die Erneuerung der Hofpflasterung in Höhe von 15.956,00 DM behandelte er als Erhaltungsaufwand.
Gegen den entsprechenden Änderungsbescheid des beklagten Finanzamts (FA) erhoben die Kläger Einspruch. Sie meinten, bei den strittigen Aufwendungen habe es sich ausschließlich um Aufwendungen für Renovierungen gehandelt. Das Gebäude sei seit je her als Geschäftsgrundstück genutzt worden. Es habe keine Nutzungsänderung stattgefunden, da der Lebensmitteleinzelhandel und die Gaststätte seit je her eine Einheit gebildet hätten.
Das FA wies den Einspruch zurück. Es führte im wesentlichen aus, die Umbaumaßnahmen hätten zu einer anderen Aufteilung der Räume und zu einer veränderten Nutzung geführt. Die dazu notwendigen Maßnahmen - Einziehen und Abreißen von Wänden - seien Herstellungsmaßnahmen. Die Baumaßnahmen insgesamt - ausgenommen die Hofpflasterung - seien als eine einheitliche Maßnahme zu sehen. Folglich seien die Aufwendungen dafür insgesamt Herstellungsaufwand.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage. Sie wiederholen ihre bisherige Rechtsauffassung.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuer 1994 auf 7.384,00 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner bisherigen Rechtsauffassung.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die strittigen Aufwendungen sind Herstellungskosten.
Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seiner Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht (BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BStBl II 1996, 626 [BFH 31.07.1996 - XI R 78/95]).
Eine Erweiterung im vorgenannten Sinn ist gegeben, wenn nachträglich Bestandteile in ein Gebäude eingebaut werden, die bisher nicht vorhanden waren (BFH-Urteile vom 29. August 1989 IX R 176/84, BStBl II 1990, 430, und vom 16. Februar 1993 IX R 85/88, BStBl II 1993, 544). Bei Erweiterungen in diesem Sinne kommt es nicht darauf an, daß das Gebäude dadurch in seinem Wesen verändert oder über seinen bisherigen Zustand erheblich verbessert wird.
Im Streitfall wurde das Gebäude in diesem Sinne erweitert, denn es wurden Bestandteile eingebaut, die bis dahin nicht vorhanden waren. Es wurden neue Wände gezogen, ein neuer Schornstein hergestellt, neue Eingänge und Fenster geschaffen und Reklamevorrichtungen angebracht.
Alle Maßnahmen - ausgenommen die Erneuerung der Hofpflasterung - sind als ein einheitlicher Vorgang zu werten. Es war eine einheitliche Umbaumaßnahme zum Zwecke einer Funktionsänderung bezüglich des betroffenen Teils des Gesamtgebäudes. Der bisherige Laden wurde zum Restaurant umgestaltet, die übrigen Räume zum jetzigen Laden. Daß Aufwendungen, die dazu dienen, die Funktion von Räumen zu ändern, zu den Herstellungskosten gehören, ergibt sich schlüssig aus dem BFH-Urteil vom 10. Mai 1995 IX R 62/94, BStBl II 1996, 639. Dort war der bisherige Heizungskeller zum Spielkeller umgestaltet. Daß die Aufwendungen im Zusammenhang damit zu den Herstellungskosten gehörten, davon gingen das Finanzgericht als auch der BFH ohne weitere Erörterung aus.
Bei einer einheitlichen Maßnahme gehören Aufwendungen auch insoweit zu den Herstellungskosten, als sie für sich betrachtet Erhaltungsaufwand wären. Die Aufwendungen für die Umgestaltung und - zugleich - Sanierung der Fassade gehören deshalb zu den Herstellungskosten, für die Kosten der neuen zusätzlichen Klinkerwand gilt dies ohnehin.
Im Rahmen der gesamten Maßnahme wurden auch Mauerteile entfernt. Eine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG scheidet indes wegen Geringfügigkeit aus (BFH-Urteil vom 10. Mai 1994 IX R 26/89, BStBl II 1994, 902).
Da die Klage ohne Erfolg bleibt, tragen die Kläger gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens.