Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.1997, Az.: I 194/95
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.09.1997
- Aktenzeichen
- I 194/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 27891
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1997:0902.I194.95.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1992
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 2. September 1997, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtliche Richterin . Friseurmeisterin
ehrenamtlicher Richter . Anästhesist
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Rufhebung des Einspruchsbescheids vom 20.06.1995 wird der Einheitswertbescheid vom 22.02.1995 geändert und der Einheitswert auf ./. 61. 000 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, es sei denn die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob auf den 01.01.1992 eine Forderung der Klägerin (Kl'in) gegen die Brandkasse bei der Festsetzung des Einheitswertes des Betriebsvermögens zu berücksichtigen ist.
Die Kl'in, die ihren Gewinn nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, betrieb eine Gaststätte, einen Beherbergungsbetrieb und eine Diskothek in W.. In 1991 ist der Tanzsaal des Betriebs der Kl'in durch Brand zerstört worden.
Der Betrieb der Kl'in war bei der . Brandkasse gegen Brand versichert. § 51 des Gesetzes betreffend die . Landesbrandkasse vom 28. April 1910 hat folgenden Wortlaut:
"(1) Die Auszahlung der Entschädigungssumme kann bis zu zwei Dritteilen 2 Monate nach dem Eintritte des Versicherungsfalles verlangt werden, wenn der Landesbrandkasse gegenüber von dem Beschädigten die Wiederherstellung des abgebrannten oder beschädigten Gebäudes in Höhe der beantragten Teilzahlung nachgewiesen oder anderweitig sichergestellt wird.
(2) Die Auszahlung des Letzten Dritteils kann erst dann verlangt werden, wenn der Neubau vollendet und wenigstens in Höhe der bisherigen Versicherungssumme zur Landesbrandkasse eingeschätzt ist.
(3) ."
In § 52 Abs. 1 des o.g. Gesetzes ist geregelt, daß die Entschädigungssumme bei Vermeidung des Verlustes derselben oder der Verpflichtung zur Rückzahlung vollständig zur Wiederherstellung des zerstörten oder beschädigten Gebäudes zu verwenden ist.
§ 56 des Gesetzes legt in Abs. 1 fest, daß der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn die Entschädigungssumme nicht binnen zehn Jahren, vom Tage des Brandes an gerechnet, erhoben wird.
Nach Überprüfung hat die . Brandkasse die Entschädigungssumme für den durch Brand vernichteten Tanzsaal auf 2.427. 136 DM festgesetzt.
Die Kl'in hat diesen Betrag in ihrer Einheitswerterklärung angesetzt und gleichzeitig eine Rücklage wegen der Verpflichtung zum Wiederaufbau der Tanzhalle in Höhe von 1.981. 456 DM gebildet. Der Beklagte (Bekl.) hat im angefochtenen Einheitswertbescheid auf den 01.01.1992 zwar die Forderung angesetzt, nicht aber die Rücklage.
Hiergegen wendet sich die Klage, mit der die Kl'in vorrangig begehrt, die Entschädigungsforderung gegen die Brandkasse nicht zu berücksichtigen. Zur Begründung trägt sie vor, der Ansatz der Forderung sei unzulässig. Denn zum Stichtag habe sie noch nicht mit dem Wiederaufbau des zerstörten Gebäudeteiles begonnen. Da nach § 51 des Gesetzes betreffend die . Brandkasse die Entschädigung erst nach Wiedererrichtung des Gebäudes auszukehren sei, handele es sich um eine aufschiebend bedingte Forderung, die nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu berücksichtigen sei.
Hilfsweise, für den Fall, daß die Forderung anzusetzen sei, sei jedoch eine Rücklage wegen Ersatzbeschaffung zu bilden. Letztendlich dürfe die Forderung, wenn sie überhaupt Berücksichtigung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens haben sollte, nicht mit dem gemeinen wert, sondern mit dem wert des zu schaffenden Wirtschaftsgutes angesetzt werden.
Die Kl'in, die zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, hat im Schriftsatz vom 10.08.1995 beantragt,
das vermögen zum 1. Januar 1992 vermindert um 2.427. 136 DM festzustellen.
