Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.09.1997, Az.: I 451/97
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 16.09.1997
- Aktenzeichen
- I 451/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27903
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0916.I451.97.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Vermögensteuer auf den 1. Januar 1996
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 16. September 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter . Bankdirektor
ehrenamtliche Richterin . Bankkauffrau
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Festsetzung von Vermögensteuer im Jahre 1997 aus verfassungsrechtlichen Gründen zulässig ist.
Die Klägerin (Kl'in) reichte ihre Vermögensteuererklärung im Dezember 1996 beim Finanzamt (FA) ein. Das FA veranlagte die Kl'in erklärungsgemäß, und zwar durch Neuveranlagungsbescheid vom 24. Februar 1997.
Dagegen hat die Kl'in nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der sie dem Beklagten (Bekl.) die Berechtigung abspricht, Vermögensteuerbescheide noch nach dem 31. Dezember 1996 erlassen zu dürfen. Sie verweist dazu auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995, 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 [BVerfG 22.06.1995 - 2 BvL 37/91]), in dem die derzeitige Besteuerung des Vermögens als verfassungswidrig und längstens bis zum 31. Dezember 1996 als anwendbar erkannt worden war. Der angefochtene Bescheid sei jedoch erst danach ergangen. Er sei daher verfassungswidrig.
Die Kl'in beantragt,
den Vermögensteuerbescheid -; Neuveranlagung -; auf den 1. Januar 1996 vom 24. Februar 1997 und den Einspruchsbescheid vom 14. Mai 1997 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, daß der Beschluß des BVerfG nicht so zu verstehen sei, daß nach dem 31. Dezember 1996 überhaupt gar keine Vermögensteuer mehr festgesetzt werden dürfe. Richtig sei vielmehr, daß das Vermögensteuergesetz für Tatbestände nach dem 31. Dezember 1996 nicht mehr anwendbar sei. So habe das auch der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung eines Vermögensteuerbescheides mit Beschluß vom 18. Juni 1997 festgestellt.
Wegen des Vertrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und Vorverfahren verwiesen.
Gründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Das Gericht hat sich trotz des Antrags der Kl'in, das Verfahren auszusetzen, zu einer Sachentscheidung veranlaßt gesehen. Zur Zeit der mündlichen Verhandlung lagen bereits mehrere Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Streitfrage vor.
2. Der angefochtene Vermögensteuerbescheid hält einer rechtlichen Nachprüfung stand. Er steht im Einklang mit dem Vermögensteuergesetz in der für den Veranlagungszeitpunkt geltenden Fassung. Das Gericht schließt sich insoweit der übereinstimmenden Auffassung aller Beteiligter an.
3. Das Gericht teilt indes nicht die Auffassung der Kl'in, daß der angefochtene Bescheid verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht gerecht werde, weil er erst nach dem 31. Dezember 1996 bekanntgegeben worden sei.
Das BVerfG hat mit Beschluß vom 22. Juni 1995 -; auf den die Kl'in bereits hingewiesen hat -; erkannt, daß das Vermögensteuergesetz nicht etwa nichtig ist, sondern trotz seines verfassungswidrigen Zustandes weiterhin angewendet werden dürfe, und zwar bis zum 31. Dezember 1996. Der Senat versteht diese zeitliche Befristung der weiteren Anwendbarkeit des Gesetzes dahin, daß es für alle vor 1997 endenden Veranlagungszeiträume unabhängig davon fortgilt, wann im Einzelfall über die Steuerfestsetzung entschieden wird. Diese Erkenntnis gewinnt der Senat aus den Gründen, die das BVerfG veranlaßt haben, anstelle einer ebenfalls denkbaren Nichtigkeitserklärung des Gesetzes nur dessen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz auszusprechen. Das BVerfG hat dazu festgestellt, daß die Erfordernisse einer verläßlichen Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzuges die Weitergeltung erforderlich machen. Gerade die zuletzt genannte Notwendigkeit bedingt jedoch eine Anwendung des Gesetzes auch für Bescheide, die erst nach dem 31. Dezember 1996 ergehen. Wollte man die Besteuerung des Vermögens für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 1996 davon abhängig machen, ob der entsprechende Festsetzungsbescheid vor oder nach diesem Datum ergeht, hinge der Verwaltungsvollzug von Zufälligkeiten ab, möglicherweise davon, wann der Steuerpflichtige seine Erklärung beim FA einreicht. Ein gleichmäßiger Verwaltungsvollzug wäre nicht mehr gewährleistet.
In dieser Einschätzung sieht sich der Senat gestärkt durch den Beschluß des BFH vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BFHE 182, 379, BStBl II 1997, 515, und dessen Urteil vom 30. Juli 1997 II R 9/95, DStR 1997, 1484. In diesen Entscheidungen kommt der BFH ebenfalls zu der Erkenntnis, daß das Vermögensteuergesetz für alle Veranlagungszeiträume bis zum 31. Dezember 1996 fortgilt, auch wenn die Steuerfestsetzung erst danach stattfindet. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.