Der Bekl., der ebenfalls nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, hat im Schriftsatz vom 7. September 1995 den Antrag formuliert,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Zur Begründung dieses Klagabweisungsantrages beruft sich der Bekl. auf § 109 des Bewertungsgesetzes (BewG). Nach kaufmännischen Gesichtspunkten sei die Forderung der Kl'in gegen die . Brandkasse schon als Vermögenswert per 01.01.1992 zu aktivieren. Denn die Brandkasse habe am 17.12.1991 den Schaden anerkannt und die Höhe der Entschädigungssumme festgelegt. Mit dieser Anerkennung sei die Forderung entstanden und sie müsse bei der Vermögensteuer berücksichtigt werden. Er sehe zwar, daß die Auszahlung der Entschädigungssumme an die Wiedererrichtung des zerstörten Gebäudeteiles geknüpft sei und daß die Kl'in, falls sie den Wiederaufbau nicht betreibe, auf diese Entschädigung verzichten könne. Von einem solchen -; wirtschaftlich unsinnigen -; verhalten könne grundsätzlich, also auch in diesem Fall nicht ausgegangen werden.
Da die von der Kl'in hilfsweise begehrte Rücklage wegen Ersatzbeschaffung nach § 103 Abs. 3 BewG nicht abzugsfähig sei und die Voraussetzungen für eine Rückstellung wegen Ungewisser Verbindlichkeiten nicht vorliegen, habe er zu Recht in vollem Umfang die Entschädigungsforderung bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1992 angesetzt.
Wegen des weitergehenden Vorbringens wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Steuerakten des Bekl. unter der St.-Nr. Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der streitige Brandkassen-Entschädigungsanspruch ist bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Kl'in auf den 01.01.1992 nicht anzusetzen.
Dies ergibt sich aus § 109 Abs. 4 BewG in der für den Stichtag maßgeblichen Fassung. Hiernach sind Kapitalforderungen mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung ergeben.
Die Forderung der Kl'in gegen die . Brandkasse ist nach den Grundsätzen über die steuerliche Gewinnermittlung nicht anzusetzen. Denn aufschiebend bedingte Ansprüche sind nicht zu aktivieren (Urteil des Bundesfinanzhofs -; BFH -; vom 26.04.1995, I R 92/94, BStBl II 1995, 594, Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 5 EStG, Anm. 2200 "Forderungen"; Schmidt-Weber/Grellet, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. § 5 Rd. -; Ziff. 270).
Bei der Entschädigungsforderung der Kl'in gegen die . Brandkasse handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Forderung. Eine aufschiebende Bedingung ist ein ungewisses zukünftiges Ereignis. Worin die Ungewißheit des zukünftigen Ereignisses liegt, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Selbst wenn der Eintritt des zukünftigen Ereignisses allein vom Willen einer Partei abhängig ist (Potestativbedingung), bleibt letztendlich der Eintritt der Bedingung ungewiß und es Liegt eine aufschiebende Bedingung vor.
Im Streitfall lag eine solche aufschiebende Bedingung vor. Diese Bedingung bestand darin, daß die Kl'in sich zum Wiederaufbau entschließen und daß der rechtzeitige Wiederaufbau der zerstörten Gebäude nachgewiesen oder sichergestellt werden mußte. Nur bei Eintritt dieser Bedingung war die . Landesbrandkasse verpflichtet, den Entschädigungsanspruch auszuzahlen. Bei Nichteintritt der Bedingung hätte sie nicht gezahlt.
Der rechtlichen Qualifizierung der Forderung als aufschiebend bedingte Forderung kann nicht entgegengehalten werden, daß die Kl'in doch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit den Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes betreiben werde. Denn nicht eine hohe Wahrscheinlichkeit des Bedingungseintrittes, sondern nur der Eintritt der Bedingung verändert die Qualität des Anspruchs zu einem gegenwärtigen, aktivierungspflichtigen Vermögenswert.
Die Forderung gegen die . Brandkasse war folglich nicht bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 01.01.1992 zu berücksichtigen. Unter Wegfall dieser Forderung verringert sich der im angefochtenen Bescheid festgesetzte Einheitswert des Betriebsvermögens um 2.427. 136 DM und beträgt gerundet ./. 61. 000 DM.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 151 Abs. 3 und 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.